Protocol of the Session on February 25, 2004

Ich eröffne die vierzehnte Sitzung der Bürgerschaft (Landtag).

Ich begrüße die hier anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Medien.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein.

Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften

Mitteilung des Senats vom 3. Februar 2004 (Drucksache 16/133) 1. Lesung

Dazu als Vertreter des Senats Senator Lemke.

Meine Damen und Herren, wir kommen zur ersten Lesung.

Die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Berk.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat bittet heute um Beschlussfassung in erster Lesung für das Gesetz zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften. Es geht einmal um die Einführung eines Lektors an den Hochschulen, die Aufhebung der Verordnung über die Genehmigung zur Führung ausländischer Grade, es erfolgt eine Rechtsbereinigung, ich glaube, dass das nicht unser Hauptthema ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Hauptpunkt dieses Gesetzentwurfs ist die Einführung einer Verwaltungsgebühr. Sie wissen, dass die Ankündigung die Studierenden nicht erfreut hat, es war der Anlass zu großen Demonstrationen. Die Verwaltungsgebühr von 50 Euro war der Aufhänger, aber das ganze Problem ist natürlich viel tief greifender. Ich werde am Ende, bevor ich jetzt ein paar formelle Sachen nenne, auch noch einmal darauf zu sprechen kommen, denn wir nehmen die Sorgen und Nöte der Studierenden schon ernst.

Die Regierungsparteien haben sich in der Koalitionsvereinbarung darauf verständigt, in dieser laufenden Legislaturperiode als Anreiz zur Erhöhung der Verbindlichkeit im Studienverlauf, zur Intensivierung der Beratungsleistungen der Hochschulen und zur Verkürzung der Studienzeiten neben Studienkonten auch einen Verwaltungskostenbeitrag einzuführen. Auch von Seiten der Hochschulen wurde um die Schaffung der rechtlichen Voraussetzun

gen für die Einführung von Verwaltungsgebühren gebeten, um die Studierenden an den anstehenden Verwaltungskosten der Hochschulen zu beteiligen. Damit leisten die Studierenden einen Beitrag zu den Hochschulausgaben, die zur Verwaltung und Betreuung der Studierenden vorgehalten werden, jedoch nicht unmittelbar dem Lehrbetrieb zuzurechnen sind.

Einbezogen sind nach entsprechenden Kostenkalkulationen durch die Hochschulen Leistungen im Zusammenhang mit Immatrikulation, Rückmeldung, Beurlaubung, Exmatrikulation, der zentralen Studienberatung, akademischen Auslandsämtern, Vermittlung von Praktika und Förderung des Übergangs in das Berufsleben. Verwaltungskosten in unterschiedlicher Ausgestaltung sind bereits in mehreren anderen Bundesländern eingeführt, auch in unserem Nachbarland Niedersachsen.

Der Gesetzentwurf berücksichtigt Maßgaben aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. März 2003 zum baden-württembergischen Landeshochschulgebührengesetz, das heißt, die erhobenen Beiträge stehen in einem angemessenen Verhältnis zu den angebotenen Leistungen. In allen Hochschulen liegen die Kosten über 50 Euro pro Semester, in manchen sogar weit darüber. Sie sind wegen dieser engen rechtlichen Bindung damit nicht das Einfallstor für Studiengebühren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade das war eine große Sorge der Studierenden, dass mit dieser Verwaltungsgebühr auch der Einstieg in Studiengebühren festgelegt wird. Das möchte ich für die SPD-Bürgerschaftsfraktion und auch die SPD auf Landesebene auf jeden Fall zurückzuweisen.

(Beifall bei der SPD)

Es stimmt, auch andere Gebühren, zum Beispiel für die Nutzung des Fremdsprachenzentrums – das war auch ein Kritikpunkt, der uns in vielen Diskussionen vorgetragen wurde –, werden erhoben, aber das liegt in der Autonomie der Hochschulen. Mit der Änderung des Bremischen Hochschulgesetzes am Ende der vergangenen Legislaturperiode haben wir den Hochschulen ermöglicht, dass sie auch Gebühren erheben können und somit ihre Einnahmesituation verbessern können.

