Margit Wild

Appearances

17/12 17/15 17/27 17/29 17/35 17/38 17/39 17/45 17/47 17/48 17/50 17/57 17/60 17/73 17/75 17/79 17/89 17/94 17/97 17/106 17/116 17/131

Last Statements

(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Norbert Dünkel, ich stimme mit dir überein, dass wir in der interfraktionellen Arbeitsgruppe seit mehreren Jahren sehr an der Sache orientiert arbeiten und alle sehr ernsthaft diskutieren. Wir haben feststellen müssen, dass es in Teilen nicht möglich ist – dies gilt sowohl für euch von
der CSU als auch für uns von der SPD –, die reine Lehre durchzusetzen.
Besonders intensiv haben wir uns immer mit der Rolle der Förderschulen im Rahmen der Inklusion beschäftigt. Dazu kann man in der Tat verschiedene Sichtweisen haben; die hatten wir am Anfang auch. Wir sind aber übereingekommen, dass wir unsere Förderschulen öffnen wollen, weil wir unsere Förderschulen als echte Kompetenzzentren begreifen. Wir sind uns über das Ziel der Öffnung der Förderschulen auch einig, aber nicht über den Weg dorthin, weil wir die Öffnung, so wie sie in dem Gesetzentwurf vorgesehen ist, als eine Öffnung mit angezogener Handbremse ansehen. Ich will das in meinen Ausführungen darstellen.
Bis dato hatten wir in den offenen Klassen an den offenen Förderschulen 20 % Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Sehen und Hören. Wir wollen jetzt 30 % Schülerinnen und Schüler mit den Förderschwerpunkten Sehen und Hören an den allgemeinbildenden Schulen zulassen. An Schulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung wollen wir 40 % Regelschüler zulassen. Diese Zahlen – das haben wir eigentlich schon immer gesagt – sind für uns sehr willkürlich. Eine Öffnung ist nun einmal eine Öffnung, aber nicht mit diesen Einschränkungen.
Dazu muss man noch Weiteres ausführen. Norbert Dünkel hat vorhin von dem freien Elternwillen gesprochen, den wir auch so hoch ansetzen. Der freie Elternwille ist aber gar nicht so frei. Sehen Sie sich genau an, was jetzt vorgesehen ist. Zum Beispiel darf nämlich keine weitere Klasse an den Förderschulen entstehen, und an den Grund- und Mittelschulen darf es nicht zu Schülerrückgängen kommen. Das sind schon ganz schöne Einschränkungen. So viel zum freien Elternwillen. Er ist sehr stark eingeschränkt. Wenn die Schulaufsichtsbehörde und der Sachaufwandsträger nicht zustimmen, dann geht auch nichts. Das muss ganz einfach gesagt werden.
In den Regionen, in denen die Grund- und Mittelschulen sehr stark mit rückläufigen Schülerzahlen zu tun haben, wird es nicht funktionieren, Kinder, deren Eltern Interesse an einer Förderschule haben, dorthin zu schicken. In den Metropolen und in den größeren Städten gibt es Förderzentren und Förderschulen, die ausreichende Schülerzahlen vorweisen. Unserer Meinung nach wird es nur für ganz, ganz wenige Schülerinnen und Schüler, deren Eltern das wollen, möglich sein, an eine Förderschule gehen zu können. Wir müssen das alles ganz genau betrachten.
Mit diesen Einschränkungen hat Inklusion nicht die Form, wie wir sie uns vorstellen. Das Ganze steht na
türlich auch unter dem Haushaltsvorbehalt. Das ist alles recht und schön. Ich führe mir den vergangenen Mittwoch noch einmal vor Augen, als der neue Ministerpräsident das Füllhorn ausgeschüttet hat. Demnach wird das Kindergeld praktisch in die Wahlbriefumschläge gesteckt, und die Kavallerie soll in München oder Regensburg herumreiten. Das wird alles Geld kosten. Inklusion ist ein Menschenrecht. Wenn Inklusion vorangebracht werden soll, dann kostet das auch Geld. Das gibt es nicht zum Nulltarif.
