Karin Schmidt

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Last Statements

Frau Präsidentin, da Sie darauf verwiesen, dass die Zwischenrufe nicht das Günstigste sind, sondern dass man von hier vorn seine Meinung kundtun soll, möchte ich dies an dieser Stelle tun
als zehn Jahre sehr intensive Raucherin,
die dann aus eigenem Interesse aufgehört hat zu rauchen. Auch als Lehrerin, die sich jahrelang damit herumplagen konnte im wahrsten Sinne des Wortes,
die Gebote, die wir in der Schule hatten, dass nicht geraucht werden kann, durchzusetzen. Da der Schulhof weiträumig offen war, die Schüler dann einzusammeln, da sie diesem Gebot auf dem Schulhof nicht nachkamen, um sich dann damit auseinanderzusetzen, welche Strafkataloge,
von denen hier wiederholt gesprochen worden ist, nun zur Anwendung kommen sollen und in welcher Form.
Die Eltern, die zu Hause rauchten, klopften sich dann freundlich an die Brust und sagten, mein Kind muss das alleine entscheiden können et cetera.
Ich habe damit so meine ganz privaten Erfahrungen. Aber mich überrascht es schon ein klein wenig bei den Ausführungen von Frau Schlupp und jetzt auch bei Ihnen,
Herr Glawe, dass Sie eigentlich dokumentierten, dass zum einen das, was Sie propagieren, nämlich dass die Familie das Entscheidende dabei ist, Werte und auch Verhaltensweisen et cetera zu vermitteln, versagt hat, weil Sie sagten, sie kriegen das in Ihrer Erziehung dann mit Freiwilligkeit nicht hin und rufen dann nach dem Staat,
wo Sie auf der anderen Seite immer sagen, dass der Staat dieses nicht tun soll.
Dazu habe ich ganz persönlich Fragen.
Und wenn Sie sogar hier darstellen, dass ein Gesetz, über das hier geredet worden ist, Kinderjugendschutzgesetz, versagt und dass wir deswegen ein neues Gesetz brauchen,
um das noch zu untermauern,
dann frage ich anknüpfend an gestern, wie das, was zur Deregulierung gesagt worden ist, realisiert werden soll. – Danke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als es um die Festlegung der Redezeiten im Rahmen der Landtagssitzung zu diesem Tagesordnungspunkt ging, war ich der Auffassung, dass wir dieses hier ohne Aussprache gestalten können, weil ich davon ausging, dass bei der Novellierung eines Landesgesetzes, um das es hier heute geht, gar keine weiteren Fragen aus dem Sachverhalt heraus auftreten könnten, da wir in den zurückliegenden Wochen wiederholt, sei es bei der Thematik Familie, sei es bei der Thematik Frauen, sei es bei der Thematik Gleichstellung, ich nenne sie bewusst alle nebeneinander, immer wieder zu der Feststellung gekommen sind, dass Frauen – und das hat Frau Dr. Seemann noch einmal sehr nachhaltig dargestellt – in vielerlei Hinsicht in unserem Bundesland, in der Bundesrepublik insgesamt benachteiligt sind, sei es in sozialer, materieller oder hierarchischer Sicht, von der Sie auch sprachen, Frau Fiedler-Wilhelm, das heißt also, dass Benachteiligungen vorhanden sind.
Zum Zweiten ging oder geht es um das Gesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Die Angleichung
haben Sie eigentlich auch am Anfang Ihrer Ausführungen begrüßt,
dann aber doch wieder darauf abgehoben zu sagen, weil wir einmal so entschieden haben, bleiben wir dabei.
Da Sie an anderer Stelle wiederholt betonten, dass man dazulernen soll, was Sie uns immer vorwerfen, dass wir das nicht tun, verwundert es mich, dass an dieser Stelle eine solche Begründung erfolgt. Wenn ich einmal so geredet habe, bleibe ich dabei.
Zum Zweiten verwundert mich die Darstellung, die Sie hier gemacht haben, dass diese zwei Stellen – und da gebe ich Ihnen sogar Recht – sicher nicht ausreichend sind, man über mehr diskutieren könnte. Die Frage ist, ob man das an der Stelle so realisieren kann.
Aber ganz darauf zu verzichten, weil es zu wenig sind an dieser Stelle, verwundert mich in der Logik der Argumentation auch.
Dann frage ich mich vom Grundsatz her: Wo sollte man denn eigentlich anfangen bei Veränderungen, wenn so kleine Steinchen als nicht notwendig eingeordnet werden?
Doch, doch.
Das ist Ihre Ansicht dazu, sehen Sie.
Ja, man lernt sich immer wieder neu kennen, Herr Renz. Angesichts der Tatsache, wie oft wir Sie hier neu kennengelernt haben in vielen Ihrer Argumentationen,
gestatten Sie mir dieses auch einmal, zumindest heute an dieser Stelle.
Aber zurück zu dem Gesetzentwurf, um den es hier geht. Zwei Bemerkungen dazu, denn ich denke, dass die Novellierung dieses Gesetzes eigentlich ganz notwendig ist
auch dahingehend, dass es um die Gleichstellung von Männern und Frauen geht. Und richtig ist, wenn Sie davon sprechen, dass gerade im Schulbereich vielleicht vor allen
Dingen Frauen beschäftigt sind, dass da heraus die Notwendigkeit,
so, wie Sie es dargestellt haben, der Frage der Gleichstellung nicht gegeben ist. Aber Frau Dr. Seemann hat sehr ausführlich dargestellt, was noch alles dazugehört bei dieser Gesetzesnovellierung, und ich denke, dass in Zukunft für die Personalentwicklung dieses Landes die Mitsprache schon notwendig ist. Ich bedauere es eigentlich zutiefst, dass Sie als Frau hier vorn in dem Falle stehen und eine solche Stelle oder eine solche Gesetzesnovellierung infrage stellen, weil ich denke, wir sollten uns vielmehr einig sein als Frauen parteiübergreifend und nicht wieder trennenderweise,
denn die Fragen der Gleichstellung sind nach wie vor ganz wichtige, auch im öffentlichen Dienst und vor allen Dingen, wenn wir von den Treppenleitern der Hierarchien sprechen und dort, wo Frauen vertreten sind. Und da Sie, entschuldigen Sie diese Bemerkung noch, auch darauf abgehoben haben,
dass Sie nicht deshalb falsch interpretiert werden können, weil Sie in Ihrer Fraktion auch junge Frauen vertreten haben, die genau zum Beispiel die Vereinbarkeit, über die wir hier oft gesprochen haben, von Beruf und Familie ohne Frage realisieren, denke ich doch – aber das ist jetzt eine ganz persönliche Meinung –, wenn ich mir dieses anschaue in Vorbereitung der nächsten Landtagswahl und Ihre Liste, unabhängig von den Direktmandaten,
dann ist die Frauenquote bei Ihnen relativ gering vertreten
und es schließt sich für mich wieder hier der Kreis, dass es schon noch ein generelles Problem irgendwo auch in dieser Gesellschaft sein könnte.
Es war nur eine persönliche Bemerkung.
Eine letzte...
Eine letzte Bemerkung und die halte ich persönlich für ganz wichtig. Es
ist oft genug an dieser Stelle angemahnt worden, dass das Land in Verantwortung steht, auch in seiner Vorbildwirkung insgesamt für die Verwaltungen in diesem Land. Wir haben hier vor wenigen Wochen das Verwaltungsmodernisierungsgesetz verabschiedet, meine Auffassung zu diesem Gesetz kennen Sie. Aber es gibt unter anderem einen Paragrafen, der festschreibt, wie in Zukunft die Strukturen von Gleichstellung in diesem Land organisiert werden sollen bei der Zusammenführung der verschiedenen Kreise. Und es ist festgeschrieben worden, dass wir dort eindeutig sagen, wie viel wir in jedem Kreis wollen. Das ist schon hier im Parlament strittig diskutiert worden, insbesondere – jetzt sage ich das auch – von den Herren. Mittlerweile ist dieses Gesetz veröffentlicht
und es geistert durch dieses Land die Begründung, dass genau dieser Punkt, wenn es Klagen geben würde, einer sein könnte, gegen den man klagen will, umso mehr dafür eine Begründung, hier als Land beispielgebend mit einer solchen Novellierung voranzugehen, um zu zeigen,
dass insgesamt im Land Strukturen notwendig sind, die eine Gleichstellung realisierbar machen, die wir heute noch nicht haben. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Staat wird wesentlich durch seine Verfassung bestimmt. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich ein Grundgesetz gegeben, das wesentliche Grundlagen für das Zusammenleben der Einwohner/-innen festschreibt. Das Grundgesetz hat Grenzen aufgegeben, damit wir frei leben können, aber auch Aufgaben und Ziele, mit denen es unsere Freiheiten unterstützt. Es gibt Staatsziele wie soziale Gerechtigkeit, Schutz der Umwelt oder Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern. Aber was ist mit Kultur? Noch fehlt sie im Grundgesetz. Das wollen viele ändern. Politiker und
Politikerinnen aller demokratischen Parteien, die EnqueteKommission „Kultur in Deutschland“ und natürlich die kulturell Engagierten und Kultur schaffend Tätigen und deren Organisationen und Verbände, sie alle wollen ein Staatsziel Kultur. Was aber soll und kann es im Einzelnen bewirken? Muss man dann Kultur neu definieren?
Meine Damen und Herren! Zweimal schon wurde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland die Frage der Erwähnung von Kultur im Grundgesetz in politischer Entscheidungsnähe erörtert: 1981 bis 1983 durch eine „Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen/ Gesetzgebungsaufträge“ sowie in den Jahren 1992 bis 1993 im Rahmen einer Verfassungskommission, die Vorschläge für eine im Zuge der Deutschen Einheit angeregte Aktualisierung des Grundgesetzes erarbeiten sollte. Zwar wurden jeweils konkrete Formulierungsvorschläge zur Festschreibung eines Kulturstaatszieles angeboten, diese jedoch nicht übernommen.
Vor dem Hintergrund der europäischen Integration der
Globalisierungsprozesse und den schon gestern dargelegten Grundsätzen des Europäischen Parlaments zu Fragen der Kultur beschloss der Bundestag im Jahr 2003 die Einsetzung einer Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“. Sie sollte eine Grundlage dafür erarbeiten, den gesellschaftlichen Wandel kulturpolitisch sinnvoll zu begleiten und zu gestalten, und dies tat sie parteiübergreifend auch. Einstimmig kamen die Kommissionsmitglieder zu der Auffassung, das Staatsziel „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ als Artikel 20 b in das Grundgesetz aufzunehmen.
Im Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst 2005 hatten sich dieses Ziel auch alle auf die Fahnen geschrieben. Seit der Neuwahl des Bundestages ist jedoch eine entsprechende fraktionsübergreifende Initiative nicht in greifbarer Nähe. Die CDU wie auch die SPD wollen zunächst die Ergebnisse der Anhörung zum Föderalismus im Bundestag abwarten und das Thema dann in der Enquete-Kommission erneut diskutieren. Sie bräuchten noch Zeit, um für Mehrheiten in ihren Parteien zu werben. Hintergrund sind die Widerstände in einzelnen Bundesländern, die ihre Kulturhoheit bedroht sehen. In dieser Situation hat sich das Kulturforum der Sozialdemokratie mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt, die Bestrebungen für ein Staatsziel Kultur zu unterstützen. Das trifft sich mit den Intentionen der Linkspartei.PDS und auch deshalb der vorliegende Antrag. Damit wollen wir den Meinungsbildungsprozess der Bundesebene auch durch den Landtag Mecklenburg-Vorpommern unterstützend befördern.