Die Verwaltungskostenbeiträge werden in voller Höhe den Hochschulhaushalten zufließen. Für das Haushaltsjahr 2004 macht es einen Betrag von rund 1,4 Millionen Euro und für das Haushaltsjahr 2005 die doppelte Summe aus, da die Beitragspflicht erstmals zum Wintersemester 2004/2005 entstehen wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sorge der Studierenden, dass Haushaltslöcher damit gestopft werden beziehungsweise diese Mittel nicht dem Haushalt der Hochschulen zufließen, stimmt nur in einem Teil. Selbstverständlich werden

diese Kosten bei den Hochschulen verbleiben, aber es steht auch fest, dass in dieser schwierigen Haushaltslage, in der wir große Einschnitte im Bereich Soziales, im Bereich Jugend und auf vielen anderen Feldern haben, die 50 Euro einen angemessenen Beitrag bilden, den Studierende leisten können.

Es ist so, dass auch der Wissenschaftsbereich nicht von Kürzungen ausgenommen wurde, aber durch die Einnahme aus der Verwaltungsgebühr, durch die Einsparungen, die sich ergeben aus der Kürzung des Weihnachtsgeldes der Angestellten und der Beamten, die Kürzung oder Streichung des Urlaubsgeldes, durch all dies und am Ende noch durch die Aufstockung mit AIP-Mitteln wird in Bremen im Wissenschaftsbereich im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht gekürzt, sondern er wird sich am Ende im Rahmen des jetzt laufenden Haushalts bewegen. Ich glaube, das ist ein großer Erfolg und auch eine große Anstrengung, die dieses Haus bei der schwierigen Haushaltslage für den Wissenschaftsbereich entwickelt hat. Ich bin vor allem auch meiner Fraktion, der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sehr dankbar, dass sie mit aller Kraft auch nach heftigen Diskussionen sich einmütig dazu bereit erklärt hat. Wissenschaft ist für uns ein wichtiger Standortfaktor, ist die Innovation in Köpfe, die wir haben, ein Humankapital, in das wir investieren wollen. Darüber bin ich froh.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Studenten haben natürlich nicht nur gegen Gebühren demonstriert. Ich weiß, dass es für diejenigen, die wenig haben, schmerzlich ist – auch wenn es im Monat nur 8,33 Euro sind –, in einem Semester 50 Euro bezahlen zu müssen. Gleichwohl sage ich, niemand wird von einem Studium durch diese Gebühr abgehalten. Da ich weiß, wie die Diskussion in der Deputation war, und spätestens bei Herrn Wedler wird es keine Verwaltungsgebührendebatte mehr sein, sondern eine Studiengebührendebatte, sage ich Ihnen hier ganz eindeutig für die SPD-Bürgerschaftsfraktion und für die SPD im Land Bremen: Wir Sozialdemokraten lehnen Studiengebühren ab!

(Beifall bei der SPD)

Wir favorisieren ein Studienkontomodell, weil wir sagen, im Zuge von Chancengleichheit muss jeder Studierende, der willens ist und die Qualifikation hat, die Möglichkeit haben, ein Studium aufzunehmen. Wir sagen, wir geben euch einen Bonus, ihr habt ein Konto von 15 Semestern, und in dieser Zeit, liebe junge Leute, auch wenn ihr arbeiten müsst, versucht, euer Studium durchzuführen! Diejenigen, die in der Regelstudienzeit studieren, haben dann einen Bonus und können, wenn sie in der Berufsphase vielleicht eine Weiterbildung machen wollen, ohne

Weiteres auf dieses Konto, das übrig ist, zurückgreifen. Alle anderen – es sei denn, sie haben Gremienarbeit geleistet, dann kommt ein Semester dazu, oder kleine Kinder zu erziehen, dann wird sich der Bonus noch etwas erhöhen – werden nach dem fünfzehnten Semester zur Kasse gebeten, und die Marge ist 500 Euro.

