Helga Trüpel
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Herr Präsident, meine Damen und Herren! Jetzt bin ich ja schon von beiden Rednern beziehungsweise Rednerinnen aufgefordert worden, auch demnächst weiter im Europäischen Parlament für Bremen und die Bremer Interessen zu arbeiten. Das werde ich gern tun. Ehrlich gesagt hätte es Ihrer Aufforderung dazu gar nicht bedurft.
Meine Damen und Herren, ich will zwei Vorbemerkungen machen. Sowohl Herr Jäger als auch Frau Busch haben relativ offen auf die Erfolge, aber auch auf die Versäumnisse der letzten Jahre hingewiesen. Das ist ja nicht so ohne weiteres selbstverständlich, dass Herr Jäger und Frau Busch das hier auch deutlich aussprechen, wo der Senat vielleicht eine gewisse Gesamtstrategie in den letzten Jahren hat vermissen lassen. Es ist wirklich zu beklagen, dass zwar der Wissenschaftssenator anwesend ist, aber der Vertreter des Wirtschaftsressorts nicht, weil Sie natürlich zu Recht sagen, dass gerade der Blick aus beiden Häusern in den nächsten Jahren die Gesamtstrategie, wie man nämlich Wissenschafts- und Forschungspolitik und Wirtschaftspolitik zusammen denken muss, absolut entscheidend ist und dass man das zumindest, was die Repräsentanz hier im Hause zu dieser Frage angeht, so nicht ohne weiteres feststellen kann, und das gehört auch kritisiert.
Dann hat Herr Jäger weiterhin gesagt, dass er hofft, dass in den nächsten Jahren auch die Bremer Abgeordneten viel für den Wissenschaftsbereich tun und dass er das vor allem bei der Bundesregierung vermisst. Herr Jäger, ich glaube, dass Sie da auf einem Auge doch ein bisschen blind sind. Ihr ganzer Wahlkampf, Frau Busch hat eben schon darauf hingewiesen, hat versucht, sich davon zu ernähren, dass Sie ausschließlich auf Rotgrün herumgetrommelt haben ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
und wirklich weniger Europawahlkampf gemacht haben. Ich glaube, dass das ein Fehler ist, der sich nicht nur schon gerächt hat, sondern der sich auch in Zukunft weiter rächen wird, wenn man nicht wirklich die großen politischen, europäischen Themen in den Blick nimmt und stattdessen nur nationale Themen und Ressentiments bedient. Das hat mit einer wirklich zukunftsfähigen Europapolitik nichts zu tun.
Ich möchte jetzt, da ich wenig Zeit habe und noch ein paar Punkte ausführen will, diese Zwischenfrage nicht beantworten.
Ich will nur noch einige Sätze zum Thema Technikfeindlichkeit sagen, weil ich auch glaube, dass das eine der großen politischen Auseinandersetzungen der letzten Jahre in der Bundesrepublik gewesen ist und auch weiter sein wird. Ich weise diesen Vorwurf, Rotgrün oder gar die Grünen seien technikfeindlich, schlicht zurück. Es ist so, dass wir immer darauf hingewiesen haben, dass man Technikfolgenabschätzungen machen muss, dass es so etwas wie Risikotechnologien gibt, insbesondere in der Atomtechnologie, aber auch bei der Gentechnik. Das ist unser technologischer Ansatz, dass es Technologien gibt, die wir befördern, die wir absolut notwendig finden, dass wir aber nicht so fortschrittsgläubig und fortschrittsoptimistisch sind, dass wir uns von einer solchen Risikoabschätzung verabschieden würden.
Da kann ich Ihnen versichern, Herr Jäger, an einer solchen Politik, die positiven Seiten zu befördern und die wirklichen Risikotechnologien einzudämmen, an einer solchen Politik werde ich auch in den nächsten Jahren auch im Europäischen Parlament festhalten.
Die Anfrage, die wir gemeinsam gestellt haben, hat deutlich gemacht, dass Bremen bei allem, was wir jetzt schon gehört haben, was man ausbauen muss, trotzdem in den letzten Jahren sowohl von der Universität Bremen als aber auch vom Technologietransferzentrum in Bremerhaven doch viele Erfolge zu zeitigen hat. Sie haben wirklich vor einem europäischen Horizont angefangen, ihre Forschungspolitik, ihre Projekte zu formulieren. Überhaupt hat die Bremer Forschungslandschaft, das steht auch in dem Bericht mit allen Zahlen, in den letzten Jahren von diesen europäischen Geldern sehr profitiert.
Jetzt haben Sie zu Recht gesagt, auch was die Anmeldung für das sechste Forschungsrahmenpro
gramm angeht, dass man natürlich auch die KMU ganz anders in den Blick nehmen muss. Jetzt gibt es eine neue Initiative, da alles auf Englisch ist, die heißt CRAFT, nämlich Cooperative Research Action for Technology, wo man versucht, mit solchen Unterstützungsmaßnahmen gerade an die kleinen und mittleren Unternehmen heranzukommen, um die Implementierung neuer Erkenntnisse in die hiesige Wirtschaft dann auch wirklich bewerkstelligen zu können.
Wir haben auch bei den letzten Debatten hier schon darauf hingewiesen, die große Lissabon-Strategie, dass die europäischen Regierungschefs beschlossen haben, Europa soll bis zum Jahr 2010 der ökonomisch leistungsfähigste Kontinent werden, die Produktion muss umgestellt werden auf wissensbasierte Produktion, ist ein großes Ziel der Europäischen Union, der Regierungschefs und auch der parlamentarischen Politik. Um das zu erreichen, müssen wir noch viel tun. Wir werden das vielleicht nicht gerade bis 2010 erreichen, aber dass man sich ambitionierte Ziele setzt, das ist richtig, und Bremen ist in diesem Kontext an der Formulierung einer solchen Strategie beteiligt. Wenn man jetzt noch einmal auf die Erfolge unserer Einrichtungen vor Ort schaut: Wenn das TTZ Bremerhaven von 49 Projekten, die beantragt worden sind, 13 bewilligt bekommt, ist das schon ein ziemlich guter Schnitt, und dann sieht man, was für erfolgreiche Politik sie in den letzten Jahren gemacht haben.
Der Senatsbericht, der uns vorliegt, geht darauf ein, was man in den nächsten Jahren machen muss. Ich will gar nicht leugnen, was sowohl Frau Busch als auch Herr Jäger gesagt haben, was man zusätzlich tun muss. Diese Punkte aber, die hier auftauchen, nämlich die Einrichtung eines Expertenkreises, um das Wissen, das es schon einmal gegeben hat, sicherzustellen und wirklich auf den Punkt, nicht indem man immer mehrere Gremien macht, zu überlegen, wie man diese Anträge weiter formulieren kann, dass man die finanzielle Unterstützung braucht!
Darum will ich Ihnen noch einmal ganz eindeutig sagen, Frau Busch, auch wenn ich das letzte Mal eine Stelle in der Universität gefordert habe, die so etwas wirklich leisten kann von der Kompetenz, von der sprachlichen Fähigkeit, vom Überblick, heißt das nicht, dass man sich damit zufrieden gibt, sondern das war ein Beitrag zu dem, was man tun muss, wenn man die Forschungspolitik des Landes Bremen wirklich europäisieren will.
Darum ist auch der letzte Punkt, der hier auftaucht, verstärkte Koordinierung zwischen Bremen und
Brüssel, richtig. Man muss auch die Kontakte vor Ort haben, nicht nur zu den Parlamentariern, auch mit unserer Bremer Vertretung in die Kommission hinein, also wir alle. Das letzte Mal haben wir diskutiert, wie wir die Bremer Verwaltung fit machen für Europa, auch das immer mit im Blick zu haben und gezielt auf diese neuen Programme hinzuarbeiten und alles immer vor der europäischen Perspektive zu denken, das ist die Aufgabe der nächsten Jahre. Man kann sich nur wünschen, dass Wissenschaft und Wirtschaft, die Ressorts hier in Bremen eng kooperieren und all die Anlaufstellen, die es in Brüssel gibt, auch wirklich nutzen.
Meine Damen und Herren, darum möchte ich jetzt zum Schluss, weil das der letzte Punkt hier war, verstärkte Koordinierung zwischen Bremen und Brüssel, noch einige Sätze in persönlicher Sache sagen. Ich habe mich aufgemacht, in den nächsten Jahren meine Arbeit genauso zu verstehen. Ich werde ja nicht weg sein aus Bremen, aber ich werde dem Bremer Parlament nicht mehr angehören, sondern dem Europäischen, aber ich möchte gerade an dieser verstärkten Kooperation zwischen der europäischen Perspektive und der Verankerung in Bremen arbeiten. Ich möchte auch Europa nach Bremen holen, auch hier Veranstaltungen machen und natürlich auch an der weiteren Entwicklung der Forschungsund Wissenschaftspolitik teilhaben.
Ich möchte mich noch einmal für die vielen Jahre, die ich diesem Hause nun angehört habe, bei Ihnen allen bedanken, nicht nur bei meinen Kolleginnen und Kollegen aus der Grünen-Fraktion. Ich habe von Ihnen allen viel gelernt. Parlamentarismus ist auch deswegen so toll, weil zu Recht so viele verschiedene Perspektiven und Interessen hier zum Tragen kommen. Natürlich hat jede und jeder, der hier im Hause sitzt, eine Grundüberzeugung, aber der Parlamentarismus ist immer dann besonders schön und erfolgreich, wenn man auch offen genug ist, Argumente der anderen aufzunehmen und wahrzunehmen und daraus, hoffentlich, gemeinsam etwas Neues und Positives für unser Bundesland zu machen.
Ich habe ja nun die Oppositionsbank kennen gelernt, ich kenne die Regierungsbank, und ich habe auch im letzten Jahr die Möglichkeit gehabt, aus der Präsidiumsperspektive dieses Haus zu sehen und zu begleiten. Mir hat diese Arbeit immer viel Spaß gemacht. Sie war nicht immer einfach, aber es war für mich persönlich eine Zeit, in der ich wirklich sehr viel gelernt habe, und ich möchte mich deswegen noch einmal bei Ihnen allen für die Kooperation, für den Streit und die positiven Auseinandersetzungen bedanken!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Als Vorbemerkung zu dieser Debatte über einen möglichen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union möchte ich bemerken, dass es für mich einen großen Unterschied gibt, ob man Gebrauch oder Missbrauch von einem Thema macht. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben gerade am 1. Mai 2004 die EU-Osterweiterung gefeiert. Bevor ich zu der Frage eines möglichen Beitritts der Türkei komme, möchte ich auf das historische Datum der EU-Osterweiterung eingehen. Damit ist die Spaltung Europas auch offiziell überwunden. Die Folgen des Kalten Krieges sollen der Vergangenheit angehören, Europa will in Frieden leben. Die verhängnisvollen Kriege der europäischen Staaten und Nationen sollen ein für alle Mal der Vergangenheit angehören. In dieser Hinsicht, meine Damen und Herren, ist Europa eine Erfolgsgeschichte, und das soll es auch bleiben.
Ich teile die Meinung und Haltung derjenigen, die die Chancen Europas und auch der EU-Osterweiterung höher bewerten als ihre Risiken, und bei allem Verständnis für die Ängste und Sorgen der Menschen möchte ich mich gegen Kleinmut und Abschottung wenden. Ich sage all denjenigen, die vor der Erweiterung warnen oder glauben, alle ökonomischen Probleme lägen an dem Beitritt der armen Nachbarn: Sie täuschen sich! Die ökonomischen Probleme der Globalisierung hängen nicht an der EUOsterweiterung. Die wirtschaftliche Erneuerung Europas liegt nur in einer Vorwärtsstrategie, meine Damen und Herren. Wir müssen den Strukturwandel angehen, die Märkte wachsen lassen und den Markt sozial und ökologisch regulieren und so die Globalisierung gestalten! Das ist Europas Zukunft, das ist Europas Chance!
Ich betone noch einmal und möchte Sie auch gleichzeitig daran erinnern, dass die Ängste vor dem Beitritt Spaniens, Portugals und Griechenlands, es würde sich eine ungeheure Arbeitsmigration in die europäischen Zentralländer ergeben, sich so auch nicht bewahrheitet haben. Die Ängste, die damals geäußert wurden, waren sehr ähnlich, aber wir können heute feststellen, wir haben es stattdessen mit einer Wohlstandsverbesserung in diesen Ländern zu tun, die hat es gegeben, und das ist sehr erfreulich.
Liebe Kollegen, nie wieder soll sich Europa an ethnischen und religiösen Fragen so auseinander dividieren, dass man die Waffen gegeneinander erhebt. Bei allem Respekt für die drei Weltreligionen in Europa, die Zeit, in der wir uns im religiösen Gegeneinander definierten, sind vorbei und müssen vorbei sein.
Für die EU-Osterweiterung gibt es in der deutschen Bevölkerung eine Mehrheit von 55 Prozent. Viel umstrittener, das gebe ich hier freimütig zu, ist in der Bevölkerung und auch in den Parteien die Frage eines möglichen Beitritts der Türkei. Es ist richtig, dass definiert wird, wer zur Wertegemeinschaft Europa gehören darf und soll. Deswegen möchte ich mich dieser Herausforderung auch hier stellen. Ich möchte Ihnen jetzt darlegen, warum die Grünen für ernsthafte Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sind, wenn die Türkei alle Beitritts- und Demokratisierungserfordernisse erfüllt.