Meine Damen und Herren! Führende Staatsrechtler der Bundesrepublik haben im Zuge der Beratungen der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ betont, dass eine Staatszielbestimmung Kultur föderalismusneutral ist. Sicher führte auch diese Bewertung zu der schon dargestellten Entscheidung der Enquete-Kommission. Umso weniger ist der jetzt eingetretene Abwartezustand zu verstehen.
Warum aber ein Staatsziel Kultur? Die gesellschaftliche Entwicklung wird wesentlich von Kultur getragen. Die Erscheinungsformen von Kultur sowie die von ihr wahrgenommenen Funktionen sind unmittelbar mit den Entwicklungen des Gemeinwesens verbunden. Auf allen Ebenen der Gesellschaft bietet sie den Einwohnerinnen und Einwohnern ein Forum zur Entwicklung von Gemeinsinn, für
Integration und Verständigung über demokratisches Verhalten. In einer sich entwickelnden Bürgergesellschaft ist Kultur bereit, in noch größerem Umfang Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, generationsübergreifend.
Diese Bedeutung sollte sich im Grundgesetz einfach widerspiegeln.
Die Enquete-Kommission verwies in diesem Zusammenhang auch darauf, dass das Europäische Verfassungsrecht einen Kulturartikel mit dem Artikel 151 des Vertrages enthält. Im Grundgesetz gibt es bereits Staatszielbestimmungen, die die materiellen Bedingungen menschlicher Existenz abdecken. Für die geistigen, ideellen Dimensionen menschlichen Daseins, so die EnqueteKommission, fehle eine entsprechende Bestimmung, was zu einer verfassungsmäßigen Lücke führe, eine ausdrückliche Formulierung zum Schutz und zur Förderung der Kultur. Als Definition wurde von der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ die grundsätzliche Umschreibung der von der Bundesregierung 1981 eingesetzten Sachverständigenkommission als zutreffend angesehen, die Folgendes formulierte: „Staatszielbestimmungen sind von dem Begriff des Gesetzgebungsauftrags, der sich allein an den Gesetzgeber richtet, von Programmsätzen mit bloßen Anregungen an den Gesetzgeber, in bestimmten Gebieten tätig zu werden, und von Grundrechten, die einklagbare, individuelle Rechtspositionen schaffen, zu unterscheiden.“
Die Kommission leistete auch auf dieser Grundlage eine umfangreiche und umfassende Arbeit. So befasste sie sich mit Modellen möglicher Verfassungsänderungen, nahm eine Bestandsaufnahme des Kulturverfassungsrechts von Bund, Ländern und der EU vor, wog Argumente pro und contra ab, befasste sich mit der Frage der Justiz und kam letztlich zur Befürwortung einer Staatszielbestimmung als Kulturgestaltungsauftrag und zum Formulierungsvorschlag, der da lautet: „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“
Aber wer oder was ist nun eigentlich mit dieser Kultur, um die es als Staatsziel gehen soll, gemeint? Bodo Pieroth schreibt: „Doch ist anerkannt, dass Kultur als Rechtsbegriff Tätigkeiten und Gegenstände geistig schöpferischer Arbeit umfasst. Sicher dazu gehören Wissenschaft, (Aus-) Bildung und Kunst. Diese Begriffe werfen ähnliche Bedenken bezüglich ihrer Bestimmtheit auf, die sich aber dadurch erledigen, dass wir diese Begriffe im geltenden Verfassungsrecht vorfinden und sie anwenden müssen; Rechtsarbeit ist immer Grenzziehung.“
Meine Damen und Herren! Niemand der Befürworter/-innen eines Kulturpassus im Grundgesetz erwartet, dass plötzlich paradiesische Zustände für die Kultur geschaffen werden könnten. Damit kann weder Geld, das bisher fehlt, herbeigezaubert werden, noch kann eine Kommune davon abgehalten werden, statt eines Festivals für zeitgenössische Musik lieber Kita-Plätze zu finanzieren. Es wird auch kein Individualanspruch auf Kulturförderung entstehen.
Der CDU-Abgeordneten Gitta Connemann, die Vorsitzende der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ war, ist aber zuzustimmen, wenn sie mit „der Aufnahme dieser Formulierung im Grundgesetz die Erwartung“ verbindet, „dass mit der Verankerung ein Auslegungs- und
Anwendungsmaßstab für Gerichte und Verwaltungen gegeben wird, der sich positiv auf den Erhalt und die Weiterentwicklung unserer Kulturlandschaft auswirkt.“
Der Sachverständige in der Enquete-Kommission Oliver Scheytt, Beigeordneter der Stadt Essen für Kultur, Jugend und Sport, erwartet Erleichterungen bei Haushaltsverhandlungen, wenn auf ein Grundgesetz verwiesen werden könnte, aus dem sich auch ein Gestaltungsauftrag im Kulturbereich ergäbe.
Selbst die FDP, die sonst dem Staat gern straffe Zügel anlegen möchte, plädiert für eine solche Grundgesetzänderung.
In einer Zeit, in der Kultur sich als globales Thema und auch als Konfliktstoff erweist, hält es die Fraktion der Linkspartei.PDS für sehr wichtig, sich zum Staatsziel Kultur zu bekennen. Das gilt insbesondere unter Beachtung der Gefahren, die der Kulturlandschaft in Deutschland drohen, zum Beispiel durch Forderungen nach immer höherer Effizienz von Kultur und Kunst. Das meine ich nicht nur in haushalterischem Sinne, sondern wegen des Infragestellens von Kultur überhaupt angesichts einer aggressiv operierenden globalen Unterhaltungs- und Werbeindustrie, die die totale Sinnfreiheit feiert und sonst gar nichts. Es geht uns also auch um eine Stärkung des Gewichts der Kultur in Konkurrenz mit anderen mächtigen Interessen.
In fast allen Bundesländern ist die Förderung von Kunst und Kultur schon eine staatliche Aufgabe von Verfassungsrang, so auch in Mecklenburg-Vorpommern. Die geforderte Ergänzung des Grundgesetzes greift in diesen kulturellen Auftrag nicht ein, sondern stützt ihn. Deshalb bitte ich Sie, diesen Antrag zu unterstützen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Lohse hat gesagt, der Worte sind genug gewechselt. Sicher könnte man davon ausgehen. Nichtsdestotrotz möchte ich mit meinen nachfolgenden Ausführungen versuchen, vielleicht, Entschuldigung, den Rest der hier anwesenden CDU-Fraktion dafür zu gewinnen, doch dem Antrag zuzustimmen,
allein aus dem einfachen Grund heraus, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass in Vorbereitung der Bundestagswahl die CDU bundesweit davon ausgegangen ist, föderalismusfeindlich zu sein, indem sie den Antrag auch dort ihrerseits in ihrem eigenen Wahlprogramm gestellt hat, Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz aufnehmen zu wollen. Das widerspricht dann doch ein klein wenig den hier gemachten Ausführungen von Ihrer Seite, Herr Caffier.
Meine Damen und Herren, die aktuellen Herausforderungen, denen sich unsere Gesellschaft und damit auch wir als Politiker/-innen stellen müssen, sind zahlreich und vielschichtig. Beständig spielen sie auch in unseren Debatten hier eine Rolle. Als Stichworte nenne ich Demografie, Migration, Veränderungen in der Arbeitswelt, Kultur einer friedlichen Konfliktlösung, Mediokratie, Suche nach und Entdecken von europäischen Identitäten oder Chancengleichheit. Sie haben auch mit Kultur zu tun und Kultur mit ihnen, Kultur im Sinne der UNESCO-Definition, die ich hier gestern schon vorgetragen habe.
Kultur ist mehr als ein weicher Standortfaktor. Sie ist Instrument aktiver Krisenbewältigung, welches man gerade angesichts ungewisser Zukunft mehr den je braucht. Eine Kulturstaatsklausel im Grundgesetz ist dazu angetan, Kultur zu stärken, auch angesichts weiterer kulturpolitischer Herausforderungen. Allein in diesem Jahr stehen wiederholt Themen wie Arbeitsmarktkultur, Urheberrecht, Föderalismus im Zusammenhang mit kultureller Förderpolitik oder bürgerschaftliches Engagement auf der Tagesordnung. Die konkreten Auswirkungen demografischer Verschiebungen werden auch den Bereich Kultur betreffen, unserer Meinung nach aber nicht in dem Sinne, nun können wir uns bei dem erreichten Stand zurückleh
nen und vielleicht dann auch noch abbauen. Nein, unser Bestreben sollte dahin gehen, ein Bewusstsein zu entwickeln, dass demografische Veränderungen nicht zwingend weniger Kultur erfordern, sondern die Bedeutung von Kultur mit ihren bildenden und sozialen Funktionen für die Gesellschaft wachsen wird. Es geht letztlich nicht um die Frage, ob wir uns unter diesen Bedingungen noch Kultur, gemeint sind künstlerische Einrichtungen, leisten können, sondern darum, welche größeren und komplizierteren Aufgaben Kultur zu leisten hat.
Allein diese Begründung würde meiner Meinung die Aufnahme der Kultur ins Grundgesetz rechtfertigen. Aber nichtsdestotrotz gibt es noch viele weitere Gründe. Zu einigen möchte ich mich dezidiert äußern.
Erstens. Nehmen wir die Chancen und Möglichkeiten, aber auch Risiken und Gefahren des Arbeitsmarktes Kultur – eine Frage, mit der sich, wenn ich mich richtig erinnere, Ende letzten Jahres auch die Kultusministerkonferenz befasste. Verlässliche Aussagen zu dieser Thematik enthält die Studie „Kulturberufe in Deutschland – Statistisches Kurzporträt zu den erwerbstätigen Künstlern, Publizisten, Designern, Architekten und verwandten Berufen im Kulturberufemarkt in Deutschland 1995 – 2003.“ Diese war von Michael Söndermann, Arbeitskreis Kulturstatistik, im Auftrag der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien erstellt und von Christina Weiss, der damaligen Kulturstaatsministerin, im Oktober 2004 vorgestellt worden. Sie verwies auf den Kulturbetrieb als eine beachtliche Wachstumsbranche, betonte aber auch, dass der Kulturbetrieb darüber hinaus andere wichtige Impulse gebe, Zitat: „Denn die Eigenschaften, die uns das Erwerbsleben der Zukunft abverlangen wird – Flexibilität, Mobilität, Offenheit im Denken und im Handeln – sind hervorstechende Merkmale einer Tätigkeit im kulturellen Sektor. Kultur ist also auch in dieser Hinsicht nicht eine bloße Kostgängerin des Staates, sondern vielmehr Avantgarde des Arbeitsmarktes.“ Zitatende.
Dieses ist aber nicht nur ideell, also Werte entwickelnd gemeint, sondern auch ganz praktisch. Laut Mikrozensus sind in Deutschland 780.000 Erwerbstätige in direkten Kulturberufen tätig. Im Vergleich dazu sind es in der deutschen Automobilindustrie 620.000. Die öffentliche Wahrnehmung spiegelt diese Tatsache leider nicht wider, da Kultur zu oft außerhalb der Betrachtungsweise von Menschen steht, auch hier im Landtag. Den Vorwurf kann ich uns nicht ersparen. Landtagsdebatten zum Thema Kultur finden im Allgemeinen vor fast leerem Haus statt.
Die Krönung erlebten wir dann gestern. Der Debatte zur einzigen Großen Anfrage der CDU-Fraktion in dieser Legislatur und damit eigentlich die Wichtigkeit dieser Thematik unterstreichend wohnten lediglich fünf Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion bei.