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass wir Sozialdemokraten sehr wohl daran denken, dass viele junge Menschen ein Studium aufnehmen können, dass wir aber im Zuge von Einschränkungen in allen Bereichen sie doch verpflichten müssen, es in einer angemessenen Zeit durchzuführen. Natürlich ist auch die Kritik da, und meine Kollegen aus der Deputation und ich haben mit vielen Studierenden gesprochen, in vielen Einzelgesprächen und in kleinen Gruppen, wir haben auch die Protestveranstaltungen erlebt. Es ist legitim, dass Studierende ihre Sorgen und Nöte und auch das, was sie an Problemen haben, deutlich machen. Während der Protestaktion bei der Deputationssitzung

(Glocke)

ich bin sofort fertig – der Vandalismus, der sich abgespielt hat, bot kein gutes Bild, aber ansonsten sind alle Demonstrationen friedlich abgelaufen, und wir konnten auch vernünftige Gespräche führen.

Wir nehmen das Votum der Studenten ernst, und wir wollen sehr intensiv den Anspruch auf vernünftige Studienbedingungen begleiten. Wir werden dazu in der Deputation Gelegenheit haben, wenn die Berichte über die Kontrakte vorliegen. Da werden wir sehen, wieweit die Hochschulen auch in der Lage sind, für bessere Studienbedingungen zu sorgen, für vernünftige Abläufe im Studium und die ganzen Verbesserungen, die wir alle hier in diesem Parlament schon beschlossen haben, die aber in der Umsetzung leider nicht so schnell gehen, wie wir es uns wünschen. Das werden wir intensiv begleiten, auch die weiteren Anstrengungen des Ressorts. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Jäger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Berk, wenn ich Ihre Rede eben so gehört habe, dann möchte ich meine vorbereitete Rede am liebsten gleich wieder in die Tasche stecken und auf Sie persönlich eingehen. Ich habe aber den Eindruck, Sie haben die Debatten in der Bundesrepublik in den letzten Monaten und die Studentenproteste völlig falsch interpretiert und mögli––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

cherweise auch die Ambition Ihres Kanzlers. Da ist wohl einiges an Ihnen vorbeigegangen!

(Beifall bei der CDU)

Ich gehe gleich darauf noch einmal ein.

Meine Damen und Herren, in Deutschland und auch in Bremen geht manches durcheinander: Einschreibgebühren, Verwaltungskostenbeiträge, Mediennutzungsgebühren, Langzeitstudiengebühren, Studienkontenmodelle, normale Studiengebühren, nachlaufende Studiengebühren! Wer findet da schon noch durch?

(Abg. Frau B u s c h [SPD]: Wir ja!)

Allheilmittel heute: Verwaltungskostenbeitrag! Oder kurieren wir die Symptome? Packen wir hier ein Problem wirklich bei der Wurzel? Ich komme gleich darauf zurück.

Im Kern geht es heute um die Einführung von Verwaltungskostenbeiträgen! Es geht um 8,33 Euro pro Student und Monat. 8,33 Euro erscheint wenig, und doch ist das Vertrauen in die Hochschullandschaft von Bund und Ländern schwer gestört. Studentenproteste, Frau Berk ist darauf eingegangen, hat es genügend gegeben, nicht immer nur gewalttätig wie bei uns in der Deputation, sondern auch vielfach phantasiereiche Aktionen, Diskussionen, die weit über diese Verwaltungskostenbeiträge hinausgehen.

Meine Damen und Herren, wir als CDU halten es inzwischen für unvermeidbar, diesen Beitrag auch von den bremischen Studierenden einzufordern. Daran will ich keinen Zweifel lassen. Dies ist eine zwangsläufige Maßnahme, weil alle anderen Bundesländer in unserer Nähe diese Gebühren bereits beschlossen haben und Bremen keine Insel ist, die sich von dieser Entwicklung lossagen kann. 8,33 Euro als maßvolles Äquivalent zu den Betreuungsleistungen der Hochschulen sind vertretbar, juristisch einwandfrei. Auch die Höhe der Gebühren liegt nicht in der Willkür der Politik. Das muss man auch denen sagen, die fragen, wer sagt uns, dass nicht morgen 20 Euro und übermorgen 50 Euro dafür genommen werden. Verwaltungskostenbeiträge sind eng normiert.