Wir Grünen sind der Meinung, dass es ein ungeheuer großer Gewinn wäre, wenn die Türkei sich zu einem wirklich demokratischen Staat entwickeln würde, und zwar innenpolitisch für die Türkei wie für die gesamte Frage der Entwicklung des Nahen Ostens und für die Frage der Demokratiefähigkeit eines islamisch geprägten Landes. Die Regierung Erdogan hat sich aufgemacht, viele Reformen in Angriff zu nehmen. Eine Mehrheit der Türken wünscht den Beitritt, und diese sollten wir nicht enttäuschen.
Wir würden diese Menschen von Europa weg und in die Arme der Islamisten, der Antiwestler treiben, daran können wir kein Interesse haben.
Meine Damen und Herren, der Türkei sind seit 1963 Angebote deutscher Regierungen gemacht worden, der EU irgendwann beizutreten. Auch Helmut Kohl als Bundeskanzler hat an diesem Kurs nie einen Zweifel gelassen, dass, wenn die Türkei die Demokratisierung, den wirtschaftlichen Aufschwung und die wirtschaftliche Stabilität schafft, Europa dann seine Versprechen auf ernsthafte Beitrittsverhandlungen aufrechterhalten muss. Das ist auch die Meinung der Grünen. Deshalb halten wir auch von dem jetzigen Vorschlag von Frau Merkel, nur eine privilegierte Partnerschaft anzubieten, nichts.
Wir sind für den von der EU-Regierungskonferenz in Kopenhagen 2001 beschlossenen Weg. Dieses Vorgehen ist sogar einstimmig in Kopenhagen von der Regierungskonferenz beschlossen worden.
Ich möchte Ihnen jetzt die so wichtigen Kopenhagener Kriterien, die nach diesem Gipfel genannt sind, nennen: Abschaffung der Folter, Abschaffung der Todesstrafe, klare rechtsstaatliche Prinzipien,
Minderheitenrechte insbesondere für die Kurden, das Zurückdrängen der Rolle des Militärs, die Gleichstellung der Geschlechter, Religionsfreiheit, das heißt zum Beispiel auch Religionsfreiheit für die Christen in der Türkei und für andere religiöse Minderheiten, wirtschaftlicher Aufschwung, wirtschaftliche Stabilität, Eindämmen der Inflation. Es gibt noch mehrere, aber, ich finde, das sind die Kernkonditionen, die formuliert worden sind, und an denen wird die Türkei gemessen und muss sie auch gemessen werden.
Meine Damen und Herren, es gibt ein klar verabredetes Verfahren. Im Oktober dieses Jahres wird die EU-Kommission die Fortschritte der Türkei beurteilen, und die Regierungskonferenz im Dezember dieses Jahres wird entscheiden, ob die erfolgten Veränderungen und Demokratisierungsschritte ausreichend waren, um in ernsthafte Beitrittsverhandlungen einzutreten. Diesen Weg finden die Grünen richtig. Es ist klar definiert, und der Weg ist klar konditioniert. Es müssen substantielle Veränderungen greifen, dann, meine Damen und Herren, gibt es keinen ernsthaften Grund, nein zu sagen. Bisher hat der Zwischenbericht der Europäischen Kommission im April deutlich gemacht, dass es zwar überzeugende Fortschritte gibt, diese aber noch nicht ausreichend sind.
Ich muss Ihnen auch sagen, dass mich das erneute Urteil gegen Leyla Zana, die kurdische Politikerin, die in Haft bleiben muss, erschüttert hat. Das EU-Parlament und Kommissionspräsident Prodi haben das auch sehr deutlich kritisiert. Das ist richtig und notwendig so.
Ich möchte besonders betonen, dass es von unserer Seite keinen falschen Bonus für die Türkei gibt, aber auch kein prinzipielles Nein. Dieses prinzipielle Nein, das wir hier gleich noch hören werden, ist aus unserer Sicht unhistorisch und falsch. Wir teilen nicht das Argument, die Türkei gehöre geographisch nicht zu Europa. Sie ist immer ein Staat gewesen, der mit einem Teil zum klassischen europäischen Kontinent gehört hat.
Wir teilen auch nicht das Argument, ein islamisches Land wie die Türkei gehöre nicht zu Europa. Europa ist, wie der christdemokratische Ministerpräsident von Luxemburg Jean-Claude Junker gesagt hat, kein Christenclub. Es ist immer ein Kontinent mit drei Weltreligionen gewesen, natürlich war das Christentum insgesamt prägend, aber es hat immer
Judentum und Islam auf unserem europäischen Kontinent gegeben, und das ist auch gut so. Es hat auch andere Glaubensrichtungen in der Geschichte unseres Kontinents gegeben, und deswegen muss dem auch Rechnung getragen werden.
Meine Damen und Herren, selbst Leyla Zana, die noch im Gefängnis sitzt, sagt, sie sei lieber eine Gefangene in einer Türkei auf dem Weg nach Europa als frei in einer Türkei, von der Europa sich abwendet. Also, ernsthafte Beitrittsverhandlungen, und ein möglicher Beitritt in vielen Jahren, ist ja kein Beitritt, der morgen wäre! Ich sage auch, für mich ist dieser Prozess, wenn es denn zu ernsthaften Beitrittsverhandlungen kommt, zu denen es nur kommen darf, wenn die Konditionen erfüllt werden, ein ergebnisoffener und langer Prozess über etliche Jahre. Ich glaube aber, es wäre sowohl für Europa wie auch für die Türkei wie auch für den Nahen Osten ein historischer Fortschritt, wenn dieser Prozess gelingen sollte, auch aus geostrategischen Gründen für die ganze Region im Nahen Osten. Eine demokratische Türkei hätte Auswirkungen auf alle Diktaturen und die Minderheiten im vorderen Orient, und daran müssen wir als Europäer ein demokratisches und historisches Interesse haben.
Ich komme zum Schluss und fasse zusammen. Es gibt bei allen Problemen, und dass es nicht von heute auf morgen geht, ist klar, ein großes Interesse daran, diesen Prozess zu beschleunigen, politisch zu unterstützen, dass die Türkei sich zu einem islamisch geprägten, aber demokratischen Staat entwickelt. Wie gesagt, keinen falschen Bonus, kein falsches Hurra, aber auch kein prinzipielles Nein in dieser Frage! – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe eben schon zu Beginn meines ersten Redebeitrags mit großem Bedacht gesagt, dass es für mich einen Unterschied zwischen Missbrauch und Gebrauch einer Debatte und eines Themas gibt. Ich fühle mich auch nach dem, was ich jetzt gehört habe, darin bestätigt. Ich möchte erst einmal festhalten, auch wenn Sie, Herr Wedler, mir jetzt vorwerfen, ich würde dieses Thema missbrauchen, und sich hier anmaßen, Anträge von Kollegen zu beurteilen, ob sie überflüssig sind oder nicht: Das steht Ihnen einfach nicht zu!
Jeder Kollege hat hier das Recht, Anträge zu stellen. Diese Art von Schulbenotung möchte ich zurück––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
weisen. Es ist ja in Ordnung, wenn Sie einen Antrag politisch nicht richtig finden, aber diese Art von Notenverteilung machen wir mit Ihren Anträgen auch nicht, Herr Kollege.
Dann möchte ich weiterhin festhalten: Ob man ein Thema, weil es überall in der Gesellschaft diskutiert wird, auch hier im Hause für diskussionswürdig hält oder ob man ausländerfeindliche Kampagnen startet, ist für mich ein großer Unterschied. Jetzt zu dem Argument mit dem Wahlkampf! Der nächste Tagesordnungspunkt, ob wir unsere Verwaltung fit für Europa machen, ist extra so getimt für heute, hat gar nichts mit Wahlkampf zu tun, aber wenn wir über ein europäisches Thema reden wollen, dann stellen Sie sich hier pharisäerhaft hin und sagen, das darf man im Europawahlkampf nicht. Was ist das eigentlich für ein Unsinn? Mit welchen unterschiedlichen Maßstäben wird hier eigentlich je nach Interesse gemessen? Da geht mir wirklich der Hut hoch!
Jetzt noch einmal etwas zum Thema selbst, und jetzt fange ich einmal mit Herrn Jäger an! Wenn hier irgendetwas Wahlkampf gewesen ist, dann in dieser Debatte, dass Herr Jäger bei keinem meiner Argumente zugehört hat, sondern die Rede, die fertig war, verlesen hat.
Sie sagen, ich hätte überhaupt nichts zur wirtschaftlichen Entwicklung von Europa gesagt und wie zentral diese Frage des Strukturwandels ist, weil Sie immer mit Ihrem billigen Argument von Rotgrün und Bundesregierung kommen. Bevor ich zur Türkei gekommen bin, habe ich etwas zu der Frage der Zentralität der ökonomischen Entwicklung Europas gesagt. Dann war ein weiteres Argument, ich hätte nicht genug zu den Minderheiten und Kurden gesagt. Ich habe als Erste hier das Urteil gegen Leyla Zana kritisiert. Werfen Sie mir doch nicht vor, ich sei auf dem einen Auge blind! Ich kann doch ein politisches Interesse daran haben, dass sich die Türkei zu einem demokratischen Land entwickelt, und politisch daran arbeiten wollen. Was Sie machen, ist – Sie haben nämlich kein Interesse daran –, dass Sie diesen Prozess nicht unterstützen, sondern ihn offensichtlich wie dieser schreckliche Kollege von der DVU eher vereiteln wollen. Das finde ich politisch falsch.
Wenn Herr Stoiber jetzt im Europawahlkampf und gesagt hat, wir müssen uns erst einmal festigen, und
wir müssen Europa vertiefen und können nicht erweitern, dann kommt er mit Russland, mit Marokko, mit Tunesien, mit Israel. Das nenne ich Panikmache im Europawahlkampf, aber nicht, wenn wir über einen Prozess reden, von dem Bundeskanzler Kohl vor Jahrzehnten schon gesprochen hat, der Türkei die Partnerschaft anzubieten. Da sollten Sie sich vielleicht einmal ein bisschen an seiner bedachten Art orientieren.
Jetzt kommt das nächste Argument von Herrn Jäger! Ich freue mich immer besonders, wenn gerade die männlichen Kollegen der CDU so frauenfreundlich werden. Ich gehöre unter anderem deswegen zu den Grünen, weil das hier für uns Frauen von den Grünen immer ein zentrales Thema war, weil wir auch so einen besonderen Stellenwert innerhalb der Grünen und die Quotierung haben, die keine andere deutsche Partei hat. Erzählen Sie mir nichts von Frauenemanzipation und wie wichtig das ist! Da bin ich nun wirklich eine Kämpferin für die Rechte der Frauen, Emanzipation und Gleichberechtigung.
Ich gehöre wirklich nicht zu denen, die Frauenunterdrückung oder das, was Sie eben von türkischen Männern gesagt haben, rechtfertigen. Ich finde das zutiefst schrecklich. Ich wünsche mir sehr, dass in den nächsten Jahren da ein gesellschaftspolitischer Wandel auch bei diesen Männern in der Türkei greift. Aber gerade Sie, ich will Ihnen einmal ein Beispiel aus der innenpolitischen Debatte in Deutschland nennen! Es hat im Vorfeld der Wahl des Bundespräsidenten in allen Gazetten, vor allem in Ihrer Partei, eine Diskussion darüber gegeben, dass es in Deutschland undenkbar ist, dass man eine Kanzlerkandidatin und eine weibliche Person als Bundespräsident hat. Das sind die wahren Verhältnisse in Deutschland!
Meine Damen und Herren, Sie stellen sich hier hin und klopfen solche Sprüche! Ich finde, meine Damen und Herren, an dem Punkt könnten Sie ein bisschen demütig sein.
Ich bin wirklich eine Kämpferin für die Rechte der Frauen. An einem solchen Punkt kann die CDU wirklich zu Recht ein bisschen demütig sein. Solange solche Argumente aus der CDU kommen, müssen Sie sich hier nicht aufspielen.
Ich sage ja, die getroffenen Schweine quieken. Das hatten wir gestern auch schon so.
Ich führe hier eine offene parlamentarische Debatte. Irgendwie verstehe ich Ihre Aufregung nicht so ganz! Sie müssen sich schon irgendwie auch einmal die Gegenargumente anhören. Ich habe mir doch eben auch Ihre Reden angehört, und jetzt antworte ich darauf! Das ist Parlamentarismus, Herr Herderhorst!
Jetzt zu dem Argument mit Kaplan! Ich bin ganz an Ihrer Seite, wenn Sie sagen, dass man den erstarkten islamischen Fundamentalismus – ich gehe so weit, das, was sich da bei den Aktionen von Al Kaida in gewissen islamistischen Kreisen tut, eine neue Art von Faschismus und totalitärem Denken zu nennen – entschieden bekämpfen muss.
Da bin ich ganz an Ihrer Seite, aber solche Auswüchse von latent- und manifest-faschistischem Denken sind etwas anderes, als ob man gewillt ist, mit Menschen anderer Religionen zusammenzuleben. Da kann man Vertreter islamischen Glaubens nicht mit
islamistischen, faschistischen Gewalttätern und Terroristen in einen Topf werfen. Wer das tut, hat das Augenmaß für unsere innenpolitische Debatte verloren.