Ein zweites Problemfeld zum Thema Kultur bedarf auch der Aufmerksamkeit. Bei einem beträchtlichen Teil der Selbstständigen in den Kulturberufen muss davon ausgegangen werden, dass sie durch ihre selbstständige Tätigkeit nur unzureichend ihren Lebensunterhalt abdecken können. Umso bedeutsamer ist die Künstlersozialversicherung, die eine soziale Absicherung im Bereich der
gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung bietet. Noch prekärer ist die Situation aber für die Selbstständigen in den Kulturberufen, die nicht Mitglied der Künstlersozialversicherung werden können und sich daher privat krankenversichern sowie eine eigenständige Altersversorgung aufbauen müssen. Es steht angesichts der Daten aus der Umsatzsteuerstatistik zu befürchten, dass dieses nur einem kleinen Teil dieser Personen gelingt und darum in den nächsten Jahren viele ehemalige Selbstständige im Kulturbereich von der Altersarmut betroffen sein werden beziehungsweise ihren Beruf weit über das Rentenalter hinaus ausüben müssen. Eine Stärkung und Aufwertung der Kultur durch das Grundgesetz kann möglicherweise auch hier etwas zum Positiven bewirken.
Noch einen Aspekt will ich aufwerfen, wenn es um die Kulturstaatsklausel geht. Eine weitere Auswirkung der Realisierung unseres Antrages könnte auch bedeuten, dass, wie schon gestern hier dargestellt, endlich eine intensive Diskussion um die Inhalte und deren Angebotsbreite von Kultur diskutiert, als Werte verinnerlicht und gelebt werden können. Dazu gehört für mich auch die dringlichst notwendige Debatte und Auseinandersetzung zu den immer wieder aufkommenden Gedanken einer Leitkultur. Dieser Begriff ist ein gewollter Begriff der Abgrenzung. Ja, eine Kultur, die sich behaupten will, muss beschreiben, was sie ausmacht und wo die Grenzen ihrer Offenheit überschritten werden. Dabei ist jede Kultur an sich bereits ein Konglomerat aus Geschichte beziehungsweise Geschichten, Tradition beziehungsweise Traditionen und Religion beziehungsweise Religionen und damit in sich oft viel mehr multi als national.
Es ist zu hoffen, dass eine Staatszielbestimmung Kultur auch diese Diskussion befruchtet, und zwar im Sinne der UNESCO-Konvention zum Schutz der kulturellen Vielfalt. Für eine solche Konvention ist die PDS beziehungsweise Linkspartei.PDS von Anbeginn an eingetreten. Jetzt müssen 30 Mitgliedsstaaten der UNESCO die Konvention ratifizieren, damit sie in Kraft treten kann. Deutschland hätte nun die Chance, einer der ersten Mitgliedsstaaten zu sein und damit ein kulturpolitisches Signal zu setzen. Das und der Satz „Der Staat schützt und fördert die Kultur.“ wären wünschenswerte Kulturleistungen.
Eine vierte Bemerkung. Chancen für den weiteren Diskussionsprozess könnte ebenso bedeuten, wenn die Staatsklausel erhoben würde, dass eine wichtige Frage, die immer wieder diskutiert wird, Kulturpflege als Pflichtaufgabe auch in die Verfassung hineinkommt. Seit den Stuttgarter Richtlinien des Deutschen Städtetages von 1952 wird im kommunalpolitischen und kommunalwissenschaftlichen Diskurs wiederholt die Forderung ausgesprochen, Kultur zur Pflichtaufgabe der Kommunen, der Länder, des Bundes zu erklären. Als Begründungen werden in der Debatte unter anderem genannt, Kultur erfülle im kommunalen Gemeinwesen eine wichtige gesellschaftliche Integrationsfunktion und sei ein wichtiges Fundament für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie sei ganz wesentlich für die Lebensqualität der Einwohner in den Städten und Gemeinden. Sie fördere menschliche Selbstverwirklichung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Sie stifte Identifikation der Einwohner mit ihren Kommunen und der Region.
Angesichts zunehmender Mediendominanz und kommerziell orientierter Freizeitangebote bedarf es einer gezielten öffentlichen Kulturförderung, um vor allem bei
Kindern und Jugendlichen darauf hinzuwirken, dass die Fähigkeit zur Entwicklung eigener Phantasie und Kreativität nicht verloren geht. Außerdem wäre die Pflege des kulturellen Erbes ohne eine darauf verpflichtete öffentliche Kulturförderung kaum möglich.
Und wir haben in der gestrigen Debatte hier wiederholt gehört, dass ja gerade, da es als freiwillige Leistung nach wie vor eingestuft ist, diese freiwillige Leistung auch auf kommunaler Ebene sofort Kritikpunkt von Haushalten wird, so sie nicht ausgeglichen sind und als Sparmaßnahme nach wie vor beanstandet werden.
In Sachsen ist es mittlerweile gelungen, dass die Erhebung der Kulturpflege zu einer gesetzlichen Pflichtaufgabe der Gemeinden und Landkreise in Paragraf 2 des Sächsischen Kulturraumgesetzes registriert wurde und bis heute in der Bundesrepublik Deutschland als einmalig und vorbildlich angesehen wird. Vielleicht kann die Aufnahme von Kultur als Staatsziel in die Verfassung dahin führen, dass – und da bin ich anderer Auffassung als Herr Caffier – es nicht den Föderalismus behindert, sondern bestärkt in allen Bundesländern dieses dann auch so übernommen werden kann. Deshalb bitte ich Sie um Unterstützung unseres Antrages.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Über die Notwendigkeit von politischer Bildung ist hier im Rahmen der jetzigen Debatte eine Menge gesagt worden. Ich möchte dieses nicht wiederholen. Frau Fiedler-Wilhelm hat dargestellt, dass ein Dach gesucht wird, unter dem man politische Bildung einordnen kann, wie wir sie für dieses Land verstehen. Meiner Meinung nach hat sie am Anfang richtig dargestellt, welcher Definition oder Ausgangsbedingung wir uns anschließen sollten, indem sie ja eingangs schilderte, wie politische Bildung zu verstehen ist.
Ich möchte mich in meinen nachfolgenden Ausführungen ganz konkret einem Bereich politischer Bildung zuwenden, der zu tun hat mit dem, was ich bis 2001 gemacht habe, nämlich als Geschichtslehrerin gewirkt.
Sie wissen, dass zum Ende der 10-jährigen Schulzeit ein Thema im Rahmen des Geschichtsunterrichts eine ganz enorme Rolle spielt, die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, mit seinen Auswirkungen, mit seiner Erscheinungsform. Und im Zusammenhang mit dieser Thematik habe ich wiederholt in den Jahren ein Projekt angemeldet, welches sich damit beschäftigte, dass wir uns im Rahmen eines Tages, eben nicht in einer Unterrichtsstunde verkürzt, sondern Zeit nehmend einen Film angeschaut haben, der 1987 gedreht wurde: „Sobibor“, eine internationale Verfilmung, der die Situation darstellt in einem Konzentrationslager, welches sich an der Ostgrenze Polens befindet, in das Juden in Größenordnungen deportiert worden sind aus ganz Europa, des Weiteren mit Beginn des Zweiten Weltkrieges Soldaten, Offiziere der Roten Armee in dieses Lager gesteckt worden sind und welches sich 1943, wohlgemerkt schon 1943, selbst befreit hat.
Zweieinhalb Stunden dauert dieser Film, der sehr anschaulich darstellt, wozu dieser Krieg hervorgerufen durch den Nationalsozialismus geführt hat. Wir haben im Anschluss an diesen Film, der, und das muss ich schon dazusagen, obwohl ich ihn im Verlaufe der Jahre wiederholt gesehen habe, mich selbst immer wieder – und das fand ich eigentlich eine sehr aufregende Angelegenheit – und auch die Schüler dazu gebracht hat, dass sich viele Schüler durch die Art und Weise der Gestaltung der Thematik die Tränen nicht verkneifen konnten, und eine für Schule Totenstille, sonst gar nicht möglich, während dieses Filmes herrschte. Mädchen wie Jungen haben sehr
emotional auf diesen Film reagiert und wir haben uns zu vielen Fragen, die dort aufgeworfen worden sind, unterhalten. Zum einen zu den historischen Fakten, die beschrieben worden sind, zum anderen aber auch über viele Fragen, die etwas mit Werten zu tun haben. Zum Beispiel stellte sich die ganz einfache Frage, dass mit der Selbstbefreiung des Lagers einhergehend die Menschen, die sich dort befunden haben, ihre Wachsoldaten getötet haben. Gibt es denn zweierlei Töten? Habe ich das Recht, an dieser Stelle anderen das Leben zu nehmen? Wir sind also auch in viele wichtige philosophische Fragen hineingekommen, in Fragen des Lebens, der Werte überhaupt. Ich habe versucht, Schüler an dieser Stelle aufzuschließen, aufzuschließen dafür, dass sie eben – so, wie Frau Fiedler-Wilhelm es hier dargestellt hat – begreifen, dass ein solches System, welches nicht demokratische Grundwerte beinhaltet, nicht vertretungswürdig ist, sondern dass man sich damit auseinander setzen muss.
Aber mit diesem einen Projekttag habe ich natürlich sie nur eventuell aufschließen können. Und damit komme ich zu dem eigentlichen Problem. Politische Bildung, so sie in Schule realisiert wird, kann natürlich dort nicht aufhören mit Geschichtsunterricht, Sozialkundeunterricht oder anderem, sondern es ist ein lebenslanger Prozess. Denn wenn ich Kenntnisse, die zu eigenem Handeln führen sollen, erreichen will, muss ich wiederholen, muss ich vertiefen, muss ich festigen. Und dieses kann ich eben nur in einem lebenslangen Lernprozess, auch insbesondere zu politischer Bildung. Meiner Meinung nach gewinnt dabei gerade in unserer heutigen Zeit politische Bildung an Gewicht, und das auch, weil politisches Wissen Voraussetzung ist, um sich zu der Flut von Meldungen der Medien selbstbewusst verhalten zu können. Das kann ich nur, wenn es mir gelingt, zu systematisieren, vertiefend nachzufragen, zu korrigieren, mich zu identifizieren bis dahin, dass ich Einzelgeschehen und Einzelerscheinungen auf ihre Ursachen zurückführe.
Um dieses zu entwickeln, sind viele Beteiligte notwendig. Hier ist in den vorhergehenden Redebeiträgen sehr anschaulich dargestellt worden, wer wie seinen Beitrag dazu leisten kann. Ich möchte mich insbesondere – und das hängt mit meinen Eingangsbemerkungen zusammen – auf die Gedenkstätten konzentrieren. Denn ich denke, d a s Aufschließen für politische Themen, für das eigene Bearbeiten, Verarbeiten dieser Thematik ist auch unbedingt mit Emotionen in unserer heutigen Zeit, die oft zu technokratisch ist, sehr wichtig und eng verbunden. Und Gedenkstätten können genau dieses aufschließende Moment haben, nämlich, dass über die konkrete Erlebbarkeit einer solchen Einrichtung, einer solchen Gedächtnisstätte junge Menschen, aber auch Ältere, denn wir können sie ja nicht ausschließen aus solchen immerwährenden Lernprozessen, für sich Einsichten gewinnen. In der Anhörung, von der hier wiederholt die Rede war, ist insbesondere von Politische Memoriale ja auch darauf verwiesen worden, dass der Gedenkstättenarbeit in unserem Land eine noch größere Bedeutung zukommen muss, und zwar dahingehend, dass Gedenkstätten entsprechend ihrer Bedeutsamkeit unterstützt werden.