Nach unserem Dafürhalten ist das Inklusion, aber mit angezogener Handbremse. Das sind willkürlich festgesetzte Zahlen an den Förderschulen. Wir haben uns auf die Öffnung der Förderschulen verständigt, aber eben auch mit dem Ziel, den Elternwillen umzusetzen. Das ist aber in keiner Weise gewährleistet. Artikel 41 des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes, wonach die Erziehungsberechtigten entscheiden sollen, wo ihr Kind unterrichtet wird, wird nicht vollumfänglich Rechnung getragen. Das ist eigentlich sehr bedauerlich. Wenn sich Eltern dafür entscheiden, ihr Kind, welches bisher eine Regelschule besucht hat, auf eine Förderschule zu schicken, dann wird dieser Elternwille eingeschränkt. Eltern erwarten an den Förderschulen eine gute Förderung, eine Erweiterung der Sozialkompetenz ihres Kindes und die Betreuung durch sehr kompetente Sonderpädagogen.
Wir, die SPD, wollen keine Inklusion mit Begrenzung oder Einschränkung. Als der Bayerische Landtag die interfraktionelle Arbeitsgruppe eingerichtet hat, was ein Novum und etwas sehr Wertvolles ist, war unser Ziel immer, gute Lösungen zu finden. Wir haben mit Artikel 2, wonach Inklusion die Aufgabe aller Schulen sei, ein sehr wichtiges Zeichen gesetzt. Das sind ein Auftrag, ein Beginn und eine Herausforderung. In bestimmten Punkten haben wir gute Erfolge und Ergebnisse erzielen können. Natürlich kommen wir nicht überall so gut voran, wie wir uns das wünschen würden. Das sieht man auch an diesem Bereich. Ich habe eingangs bereits erwähnt, dass wir Sozialdemokraten wie Martin Güll und ich an Praktikabilität interessiert sind. So soll Inklusion auch wirklich umgesetzt werden. Aber so eine Öffnung wollen wir nicht. Das ist eine Öffnung mit angezogener Handbremse.
Wir werden natürlich noch weiter darüber diskutieren. Mal sehen, ob wir zu einer guten Lösung gelangen. Aber diese Lösung ist in keiner Weise optimal. Deshalb haben wir den Gesetzentwurf nicht mitgetragen und stehen nicht mit drauf.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, auf die Lehrkräfte kommt es in der Tat an, sind sie doch die Hauptakteure im schulischen Alltag – neben den Schülerinnen und Schülern. Es ist wirklich an der Zeit, darüber nachzudenken, ob das Instrumentarium, das die Lehrkräfte aller Schularten an den Universitäten und im Referendariat vermittelt bekommen, den Herausforderungen des Schulalltages und den Herausforderungen, die Schülerinnen und Schüler, egal welche Schule sie besuchen, mit sich bringen, gerecht wird. Ich meine, diese Fragestellung mit einem Nein beantworten zu können. Ich sage klipp und klar, dass unsere Lehrkräfte in weiten Teilen nicht den Herausforderungen, denen sie tagtäglich im Klassenzimmer gegenüberstehen, mit dem richtigen Rucksack an Didaktik und Methodik begegnen können.
Demzufolge betrachten wir den Gesetzentwurf der GRÜNEN als einen sehr wichtigen Entwurf. Wir halten ihn in weiten Teilen auch für einen sehr guten Entwurf. Ja, von einem Lehrer wird sehr viel erwartet. Der Lehrer muss eine gestandene Persönlichkeit sein: Er muss reflektieren können, er muss einen guten und
verantwortungsvollen Umgang mit den Schülerinnen und Schülern pflegen, er muss Feedback geben können, er muss Elterngespräche führen können, er muss die Schwierigkeiten rechtzeitig erkennen. Er muss auch wissen, wann er jemanden aus dem multiprofessionellen Team einschalten muss.