Jetzt zu dem Argument, man dürfte im Europawahlkampf hier eine solche Debatte gar nicht führen! Anders als Sie, meine Damen und Herren, bin ich der Meinung, dass man sich solchen Themen, die in der Tat gesellschaftspolitisch umstritten sind, stellen muss. Herr Wedler, wenn Sie so tun, als ob Herr Tittmann heute die erste ausländerfeindliche Rede anlässlich dieses Themas gehalten hätte, dann haben Sie offensichtlich von diesem Parlament noch nichts verstanden. Ich weise auch ein solches Wort wie Überfremdungsfanatiker, das eben von Herrn Tittmann uns gegenüber gefallen ist, entschieden zurück.
Dieser Mann, meine Damen und Herren, hat leider immer noch nicht verstanden, dass die Zukunft Deutschlands und Europas in einem friedlichen Zusammenleben und in einer Koexistenz von Menschen aus anderen Ländern und den Menschen, die sozusagen in den Nationalstaaten geboren sind, liegt. Das ist unsere Zukunft. Wir werden auch nur die ökonomischen Probleme und die Fragen der Alterspyramide bewältigen, wenn wir bereit und gewillt sind, uns dieser Integrationsleistung und dieser Art von Zuwanderung zu stellen.
In weiten Teilen der CDU und der DVU ist das immer noch nicht wirklich angekommen. Ich glaube, dass wir keinen anderen positiven Weg haben, unsere Zukunft zu bewältigen, als uns dieser Form des Zusammenlebens zu stellen. Das ist nicht immer einfach, das ist nicht konfliktfrei, aber es gibt keinen anderen Weg, als sich auf den Weg zu machen, Einwanderung positiv zu besetzen und bewältigen zu wollen. Da hat die CDU in den letzten Jahren erhebliche Versäumnisse zu verzeichnen. Das ist natürlich so.
Darum möchte ich noch einmal festhalten, ich finde es richtig, solche Debatten zu führen. Man weckt damit keine schlafenden Hunde, sondern es wird das hier im Hause debattiert, was es an öffentlicher Auseinandersetzung gibt. Das Parlament ist ein Ort, wo solche Debatten geführt werden. Dazu stehe ich. Auch hier im Hause ist das nicht konfliktfrei, das ist auch nicht zu erwarten. Wir führen hier offene, politische Auseinandersetzungen.
Ich will noch einmal sagen, ich gehöre durchaus zu denen, die viele Probleme in der Türkei sehen. Das habe ich auch in meiner ersten Rede deutlich gemacht. Ich habe hier nichts beschönigt, Herr Jäger! Trotzdem bin ich der Meinung, wenn die Kopenhagener Kriterien erfüllt werden, und da gibt es diese klaren Konditionen, dann gibt es ein großes politisches Interesse, den Demokratisierungsprozess in der Türkei zu unterstützen. Deswegen möchte ich, dass hier heute unserem Antrag zugestimmt wird, der begrüßt, dass die Konferenz in Kopenhagen diesen Beschluss einstimmig gefasst hat, und den Senat auffordert, auch weiterhin in diesem Sinn auf der europäischen Ebene und in der Bund/LänderArbeitsgruppe tätig zu werden. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Da ich jetzt gelernt habe, dass es besser ist, im Europawahlkampf lieber nichts zu Europa zu sagen, will ich es kurz machen! Wir haben uns also seit geraumer Zeit, und es hat auch zum Glück schon einen längeren Vorlauf, damit beschäftigt, was wir hier in Bremen in den verschiedenen Ressorts tun können und müssen, um den Horizont der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erweitern: Dass sie die Ausschreibungen auch gleich so formulieren, dass klar ist, dass besonderes europäisches Interesse gewünscht wird, dass man mehrere Sprachen spricht, dass es weitere sprachliche Qualifizierungen gibt, weil wir, als wir jetzt vor kurzem und in den letzten Jahren gemeinsam in Brüssel waren, immer wieder darüber gestaunt haben, wie kompetent die Mitarbeiter der Verwaltung in Brüssel in der Regel sind, dass es in der Regel Leute sind, die drei oder vier Sprachen sprechen und dass wir uns davon richtig eine Scheibe abschneiden können!
Das heißt, wir haben es in allen Feldern unserer Politik in Bremen damit zu tun, Europa wirklich in den Blick zu nehmen, genau hinzuschauen, welche Programme gibt es über Brüssel, wie können wir daran partizipieren, wie können wir dort Ideen, die wir haben, helfen mitzufinanzieren, also all das wirklich in die Köpfe der Menschen hier hineinzubekommen, Kontakte zu Brüssel zu haben, dass es einfach selbstverständlich wird, im besten Sinne Normalität, dass man nicht nur auf Bremen schaut, sondern dass man immer den europäischen Horizont im Blick hat.
Darum ist es auch richtig, über gezielte Abordnungen nachzudenken, und wir haben ja auch hier aus Bremen sehr qualifizierte Mitarbeiter in Brüssel, die dort auch für unser Interesse gute Dienste leisten.
Ich will aber auf einen wunden Punkt zu sprechen kommen, der mir jetzt auch in den letzten Wochen immer wieder zugetragen worden ist! Vor ein paar Jahren hat es im Kulturressort eine sehr kompetente Mitarbeiterin gegeben, die sich wirklich mit den europäischen Programmen auskannte, die vor allem auch wusste, wie sie Künstlerinnen und Künstler der Stadt beraten kann, wenn sie Interesse hatten, sich an ausgeschriebenen Programmen der Kommission zu beteiligen. Eine solche Kompetenz gibt es zurzeit im Kulturressort nicht, und das ist ein sehr großer Mangel, da man ein Interesse daran haben muss, dass man solche Ansprechpartner in allen Ressorts für die jeweiligen Fragen hat, aber natürlich auch im Kulturressort. Gerade jetzt, da wir uns für die ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Europäische Kulturhauptstadt 2010 bewerben wollen, muss es auch in der Kulturverwaltung, die ja sowieso reorganisiert werden muss, eine ganz spezifische Kompetenz geben, und die vermissen wir.
Also, meine Damen und Herren, wir sind da auf dem Weg, auch die Landeszentrale für politische Bildung mit ihren Seminaren macht dort gute Arbeit. Ich finde es richtig, sie soll es auch weitermachen, das ist keine vergeudete Zeit, sondern das ist Investieren in die Menschen, die für Europa fit werden wollen. Wir werden das weiter unterstützen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir beantragen heute, Wirtschaftssenator Perschau das Misstrauen auszusprechen, weil er die politische Verantwortung für das Space-Park-Debakel trägt. Ich möchte gleich deutlich machen, dass es sich nicht um einen persönlichen Angriff handelt und wir ihm nicht persönliches Versagen oder gar Bereicherung vorwerfen,
sondern es geht eindeutig um die politische Verantwortung für das Space-Park-Debakel.
Ich wiederhole, es geht mir eindeutig darum, hier die politische Verantwortung von Wirtschaftssenator Perschau und die des gesamten Senats und der Regierungsfraktionen zu thematisieren.
Der Space-Park, das Space-Center ist keine Erfolgsgeschichte, sondern, auch wenn Sie es immer als hitverdächtig dargestellt haben, Sie haben mit dem Space-Park und dem Space-Center bisher nichts als Teilniederlagen hingelegt. Sie, Herr Senator Perschau, haben als Wirtschaftssenator Bremen damit schweren Schaden zugefügt, finanziellen Schaden und Imageschaden.
1996, zu Beginn der großen Koalition, ist dieses Projekt mit den Stimmen von SPD und CDU auf den Weg gebracht worden. Das Vorzeigeprojekt der großen Koalition – und dass es sich darum handelt, daraus haben Sie nie einen Hehl gemacht –, das Flaggschiff der Tourismusstrategie ist leckgeschlagen. Millionen Euro Steuergelder sind versenkt, Darlehen sind verloren, nicht nur damals das Darlehen über die SWG an die Köllmann-Firmen, sondern auch die 40 Millionen an ProFun. Glaubt heute eigentlich noch irgendwer, dass Sie von diesen Darlehen noch einmal einen Cent wiedersehen werden? Meine Damen und Herren, das ist die Bilanz, und die ist schlecht, schlecht für Bremen.
Wer sind die Akteure? Die Dresdner Bank und das Land Bremen! Die Dresdner Bank ist Eigentümerin ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
der Gesamtimmobilie, nicht das Land Bremen. Das Land ist jedoch in vielfacher Hinsicht in das Projekt einbezogen: infrastrukturelle Erschließung, Betriebsmittelkredit für das Entertainment-Center und einiges mehr an Darlehen und Unterstützungen! Letztlich hat das Land Bremen diese Art der Nutzung des Geländes forciert und damit, ob der Senat es nun eingesteht oder nicht, eine städtebauliche Verantwortung für die Zukunft dieser Megaimmobilie.
Meine Damen und Herren, dieses Zukunftsprojekt, wie es der Senat immer genannt hat, ist in schwere Strudel geraten. Die Werbebotschaft war seit Jahren genau das Gegenteil, hier ist immer Mist für Gold verkauft worden. Ich möchte Sie noch einmal erinnern: Von 1996 an hieß es am Anfang, eine einmalige Shopping-Destination, einmalig in Europa, und zwar nur im Doppelpakt mit dem Ocean-Park wird es ein wirklich gewinnbringendes Unternehmen. Dann ist Ihnen dieser Zwilling abhanden gekommen. Dann allerdings galt der singuläre Space-Park als der wahre Renner. Er sollte zur Expo 2000 fertig sein und viele Besucherinnen und Besucher nach Bremen holen. Nichts davon ist passiert! Dann gab es das so genannte Softopening, allerdings nur des Space-Centers, weil die Mall da in der Branche schon als Investitionsruine galt, diese riesige Betonhülle, die leer steht. Jetzt könnte man fast böse sagen, offensichtlich sind Sie vom Softopening zum Softclosing gekommen.
Mit der Ankündigung der Dresdner Bank, die Kreditlinien zu kündigen, ist offensichtlich geworden, dass die Bank nicht mehr von einem Erfolgsprojekt ausgeht. Ich möchte Ihnen mit Genehmigung des Präsidenten ein Zitat vorlesen von Bürgermeister Dr. Scherf vom 28. Mai, also von letzter Woche, aus der „Süddeutschen Zeitung“: „Scherf nimmt Perschau in Schutz“, Zitat Scherf: „Der Space-Park ist kein Problem Perschau, sondern ein Regierungsproblem. Es ist ein Alptraumprojekt.“ Meine Damen und Herren, dem haben wir nichts hinzuzufügen!
Das ist aus Ihrem Vorzeigeprojekt geworden, so weit ist es gekommen, dass der Präsident des Senats in der bundesweiten Presse von einem Alptraumprojekt spricht! Ist das positives Marketing für Bremen? Es ist in Beton gegossener Größenwahn, monostrukturiert, ein großer wirtschaftspolitischer Fehler!
Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, im Dezember 2003 wurde dann das Space-Center auf einmal als Ankermieter für die Mall verkauft. Weil man die Mall nicht füllen konnte, drehte man die Argumentation einfach um. Jetzt sollte nicht mehr irgendwie ein großer Unternehmer Ankermieter in der Mall sein, sondern jetzt behaupteten die Herren von ProFun, nein, das Space-Center selbst sei der Ankermieter für die Mall.
Dann gab es hier im Dezember 2003 eine Debatte, und es wurde wieder behauptet, alles wird jetzt wunderbar. Es sei sogar billiger geworden, verstieg sich Wirtschaftssenator Perschau, außerdem sei es alles nur altes Geld. Dass es billiger geworden ist – das Gegenteil, nämlich dass es teurer wurde, haben wir Ihnen dann vorgerechnet –, war schlicht die Unwahrheit, was Herr Senator Perschau hier dem Hause verkündet hatte. Wem wollen Sie das eigentlich noch verkaufen? Offensichtlich gerade noch einem Teil der Senatskollegen und den Regierungsfraktionen! Wir haben gehört, dass in der letzten Senatssitzung, als Sie jetzt die neue Lösung im Senat zur Kenntnis genommen haben, Herr Senator Dr. Nußbaum und Herr Lemke gar nicht mitgemacht haben.
Wissen Sie eigentlich, was die Menschen in der Stadt reden? Es hat jetzt vom „Weser-Kurier“ dieses Stadtschnackergebnis gegeben. 83 Prozent derjenigen, die sich daran beteiligt haben, haben sich dafür ausgesprochen, dass es keine weiteren öffentlichen Mittel für dieses Projekt gibt. Sind das eigentlich alles Idioten für Sie?
Ich möchte noch einmal betonen, dass die Menschen in der Stadt immer skeptisch waren, und ich möchte behaupten, nicht aus einer generellen Bedenkenträgerei, sondern weil sie befürchtet haben, dass dieses zu große Projekt nicht wirklich zu Bremen passt. Nur die große Koalition hat gegen alle Gegenargumente, und ich möchte behaupten, an manchen Punkten auch gegen besseres Wissen, an diesem Projekt festgehalten.
Meine Damen und Herren, ich weiß, aus Ihrer Sicht sind wir, was das Thema Space-Park angeht, immer die Bad Girls der Stadt und des Landes gewesen. Ich will Ihnen aber einmal eines sagen: Eine wahre Erfolgsgeschichte kann man nicht kaputtreden. Denken Sie einmal, man würde das jetzt nach den großen Erfolgen von Werder Bremen versuchen! Glauben Sie so etwas wirklich? Gestern ist hier noch wieder behauptet worden, wir hätten den SpacePark kaputtgeredet. Wer sich wirklich zu solch dummen Argumenten vergreift, man könnte Erfolgsprojekte kaputtreden, ich glaube, der hat ziemlich wenig Ahnung von wirtschaftspolitischen Realitäten.