Was meine ich damit? In Berlin gibt es seit April ein Gedenkstättengesetz, das definitiv gerade auch für diese Gedenkstätten, die im Zusammenhang stehen mit Gedächtnisorten, im Zusammenhang mit Orten, die im Nationalsozialismus ihre Wurzeln haben, festschreibt, dass diese Orte als solche für die Zukunft entsprechend geachtet, bearbeitet und genutzt werden sollen. Und ich
denke, es wäre auch in unserem Land von Wichtigkeit, sich damit noch konkreter auseinander zu setzen. Wir haben im Zusammenhang mit dem Denkmalgesetz sicher viele Orte, die wir als solche wichtigen einordnen. Aber wenn ich an Prora denke, wenn ich an Alt Rehse denke, dann ist gerade dort die Frage, was mit diesen wohlgemerkt historisch wichtigen Orten passieren soll, schon eine ganz wichtige, die wir als Land meiner Meinung nach nicht ausreichend begleiten,
nämlich dem Bund überlassen wird, ohne dass inhaltliche Konzepte vorgelegt werden müssen, an wen zum Beispiel verkauft wird, und dass, wenn ein Gedenkstättengesetz existieren würde, vorgegeben wäre, dass dort explizit die Käufer eine solche Nutzung garantieren müssten wie zum Beispiel in Prora.
Ich halte das für unbedingt notwendig und darauf sollte nachfolgend bei der Umsetzung dieser Konzeption mit hingewirkt werden.
Des Weiteren kann ich, wir sind uns ja in diesem Falle einig, zur Unterrichtung als Konzeption mit der Erweiterung durch die heutige Beschlussempfehlung die Zustimmung unserer Fraktion erklären. Ich denke, das, was Frau Fiedler-Wilhelm hier an verschiedener Stelle angemahnt hat, und auch in Auswertung der Anhörung, die wir hier gemeinsam erlebt haben, ist der Evaluierungsprozess in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger. Und darauf hingewiesen wurde ja auch in der letzten Landtagssitzung, als wir hier gemeinsam das Konzept für Demokratie und Toleranz angenommen haben, beschlossen haben, denn politische Bildung und die Umsetzung von Demokratie und Toleranz gehören natürlich ganz eng zusammen. In dem Sinne wünsche ich uns allen, die wir dieses beschlossen haben, tatkräftige Initiativen, um dieses dann auch mit Leben zu erfüllen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Große Anfragen verfolgen gemeinhin das Ziel, von der Landesregierung zu erfahren, welche Schwerpunkte sie in einem bestimmten Politikbereich setzt, wie sie Beschlüsse umsetzt, wo sie Erfolge und Defizite sieht. Ein solcher Gesamtüberblick ist natürlich nicht nur für das Parlament und seine Fraktionen wichtig, sondern auch für die interessierte Öffentlichkeit. Insofern ist es gut, dass die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion vorliegt.
Ich kann mich hier nur dem Dank anschließen, der Ihnen schon als Fraktion von Seiten der Landesregierung durch Herrn Lemcke, Herrn Lohse und auch von unserer Fraktion ausgesprochen worden ist, Frau Fiedler-Wilhelm, dass Sie diese Anfrage gestellt haben. Sie untersetzt mei
ner Meinung nach sehr nachdrücklich, dass es in unserem Lande viele positive Entwicklungen gibt im Interesse von Kultur und deren Nutzungsmöglichkeiten.
Eines hat mich aber bisher an den vorhergehenden Redebeiträgen doch ein wenig irritiert, nämlich dass hier irgendwie herüberkam, dass Kulturentwicklung, von der wir eigentlich sprechen, und kulturpolitische Maßnahmen im Interesse von Kulturentwicklung dieses Landes im Allgemeinen reduziert werden sollen auf Kulturförderung.
Kulturentwicklung ist unserer Meinung nach wesentlich mehr.
In der Großen Anfrage wird deutlich, dass vieles in unserem Land in den letzten Jahren im Bereich der Kultur positiv realisiert worden ist. Ich möchte nur einige Beispiele nennen, so die Breite der Kultureinrichtungen, die beschrieben worden sind, der große Veranstaltungskatalog, der hier schon dargestellt wurde. Es ist eindeutig aus der Anfrage zu erkennen, dass von Seiten der Landesregierung ressortübergreifend in diesem Bereich gewirkt wird. Das ist nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit, die wir aber immer wieder in den letzten Jahren angefordert haben und was auch Früchte trägt.
Im Unterschied zu Ihnen möchte ich doch sagen, dass wir im Wesentlichen in den Grundbereichen eine finanzielle Stabilität im Bereich Kultur realisiert haben, wenn auch nicht alle Forderungen, zum Beispiel die von der Angleichung der Gehälter im öffentlichen Dienst, sprich in den Theatern, realisiert werden konnten, aber ansonsten finanzielle Sicherheit vorhanden gewesen ist, zumindest laut dem Haushalt.
Es gibt unserer Meinung nach eine Menge Probleme, die hier schon angeschnitten worden sind. Ich möchte mich auf vier Schwerpunkte konzentrieren:
Erstens. Kunst- und Kulturförderung durch die öffentliche Hand ist traditionell eine kontroverse und viel diskutierte Angelegenheit. Dieses hat verschiedene Ursachen. Eine liegt in den föderalen Strukturen der Bundesrepublik. Entsprechend unterschiedlich sind nämlich die jeweiligen Formulierungen in den Landesverfassungen. Öffentliche Kulturförderung ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Kommunen. Sie sollte, und darauf geht die Landesregierung in ihrer Antwort auch ein, durch privates und wirtschaftliches Engagement ergänzt, aber nicht ersetzt werden.
Zweitens. Die Vorgehensweise bei der Vergabe von Fördermitteln der öffentlichen Hand, darauf verweist auch die Antwort der Landesregierung, ist freilich an bestimmte Voraussetzungen geknüpft. Das sind vor allem die allgemeinen Regeln des öffentlichen Haushaltsrechts, die allgemeine wirtschafts- und finanzpolitische Situation, die gesetzlichen Vorgaben und eingegangenen juristischen Bestimmungen und nicht zuletzt das allgemeine politische Klima. Gerade Letzteres macht es Kultur und ihrer staatlichen Förderung nicht einfach. Immer stärker wird die Forderung erhoben, dass auch Kultur sich rechnen müsse. Antragsteller/-innen beklagen immer öfter, dass sie sich wie Bittsteller/-innen fühlten, die gegenüber den Geldgebern eine gewisse Effizienzgarantie abgeben müssen. Kultur, so ein immer häufiger bemühtes Argument, sei eben eine Freiwilligkeitsaufgabe.
Damit sind wir beim Problemfeld Nummer drei. Die Kultur muss aber, so die unverrückbare Forderung der Linkspartei.PDS, dem Staat eine vorrangige Pflicht sein.
Sie muss es der ganzen kulturellen Breite und Vielfalt gegenüber sein, den öffentlichen Institutionen der Aufklärung, sprich den Theatern, den modernen Off-Szenen, den kommunalen Einrichtungen wie Bibliotheken, Musikschulen, Kulturhäusern, den vielgestaltigen lebendigen Projekten, den Medien gegenüber und so weiter und so fort. Außer Frage sollte eine garantiert öffentliche kulturelle Grundversorgung stehen. Und es freut mich sehr, dass in der Einleitung der vom Kulturbeirat erstellten aktuellen „Kulturanalyse für Mecklenburg-Vorpommern“ davon die Rede ist. Ich zitiere: „Die soziale und kulturelle Entfaltung aller Bürger ist ein fundamentales Menschenrecht. Die volle und ungehinderte Beteiligung aller am kulturellen Leben gehört zur Daseinsvorsorge eines jeden Gemeinwesens.“ Aber dazu konkretere Aussagen im Zusammenhang mit der morgen stattfindenden Debatte zur Kultur als Staatsziel.
Viertens geht es um die konkrete Ausgestaltung von Förderrichtlinien, zu denen hier schon einiges gesagt wurde. Gefördert wird Kultur, davon ist auch unser Land nicht frei, im abgesteckten Rahmen als weicher Standortfaktor, der zur Lebensqualität beiträgt und als Touristenattraktion für Umsatzsteigerungen sorgen soll. Aber macht es wirklich immer Sinn, wenn Kulturinstitutionen heute vorrechnen müssen, wie viele Arbeitsplätze sie schaffen, welchen Werbeeffekt sie ausstrahlen und wie viele Folgekosten sie verursachen? Zum Beispiel ist es im Zusammenhang mit der Theaterförderung oft eine Frage gewesen, mit wie viel Euro eine Karte subventioniert wird und ob das auch die entsprechenden Resultate bringt. Wer will aber berechnen, ob bei einer Subventionierung von 4 Euro pro Karte oder bei 120 Euro pro Karte das bessere Theater – sprich Aufklärung für Bürger – herauskommt? Die kulturellen Einrichtungen und Verbände brauchen Planungssicherheit – eine oft genannte Forderung. Es scheint mir unaufschiebbar, dass sich der Landtag zum gesetzlich Möglichen von institutioneller Förderung, darunter im Kulturbereich, verständigt. Die „Kulturanalyse für Mecklenburg-Vorpommern“ unterstreicht diese Notwendigkeit.
Nun habe ich diese vier Problemfelder benannt und denke, dass man sich diesen in Zukunft dringlicherweise zuwenden und Lösungswege realisieren muss, um die eingangs beschriebene qualitative und quantitative Vielfalt an Kultur in unserem Land zu erhalten, denn diese zu erhalten ist notwendig. Wir benötigen sie als dringlichste Aufgabe für unsere Zukunft, nämlich für ein Leben in kultureller Vielfalt in Europa.
Die 31. Generalkonferenz der UNESCO hat am 2. November 2001 in Paris eine zukunftsweisende allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt verabschiedet. Darin bekräftigt die Generalkonferenz, „dass“, ich zitiere, „Kultur als Gesamtheit der unverwechselbaren geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Eigenschaften angesehen werden sollte, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen, und dass sie über Kunst und Literatur hinaus auch Lebensformen, Formen des Zusammenlebens, Wertesysteme, Traditionen und Überzeugungen umfasst.“ Dafür ist kulturelle Bildung das Fundament von Kulturpolitik und eine Voraussetzung für die kulturelle Kompetenz, die die Menschen in der Gesellschaft der Zukunft benötigen.
In dem Bericht des Europäischen Parlaments vom 2 0. Februar 2004 über die Rolle der Schulen und des Schulunterrichts bei der Förderung eines bestmöglichen Zugangs der Öffentlichkeit zur Kultur werden gerade zu dieser Thematik grundlegende Feststellungen getroffen. Diese sollten wir uns alle noch einmal – auch in den zukünftigen Landtagsfraktionen und in der künftigen Landesregierung – heranziehen, um daraus konkrete kulturpolitische Entscheidungen zu treffen. Und ich könnte fast sagen, wenn sie nicht in diesem Bericht als Forderungen der EU schon vorliegen würden, wir als Linkspartei.PDS können jede der einzelnen 28 Forderungen unterschreiben und auch als unsere deklarieren.