Meine Damen und Herren, ich erinnere auch noch einmal daran, dass wir vor Jahren als CDU das noch verhindert haben, nur, damals wären wir die Ersten gewesen. Damals hieß es Einschreibgebühren, jetzt gehören wir allerdings schon fast zu den Letzten. Deshalb werden wir uns dieser Maßnahme nicht entgegenstellen, sondern zustimmen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass wir in Bremen im Wissenschaftsbereich weiter investieren, ihn weitgehend von Sparmaßnahmen ausnehmen, weiter die Hochschul- und Wissenschaftspolitik in

die Sanierungsstrategie des Landes einbetten, kann man auch sagen, Studierende müssen einen kleinen eigenen Beitrag dazu leisten. Das ist die Auffassung der CDU-Fraktion.

Meine Damen und Herren, Tausende von Studierenden, die auf den Straßen waren, auch in Bremen waren es nicht wenige, befürchten Studiengebühren durch die Hintertür. In der Tat, wenn man in die Republik schaut, dann ist die Phantasie mancher Finanzminister, Finanzsenatoren, aber auch mancher Hochschulpolitiker unermesslich. Seien wir einmal ganz ehrlich, Verwaltungskostenbeiträge, Studienkontenmodell, Langzeitgebühren, all das sind in Wahrheit Reaktionen auf ein politisch und rechtlich höchst umstrittenes Studiengebührenverbot.

Frau Berk, Sie haben Recht, ich muss darauf eingehen. Die Bundesregierung hat den Bundesländern verboten, Studiengebühren zu erheben, aber das Bulmahnsche Studiengebührenverbot, glaube ich, streut den Deutschen Sand in die Augen. Wir kurieren mit Verwaltungskostenbeiträgen und Studienkontenmodellen nur Symptome, wir schmieren hier weiße Salbe auf eine klaffende Wunde, und wir glauben, damit die kränkelnde deutsche Hochschullandschaft von Grund auf sanieren zu können. Meine Damen und Herren, ich denke, Verwaltungskostengebühren sind weiße Salbe für die Hochschullandschaft, und sie sind nur ein Placebo für die SPD, die immer noch hofft, dauerhaft um Studiengebühren herumzukommen. Placebo und weiße Salbe, nicht aber Allheilmittel beschließen wir heute, und dessen, finde ich, sollten wir uns bewusst sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir reden von Verwaltungskostenbeiträgen, wohlwissend, dass die Finanzierung der Hochschulen auch angesichts der Finanznot der Länder auf den Prüfstand gehört, aber vor allen Dingen, weil wir eines immer noch negieren, die Hochschulen untereinander im Wettbewerb zu positionieren. Die Hochschulen in den Wettbewerb zu führen würde die Selbstheilungskräfte der Hochschulen wirklich aktivieren. Das wäre eine Maßnahme, mit der uns die Bundesregierung beglücken könnte, aber das tut sie leider eben nicht. Diesen Wettbewerb untersagt sie an den verschiedensten Stellen.

Meine Damen und Herren, nicht nur das, Frau Bulmahn und der Bundeskanzler sorgen auch noch einmal dafür, dass es überhaupt keine Planungssicherheit gibt. Die Diskussionen über die Eliteuniversitäten haben Sie vernommen, erst in Absprache ohne Frau Bulmahn waren es zwei Eliteuniversitäten, auf einmal waren es zehn. Keiner hat gesagt, wer sie dazu erklärt und wie eine Eliteuniversität dazu wird. Keiner sagt, wer sie finanziert, wie diese Universitäten in einem Wettbewerb zu den staatlichen Hochschulen stehen sollen. Insofern kann ich manche Studentenproteste verstehen. Die 8,33 Euro im