Jetzt muss man den Eindruck gewinnen, auch nach den letzten Vorschlägen, die Sie gemacht haben, dass es Ihnen, vor allem den Vertretern im Senat, nur noch darum geht, die eigene Haut zu retten.
Ich möchte Ihnen noch einmal ein paar Zitate aus den letzten Jahren vorlesen! Das erste Zitat ist vom damaligen Wirtschaftssenator Hattig hier in der Bürgerschaft von Juli 2000: „Es ist ein Großprojekt, das
für die Sanierung Bremens im Rahmen des Sanierungsprogramms sehr wichtig ist und vielleicht sogar eine Schlüsselfunktion für die spezifische Gewichtung des Tourismus hat. Damit kommt Kaufkraft nach Bremen, und mit dieser Kaufkraft haben wir eben auch ein Einzelhandelsprojekt verbunden und in das Projekt eingebunden. Wir werden dieses Projekt konsequent weiterführen, denn Vertrauen ist für Bremen eine fast wichtigere Investitionsgröße als der Stempel aus Brüssel.“ Soweit Herr Hattig!
Dann kommt ein Zitat von Herrn Focke, Mai 2001, auch hier in der Bürgerschaft: „Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, das Space-Park-Projekt könnte insgesamt oder in wesentlichen Teilen scheitern. Risikolos ist das Vorhaben jedoch nicht, aber die Chancen überwiegen bei weitem. Die Erfolgswahrscheinlichkeit wächst nach meinem Dafürhalten mit dem Realisierungsfortschritt.“ Soweit Herr Focke!
Nein, nur die Realität ist anders!
Jetzt das nächste Zitat von Frau Winther, Juli 1998: „Mit Raumfahrtattraktionen mit großer überregionaler Ausstrahlung und Wirtschaftlichkeit vorausgesetzt ist für die CDU-Fraktion der Space-Park nach wie vor ein Projekt, das eine Antwort auf die strukturellen Probleme Bremens bietet.“ Mittlerweile müssen wir feststellen, dass es eher Teil der großen strukturellen und finanziellen Probleme Bremens ist und nicht Teil der Lösung.
Als Herr Hattig Wirtschaftssenator geworden ist und dieses Amt von Herrn Perschau übernommen hat, hatte er das, was er da auf dem Schreibtisch vorgefunden hat, kritisiert und dann den Vorschlag gemacht, es um die Mall zu erweitern. Wir müssen jetzt feststellen, dass das ein Verschlimmbesserungsvorschlag war. Aus der Mall ist bisher nichts geworden, und dann wurde mit Hilfe neuer Gelder, neuer Darlehen die Firma ProFun gewonnen, um dieses Space-Center zu betreiben.
Jetzt müssen wir feststellen, dass die Dresdner Bank sich offensichtlich aus ihrem Engagement zurückziehen will, sie will aussteigen, und jetzt soll wieder einmal ein neues Gutachten her, und zwar in acht Wochen. Es ist vielleicht nicht ganz verwunderlich, dass dann, wenn dieses Gutachten kommen soll, gerade der Zeitpunkt der Sommerpause ist. Wir sagen Ihnen ganz deutlich: Diesen Versuch, sich da rettend in die Sommerferien zu begeben, werden wir nicht mitmachen.
Aus unserer Sicht haben Sie nur versucht, bei den großen Problemen, vor denen Sie stehen, noch einmal Zeit zu kaufen, und das ist eine erbärmliche Vorstellung! Wir sagen ganz deutlich, entweder gibt es eine private Lösung, weil es Investoren gibt und weil es Menschen gibt, die Ideen haben, diesen Space-Park und das Space-Center zu nutzen, die sich privat rechnen, und wenn es keine private Lösung gibt, dann gibt es eben keine. Eine mit Steuergeldern erzwungene und subventionierte darf es aus unserer Sicht nicht geben.
Meine Damen und Herren, nur wenn es sich am Markt realisieren lässt, ist es ein vertretbares Entertainment-Angebot. Wir sehen nicht, dass mit Herrn Senator Perschau diese Lösung, es rein privat zu betreiben, wirklich garantiert ist, denn bisher ist immer wieder in die öffentlichen Kassen gegriffen worden. Deswegen muss es aus unserer Sicht einen personellen und einen sachlichen Neuanfang für den Space-Park geben. Ein weiteres Wursteln, eine weiteres Schönreden, ein weiteres Subventionieren kann und darf Bremen sich nicht leisten. Sowohl Herr Senator Perschau als auch Herr Hattig haben in den langen Jahren von 1995 bis 2004 die Chance gehabt, nach ihren Vorstellungen, nach ihren Konzeptionen, wie sie geäußert wurden, aus diesem Projekt etwas zu machen. Diese Chance haben Sie verspielt! Aus unserer Sicht tragen Sie die politische Verantwortung für dieses Projekt, deswegen entziehen wir Ihnen das Vertrauen. Wenn andere im Senat das für sich auch so sehen, und so müssen wir ja die Presseerklärungen der letzten Tage verstehen – Herr Dr. Scherf hat es auch noch einmal gesagt, alle seien dafür verantwortlich –, werden wir sie nicht daran hindern, zu ihrer Verantwortung zu stehen!
Dann haben wir gehört, es ist keiner wirklich verantwortlich oder eben alle. In der Tat, ich stelle fest, aus meiner Sicht sind alle verantwortlich, der Wirtschaftssenator jedoch in erster Linie, denn er hatte die politische Regie für dieses Projekt. Deswegen verlangen wir einen personellen Neuanfang, eine rein private Lösung, keine weiteren Steuergelder in dieses Projekt zu stecken. – Vielen Dank!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich fand es schon sehr bemerkenswert, wie unterschiedlich die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD, Herr Kastendiek und Herr Böhrnsen, sich bei dieser Debatte eingelassen haben.
Herr Kastendiek, ich finde es wirklich ein Stück erschreckend, wie Sie gewillt sind, den Kopf in den Sand zu stecken.
Ich habe von Ihnen heute hier nichts anderes gehört als Pfeifen im Walde. Sie haben zwar sehr verdienstvoll und eifrig noch einmal die ganzen Stationen dieses Riesenprojekts nachgezeichnet, aber ehrlich gesagt, nach dem, was Sie gesagt haben, hätte nur noch gefehlt, dass Sie sagen, Trüpel und Fücks sind schuld. So wie Sie argumentieren, ist das wirklich abenteuerlich. Die politisch entscheidenden Setzungen sind ab April 1996 gelaufen.
Übrigens finde ich es auch nicht verwerflich, dass in der Ampel natürlich über diese Idee diskutiert worden ist. Aber es geht doch dann darum, wie die Grundlagen des Projekts sind. Da ging es zum ers––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ten Mal um harte Zahlen, um ganz bestimmte Finanzierungsmodelle, und da haben wir uns von Anfang an gegen dieses Abenteuer ausgesprochen.
Herr Kastendiek, wie man hier viele Fragen so wegfilibustern kann und sich nur noch als Meister der Prozentrechnung so präsentiert mit irgendwelchen acht Prozent hier oder 18,8 Prozent da, da wäre es wenigstens fair gewesen, Sie hätten sowohl Ihren Kollegen hier wie den Bürgerinnen und Bürgern der Stadt einmal die realen Zahlen gesagt.
Ich glaube, Herr Kastendiek, mit dieser Art, hier nur zu filibustern, kommen Sie mit diesem schwierigen Projekt nicht weiter.
Jetzt möchte ich gern einiges zu Herrn Böhrnsen sagen. Ausgehend davon, dass Herr Scherf selbst dieses Projekt nicht als Erfolgsgeschichte, sondern, wie gesagt, als „Albtraumprojekt“ geschildert hat, ich finde es sehr gut, Herr Böhrnsen, dass Sie den Mut hatten, deutlich zu machen, dass Sie gewillt sind, Probleme anzusprechen, dass es sich um eine sehr tiefe Krise handelt. Ich glaube, alles andere ist fahrlässig. Das muss man doch feststellen.
Wenn die maßgebliche Bank hier in Bremen ankommt und sagt, wir sehen uns nicht mehr in der Lage, das Projekt weiter zu betreiben, und werden die Kreditlinien kündigen, das haben wir uns doch nicht ausgedacht, meine Damen und Herren, das ist das Agieren der Bank, und das zeigt, wie gefährdet dieses Projekt ist. Das ist der Punkt, warum wir heute debattieren und nichts anderes!
Von daher bin ich sehr froh, dass wenigstens Herr Böhrnsen in dieser großen Koalition noch zu einem Rendezvous mit der Realität in der Lage ist. Ich bin auch froh, dass Sie hier heute gleich beschließen mit Ihrem eigenen Antrag, das haben wir auch von Ihnen gefordert, dass es keine weiteren öffentlichen Mittel gibt, wie es bisher der Fall gewesen ist, und dass ein Bremer Betreiberrisiko ausgeschlossen werden soll. Das ist richtig, und das muss das fachliche Ergebnis dieser Bürgerschaftssitzung heute sein!
Das heißt nicht, dass überhaupt nichts mehr passieren soll und dass diese Hülle eingemottet wird. Ich habe genauso deutlich gesagt wie Sie eben, wir sind für eine private Lösung, wenn es denn eine gibt. Dazu stehen wir, das haben wir immer gesagt. Wir wollen aber keine weiteren Steuergelder in dieses Krisenprojekt hineinstecken. An dem Punkt unterscheiden wir uns gar nicht. Das steht im Antrag der
großen Koalition. Daran werden wir Sie auch in den nächsten Wochen messen.
Bisher gibt es leider, meine Damen und Herren, keinen Anhaltspunkt dafür, dass Sie immer dazu bereit waren. Bisher haben Sie sich nämlich immer noch einmal wieder aus der Not geboren und weil Sie erpressbar waren, weil dieses Projekt hier in Bremen ist und Sie die politische Verantwortung tragen, dazu hinreissen lassen, immer wieder irgendwelche Gelder zu mobilisieren, und damit muss Schluss sein!
Wenn dann gute Ideen da sind und sich Investoren interessieren, dann haben wir gemeinsam ein Interesse daran, dass das passiert, aber nur unter diesen Konditionen, unter dieser Maßgabe und mit keinen anderen mehr.
Dann möchte ich jetzt einmal zu Ihrem Antrag kommen. Wie gesagt, die beiden letzten Punkte, was die wirkliche Konsequenz aus dem Debakel ist, das wir hier jetzt zu vergegenwärtigen haben, sind in Ordnung. Man muss sich aber die Begründung anschauen, die muss ich eben zitieren: „Space-Park beziehungsweise Space-Center sind Projekte, mit denen der wirtschaftsstrukturelle Wandel Bremens befördert werden soll.“ Auch das ist doch Glaube, Liebe, Hoffnung! Bisher sind wir doch überhaupt nicht an dem Punkt.
Jetzt geht es weiter: „Insbesondere wegen des hohen Engagements privater Investoren wurden von der Realisierung dieser Vorhaben spürbare regionalwirtschaftliche Effekte erwartet.“ Ja, das ist immer Ihre Hoffnung gewesen. Wir müssen jedoch jetzt feststellen, und das ist doch kein Grund zur Freude, das habe ich auch nie behauptet, dass leider auch solche Banken sich verdammt irren können mit der Marktgängigkeit solcher großen Projekte. Das ist doch keine Erfolgsgarantie, wenn Sie so einen DEGIFonds haben, offensichtlich nicht, sondern diese Bank hat ein verdammt schlechtes Geschäft gemacht, und sie will jetzt endlich aus den negativen Schlagzeilen heraus. Das ist doch die Situation, mit der wir konfrontiert sind.
Der letzte Satz, das muss ich allerdings auch noch einmal sagen, erinnert mich nun voll und ganz an alles das, was in den letzten Jahren vor der VulkanPleite passiert ist. Da frage ich mich wirklich, Herr Böhrnsen, das haben Sie gesagt, es gilt, aus Fehlern der Vergangenheit zu lernen, das finde ich allerdings auch, und das muss heute hier anfangen.
Dass die privaten Investoren nun offenbar erwägen, sich angesichts der Probleme bei der Entwick
lung und Vermarktung von Space-Center und Space-Park aus der eingegangenen Verantwortung zurückzuziehen, verschärft die nicht zuletzt konjunkturell bedingt ohnehin schwierige Lage. Das ist doch der reinste Keynesianismus in Konsequenz. Das heißt, wenn Private sich zurückziehen, weil es nicht funktioniert, weil es dieses Angebot nicht trägt, dann soll der Staat einspringen und immer dagegen an subventionieren? Das ist doch abenteuerlich!
Das ist genau der Geist, den dieses Projekt gerade geatmet hat, und ich sage Ihnen, das muss ein für alle Mal vorbei sein. Wenn wir Sie dazu bringen, dass Sie das heute beschließen, dann ist das für mich ein großer Teilerfolg, dass Sie endlich deutlich machen, dass man keine weiteren Steuergelder in dieses Projekt stecken darf. Das verlange ich von Ihnen!