Dort steht unter anderem Folgendes, die Kommission, ich zitiere, „ist der Auffassung, dass die europäischen Bildungssysteme die Wahrnehmung der Kulturen und Lebensarten aller europäischen Völker sowie das Bewusstsein über gemeinsame europäische Werte stärken können; … unterstreicht, dass die jungen Menschen durch kulturelle Tätigkeiten und Strukturen erzogen werden müssen, die von den zuständigen Behörden auf allen Ebenen finanziell unterstützt werden; … verweist darauf, dass der Zugang zum kulturellen Erbe Europas eine Grundvoraussetzung für den Integrationsprozess ist und im Hinblick auf die Festigung des Empfindens einer europäischen Bürgerschaft ein wesentlicher Faktor ist; … weist darauf hin, dass es innerhalb der Schule und des Schulunterrichts eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt, den interkulturellen und interreligiösen Austausch zwischen den Schülerinnen und Schülern auch über die kulturellen Grenzen Europas hinweg zu fördern und somit zum kulturellen Lernen beizutragen, zum Beispiel indem die Kinder von ihrem Herkunftsland oder dem Herkunftsland ihrer Eltern erzählen, Sitten und Gebräuche vorstellen und über ihre Erfahrungen als Ausländer in einem fremden Kulturkreis berichten; … fordert die Mitgliedstaaten auf, die Einführung in die darstellenden Künste in der Schule unter einer europäischen Perspektive durch die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Künstlern zu fördern; … unterstreicht, dass die Teilnahme der Kinder an künstlerischen und kulturellen Tätigkeiten einen wichtigen Faktor bei der Entfaltung ihrer kreativen Fähigkeiten darstellt und dass die Entwicklung eines kreativen Potenzials für ihr künftiges privates und berufliches Leben von Nutzen ist; betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Kooperation zwischen Schule und Elternhaus, die einen wichtigen Beitrag hierzu leisten kann; … ist der Auffassung, dass Musik, Kunst und Theater ein Grundbestandteil der Kultur und Geschichte der einzelnen Mitgliedstaaten und des kulturellen Erbes Europas sind, und empfiehlt daher, dass diesen Fächern in der Schulbildung mehr Priorität eingeräumt wird; …“
Ich könnte noch eine weitere Vielzahl dieser 28 Forderungen hier darstellen. Nicht alle von ihnen kosten im direkten Sinne Geld. Ich denke, wir haben mit der Kulturanalyse vorliegen, dass das Potenzial, um diese Inhalte auch in Zukunft realisieren zu können, in diesem unseren Lande vorhanden ist. Wir müssen alle Aufmerksamkeit darauf lenken, dass in den nächsten Jahren Entscheidungen getroffen werden – auch in finanzieller Hinsicht, aber nicht nur in dieser –, die erreichen, dass dieses Potenzial weiterhin vorhanden bleibt und genutzt werden kann in dem von mir dargestellten Sinne. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In genau 63 Tagen, am 9. Juni 2006, beginnt die Fußballweltmeisterschaft, von vielen Fans sehnsuchtsvoll erwartet. Dabei ist auch das Motto sehr schön: „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Sicher wünschen wir uns alle hier gute und faire Spiele. Es freuen sich nicht nur die Fußballfans auf internationale Begegnungen und neue Bekanntschaften. Doch am Rande der Spiele wird es auch Menschen geben, vor allem Frauen, die weder Freude, Freundschaft noch Fairness erleben werden. Denn wie von vergleichbaren Großveranstaltungen bekannt, ich erinnere an die Olympiade in Athen, werden die Nachfrage und das Angebot sexueller Dienstleistungen rund um die Weltmeisterschaft boomen. Frauen- und Menschenrechtsorganisationen befürchten deshalb, dass damit auch der Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung und der Zwangsprostitution deutlich ansteigen wird.
Darunter wird anlehnend an die Definition der Vereinten Nationen im Kampf gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität Folgendes verstanden: Die Vereinten Nationen definieren den Menschenhandel als „die Anwerbung, Beförderung, Verbringung, Beherbergung oder den Empfang von Personen durch Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit oder durch Gewährung oder Entgegennahme von Zahlungen oder Vorteilen zur Erlangung des Einverständnisses einer Person, die Gewalt über andere Personen hat, zum Zweck der Ausbeutung. Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung der Prostitution anderer oder andere Formen sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit oder Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei oder sklavereiähnliche Praktiken, Leibeigenschaft oder die Entnahme von Körperorganen“. Ende des Zitats.
Meine Damen und Herren, Sie werden sich fragen, was hat das alles nun mit Fußball zu tun. Spätestens im vergangenen Jahr wurde aus verschiedenen Planungsunter
lagen heraus deutlich, dass die Möglichkeiten für die Aufstellung so genannter Verrichtungsboxen mit eingeplant waren, welche an allen zwölf Austragungsorten aufgestellt werden sollen. Vielleicht sind Sie verwundert, meine Damen und Herren, und wissen nicht so recht etwas mit diesen Begrifflichkeiten anzufangen. Mit Verrichtungsboxen sind carportähnliche Objekte gemeint, zu denen ein kleiner geschlossener Raum gehört. Autos fahren hinein wie auf einem Parkplatz, nur mit dem Unterschied, dass seitliche Sichtblenden in Autofensterhöhe vorhanden sind. Der sich daran anschließende Raum hat zwei Türen, eine für den Kunden und die andere aus Sicherheitsgründen für die dort arbeitenden Frauen.
Viele reagierten auf diese Nachricht sehr empört, insbesondere die Frauenverbände. Der Deutsche Frauenrat nahm sich dieser Thematik besonders an und beschloss auf seiner Mitgliederversammlung am 6. November 2005, seine langjährigen Aktivitäten gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft 2006 mit einer entsprechenden Kampagne fortzusetzen.
Anlässlich des Internationalen Frauentages wurde offiziell und bundesweit die Kampagne „Abpfiff – Schluss mit Zwangsprostitution“ gestartet. Mit zahlreichen Aktionen während der Meisterschaft soll die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema „Menschenhandel zum Zwecke sexueller Ausbeutung“ gelenkt werden. Gleichzeitig sollen die politisch Verantwortlichen zu mehr Engagement gegen diese schwere Form der Menschenrechtsverletzung aufgefordert werden. Sie sollen sich einsetzen für wirksamere Maßnahmen zur Verhinderung und Verfolgung von Menschenhandel und Zwangsprostitution, für eine bessere nationale und internationale Zusammenarbeit, für größeren Schutz der Opfer dieser Verbrechen, um den Betroffenen einen gesicherten Aufenthaltsstatus in Deutschland zu bieten.
Drei Ziele verfolgt diese Kampagne:
1. Sensibilisierung der Öffentlichkeit 2. Sensibilisierung potenzieller Freier und 3. Forderungen an die politisch Verantwortlichen
Führende Persönlichkeiten brachten bei der Eröffnung der Kampagne ihre Haltungen zum Ausdruck. Gestatten Sie, dass ich einige zitiere. „Zwangsprostitution ist ein schändlicher, krimineller Akt, der menschenverachtend ist. Deshalb sollten im Kampf gegen die Zwangsprostitution alle dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft und die Täter konsequent ermittelt werden, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden können. Bedauerlicherweise leisten Großereignisse, wie auch die Fußball-WM, diesem schändlichen Treiben entsprechenden Vorschub, sodass alle Verantwortlichen in der Gesellschaft sich verpflichtet fühlen müssen, die Arbeit der Sicherheitsorgane durch aufklärende Maßnahmen zu unterstützen“, so Dr. Theo Zwanziger, Geschäftsführender Präsident des Deutschen Fußballbundes und einer der beiden Schirmherren der Kampagne „Abpfiff“.
Ein weiteres Zitat: „Das Geschäft mit Frauen boomt. Es findet direkt in unserer Mitte statt – und bis hinein in die so genannten guten Kreise. Es ist daher ein Skandal, dass das Thema in der Öffentlichkeit so wenig Beachtung findet und der Kampf dagegen so hilflos, so erfolglos ist“.
Das sagte Brunhilde Raiser, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates.
Uta Ludwig, Vorstandsmitglied des bundesweiten Koordinierungskreises gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e. V. berichtete aus der Praxis als Beraterin für Betroffene: „Die jungen Frauen kommen nach Deutschland, weil das Leben ihnen zu Hause keine Perspektive bietet, weil es von Armut und Entbehrung geprägt ist. Sie kommen mit der Hoffnung auf ein besseres Leben. Sie geraten in Situationen, in denen sie gezwungen werden, sexuelle oder strafbare Handlungen vorzunehmen, die sie nicht wollen. Sie werden mitunter vergewaltigt, um sie gefügig zu machen, werden eingesperrt, bis die blauen Flecke nicht mehr sichtbar sind. Sie erleben ein extremes Wechselbad der Gefühle und der Angst. Solange sie 10 Euro pro Tag für ihre Arbeit erhalten, können sie wenigstens etwas nach Hause schicken und denken, das ist viel Geld, da sie in der Heimat im Monat vielleicht 40 bis 100 Euro verdienen. Sie haben keinen Überblick, wie viel ihr Zuhälter durch sie verdient. Unseren Schätzungen zufolge wird durch ein Opfer täglich ein Umsatz von 100 Euro bis 300 Euro erzielt. Dies entspricht in einem Monat bis zu 9.000 Euro Umsatz.“
Konrad Freiberg, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, führt Folgendes aus, Zitat: „Menschenhandel entwickelt sich weltweit zu einem ähnlich einträglichen Geschäft wie der Drogenhandel. Allein in Europa werden rund eine halbe Millionen Frauen im Netz organisierter Banden festgehalten und sexuell ausgebeutet. Der moderne Sklavenmarkt stellt sich auf die Befriedigung der Nachfrage ein. Da in diesem Kriminalitätsbereich fast nur durch Initiative der Ermittler Straftaten aufgedeckt werden, weil sich die Opfer kaum gegen ihre Peiniger wehren können, ist das Dunkelfeld unendlich groß.“
Heike Rudat, Leiterin des frauenpolitischen Bereichs des Bundesverbandes Deutscher Kriminalbeamter und Expertin für Menschenhandel, betonte: „Zwangsprostitution findet nicht nur zur Fußball-WM 2006 statt, sondern entwickelt sich seit Jahren zu einem immer lukrativeren Geschäft mit der wirtschaftlichen Not von Frauen. Die Bundesrepublik und die Innenminister der Länder sind aufgefordert, dem nachhaltig Kapazitäten bei der Strafverfolgung entgegenzusetzen und diese entsprechend personell auszustatten, um dem nicht unerheblichen Dunkelfeld entgegenzutreten.“ Zitatende.
Und genau hier setzt die Initiative des Deutschen Frauenrates an. Für ein Thema, welches aus verschiedenen Gründen in der öffentlichen Wahrnehmung einen sehr hinteren Stellenplatz einnimmt, kann durch die Fußballweltmeisterschaft und die damit verbundenen Aufmerksamkeiten sensibilisiert werden. Bis 40.000 Prostituierte aus den Ländern Osteuropas, das sind die Schätzungen verschiedenster Institutionen, werden zu diesem Ereignis in Deutschland sein. Deshalb wurden schon im Septemb e r 2005 unter anderem Briefe an das Weltmeisterschaftsorganisationskomitee, an den DFB und an die Fußballer persönlich mit folgendem Inhalt gesandt. Ich möchte aus dem Brief des Deutschen Frauenrates zitieren:
„Vermutlich erstaunt es Sie, dass Sie im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland Post vom Deutschen Frauenrat bekommen. 2006 werden viele von uns vielleicht gemeinsam mit Freunden, Söhnen, Vätern oder
auch mit Freundinnen, Müttern und Töchtern die Spiele verfolgen. Wir werden Ihnen die Daumen drücken, dass Sie mit Spaß und hoffentlich auch Erfolg Ihre Spiele bestreiten. Für viele Frauen aber wird dieses Ereignis kein Anlass zur Freude sein. Diese Frauen sind in Ihrem Alter und voller Hoffnung für ihre Zukunft und viele werden enttäuscht und verbittert sein, wenn ihr Vertrauen ausgenutzt wird und sie missbraucht werden, um die Bedürfnisse von Männern zu befriedigen, die doch eigentlich zu einem Fußballfest anreisen. Sie sind als Mitglied der Nationalmannschaft für viele Männer Vorbild in diesem Land, und dass Ihr Wort hin und wieder mehr zählt als das von Politikerinnen, wissen Sie. Dankenswerterweise nutzen einige von Ihnen oder ganze Vereinsmannschaften und auch die Nationalmannschaft ihr Image, ihre Beliebtheit, um sich gegen Gewalt zwischen und von Fans, gegen Drogenmissbrauch und Ausländerinnenfeindlichkeit einzusetzen. Wir bitten Sie, mit dem Vorstand des DFB das Gespräch zu suchen und ihn zu drängen, eine solche Kampagne durchzuführen und Ihre Unterstützung anzubieten. Sie können durch diesen für Sie kleinen Schritt dazu beitragen, dass uns gemeinsam ein großer Schritt zur Achtung der Menschenwürde von Frauen und Männern gelingt.“
Das Antwortschreiben des DFB dazu lautet folgendermaßen: „Sehr geehrte Frau Raiser, vielen Dank für Ihr Schreiben. In der Tat rufen Sie mit dem Problem Menschenhandel und Zwangsprostitution ein grundsätzliches unseren Rechtsstaat betreffendes Thema auf, welches in den vergangenen Monaten öffentlich diskutiert wurde. Die Nationalmannschaft ist sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung ganz sicher bewusst. Bitte haben Sie dennoch Verständnis, dass sie dies nicht mit dem Einsatz für offizielle Sonderthemen auslegen kann. Sowohl der Bundestrainer als auch die Nationalmannschaft werden Ihrem gut gemeinten Appell aus grundsätzlichen Erwägungen nicht folgen. Wir hoffen auf Ihr Verständnis und wünschen Ihrer Kampagne besten Erfolg.“
Diese Antwort kann nicht zufrieden stellen und beförderte den Willen vieler Menschen, auch andere Wege zu suchen, um dieses Thema bekannt zu machen. Deshalb hier und heute dieser Entschließungsantrag: Unterstützen wir die Kampagne „Abpfiff“! – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beginnen möchte ich meine nachfolgenden Ausführungen mit der letzten Bemerkung von Frau Dr. Seemann bezugnehmend auf den Änderungsantrag der CDU zu dem vorliegenden Entschließungsantrag. Ja, ich sehe es auch so, dass es bei
dem Inhalt der Entschließung ganz konkret – ich habe es in meiner Einführungsrede dargestellt – um die Unterstützung der Kampagne „Abpfiff“ im Zusammenhang mit der Fußball-WM geht. Und wenn Sie hier in Ihrem Antrag darstellen, dass die Landesregierung aufgefordert wird, besondere Maßnahmen zur wirksamen Abwehr und Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution vor und während der Fußball-WM aufzunehmen, dann möchte ich nicht erst im Konzept am 15. Mai lesen, wie das geschehen soll, sondern es muss ab heute passieren!
Deswegen, denke ich, ist er in unserem Antrag schon gut aufgehoben. Natürlich ist – und das ist hier ausführlich dargestellt worden – der Anlass der Fußball-WM dafür geeignet, auf das Thema aufmerksam zu machen. Ich kann nicht im Zusammenhang mit der Fußball-WM all die eigentlich viel größeren und damit im Zusammenhang stehenden Probleme lösen. Dafür sind Konzepte erforderlich, die erarbeitet werden sollen, die langfristig auch realisiert werden müssen. Hier geht es um ein vielfältiges Problemfeld, denn Zwangsprostitution, um die es hier geht, ist – wie Frau Dr. Seemann es bereits dargestellt hat – eine Menschenrechtsverletzung, …
Nein, das habe ich überhaupt nicht gesagt.
… die, wenn ich es nicht vereinfache und vielleicht noch anschaulicher darstelle, in letzter Konsequenz bedeutet, dass hier bei den betroffenen Frauen, da es gegen ihren Willen geschieht, eine permanente Vergewaltigung stattfindet. Vergewaltigung wird in Deutschland strafrechtlich verfolgt und demzufolge muss man auch damit umgehen.
Und jetzt komme ich zu dem, was Sie gesagt haben. Sie haben kritisiert, dass zu wenig in Fragen Opferschutz und Zeugenschutzprogramm getan wird. Das Problem besteht meiner Meinung nach zum einen darin, dass diese Thematik viel zu wenig bekannt ist, und zum anderen, dass die Frauen selbst sich dagegen viel zu selten wehren. Sie haben Angst vor der Ausweisung, sie haben Angst, dass – wie es hier dargestellt wurde – sie den Lebensunterhalt ihrer Familien in den Heimatländern nicht weiter mitfinanzieren können. Sie haben weiterhin Angst, selbst wieder in die Länder zurückgehen zu müssen, aber vor allem mit den damit im Zusammenhang stehenden kulturellen Problemen, sie haben Angst vor der Unkenntnis über Hilfsmöglichkeiten. Genau zu dieser gesamten Problematik muss ihnen geholfen werden.
Da es sich aber, und jetzt kommt das große Problem, welches hier in der Bundesrepublik Deutschland besteht, um Ausländerinnen handelt, die auf sehr unterschiedliche Art und Weise in die Bundesrepublik gekommen sind, und es sich deshalb um eine illegale Einwanderung handelt, die als illegale Migration betrachtet wird, und das vordergründige Delikt nicht die Menschenrechtsverletzung ist, gegen die vorgegangen werden muss, sondern leider dieses Delikt als solches in den Vordergrund gestellt wird, werden sie ausgewiesen und abgeschoben, was von Seiten des Rechtsstaates vorgenommen wird. Deswegen ist für die Möglichkeit, sich mit den Menschenrechtsverletzungen auseinander zu setzen, es sehr wichtig, sie als Zeuginnen in diesen Prozessen zu hören. Dazu ist es notwendig, sie hier vor Ort zu haben, da ja sonst gar nichts passiert. Deshalb ist dieses Thema auch so schwer zu
erhellen, um die Straftäter, die mit Frauen handeln und daraus Gewinne und Nutzen ziehen, vor Gericht zu bringen. Aus diesem Grund ist es ein sehr weites Feld, mit dem man sich beschäftigen muss.
Ich denke, wir sollten auch für diese Konzeption deshalb unbedingt aufnehmen, was der unabhängige Frauenverband im vorigen Jahr schon am 15.09.2005 in einem Schreiben folgendermaßen als Aufforderung an die Politik und auch an die hier im Landtag sitzenden Fraktionen formuliert hat. Ich zitiere: „Mit Erschrecken mussten wir feststellen, dass es bisher in Mecklenburg-Vorpommern im Gegensatz zu anderen Bundesländern noch keine Beratungsstellen für die Opfer gibt, geschweige denn einen Opferfonds zur Finanzierung einer umfassenden medizinischen und psychologischen Betreuung, die über die eingeschränkten Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes hinausgehend erforderlich ist. Wir bitten Sie dringend, sich im Landtag dafür einzusetzen, dass in unserem Land eine Beratungsstelle für Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution mit besonders ausgebildetem Fachpersonal eingerichtet und ausreichend finanziert wird, und zwar so, dass auch eine mobile Krisenintervention unmittelbar nach einer Razzia möglich wird, ein Opferfonds eingerichtet wird, durch den der Aufenthalt der Opfer über die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hinaus finanziert wird, insbesondere die Kosten einer umfassenden psychologischen und medizinischen Betreuung, der Aufenthaltsschutz für die Frauen, die als Zeuginnen zur Verfügung stehen, verbessert wird, damit sie bis zum rechtskräftigen Ende des Strafverfahrens und eines zivilrechtlichen Schadenersatzverfahrens eine berufliche Ausoder Weiterbildung absolvieren können, die sie dann auch nach Beendigung der Verfahren beenden dürfen sollten, den Frauen eine Arbeitserlaubnis zu Ausbildungszwecken erteilt wird, finanzielle Ausstattung für die Beschäftigungs-, Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten für die betroffenen Frauen bereitgestellt werden, für Personenkreise, die beruflich mit den betroffenen Personen zu tun haben, also insbesondere Polizei, Staatsanwaltschaften, Gerichte, Ärztinnen und Ärzte sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Ausländerbehörde, Sozialamt und Agentur für Arbeit, Sensibilisierungen und Schulungen stattfinden, ähnlich der im Prora-Modell-Projekt Interventionsprojekt ,Prora contra Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Mecklenburg-Vorpommern‘ durchgeführten Schulungen.“
Das sind Aufforderungen an uns. Wir werden und müssen uns diesen Aufforderungen stellen und natürlich des Weiteren und nicht heute hier abschließend dazu beitragen, dass für dieses Thema sensibilisiert wird, um auch die nachfolgenden und dargestellten Maßnahmen miteinander realisieren zu können im Interesse der Betroffenen und im Interesse der Verurteilung von Menschenrechtsverletzungen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Johannes R. Becher formulierte in seinem Werk „Bekenntnisse, Entdeckungen, Variationen“ unter anderem Folgendes, ich zitiere: „Von der Zukunft reden kann nur derjenige, der eine hat, und nur derjenige hat eine Zukunft, der in die Zukunft zu sehen vermag, was man gemeinhin als Perspektive bezeichnet, und eine solche wiederum ist das Ergebnis einer Konzeption.“
Diese heute hier zu behandelnde Gesetzesvorlage hat in den vergangenen Wochen vielfältige Bezeichnungen erhalten. Die Wichtigkeit für die Zukunft unseres Landes wurde durch verschiedenste Institutionen, Vereine, Verbände, Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, in Form von Appellen zum Beispiel, versucht zu zementieren. Ja, wir brauchen für die Zukunft unseres Landes Konzeptionen im dargestellten Sinne. Aber erfüllt dieser Gesetzentwurf wirklich diese historische Herausforderung der Gegenwart für die Zukunft unseres Landes? Ich denke, wir haben es nicht geschafft, mit diesem Gesetzentwurf ein Fundament zu bauen, das den vielfältigen Problemen unserer Zeit im Staatswesen, die Lösungen erfordern, konstruktiv den Raum für Veränderungen bietet. Dieses möchte ich nachfolgend auch tiefer gehend erläutern. Bevor ich aber dazu komme, halte ich es für dringlich notwendig, einige wenige Vorbemerkungen zu realisieren.
Die erste Vorbemerkung, damit möchte ich mich an die CDU, in diesem Landtag Opposition, wenden: Ich halte eigentlich wenig davon, eine allgemeine politische Pauschalkritik vorzunehmen, komme aber hier nicht umhin, es zu tun, denn laut „Duden“ bedeutet lateinisch „Oppositio“ das Entgegensetzen, das Entgegenstellen. Nun könnte man es sich leicht machen und sagen, mit Neinsagen ist dieser Inhalt schon realisiert. Aber so einfach ist diese Welt dann doch nicht, denn natürlich ist damit weitaus mehr Engagement eingefordert.
Im „Wörterbuch Staat und Politik“ der Bundeszentrale für politische Bildung findet man dazu folgende weitergehende Aussage, Seite 429, ich zitiere: „Erst der Pluralismus der Neuzeit hat den Kern offener und konkurrierender politischer Willensbildung freigelegt, dass nämlich um das Gemeinwohl selbst politisch gestritten werden kann. Damit war die Basis für die Legitimität der Parteienkonkurrenz, der Opposition, und deren spezifische Funktionen Kritik, Kontrolle, Alternative gewonnen.“ Wo aber sind
diese Ihre Alternativen, also Konzeptionen für die Zukunft in diesem Zusammenhang?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder a) Sie haben selbst keine oder b) Sie wollen keine aufzeigen, weil sich auch in Ihren Vorschlägen wesentliche Inhalte dieses Gesetzesvorschlages wiederfinden würden und das macht sich natürlich wahltaktisch zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut. Allein dieser Sachverhalt spricht nicht für Sie und Ihre Rolle in diesem zurückliegenden Arbeitsprozess auch nicht, aber die neuerliche Argumentationsschiene läuft dem entgegen. Sie diskreditieren Entscheidungen, egal ob sie mit großer oder geringer Mehrheit gefunden werden, als Diktatur von Mehrheiten.