Ich merke ja, getroffene Hunde bellen, und die bellen heute ziemlich viel!
Ich will es noch einmal sagen. Sie haben heute argumentiert, es gebe keine direkte politische Verantwortung, das sagen die einen, deswegen gebe es eigentlich keinen Grund für einen Misstrauensantrag, die anderen sagen, er muss überhaupt erst einmal beweisen, dass er gewillt ist, hier zu arbeiten und Erfolge zu zeitigen, das war das Argument von Herrn Böhrnsen. Meine Damen und Herren, so, wie Sie heute und in den letzten Tagen argumentiert haben, gibt es für einen Politiker nie einen Grund zurückzutreten, denn weitergehen muss jede politische Sache. Damit können Sie jede Schweinerei rechtfertigen, jeden Fehler rechtfertigen, und das ist einfach nicht in Ordnung!
Ich habe, und das, glaube ich, hat ganz viel mit demokratischer Kultur in unserem Land zu tun, gesagt, es geht um die politische Verantwortung. Die ist eindeutig festzumachen. Das ganze Projekt ist immer in der Wirtschaftsdeputation, den Wirtschaftsförderungsausschüssen verhandelt worden. Es ist die politische Verantwortung dieses Politikbereichs gewesen, immer gestützt mit den Mehrheitsverhältnissen in der großen Koalition, und ich finde es verdammt richtig, angesichts der großen Probeme, die Herr Böhrnsen eben genannt hat, vor denen wir stehen, und dass die ganzen Zweifel nicht ausgeräumt sind, was die Zukunft dieses Projekts angeht, dass
man in einem wirklich demokratischen Land den Mut haben muss, zu dieser Verantwortung zu stehen.
Wo kommen wir denn hin, wenn das immer weggeredet wird nach dem Motto, es muss einfach weitergehen! Natürlich wird es weitergehen, aber es muss Politiker geben, die zu ihrer politischen Verantwortung stehen. Sonst fügen wir unserem Land großen Schaden zu. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Seit etlichen Jahren schon geht es darum, in der Forschungspolitik, in der Wissenschaftspolitik und in der Hochschulpolitik den ganzen europäischen Wissenschaftsraum in den Blick zu nehmen. Jetzt, seit dem 1. Mai, können wir sagen, jetzt gilt es noch umso mehr, weil wir uns jetzt nicht nur in den 15 alten Mitgliedsstaaten umtun müssen, auch was andere Universitäten, ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Forschungseinrichtungen und Unternehmen dort treiben, sondern auch was sich in den neuen Beitrittsländern, den ost- und mittelosteuropäischen Staaten, tut.
Ich möchte noch einmal betonen, dass unser Kontinent ja durch eine besonders lange und ehrwürdige Tradition alter Universitäten ausgezeichnet ist. Das reicht von Coimbra in Portugal über wichtige Universitäten in Italien bis hin zu sehr lang währenden und immer gute Arbeit geleistet habende Universitäten wie zum Beispiel in Krakau. Meine Vorredner haben schon deutlich gemacht, dass es jetzt darum geht, den Neuansatz, auf den die europäische Wissenschaftspolitik zielt, demokratischer zu gestalten, weil wir in den nächsten Jahren zu Recht ein großes Interesse daran haben müssen, mehr Studentinnen und Studenten zu erreichen.
Zu betonen ist auch, dass für die ganze Hochschulpolitik gilt, dass Europa in den nächsten Jahren die Zugangsmöglichkeiten zu den Universitäten entbürokratisieren muss und auch die Leistungsnachweise, die man während des Studiums macht, so zu gestalten, dass es leicht ist, von einem Land in das andere zu wechseln, von einer Universität zu einer anderen, und dass es für junge Menschen einfach normal wird, in ganz Europa zu studieren. Das ist der Hintergrund, vor dem wir auch heute hier diese Debatte führen.
In den letzten Jahren haben sich unter dem Titel – diejenigen, die sich in der Europapolitik seit Jahren engagieren, wissen das – Bologna-Prozess die Universitäten selbst zusammengeschlossen, um den Blick auf ganz Europa und die Wissenschaftstradition aufzumachen, diesen Prozess zu befördern. Es ist außerdem ein ganz ambitioniertes Ziel von den europäischen Regierungschefs verabschiedet worden, die so genannte Lissabon-Strategie, bei der man verkündet hat, bis zum Jahr 2010 der ökonomisch leistungsfähigste Kontinent und der modernste Wirtschaftsraum werden zu wollen.
Das ist nun wirklich in der Tat ein ganz großes Ziel. Da kann man leise Zweifel haben, ob Europa das wirklich schaffen wird. Sich aber solche großen Ziele zu setzen, weil man weiß, wenn man Wirtschaft und Wissenschaft nicht wirklich erneuert, dass man dann im globalen Maßstab richtig abgehängt wird, dieses Ziel wiederum teile ich. Ich bin auch davon überzeugt, dass man alles daransetzen muss, in den nächsten Jahren sowohl in den nationalen Politiken als auch auf der europäischen Ebene Ressourcen dafür freizuschaufeln, um dieses Ziel erreichen zu können.
Genauso ist es richtig, und Herr Jäger hat es eben auch schon gesagt, dass man die Erneuerungen der Ökonomie und die Wissenschaftspolitik zusammendenken muss. Gerade wenn man davon ausgeht,
dass Europa nur mit dem Umstieg auf wissensbasierte Produktion im Weltmaßstab richtig eine Chance haben wird, dann muss man in den nächsten Jahren in diesem Bereich richtig Geist und finanzielle Ressourcen mobilisieren, um hier erfolgreich sein zu können. Die Herausforderung ist groß, und wir müssen sie annehmen.
Es ist eben schon gefallen: Wir müssen Wissenschaft und Wirtschaft vernetzen, ohne die Wissenschaft auf reine wirtschaftliche Zulieferungsfunktion zu begrenzen. Dass man aber auch die Technologiepolitik und die Hochschulpolitik vor diesem Horizont zusammendenken muss, das ist sicherlich richtig.
Jetzt ist eben schon gesagt worden, im Moment reden wir über den sechsten Forschungsrahmenplan, in den nächsten Jahren wird es um den siebten gehen und darum, wie Bremen sich da positioniert und welche Antennen die verschiedenen Einrichtungen in Bremen, sowohl die Hochschuleinrichtungen als auch die Unternehmen, als auch kleine Forschungseinrichtungen, eigentlich für das, was an Angeboten durch die Europäische Kommission möglich sein wird, fit machen können.
Wir haben in einer der letzten Sitzungen darüber geredet, wie wir unsere Verwaltung in Bremen eigentlich europatauglich machen können. Diese Debatte werden wir demnächst auch noch einmal weiterführen, und genauso gilt diese Frage, es ist eben schon von Frau Busch gesagt worden, auch für unsere Forschungseinrichtungen und für die Hochschuleinrichtungen.
Wenn man zum Beispiel mit Vertretern der Universität Bremen in den letzten Tagen über diese Frage gesprochen hat, stellt man fest, dass sie zu Recht sagen, dass die Anforderungen, die von der Europäischen Kommission an sie herangetragen werden, in den letzten Jahren immer größer geworden sind. Das ist auf der einen Seite gut, weil es heißt, da passiert richtig etwas, und es gibt neue Angebote, um die man sich kümmern muss, aber sie geben auch offen zu, dass sie ein Stück überfordert sind. Sie müssen diese Anträge alle sichten, sie müssen innerhalb der Universität und auch in den nächsten Jahren mit dem Generationswechsel fertig werden. Da hat Herr Jäger völlig Recht, es werden viele neue Kolleginnen und Kollegen da sein, die diese europäischen Antennen haben müssen, die die ganzen Kontakte aufbauen müssen. Diese Anträge werden alle auf Englisch bearbeitet, und das heißt, dass die Mitarbeiter, die das machen müssen, sehr fit in Englisch sein müssen, und sie müssen außerdem eine hohe juristische Kompetenz haben, denn die ganzen Kontrakte, die dort vereinbart werden müssen, müssen hier bearbeitet werden. So hat die Universität signalisiert, dass sie dafür eigentlich eine Mitarbeiterstelle braucht, die genau diesen Prozess begleitet, um dann auch diese Anträge, die man stel
len kann, diese Gelder, die man akquirieren kann, dann auch tatsächlich umzusetzen.
Ich glaube, wir wissen alle, wir streiten uns ewig über Ressourcenknappheit, aber man kann auch sagen, dass die Mittel, um eine solche Stelle in der nächsten Zeit einzurichten, damit die Universität wirklich in der Lage ist, sich um diese Angebote zu kümmern, gut investiertes Mitarbeitergeld sind, weil man dadurch viele Drittmittel und viele Kontakte überhaupt erst angehen und dann aufrechterhalten kann, wozu die Universität sonst nicht so bruchlos in der Lage wäre. Ich glaube, dass das ein wesentlicher Punkt ist, worum sich die Universität in den nächsten Jahren bemühen muss.
Es hat mich aber auch gewundert, und ich möchte das lobend hervorheben, Herr Jäger, dass Sie so deutlich gesagt haben, dass Sie große Schwächen in den Transferprozessen sehen. Sie sagen, wir haben in den letzten Jahren auch mit ambitionierten Zielen viele von diesen Einrichtungen gegründet, die sich um die Kontakte zwischen den Hochschuleinrichtungen und den kleinen und mittleren Unternehmen, teilweise ja auch um Kontakte zu den großen Unternehmen kümmern müssen. Man kann aber manchmal doch zu Recht Zweifel daran haben, wie effizient deren Arbeit eigentlich ist. Wissen die teilweise eigentlich voneinander, was die jeweils treiben, die BIA und die Transferstelle, und wie sie dann alle heißen? Wie ist eigentlich die Qualität dieser Strukturen?
Ich will noch einen letzten Satz sagen! Projektmanagement und Vernetzung, das werden in den nächsten Jahren bei dieser Aufgabe die Keywords sein. Wenn Sie sagen, Herr Jäger, man muss die Bremer Stärken herausarbeiten, genau überlegen, welches die Bremer Profile sind und wo sich schon etwas getan hat, ob das die Geowissenschaften, die Nanotechnologie und andere hochkarätige Forschungseinrichtungen waren, dann haben Sie sicherlich Recht, dass man sich hier weiter bemühen muss, ein Bremer Profil, das auch auf der europäischen Ebene wiedererkannt werden kann, zu stärken. Von
daher freue ich mich darauf, wenn wir diesen Bericht bekommen. Er ist ja nun sehr knapp terminiert, wie ich hier sehe. Bis Ende des Monats wollen wir da etwas haben, so dass es dann nicht mehr so lange hin ist, dass wir uns hier beim nächsten Mal die Ergebnisse noch einmal genau ansehen können. Ich freue mich auf diese Debatte, zumal ich davon überzeugt bin, dass sie im Sinne der Zukunftsfähigkeit unserer Hochschuleinrichtungen sehr wichtig ist. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir werden den Antrag von Herrn Tittmann, DVU, ablehnen.
Ich will Ihnen kurz erläutern, warum wir zu diesem Zeitpunkt und mit welchen Gründen diesen Antrag ablehnen!
Das Auswandererhaus ist auch aus unserer Sicht, ich denke, da spreche ich auch für alle Fraktionen ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
des Hauses, in der Tat eine große Chance für Bremerhaven. Das ist auch wirklich der Substanz nach gar nicht in Frage gestellt worden. Es ist ein Projekt, das gut zu Bremerhaven passt, es knüpft an die Stärken Bremerhavens an, es greift die Geschichte der Auswanderungen auf. Es ist aus unserer Sicht ein wichtiger Beitrag zum Tourismuskonzept, gerade wenn man versucht, Einrichtungen zu finden, die zur Größe und dem Potential Bremerhavens passen, und auch nicht zu überdimensionierte Angebote zu machen.
Genauso sind wir der Meinung, dass wir die Konkurrenz mit Hamburg, das jetzt auch überlegt, ein Auswandererhaus zu machen, nicht verlieren dürfen. Man muss also schon versuchen, hier die Nase vorn zu haben und sich den Schneid nicht abkaufen zu lassen. So weit, denke ich, sind alle, die sich mit diesen Fragen in den letzten Jahren beschäftigt haben, von der Grundposition her durchaus positiv eingestellt und gewillt, dieses Auswandererhaus auf die Schiene zu setzen. Der andere Teil aber, neben allem fachpolitischen Engagement und der Überzeugung, dass es sich um ein richtiges Angebot für Bremerhaven handelt, ist hier aber doch die Frage, ob die Zahlen wirklich seriös gerechnet sind, und daran kommen wir, wenn wir verantwortliche Parlamentarier sein wollen, nicht vorbei.
Ich möchte auch noch einmal betonen, in den Zeiten knapper Kassen müssen wir darauf bestehen, dass es wirklich ein privates Engagement gibt, ohne das wird es mittelfristig bei einer solchen Einrichtung nicht gehen. Bremerhaven wird die Probleme, falls sie denn auftauchen sollten, nicht allein lösen können. Ich sage es ganz deutlich, die Stadt Bremerhaven darf nicht allein auf den möglicherweise anfallenden Kosten sitzen bleiben,
sondern es muss auch, nicht nur was die möglichen Erfolge, sondern auch was die Lastenteilung angeht, wirklich ein Agreement zwischen der Stadt, dem Staat und den privaten Betreibern geben. Nur dann, wenn das wirklich mit festen, seriösen Verabredungen steht, kann man sich auf diese Einrichtung einlassen.