Dies tun Sie einerseits wohl wissend um inhaltliche Bezüge dieses Begriffes und andererseits in Kenntnis der Mehrheitsverhältnisse heute im Bundestag beziehungsweise zu Zeiten Adenauers. Als er 1949 mit einer Stimme Mehrheit Bundeskanzler wurde, war dies seine eigene. Kurzkommentar seinerseits: „Mehrheit ist Mehrheit!“
Zweite Vorbemerkung: Den Vorwurf an Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion, wiederholt auch in Medien so dargestellt, wir wären erst jetzt, drei Sekunden vor Ultimo, mit Kritik am Gesetzentwurf aufgetaucht, muss ich strikt zurückweisen.
Mit Beginn der Koalition im Herbst 2002 haben wir uns im Rahmen der Fraktion permanent in die verschiedenen Entwicklungsstufen dieses Arbeitsprozesses eingebracht. Dabei hat es beständig sehr kritische inhaltliche, tiefgründig untersetzte Arbeitspapiere gegeben, die auch wiederholt Beschlusscharakter hatten und als solche öffentlich zugänglich waren. Besonders hervorheben möchte ich dabei die Stellungnahme der PDS-Landtagsfraktion mit einstimmigem Beschluss vom 22.02.2005, die sich auf 31 Seiten zu unterschiedlichsten Fragen in der Entwurfsfassung positioniert. Viele der dort benannten Kritikpunkte stehen auch heute noch, sind aktueller denn je und sind Begründung für meine heutige Ablehnung.
Leider fehlt die Zeit, diese im Detail darzustellen. Aber ich denke, schon die Nennung der zielgerichteten Überschriften verschiedener Absätze beschreibt die verschiedensten Problemfelder, die auch durch die vielfältigen Änderungen am Gesetzentwurf nicht ausgeräumt werden konnten, zum Beispiel:
Punkt 3.3. Gesetzentwurf schwächt kommunale Selbstverwaltung Punkt 4.3. Kaum Begründungsansatz für Kreisgebietsreform Punkt 5.1. Umfassende Aufgabenanalyse erforderlich Punkt 5.3. Ämter und amtsfreie Gemeinden stiefmütterlich behandelt Punkt 5.4. Personalaufstockung und Doppelstrukturen hinterfragen Punkt 6.5.1. Alternativprüfung realitätsbezogen darstellen
Punkt 6.5.2. Kosten/Nutzen und Funktionalreform in Alternativprüfung einbeziehen Punkt 6.5.3. Bezirksregierungen schimmern in Begründungen durch Punkt 7.1. Gesetzentwurf entzieht sich finanzpolitischer Bewertung
Punkt 7.3. Effizienzrendite rechtlich nicht gesichert Punkt 8.1. Notwendiges Personal im Konsens definieren
Punkt 8.2. Musterstellenplan schafft Klarheit
Dritte Vorbemerkung: Mit Gerüchten ist es ja immer so, dass sie auf einmal da sind, Besitz ergreifend sind, und dann niemand mehr feststellen kann oder will, wie es eigentlich dazu kam. Ich meine damit die zurzeit permanent wiederholte Betrachtung, dass dieses Gesetzesvorhaben das größte dieser Koalition sei. Ich denke, wenn es an dem wäre, müsste man davon ausgehen können, dass in Wahlprogrammen vor 2002 dazu Positionierungen in dieser Form stattgefunden hätten. Aber dem war nicht so.
Noch in dem Arbeitsergebnis der Enquetekommission im Juni 2002 wurde durch den Innenminister unter anderem Folgendes gesagt, ich zitiere: „Aber ich will meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass auch in der nächsten Legislaturperiode die Zusammenarbeit zwischen Parlament, Regierung und vor allem auch dem außerparlamentarischen Sachverstand, der hier in dieser Enquetekommission sehr gute Arbeit geleistet hat, weiterhin gute und konkrete Ergebnisse bringt. Nicht allein die teilweise offen gebliebene Stadt-Umland-Problematik oder die Fragen zur Funktionalreform bedürfen einer Lösung, sondern vor allem auch die Optimierung und die Deckungsfähigkeit der horizontalen und vertikalen Verwaltungsstrukturen zwischen dem Land und den kommunalen Gebietskörperschaften in Mecklenburg-Vorpommern. Nur dann, meine Damen und Herren, wenn wir langfristige Entwicklungsziele klar benennen und diese dann auch im großen Konsens möglichst einheitlich umsetzen, werden wir die Chance unseres Landes als europäische Region mit Nachdruck nach vorn bringen.“
Von Regionalkreisen war zu diesem Zeitpunkt also überhaupt keine Rede. Wer hat und warum ein Interesse daran, diese Maßstäblichkeit der Größe des Gesetzes an sich so hervorzuheben, vielleicht auch nur deshalb, um notwendige, auch strittige Arbeitsprozesse bei der gewaltigen Größe des Gesetzes besonders groß und damit besonders schlimm erscheinen zu lassen? Bei dieser Herangehensweise spielen Inhalte leider keine Rolle und sie ist deshalb abzulehnen.
Die Strittigkeit zum Maßstab zu erheben und daraus über Fähigkeiten und Unfähigkeiten von Politik zu philosophieren ist einfach verantwortungslos, denn andererseits kommen beständig die Vorwürfe, dass Entscheidungsprozesse für den Bürger nicht nachvollziehbar seien. Was ist denn nun politisch gewollt? Ich denke, es ist ein Zeichen von Stärke, wenn unterschiedliche Auffassungen sachlich miteinander ausgetragen werden. Und genau dieses möchte ich weiterführend realisieren und damit zu einigen inhaltlichen Untersetzungen kommen:
Meine Damen und Herren, ich meine, eine Verwaltungsreform des benannten angestrebten Umfangs im Eck
punktepapier hätte anderer Vorbereitungen und eines anderen Verfahrens bedurft, um als großes Vorhaben dieser Legislaturperiode bezeichnet zu werden. Der Artikel 1 Paragraf 101 des vorliegenden Gesetzentwurfs bringt dies unübertreffbar auf den Punkt, indem eine Untersuchung der Stadt-Umland-Beziehungen angefordert wird. Dieser Paragraf hätte aber nicht am Ende eines Gesetzes, sondern in seiner Ausgestaltung an den Anfang eines Gesetzgebungsprozesses gehört,
wenn ich als juristischer Laie einen Ratschlag von Professor Wallerath richtig deute.
An dieser Stelle wird es verfassungsrechtlich relevant. Lassen Sie mich deshalb mit diesen für mich doch einfachsten Aspekten beginnen, den rechtlichen beziehungsweise juristischen Fragen, einfach nicht etwa aufgrund der Materie, sondern weil ich, wie wohl die Mehrheit in diesem Hause, als Nichtjuristin auf den Sachverstand anderer angewiesen bin beziehungsweise mich hierauf stützen kann, auch in dem Bewusstsein vieler Erfahrungen, die besagen, der eine versteht eine rechtliche Aussage so und der andere so.
Die Landesregierung und das federführende Innenministerium sind ähnlich verfahren und haben sich zur Klärung zentraler verfassungsrechtlicher Fragen so genannter Rechtslotsen bedient. Über deren Positionen zu unserer Verwaltungsmodernisierung wurde der Landtag folgendermaßen unterrichtet:
Herr Professor Wallerath, Universität Greifswald, spricht folgende Empfehlung aus, nachzulesen in der Landtagsdrucksache 4/1210, Seite 114, ich zitiere: „Es empfiehlt sich, konkrete Vorschläge zu einer Neuordnung der Kreise erst zu unterbreiten, wenn eine Analyse erstellt ist, welche das kommunale Umfeld insgesamt umfasst.“
Meine Damen und Herren! Es bedurfte nicht erst der Einfügung des neuen Paragrafen 101 in das Verwaltungsmodernisierungsgesetz, um zu dokumentieren, dass mit dem vorliegenden Gesetz der zweite oder gar der dritte Schritt vor dem ersten gemacht werden soll. Auch aus weiteren Gründen – etwa Sachverhaltsermittlungen, Anforderungen an eine Mehrfachneugliederung und anderes mehr – könnte Professor Wallerath dem vorliegenden Gesetzentwurf kaum Verfassungskonformität bescheinigen.
Meine Damen und Herren! Der nächste Rechtslotse der Landesregierung Herr Professor von Mutius, Universität Kiel, hielt bereits die Reformkonzeption für nicht verfassungskonform. Ich zitiere aus der Landtagsdrucksache 4/1210, Seite 118: „Einseitige, unvollständige und teilweise verfassungsrechtlich illegitime Zielsetzung der Reformkonzeption: Die... zugrunde gelegte Zielsetzung der Reformkonzeption genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht. Dies beginnt bereits bei der Begründung des Reformbedarfs, der im Wesentlichen auf den Bevölkerungsrückgang, die finanziellen Belastungen und die hohe Personalquote im Land rekurriert.“
Meine Damen und Herren! Wenige Monate später fordert von Mutius: „Keine Kreisgebietsreform ohne effizienten Unterbau“, keine Regionalkreise ohne so genanntes Amtsvertretungsmodell, ebenda, Seite 125. Auch Herr von Mutius könnte meiner Meinung nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Verfassungsmäßigkeit kaum bescheinigen, jedenfalls nicht, ohne sich erheblich zu verbiegen.
Meine Damen und Herren! Nach Vorliegen des Gesetzentwurfes, also im Nachhinein, wird uns als Abgeordnete dieses Landtages dann noch die Position von Herrn Professor Bull, Hamburg, präsentiert. Er überrascht dann wohl alle, ich komme an anderer Stelle darauf zurück.
Festzuhalten bleibt aber Folgendes: Statt einen auch auf den Positionen der Rechtslotsen basierenden und damit rechtsunstrittigen Gesetzentwurf vorzulegen, verabreden Innenminister, Justizminister und Professor von Mutius, von heute auf morgen eine verfassungsrechtliche Neulandtheorie auszurufen, von der hier heute schon die Rede war. Im Übrigen ist diese Herangehensweise wiederholt in meiner Fraktion als verfassungsrechtlich bedenklich im Arbeitsprozess beurteilt worden. Dazu kommt, dass dieser Kunstgriff am Ende und nicht am Beginn eines Gesetzgebungsprozesses Anwendung fand, und deshalb hierbei mehr als Kopfschütteln erlaubt sein muss.
Gemessen an den Unterrichtungen zu den Rechtsfragen dieser Verwaltungsreform, die die Landesregierung diesem Landtag vorgelegt hat, ist eine rechtliche Neulandtheorie ein verfassungsrechtlicher Irrweg und der Gesetzentwurf nicht verfassungskonform. Neu ist im Übrigen nicht ein Zusammenhang von Funktional- und Gebietsreform. Nein, neu ist einzig der bewusste Verzicht des Landesgesetzgebers auf eine umfassende Sachverhaltsermittlung einschließlich Defizitanalyse bestehender kommunaler Strukturen.
Das heißt, meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf will sich bewusst über bisher anerkannte rechtliche Eingriffsvoraussetzungen in kommunalen Strukturen hinwegsetzen. Damit würde das Verhältnis zwischen Landesgesetzgeber und Kommunen nachhaltig einseitig definiert. Jeder Landesgesetzgeber wäre fortan seiner Verpflichtung nach umfassender Sachverhaltsermittlung entledigt. Das hätte bundesweite Konsequenzen.