Deswegen halten wir eine ernsthafte Prüfung der Konditionen zum jetzigen Zeitpunkt für richtig. Wie gesagt, konzeptionell sind wir eher für das Projekt, aber die Konditionen müssen klar sein, sie müssen transparent sein, sie müssen finanzierbar sein. Aus diesem Grund sind wir der Meinung, dass diese Überprüfung noch einmal geleistet werden muss. Allerdings muss man es dann auch schnell entschei
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir haben heute einen interfraktionellen Antrag zum europäischen Verfassungsentwurf vorgelegt. Wir haben vor etlichen Wochen schon einmal hier in diesem Hause darüber gesprochen und uns einvernehmlich, zumindest in allen großen demokratischen Fraktionen, darauf verständigt, den Verfassungsentwurf gutzuheißen und die Konventsmethode als eine besonders positive Methode hervorzuheben. Wir wa––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
ren gemeinsam davon überzeugt, und das ist heute nicht anders, dass dieser Verfassungsentwurf ein guter Kompromiss ist, und es wäre, wie mein Vorredner und meine Vorrednerin schon gesagt haben, ein gewaltiger Schritt in Europa nach vorn, wenn es uns gelingen würde, diesen Verfassungsvertrag bald zu verabschieden.
Ich möchte mit zwei grundsätzlichen Bemerkungen beginnen. Erstens: Nicht die EU-Verfassung ist gescheitert, sondern die Regierungskonferenz im Dezember in Rom ist gescheitert, und das ist etwas anderes. Zweitens möchte ich noch einmal ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu Europa machen: Wir befinden uns im Vorfeld der Europawahlen, Herr Nalazek hat eben gesagt, es sind nur noch 89 Tage.
Angesichts vieler anti-europäischer Unkenrufe links- und rechtspopulistischer Argumente gegen Europa möchte ich feststellen, dass sich die Grünen als eine pro-europäische Partei verstehen. Warum sind wir für Europa? Wir sind davon überzeugt, dass wir gemeinsam stärker sind, dass wir den Nationalismus in Europa überwinden müssen und wollen, der im neunzehnten und zwanzigsten Jahrhundert soviel Elend und Kriege über unseren Kontinent gebracht hat. Wir sind zutiefst davon überzeugt, dass wir die großen anstehenden Fragen, sei es Umweltpolitik, Klimaschutz, Umbau der Landwirtschaft, aber auch die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nur gemeinsam bewältigen können, und nach den schrecklichen Anschlägen in Madrid können wir auch den Kampf gegen den Terrorismus nur gemeinsam angehen.
Meine Damen und Herren, allein kann kein europäisches Land die großen Probleme lösen, das geht nur gemeinsam. Deswegen sind wir eine pro-europäische Partei, die Europa politisch gestalten will in sozialer Hinsicht, in ökologischer Hinsicht, und wir zielen auf Integration.
Ich möchte noch einmal kurz ein Beispiel erwähnen, weil wir alle, wenn wir Europawahlkampf machen und mit Menschen in den Stadtteilen, in den Beiräten sprechen, es doch schnell immer wieder auch mit anti-europäischen Ressentiments zu tun haben. Ich habe ein schönes Beispiel in der letzten Zeit gehört, das ich besonders eindrücklich fand. Es gibt viele Menschen, die immer Standardabsenkungen befürchten, sei es in sozialer oder auch ökologischer Hinsicht. Letztens erzählte mir ein polnischer Wissenschaftler, dass er vor ein paar Jahren in Polen die Milch nicht gekauft habe, weil sie einfach schlecht war vom Qualitätsstandard. Mittlerweile sei, da die europäischen Standards gelten, auch die Milch in Polen so gut und lecker geworden, dass er sie dort gern kaufe. Ich denke, solche Beispiele sind einfach überzeugend, und damit müssen wir auch für Europa werben, dass die Menschen in ihrem alltäglichen
Leben von Europa etwas haben und ihnen nicht etwas weggenommen wird.
Meine Damen und Herren, am 1. Mai werden nun zehn mittel- und osteuropäische Staaten sowie Malta und Zypern beitreten. Das markiert die Überwindung der Spaltung unseres Kontinents, der seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs auseinander gerissen war. Ich glaube, man kann gar nicht genug wertschätzen, was für eine riesengroße Chance es für unseren Kontinent ist, vor allem sich wirklich als ein politisches Projekt zu verstehen. Wir sind eben nicht nur eine Wirtschaftsgemeinschaft, sondern wir sind eine politische Wertegemeinschaft. Das gilt es im Bewusstsein der Regierungen, aber auch der Bürgerinnen und Bürger zu festigen und auszubauen.
Ich finde es auch besonders bemerkenswert, dass unser neues Europa von seinem Selbstverständnis her ja nicht gerade ein Bundesstaat ist und sein soll wie die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern das, was wir vorhaben, ist auch historisch etwas Neues. Es ist ein Staatenbund, der sich aus 25 und demnächst 27 Nationalstaaten zusammensetzt, die bestimmte Kompetenzen an die supranationale Ebene abgeben und trotzdem ein Bund der Bürgerinnen und Bürger dieser vielen Mitgliedsstaaten sein soll. Damit schicken wir uns an, historisch wirklich etwas Einmaliges zu machen, und ich finde, man kann stolz darauf sein, dass wir etwas vorhaben, was es so in der Geschichte noch nicht gegeben hat und was ungeheure Chancen birgt. Es gibt natürlich auch immer Risiken, aber ich finde, die Chancen überwiegen bei weitem.
So können wir feststellen, dass der Konvent schon zum großen Teil einen politischen Selbstverständigungsprozess geleistet hat. Europa ist eben nicht nur die Überwindung der Feindschaft zwischen Frankreich und Deutschland, und es ist eben nicht nur ein Kerneuropa, darauf ist bereits hingewiesen worden. Ich fand es übrigens interessant, Frau Speckert, dass Sie zwar die bemerkenswerte Rede von Joschka Fischer angeführt haben, aber was Herr Schäuble eigentlich zu Kerneuropa sagt und ob er sich davon kritisch abgewandt hat, das haben Sie dann lieber verschwiegen. Ich erkläre hier ganz deutlich: Wir sind keine Anhänger der Gedanken eines Kerneuropa oder von verschiedenen Geschwindigkeiten, sondern wir wollen wirklich ein Europa, das integriert ist und das große und kleine Staaten, westeuropäische, mittel- und osteuropäische, zusammen mit in die politische Zukunft Europas nimmt.
Darum ist dieser Entwurf für einen Verfassungsvertrag ein großer politischer Schritt in die Zukunft Europas, und im Konvent ist von daher auch schon
die Finalitätsdebatte Europas geführt worden, was die Zielbestimmung unseres Integrationsprozesses ist. Der Konvent hat die verschiedenen Traditionen Europas zusammengeführt: die der sechs Gründungseuropäer, der Südeuropäer mit ihren anderen Erfahrungen der überwundenen Diktaturen, Griechenland, Spanien, die pragmatischen Nordeuropäer, die jetzt hinzukommenden Europäer aus den mittel- und osteuropäischen Staaten, die die Erfahrungen mit der sowjetischen Diktatur über fünf Jahrzehnte erdulden mussten. Wenn man sich schon diese verschiedenen Traditionen und Geschichten der beteiligten Staaten anschaut, sieht man natürlich, dass es nicht einfach sein wird, aber dass darin gerade vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Geschichtsverständnisse und auch Politiken in diesen Ländern auch eine ungeheure Potenz und eine sehr große Chance liegt, daraus ein größeres gemeinsames Europa zu bauen.
Der Europäische Konvent hat eine Verfassung erarbeitet, die für unsere Generation und darüber hinaus ein Optimum dessen ist, was man an Integration erreichen kann, und die auch dynamisch genug ist, aus sich heraus wachsenden Ansprüchen gerecht zu werden. Wir, wie Frau Speckert und Herr Nalazek, setzen jetzt nach den schrillen Tönen Berlusconis unter der italienischen Präsidentschaft und den neuen Beweglichkeiten in Polen und Spanien, die sich andeuten, und auch noch darüber hinaus angedeuteten Kompromissgedanken bei Deutschland und Frankreich auf die intelligente und eher leise Präsidentschaftsführung der Iren. Darauf ist eben schon hingewiesen worden, dass sie eine Diplomatie angefangen haben und auch eine vielfältige Reisediplomatie, mit allen beteiligten Staaten in Europa zu sprechen und sich nicht nur auf bestimmte oder gar große Mitgliedsstaaten zu konzentrieren. Ich glaube, dass eine solche Verhandlungsführung auf jeden Fall besser ist als das, was in den letzten Monaten der italienischen Präsidentschaft passiert ist.
Meine Kollegen haben eben schon hervorgehoben, dass dieses Konventsergebnis deswegen so gut ist, auch wenn sich Einzelne immer noch etwas darüber Hinausgehendes hätten vorstellen können, weil es ein guter Kompromiss ist. Unter dem Strich hat es deutlich gemacht, es soll mehr Transparenz geben, mehr Bürgernähe, mehr Effektivität und vor allem auch mehr parlamentarische Rechte.
Wenn wir diese Verfassung nicht würden verabschieden können, würden wir auf Nizza zurückgeworfen, und das hätte viele negative Konsequenzen. Wir hätten keine Charta der Grundrechte, die die Menschen auch ein Stück für Europa begeistern kann. Wir hätten weniger Partizipation, wir hätten weniger Klagerechte und vor allem mehr Blockademöglichkeiten. Das kann man nicht wollen! Von da
her sind wir zutiefst davon überzeugt, dass diese Verfassung eine gute Grundlage für alle weiteren anstehenden Fragen in Europa ist.
Wir hier im Hause und auch der Bremer Senat haben sich bisher für die Verabschiedung dieser Verfassung entschieden eingesetzt. Wir glauben, dass wir damit eine richtige und auf Europas Zukunft zielende Politik machen. Wir möchten, dass dies so weitergeht, deswegen hier und heute der interfraktionelle Antrag! Wir sind davon überzeugt, dass auch das Bundesland Bremen seine Verantwortung in diesem Prozess in den nächsten Wochen weiter verantwortlich wahrnehmen wird. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Tittmann von der DVU deutlich widersprechen, und zwar in folgenden Punkten:
Seine Rede, auch hier, die so anti-europäisch war, fußt nur wieder darauf, Sozialneid zu schüren, und er versucht immer wieder, Ausländerfeindlichkeit ins Spiel zu bringen, indem er behauptet, es würde ungeheure Zuwanderung in den nächsten Jahren geben. Ich darf Sie einmal daran erinnern, meine Damen und Herren, dass es auch, als Spanien und Griechenland in die Europäische Union gekommen sind, von rechter und von rechtsextremer Seite immer genau diese Befürchtung gegeben hat. Die Erfahrungen sind aber nicht so gewesen, sondern zum großen Teil ist der Fall gewesen, dass sich die ökonomische und soziale Situation der Menschen in diesen Mitgliedsstaaten verbessert hat.
Das war erklärtes Ziel der Europäischen Union, und ich finde auch, Herr Tittmann, gerade eine Stadt wie Bremerhaven – ich habe es Ihnen beim letzten Mal schon gesagt –, die in den letzten Jahren über––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
proportional von den Strukturfondsgeldern der Europäischen Union profitiert hat, sollte sich dessen bewusst sein und nicht so tun, als ob sie gar nichts mehr bekommen würde, weil angeblich alles nach Polen geht. Was Sie hier betreiben, ist ganz üble Volksverhetzung, und ich weise das auf das Entschiedenste zurück!
Auch in der polnischen Volkswirtschaft wird sich in den nächsten Jahren viel zum Positiven wenden, und es wird auch so sein, dass Deutschland und auch andere alte Mitgliedsstaaten natürlich von dieser Osterweiterung profitieren werden. Auch das gehört dazu und ist die andere Seite der Medaille.
Jetzt möchte ich noch eine Bemerkung zu Ihrer unverantwortlichen Rede über die Frage eines möglichen Beitritts der Türkei machen. Es sind hier ganz eindeutige Regelungen getroffen, und ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass Helmut Kohl, der ja immer einer der Befürworter war, wenn es klare Konditionierungen für einen solchen Beitritt gibt, vor gar nicht langer Zeit noch einmal daran erinnert hat: Es gibt sehr harte, so genannte Kopenhagener Kriterien, die da lauten Demokratisierung, Abschaffung der Todesstrafe, kulturelle Rechte der Minderheiten, kurdische Sprache in den Schulen, im Fernsehen, im Rundfunk, Trennung von Staat und Kirche, Zurückdrängen der Rolle des Militärs. Wenn die Türkei alle diese Kriterien erfüllen wird, gibt es keinen Grund, nicht ernsthaft in Beitrittsverhandlungen einzutreten.
Es wird im Oktober dieses Jahres einen Bericht der EU-Kommission geben, in dem sie sich dazu verhalten wird, und dann wird eine Regierungskonferenz im Dezember dieses Jahres darüber entscheiden. Es geht hier eben nicht um irgendwelche nicht konditionierten Beitrittsverhandlungen, sondern um ein ganz klares Regelwerk und um das politische Ziel, dass die Türkei sich demokratisiert. Dagegen kann man gar nichts haben, das ist ein absolut richtiges Ziel!