Für ein derartiges Experiment hätte es nach meiner Auffassung einer gründlichen juristischen Ausleuchtung bereits im konzeptionellen Vorfeld bedurft, statt am Ende den Reformweg mit juristischen Hypothesen zu pflastern. Für eine umfassende Verwaltungsmodernisierung ist das kein, wie schon eingangs formuliert, tragfähiges Fundament.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch einige spezielle fachliche Anmerkungen machen, die selbstverständlich auch politische und rechtliche Aspekte einschließen. Mitunter wird auch in meiner Partei die Auffassung vertreten, die angestrebte Funktionalreform wäre nur mit fünf Kreisen machbar, da die unteren staatlichen Behörden, die im Ergebnis aufgelöst werden sollen, eine Vierer-, Fünfer- oder Sechserstruktur aufwiesen. Landesrechnungshof und Justizministerium haben eindringlich davor gewarnt, eine Kreisgebietsreform mit der vorhandenen Struktur unterer staatlicher Behörden und deren Aufgabenverlagerung zu begründen. Anderenfalls könnte nämlich jede Landesregierung Gefallen daran finden, zwei untere Landesbehörden zu installieren, deren Aufgaben
anschließend zu kommunalisieren und – richtig – zwei Kreise zu bilden. Einer Auffassung, es gehe nur bei fünf Kreisen, liegt möglicherweise auch ein unscharfes Verständnis von Funktionalreform zugrunde,
denn hierbei kann es sich nicht nur um eine lineare Aufgaben- und Personalverschiebung handeln, da dieses lediglich zum Auswechseln von Türschildern – statt „Staatliches Amt für...“ hieße es künftig „Kreisamt für...“ – führen würde.
Der Sinn einer Funktionalreform aber besteht im Zusammenfügen von Aufgaben und Teilaufgaben, die bisher parallel oder auf unterschiedlichen Ebenen wahrgenommen wurden.
Diese Herangehensweise wurde in der IMAG realisiert und es ist interessant festzustellen, zu welchem Arbeitsergebnis man damals kam. Im Bericht der IMAG-Funktionalreform, Landtagsdrucksache 4/1210, hat ein Gros der Aufgaben den Vermerk „strukturunabhängig“ erhalten. Und da war noch von viel mehr Aufgabenübertragung die Rede, als das, was jetzt übrig geblieben ist.
Meine Damen und Herren! Eine Position, es gehe nur bei fünf Kreisen, müsste schließlich konsequenterweise einer Funktionalreform II, das heißt der Aufgabenübertragung von zwölf Landkreisen auf die Vielzahl von 113 Ämtern beziehungsweise amtsfreien Gemeinden, den Boden entziehen. Wir haben in den Ausschussberatungen auch einzelne Aufgabenübertragungen auf deren Sinnhaftigkeit hinterfragt und gegebenenfalls Änderungen vorgenommen – Stichwort: „Untere Bauaufsicht“ oder „Pflanzenschutz und Düngemittelrecht“.
Beim Problem Straßenbauverwaltung aber sind Zeichen und Wunder geschehen. Unsere Fachpolitiker können das sicher noch viel detaillierter und plastischer darstellen. Entgegen den Bewertungen und Ratschlägen zahlreicher externer Sachverständiger haben wir uns entschlossen, einen unzweckmäßigen Weg zu beschreiten. Hintergrund waren Gutachten zu Verfassungsfragen und zur Straßenbauproblematik. Ich komme zurück auf Herrn Professor Bull und damit knüpfe ich an meine Ausführungen von vorhin an. Zusammenfassend hat die Straßenbaudiskussion folgende Erkenntnis befördert: Ein Regionalkreismodell in einem Flächenland wie MecklenburgVorpommern ist verfassungsrechtlich nur begründbar auf der Basis einer höchst unzweckmäßigen Aufgabenneuverteilung. Meine Damen und Herren, auf solchen Fundamenten kann eine ernsthafte Verwaltungsmodernisierung keinen Bestand haben.
Wer die grundlegenden Aufgaben des Straßenbaus erst bereit ist zu übertragen, nachdem sie erledigt sind, der macht sich und anderen etwas vor.
Zu den fachlichen Aspekten gehören auch einige wenige Anmerkungen zu Vorpommern beziehungsweise der so genannten Zweiteilung Vorpommerns. Der Logik des Gesetzentwurfes folgend würde hier ein deutlicher Systembruch innerhalb der Konzeption vorliegen. Wer Vorteile und Zukunftsfähigkeit ausschließlich über große Regionalkreise definiert, der dürfte hiervon gerade den strukturschwächeren Landesteil nicht ausnehmen.
Mitunter ist nun die Behauptung zu hören, diese Konstruktion sei auf Wunsch der Linkspartei.PDS entstanden, da wir in Vorpommern zwei Landrätinnen stellen. Meine Damen und Herren, es gibt in unserem Landesverband, in unserer Fraktion und in unserem Fraktionsarbeitskreis nicht ein Dokument, nicht einmal eine Arbeitshypothese mit der Überschrift „5-Regional-Kreis-Modell“.
Zu den Begründungsansätzen, Analysen und Arbeitsthesen, die meine Partei und meine Fraktion für eine Kreisgebietsreform entwickelt haben, brauche ich an dieser Stelle keine Ausführung zu machen, denn sie stehen hier heute nicht zur Abstimmung.
Aufbauend auf den Empfehlungen der Enquetekommission zu Ämter- und Gemeindestrukturen hatten unsere Ansätze das Ziel einer Verbesserung der Kommunalstrukturen und nicht eine Anpassung von Kommunalstrukturen an die Anzahl unterer staatlicher Behörden. Auf diesem Wege wird erheblich zentralisiert, obwohl dezentrale Aufgabenerfüllung das Ziel war. Nun könnte ich die vorhin schon benannten angerissenen Problemfelder auch tiefgehender analysieren, aber dazu fehlt die Zeit. Lassen Sie mich aber zum Schluss meiner Ausführung noch einmal komprimiert die grundsätzlichen Ablehnungsgründe zusammenfassen:
Erstens. Die Notwendigkeit einer Reform der öffentlichen Verwaltung in Mecklenburg-Vorpommern ist allgemein anerkannt und wird von einer sehr breiten Mehrheit in diesem Land getragen. Der vorliegende Gesetzentwurf entspricht dieser Reformbereitschaft insgesamt nicht.
Er wird in seinem Kernbestandteil der Bildung von fünf Regionalkreisen weitgehend kritisiert und abgelehnt. Der Gesetzentwurf zur Funktionalreform ist damit mehr und mehr zu einem Reformhindernis selbst geworden und realisiert nicht den eingangs zitierten dargestellten breiten Konsensversuch des Innenministers.
Zweitens. Grundlegende Ziele einer Verwaltungsreform, für die die Fraktion der Linkspartei.PDS seit Diskussionsbeginn streitet – Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, Dezentralisierung der Verwaltungsstrukturen und strukturelle Konkordanz der Kommunalstrukturen –, werden durch den Gesetzentwurf nicht erreicht.
Drittens. Eine Verwaltungsreform entfaltet sich sinnvoll im Dreiklang zwischen fachlicher Rationalität, rechtlichen
Rahmenbedingungen und politischer Gestaltungsfreiheit. Diesem Dreiklang entspricht der vorliegende Gesetzentwurf nicht.
Die Regionalkreisfixierung, mit der die Reformdiskussion eröffnet und sofort beendet wurde, konnte überhaupt nur unter weitgehender Ausblendung fachlicher und rechtlicher Gesichtspunkte Eingang in den vorliegenden Gesetzentwurf erlangen. Einer rationalen Betrachtung wurde das vorliegende Kreismodell als Kern des Gesetzentwurfes als übermäßige und insgesamt wohl unzulässige Politisierung entzogen.
Viertens. Dem vorliegenden Entwurf fehlt ein rechtliches Fundament, wie es für eine übliche parlamentarische Befassung selbstverständliche und gebotene Praxis ist.
Dieser Gesetzentwurf ist über weite Strecken nicht für unser Land geschrieben, sondern bewusst an das Landesverfassungsgericht adressiert. Das ist unparlamentarisch. Was mich hierbei beunruhigt, was mich auch maßlos stört, ist, dass der Umstand, dass mit dem inzwischen schon fast geflügelten Wort, dieses Gesetz lande sowieso in Greifswald, jedes rechtliche Nachdenken, Zuhören und gegebenenfalls Ändern politisch aufgegeben wird.
Das entspricht nicht meinem Selbstverständnis als Abgeordnete dieses Landtages. Dieses Herangehen werde ich auch nicht nachträglich mit meiner Stimme legitimieren.
Meine Damen und Herren, ich teile bei diesem Reformvorhaben auch ausdrücklich nicht eine Denk- und Handlungsweise nach dem Motto „Lasst uns doch erst mal mit diesem Gesetz anfangen, und dann werden wir schauen und nachbessern.“
Diesbezügliche Konsequenzen dürfte uns die HartzGesetzgebung plastisch und drastisch vor Augen geführt haben.
Dieses Dargestellte, und das sei eine abschließende persönliche Bemerkung, bedeutet aber nicht – dagegen möchte ich auch ganz persönlich für mich sprechen und ich denke, dass ich das in meinen Ausführungen deutlich gemacht habe –, als Reformgegner, was auch medial passiert ist, bezeichnet zu werden. Als Mitglied des Sonderausschusses in den letzten zweieinhalb Jahren beziehungsweise drei Jahren denke ich schon, dass ich inhaltlich sehr konstruktiv mitgearbeitet habe, weil ich es für notwendig halte, dass Funktionalreform I und II realisiert werden. Ich bin nicht gegen eine Kreisgebietsreform! Nur so, wie es in diesem Gesetz dargestellt wird, nicht. Ich habe die Defizite aufgezeigt.
Ich möchte das, was ich denke, bezüglich dem, was Herr Müller vorhin so plastisch dargestellt hat, an einem Beispiel verdeutlichen: Zu dem, was wir hier aufgenommen haben zu Fragen der Gleichstellungsbeauftragten für die Zukunft, bin ich trotz alledem der Auffassung – und ich denke, da auch persönlich sehr aktiv mitgewirkt zu haben –, dass zum Beispiel diese Drittelung, Achtelung et cetera auch heute nicht sein muss, wenn wir sie so in die Kommunalverfassung hineinschreiben würden mit aller Konsequenz.
Und dafür brauche ich wiederum nicht dieses Gesetz.
Lassen Sie mich mit einem Zitat abschließen, wie ich begonnen habe. M. Herbert sagte einmal: „Es gibt keine bessere Vorbereitung auf die Zukunft als die richtige Ausnützung der Gegenwart.“ Nehmen wir das alle als Verpflichtung für unsere Arbeit und als Verantwortung für die Regierungstätigkeit und Opposition. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, heute einen Tag nach dem Internationalen Frauentag dieses Thema auf der Tagesordnung zu haben. Ich bin des Weiteren froh darüber, dass hier – wenn Sie sich erinnern, im vergangenen Jahr hatten wir am selben Tag, am 9. März, eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Frauen in MecklenburgVorpommern“ – so unstrittig diskutiert worden ist, und die Atmosphäre in diesem Saal eine ganz andere ist. Ich bin, wie gesagt, froh darüber, dass wir heute in dieser Art und
Weise miteinander über ein sehr wichtiges Thema diskutieren.
Nichtsdestotrotz möchte ich eine Sache klarstellen: Das, was hier gerade dargestellt worden ist, und zwar der Antrag, von dem im Innenausschuss die Rede war, ist nicht nur ein Antrag der CDU-Fraktion, sondern es ist ein interfraktioneller Antrag, der von uns allen hier getragen wird,
zu dem wir uns alle bekannt haben.
Des Weiteren freue ich mich an der Stelle – denn es ist so, wie Sie darstellten, der Entwicklungsprozess zum Landesaktionsplan war ja nicht ganz so unstrittig, wie das vielleicht hier den Eindruck erweckt –, dass die CDU und wir um einheitliche Meinungen gerungen haben. Die CDU hat insbesondere einige Positionen überarbeitet und auch begrüßt, dass die Migrantinnen mit ins Blickfeld des Landesaktionsplanes rücken. Umso weniger ist zu verstehen, deshalb sollte man darauf hinwirken, da das Bundesministerium momentan ja darüber nachdenkt, Mittel für die Sprachförderung bei Migrantinnen zu kürzen, sich damit von Seiten der CDU auseinander zu setzen.