Wenn es auch heute noch zu früh ist, diesen Prozess abschließend zu beurteilen, muss man feststellen, dass es in den letzten Monaten erhebliche Bemühungen in der Türkei gegeben hat, an diesem Demokratisierungsprozess zu arbeiten. Deswegen, Herr Tittmann, sage ich Ihnen und allen anderen, die sich so benehmen wie Sie hier: Das ist unverantwortlich, wie Sie mit dieser Frage umgehen und welche
Ängste Sie schüren, und ich weise das ganz deutlich zurück!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bremer Verwaltung fit für Europa zu machen, dieses Ziel ist sehr richtig. Gleichzeitig muss ich anlässlich der Debatte heute feststellen, dass die Umsetzung leider sehr langsam ist. Wir haben im November 2002 die Große Anfrage gerade zu diesem Thema gehabt, mit einzelnen Punkten wie Stärkung des Angebots und der Wahrnehmung europapolitischer Qualifizierungsmaßnahmen durch Bedienstete der bremischen Verwaltung, bei der in der entsprechenden Antwort darauf hingewiesen worden ist, dass man, wenn man neues Personal einstellen will, stärker berücksichtigen muss, welche EU-Kompetenz diese neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben, und dass man das bei der Personalentwicklung in den einzelnen Ressorts stärker in den Blick nehmen muss.
Genauso wünschenswert ist, dass Vertreter unserer bremischen Ressorts bei der Brüsseler Vertretung arbeiten und hospitieren, weil sie darüber natürlich ihren Horizont für die europäischen Fragen vor Ort ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
vergrößern, genauso wie es wünschenswert ist, dass es Abordnungen aus der bremischen Verwaltung auch in die EU-Kommission direkt gibt. Jetzt kann man sagen, und ich möchte das noch einmal betonen, dass wir alle diese Ziele teilen und dass sie dringend nötig sind. Ich möchte noch hinzufügen, jeder von uns, der in den letzten Jahren einmal in Brüssel gewesen ist, weiß auch aus persönlicher Anschauung, dass es einfach wichtig ist, sich vor Ort zu orientieren, weil man dann sofort sinnlich spürt und merkt, was Europa heißt. Da sind dann gleich die Vertreter, jetzt aus 15 Ländern, und demnächst, ab 1. Mai, aus 25. Man ist sofort mit der europäischen Sprachenvielfalt konfrontiert und den einzelnen Vertretungen aus den Ländern, von den regionalen Konflikten angefangen bis zu den großen europapolitischen Fragen. Ich glaube, dass dieser direkte Kontakt mit der Situation in Brüssel, mit unserer Bremer Vertretung, die wirklich gute Arbeit macht, mit dem Parlament und mit der Kommission absolut wichtig ist, um einen persönlichen Eindruck von dem zu haben, was Europa bedeutet. Wir machen hier immer wieder die Erfahrung, und da haben wir in den nächsten Jahren auch noch viel Arbeit zu leisten, dass es immer so schnell heißt, das ferne Brüssel und die Bürokraten da! Wenn man vor Ort ist, merkt man, dass man es in der Regel mit sehr kompetenten und sehr fleißigen Leuten zu tun hat. Es sind auch sehr viele ganz junge Beamte in Brüssel, die sehr gut ausgebildet sind, die mehrere Sprachen sprechen, für die es ganz normal ist, von Deutsch in Englisch nach Französisch zu wechseln oder von Italienisch ins Spanische und dann wieder ins Englische. Daran merkt man auch schon, dass es für uns lange noch nicht so selbstverständlich ist wie für diejenigen, die in Brüssel arbeiten, sich wirklich europäisch zu bewegen und auch die Vorteile Europas entsprechend herauszustellen. Jetzt hat Herr Oppermann eben die Frage gestellt: Wie fit sind wir eigentlich? Damit haben Sie ja auch das Parlament und die Regierung hier in Bremen gemeint, und ich glaube, dass wir da auch noch einen ziemlichen Nachholbedarf haben. Ich darf Sie nur noch einmal daran erinnern, dass in der letzten europapolitischen Debatte hier im Haus, als unser Bürgermeister Dr. Scherf gesprochen hat, er es auch wieder nicht lassen konnte, gewisse antieuropäische Ressentiments zu bemühen, indem er dann sprach: irgendwelche Bürokraten in Brüssel mit ihren teuren Lederkoffern, die sich in irgendwelchen teuren Hotels treffen! Genau das meine ich! Solche Sprüche sollte man lassen, wenn man auf der anderen Seite hier sagt, dass man das Land Bremen und die Verwaltung und die Politik fit für Europa machen will.
Ich bin sehr dafür, wenn es Punkte gibt und Skandale oder Korruption, gerade, wenn man für Europa
ist, dass man das deutlich sagt, aber es ist etwas ganz anderes, ob man einen billigen Populismus, einen antieuropäischen Populismus bedient, und davon, finde ich, sollte gerade der Präsident des Senats Abstand nehmen. Ich kann also nur noch einmal sagen, dass ich das Ziel, das im November 2002 hier im Parlament schon debattiert worden ist, absolut richtig finde. Unsere Verwaltung muss europäischer werden. Es muss eine andere Sensibilität für diese Fragen geben und für die Vorteile, die wir von Europa haben. Gerade Bremen, die Vorredner haben das schon gesagt, hat, was die Politik durch die Strukturfonds angeht, davon sehr profitiert und viel mehr Geld von Brüssel zurückbekommen, als wir einbezahlt haben. Die mittelfristige Finanzpolitik wird gerade jetzt wieder verhandelt, ist absolut relevant für das, was Bremen von 2007 bis 2013 bekommen wird, und auch die großen Fragen, wie man zwischen Marktöffnung und trotzdem Daseinsvorsorge neue Regelungen findet, die nicht unsozial und ungerecht sind, werden uns in den nächsten Jahren beschäftigen. Dieses Ziel ist also richtig, aber ich kann nur sagen, in einer gewissen Weise muss ich mich doch sehr wundern, wenn hier jetzt ein Dringlichkeitsantrag gestellt wird. Im November hat der Senat diese Aufgabe bekommen. Bisher ist offensichtlich nicht viel passiert, und jetzt gehen die Koalitionsfraktionen hin und stellen hier einen Dringlichkeitsantrag, um dann Ende April einen Bericht zu bekommen, wie weit man denn mit der Umsetzung ist. Das, finde ich, ist eher ein bisschen peinlich oder eine Lachnummer. Aber nichtsdestotrotz: Die Sache ist wichtig, und wir werden uns dann Ende April sehr genau anschauen, ob der Senat seine Hausaufgaben richtig gemacht hat. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat am 15. September die Große Anfrage eingebracht „Kulturkonzeption 2003 bis 2007“. Der Senat hat für die Beantwortung lange gebraucht, zweimal Fristverlängerung beantragt. Aus meiner Sicht sind wichtige, entscheidende Fragen nach Konzeptionen und Setzungen in der Antwort auf die Große Anfrage nicht beantwortet worden, und der kon––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
zeptionelle Teil ist extrem dürftig. Es gibt keine klare Konzeption, und das rächt sich auch an der Vorlage zum Haushaltsentwurf und zur künftigen Kulturpolitik. Ich habe mit dieser Anfrage bezweckt, jetzt, da der neue Kultursenator ein halbes Jahr im Amt ist, zu erfahren, welche Ziele er hat, welche Schwerpunkte er setzt und was das für die nächsten Jahre der städtischen und Landeskulturpolitik bedeuten wird.
Seit letztem Freitag, seitdem der Kulturhaushalt in der Deputation beraten worden ist, haben wir eine neue Lage. Ich werde heute fünf Punkte behandeln. Da ist erstens die Frage: Was ist die kulturpolitische Konzeption des Senators? Was ist andererseits die Logik der Bewerbung zur Kulturhauptstadt? Was ist die Logik und die Konzeption der urbanen Kulturpolitik? Was sind eigentlich die Schnittmengen zwischen den beiden Logiken? Zweitens sind das die eigentliche Bewerbung zur Kulturhauptstadt und der Eckwert 2005, dann drittens die Bedeutung der Migrationsrealität in unserem Land für die Kulturpolitik und welche neuen Ansätze in der Kinder- und Jugendkultur es eigentlich gibt und ob es überhaupt welche gibt, viertens die Frage der dringenden Reorganisation der Kulturabteilung und fünftens der Stellenwert der Kulturpolitik im Konzert der Senatsressorts.
Als Erstes möchte ich feststellen, meine Damen und Herren, es ist ein Segen, dass wir den Senat haben überzeugen können, dass die Bewerbung zur Kulturhauptstadt richtig ist. Das war lange Zeit nicht gesichert, dass sich der Senat dazu durchringen würde. Heute stelle ich fest, dass wir ohne diesen Entschluss zur Bewerbung nicht die Aufwertung der Kulturpolitik hätten, die sie jetzt erfahren hat. Die Eckwerte wären noch niedriger, als sie jetzt sind, und den Extra-Topf für die Bewerbung von 10,5 Millionen Euro hätte es dann auch nicht gegeben. So weit haben wir es mit einer positiven Entwicklung zu tun. Dass Martin Heller als Auswärtiger mit seinem freien Blick die Bremer Kulturlandschaft anschaut und mit seinem Team arbeitet, ist ein Gewinn für Bremen und auch für die Kulturszene.
Meine Damen und Herren, dieser Gewinn kann aber nur dauerhaft sein, wenn daneben der Kultursenator eine eigene, starke, konzeptionelle Kulturpolitik entwickelt und macht und sich nicht hinter Martin Heller und seinem Team versteckt beziehungsweise deren Ansätze instrumentalisiert. Ich behaupte noch nicht, dass das an allen Punkten passiert ist, aber man kann an manchen Stellen den Eindruck bekommen, dass genau das passiert oder zu passieren droht.
Es hat den Anschein, dass Senator Perschau das Baustellenpapier von Martin Heller mit den dort erwähnten Einrichtungen nimmt und diese zur Folie
für die prioritär zu fördernden Einrichtungen nimmt. Dann macht er zu Beginn der Bewerbungsphase den Vorschlag, zwei Theater zu schließen, dem Kito die institutionelle Förderung zu streichen, und bei allen anderen Einrichtungen kürzt er ein Prozent. Er destabilisiert das Lagerhaus, da fehlen gleich 100 000 Euro in den nächsten beiden Jahren, und es werden erst einmal alle personalwirtschaftlichen Maßnahmen, was man bei den Tarifabschlüssen erwartet, herausgerechnet.
Nun frage ich Sie, Herr Senator: Wie begründen Sie eigentlich diese Setzungen? Ich frage Sie weiterhin: Sind etwa die Volkshochschule und die Stadtbibliothek, beide geführt von zwei sehr selbstbewussten, kompetenten Frauen, in den letzten Jahren nicht leistungsbereit und leistungswillig gewesen? Ich finde, das kann man wirklich nicht behaupten.
Die Leistungen und auch die Leistungsbereitschaft des Neuen Museums Weserburg und des Focke-Museums, wo wir das schöne Schaumagazin bekommen haben, sind diese Museen etwa nicht leistungsbereit und leistungswillig gewesen?
Ich möchte hier deutlich sagen, dass ich mit Ihnen der Meinung bin, dass man über Qualität und Leistungsanreize in der Kulturszene sprechen muss. Das ist richtig, dass man sich darüber unterhält, dass man als Struktur auf der einen Seite die Basis der institutionellen Förderung hat und daneben mit Leistungsanreizen, sprich Projektmitteln, arbeitet. Dagegen polemisiere ich nicht, dieser Ansatz ist im Prinzip richtig. Wenn man aber einen solchen Ansatz hat – ich betone es noch einmal, den ich nicht kritisiere –, dann muss man sich genauso die Frage stellen, ob denn die Grundlage der institutionellen Förderung so beschaffen ist, dass die Einrichtungen auch wirklich in der Lage sind, zusätzliche Projekte zu machen, Profil zu entwickeln mit den Projektmitteln, oder ob die Projektmittel, um die sie sich jetzt bewerben können, nur dazu dienen, im Grunde ihre institutionelle Förderung auszugleichen. Damit gibt es nämlich nicht die entsprechende Sicherung, die wir sowohl für die urbane Kulturpolitik als auch für eine erfolgreiche Bewerbung zur Kulturhauptstadt brauchen. Das ist aber mit Ihrer Haushaltsvorlage passiert, und das ist meine deutliche Kritik daran.
Sie haben sich öffentlich hingestellt und gesagt, alles nicht so schlimm, alles viel besser als erwartet, wir müssen nicht 5,6 Prozent sparen, sondern bei vielen Einrichtungen nur ein Prozent. Ich glaube aber, Sie haben der Öffentlichkeit nicht deutlich gesagt, was dieses eine Prozent für viele Einrichtungen heißt. Wenn es dann noch zu Tarifabschlüssen kommen sollte, die nicht so günstig sind, ist dieses Geld ja nicht einfach da, sondern ressortiert beim Finanzsenator, der Kultursenator muss also immer beim Finanzressort betteln, um möglicherweise die
ses Geld zu bekommen. Wenn er das nicht bekommen sollte, kommen viele Einrichtungen in eine sehr prekäre Lage, manchen droht sogar die Insolvenz. Das ist nicht die solide finanzielle Grundlage, die wir brauchen.
Jetzt zu dem entscheidenden Punkt der Konzeption: Was ist die Aufgabe von Martin Heller und seinem Team? Was ist die Aufgabe eines Kultursenators, der seine Aufgabe wirklich ernst nimmt? Herr Heller muss eine Linie haben, die Angebote europakompatibel und ausstrahlungskräftig für Europa zu machen. Das ist richtig, aber der Kultursenator muss die ganze Kulturszene und alle Einrichtungen mit ihren Basisangeboten im Blick haben, die Stadtbibliothek, alle Museen, die soziokulturelle Szene. Das ist in Ihrem Entwurf nicht wirklich geleistet. Was Sie jetzt machen, ist, dass Sie die einen besser fördern und die anderen schlechter stellen, ohne dass es sich im jeden Fall aus der Leistung der Institution begründen ließe, wie ich eben gesagt habe.
Der eigentliche Schwachpunkt dessen, was der Kulturdeputation am Freitag vorgelegt worden ist, ist der Eckpunkt 2005. Der ist über fünf Millionen Euro unter dem von 2004, und damit ist eben keine ausreichende Grundlage gegeben für das, was Sie hier behaupten, in den nächsten Jahren leisten zu wollen. Das ist für mich aber der Maßstab. Ich messe Sie nicht nur an Ihren Sonntagsreden, was Sie sagen, was Sie an Kultur und Kulturstadt wollen, sondern ob Sie auch die politischen Grundlagen dafür schaffen. Das haben Sie bisher nicht geleistet.
Meine Damen und Herren, ich möchte hier heute ganz offen reden. Ich habe selbst seit vielen Jahren die Kulturpolitik für die grüne Fraktion verantwortet, und mir sind die Aufwertung der Kultur, die Lebendigkeit und Vielfalt der kulturellen Szene seit vielen Jahren ein Anliegen. Ich möchte noch einmal betonen, wie wichtig mir die Bewerbung zur Kulturhauptstadt ist und dass ich diese Anreizmodelle dem Prinzip nach teile. Ich möchte als Anspruch auch formulieren, dass ich aus den Grabenkämpfen in der Kulturpolitik, wie sie in den letzten zehn Jahren stattgefunden haben, gern herauskommen würde. Das würde aber auch voraussetzen, dass die Fehler von Senatsseite, die gemacht worden sind, so nicht mehr stattfinden.
Erinnern Sie sich einmal! Als Frau Kahrs das Amt übernommen hat, gab es einen großen Angriff auf den Etat des Bremer Theaters, und die Kulturszene hat sich aufgebäumt. Als Herr Böse das Amt übernommen hat, passierte am Anfang etwas sehr Ähnliches, der Eckwert war lange unter dem, was man hätte erwarten müssen. Die ersten Wochen seiner Amtsführung sprach Herr Böse dann immer davon, dass man Prioritäten und Posterioritäten setzen müsse. Das hat er sechs Wochen lang überall erzählt,
bis er den Etat wirklich kannte, dann verschwand die Rede von den Posterioritäten, weil er gar nicht mehr wusste, wie er das hätte machen sollen.
Jetzt ist Herr Perschau im Amt. Ich hatte am Anfang auch den Eindruck, eher noch mit dem Blick des Finanzsenators, da könnte man richtig irgendetwas sparen, oder der Kultur würde es so gut gehen, die Einrichtungen würden sowieso immer nur jammern, das würde man schon kennen. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass er zumindest verstanden hat, dass keine Einrichtung überfinanziert ist, sondern dass sie alle seit Jahren sehr sorgsam mit ihren Geldern umgegangen sind und dass, wenn man wirklich etwas für die Kultur erreichen will, nur umgekehrt ein Schuh daraus wird. Da kann man nichts mehr wegnehmen, sondern alle politischen Anstrengungen müssen darauf gerichtet sein, hier für die Kultur noch etwas zu erreichen. Herr Senator, wenn Sie sagen, egal, ob mit Label oder ohne, nämlich Kulturhauptstadt 2010, Bremen soll Kulturstadt sein, an diesem Anspruch messe ich Sie gern, und daraufhin schaue ich mir dann auch die Zahlen an. Wie gesagt, da ist der größte Fehler, ganz schlecht verhandelt, der Eckwert 2005.
Wenn ich als Anspruch formuliere, ich möchte heraus aus den Grabenkämpfen, wie es in den letzten zehn Jahren gewesen ist, dann bedeutet das, dass der Generalverdacht der Ressorts Finanz und Wirtschaft, Kultureinrichtungen könnten nicht mit Geld umgehen, aufhören muss, und andererseits bedeutet es für die Kulturszene, dass sie auch nicht nur das Misstrauen hat, dass die Politik nicht etwas für sie tun will. Das allerdings erfordert den wirklichen Test, ob diese Bereitschaft denn wirklich da ist oder ob es sich nur um wohlfeile Sprüche handelt.
Jetzt kommen wir noch einmal zu den Fakten, was passiert ist! Im Moment sind etliche Einrichtungen, das Bremer Theater, das Neue Museum Weserburg, die Volkshochschule, die Stadtbibliothek, alles andere als erfreut, was am Freitag auf den Tisch gekommen ist. Ich kann die Wut, die Traurigkeit und die Empörung dieser Einrichtungen verstehen, weil es für sie jetzt noch bedrängter wird, als es in den letzten Jahren schon gewesen ist. Schauen wir uns weiter die Fakten an: Sie schließen das WaldauTheater. Ich sage, das Haus nach den Krisen der letzten Jahre zu schließen ist richtig. Es ist traurig, dass es so weit gekommen ist, aber man kann ein Theater, das seit Jahren Missmanagement betrieben hat, nicht einfach immer weiter fördern, nur die konzeptionelle Frage, ob es nicht ein niederdeutsches Theaterangebot geben muss, gerade auch, da die EU doch einen Förderschwerpunkt Regionalsprachen hat, beantworten Sie damit nicht, diese Frage stelle ich weiter an Sie. Das darf damit nicht weiter erledigt sein, wenn man dem jetzigen Haus Misswirtschaft bestä
tigt, dann kann das damit nicht ein für alle Mal erledigt sein.
Jetzt schauen wir uns weiter die Fragen nach der konzeptionellen Stärke beziehungsweise, wie ich behaupte, Ihrer konzeptionellen Schwäche an! Ich habe Sie gefragt, wie Sie eigentlich mit der Realität, dass 19 Prozent der Bevölkerung in Bremen Bürgerinnen und Bürger nichtdeutscher Herkunft sind, für die Kulturpolitik umgehen und welche Konsequenzen Sie daraus ziehen. Die Antwort ist mehr als lapidar. Sie betonen zwar einerseits die Zentralität des Spracherwerbs, das ist völlig richtig, aber andererseits so selbstverständlich, dass man das in einer Antwort des Kulturressorts eigentlich nicht besonders betonen müsste. Dann nennen Sie alle Einrichtungen, die wir schon haben, die Kulturläden, die soziokulturellen Zentren. So weit und so gut, nur überhaupt keine neue Idee! Ich will Ihnen einmal eine Idee verraten! Mich sprach vor kurzem ein türkischer Geschäftsmann an, der sagte: Ich möchte, dass es ein liberales islamisches Kulturzentrum gibt, ein orientalisches Haus, wo man zeigen kann, welche Kultur wir haben, wo es noch hethitisches Essen gibt, wo Kulturveranstaltungen aus diesem Kulturkreis stattfinden. Das wäre wirklich etwas Neues und ein Gewinn mit der deutlichen Betonung auf liberalen Traditionen eines Islam, und dass wir an der Entwicklung von EuroIslam ein großes politisches Interesse haben, versteht sich, glaube ich, von selbst. Ich möchte, dass das Kulturressort so sensibel ist, solche Interessen aufzugreifen. Das heißt ja nicht, dass das Kulturressort das allein finanzieren soll, aber über Public private partnership und auch über solche Ideen muss man nachdenken. Oder die Kinder- und Jugendkultur! Ich möchte, dass es so etwas gibt wie ein Programm „Künstler in den Schulen“. Mich haben in den letzten Jahren immer wieder etliche Künstler angesprochen, die Bildhauerkurse oder Theaterkurse machen wollen, für die nicht einmal Projektmittel bereitstehen. Herr Lemke sagt dann immer: Tolle Idee, wir können es nicht finanzieren! Gerade wenn wir jetzt dabei sind, den Weg in die Ganztagsschulen zu beschreiten, müssen wir doch eine engere Kooperation der Ressorts Kultur, Jugend und Bildung haben, damit hier endlich einmal etwas passiert und die Kinder auch an den Nachmittagen qualitative Angebote haben.
Das wäre doch ein wirkliches Win-win-Modell zwischen einem Programm „Künstler in den Schulen“, dass die Kinder ästhetische Bildung erfahren und dass es da wirklich zu einer Kooperation kommt.
Ich habe vor der Antwort des Senats – Herr Perschau, seien Sie einmal ganz ruhig! – ganz korrekt meine Fragen gestellt, Ihre Konzeption in diesem Bereich abgefragt, und ich habe schlicht keine Antwort erhalten. Ich muss doch erwarten, wenn ich eine Große Anfrage stelle, was Sie in den nächsten vier Jahren vorhaben, und wenn Sie Ideen haben, dass sie dann auch den Abgeordneten hier mitgeteilt werden! Der nächste wesentliche Punkt, auch das mit Blick auf die Kulturpolitik der letzten zehn Jahre: Die Reorganisation der Kulturabteilung ist dringend nötig. Alle, die mit dieser Abteilung gearbeitet haben, wissen, dass es da etliche Probleme gibt, und das auch nicht erst seit gestern. Ich bin auch der Meinung, vor allem, wenn ich mir jetzt noch einmal die Beschlüsse der SPD nach Potsdam anschaue, dass die Kulturmanagement GmbH als GmbH aufgelöst und dann in eine modernisierte, leistungsstarke, leistungsbereite neue Kulturabteilung zurückverlagert werden soll. Die Angebote der KMB Controlling und Zertifizierung von Wirtschaftsplänen sind richtige Angebote, die es auch in einer modernen Kulturverwaltung geben muss, aber warum um Gottes willen als GmbH? Sie gehören in eine reorganisierte Kulturabteilung als Dienstleistungsangebot hinein. Wenn man dann bereit ist –
ich komme zum Schluss! –, die Kulturabteilung so zu reorganisieren, dann muss man sich Gedanken machen, dass auch die Fördertöpfe zusammengefasst werden. Wir haben nämlich mittlerweile ein Auswuchern von Töpfen. Wir haben nicht nur den Etat, wir haben das Kultur-WAP, wir haben jetzt noch den Kulturhauptstadtfonds, wir haben die Mittel bei der BMG, und alles das ist keine gesunde Struktur. Die Mittel müssen zusammengefasst werden, es muss eine klare Zuständigkeit des Kulturressorts und der Kulturdeputation für diese Mittel geben. Letzte Bemerkung, Herr Perschau, und ich denke, das können Sie nicht in Abrede stellen: Ich habe in den letzten Jahren versucht, sehr im Interesse der Bremer Kulturszene Politik zu machen, und wenn Sie bereit sind, auch wirklich für die Kultur zu kämpfen – und das würde für mich bedeuten, dass man diesen Eckwert 2005 noch einmal korrigieren muss –, dann werden Sie mich in den nächsten Jahren an Ihrer Seite haben im Sinne der Kultureinrichtungen unseres Landes. – Danke schön!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Perschau begann eben seine Rede damit, dass ich die Große Anfrage vorsätzlich im September eingebracht hätte. Herr Senator, ich kann Ihnen sagen, nicht nur mit Vorsatz, sondern auch mit Absicht und mit dem deutlichen Wunsch, Klarheit über viele Fragen zu erlangen. Ich hoffe allerdings, dass auch solche politischen Vorsätze, wenn Abgeordnete ihre Arbeit machen, demnächst nicht irgendwie in den Geruch von kriminellen Handlungen kommen.
Von daher verstehe ich natürlich Ihre selbstkritische Rede zu Beginn, dass die Debatte bisher relativ sachlich geführt worden ist. ––––––– *) Von der Rednerin nicht überprüft.
Jetzt aber noch einmal zu der eigentlichen Frage, nämlich Zielkonflikte und Konzeptionen! Ich will kurz an Bernd Hockemeyer erinnern, der in der letzten Legislaturperiode gesagt hat: „Wir werden die Sanierungspolitik in Bremen nur dann wirklich erfolgreich leisten, wenn die Kultur, der intellektuelle Reizfaktor, der Esprit der Stadt, dazugehört.“ Da sind wir ja gar nicht wirklich auseinander, denn alle, die jetzt hier gesprochen haben, sehen es so, dass die Kultur zu einer Modernisierungsstrategie dazugehören muss, und es ist seit dieser Legislaturperiode klar, jetzt sagen Sie, es ist ja auch offen von den Parteien der großen Koalition, es geht auch um die Neujustierung der Sanierungspolitik, und da ist Kultur ein Faktor.
Das IAW hat letztens noch einmal eine große Studie zu den Erfolgen und Misserfolgen der Sanierungspolitik gemacht und hat da auch noch einmal sehr deutlich festgestellt, dass Kultur, oder wenn man es im Jargon sagen möchte, weiche Standortfaktoren, anregende kulturelle, intellektuelle Milieus und eine wirklich gesunde Wirtschaft zusammengehören. Das darf man nicht trennen, sondern das muss man zusammen denken.