Ich kann zwar laut sprechen, aber ich möchte nicht laut sprechen. – In der Tat sind die Herausforderungen größer geworden, aber die Antworten an den Universitäten, wie sie gegeben werden, reichen nicht aus.
Herr Kollege Lederer, ich schätze Sie sehr. Sie sind ein ausgewiesen sachlicher und fachlicher Politiker. Es war aber eigentlich schon klar, wie Sie mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgehen. Ich meine, man muss sich mit den Vorschlägen ernsthaft beschäftigen. Wenn ich mich an die letzte Diskussion erinnere, die wir hier zum Lehramt hatten: Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, damals ging es bei Ihnen dabei um die Begrenzung des Zugangs zum Referendariat. Inhaltlich haben Sie sich also in den vergangenen Jahren nicht sehr viel und intensiv mit dieser wichtigen Thematik auseinandergesetzt. Es ist aber höchste Zeit, dass man sich mit der Lehrerausbildung, mit diesem heißen Eisen, beschäftigt und diese Thematik aufgreift.
Die Idee, gleichzeitig mit dem Staatsexamen auch ein Bachelor- und Masterstudium abzuschließen, ist in der Tat keine Revolution. In anderen Bundesländern gibt es das längst – dort ist es gang und gäbe –, und nicht zuletzt hat auch der BLLV eine ähnliche Reform für Bayern gefordert. Damit könnte man den vielen Studierenden für das Lehramt eine weitere Perspektive anbieten, damit sie eben nicht nur ein Staatsexamen vorweisen können und somit außerhalb der schulischen Bildung kaum Anstellungsmöglichkeiten finden. Die jungen Menschen würden dann nicht mit einem für sie wertlosen Staatsexamen auf der Straße sitzen, wenn der sogenannte Schweinezyklus wieder einmal voll durchschlägt.
Ich gebe dem Kollegen auch recht: Es sollte endlich mit der realitätsfernen Aufteilung der Lehramtsstudien nach Schularten Schluss gemacht werden. Wenn zwischen dem Realschullehramt und dem Gymnasiallehramt gerade einmal zwei Module Unterschied sind, wie das aktuell der Fall ist, wieso ist man dann für die kommenden 30 oder 35 Jahre ausschließlich für eine Schulart als Lehrkraft geeignet? – Das ist eine unflexible, eine unnötige Trennung in der Lehrerausbildung, und das muss endlich ein Ende haben. Ein Weg über das Bachelor- und Mastersystem ist dafür eine,
wie ich meine, vielversprechende und aussichtsreiche Lösung.
Noch eines: Alle Lehrämter sind für uns gleichwertig. Das sollte sich endlich auch in der Eingangsbesoldung und in einer modularisierten Lehrerausbildung niederschlagen; damit könnten die drängenden Themen und Herausforderungen der Schulen besser abgebildet werden. Es geht es um die Heterogenität in den Klassenzimmern, es geht um die Inklusion – der Kollege Gehring hat es angesprochen –, und es geht vor allem um das, was alle Lehrkräfte unisono, egal an welcher Schule, sagen, wenn man sich mit ihnen unterhält: Die größte Herausforderung ist der Umgang mit Schülerinnen und Schülern mit sozialen, emotionalen Verhaltensauffälligkeiten. Deutsch als Zweitsprache, Digitalisierung – die Bandbreite ist enorm groß.
Ich sage es an dieser Stelle noch einmal deutlich: Herr Kollege Lederer, sie sagen zwar: Ja, wir entwickeln das weiter. Ich stelle aber im Laufe der Jahre fest: Sie betreiben eine Flickschusterei – eine Zusatzqualifikation hier, eine dort, ein Seminar, eine Zertifikation. Unser Ziel muss sein, in Bayern weiterhin beste Bildung anzubieten. Mit einem solchen Fleckenteppich und ohne eine wirklich große Änderung können wir dieses Ziel nicht erreichen, und irgendwann werden wir von den Entwicklungen der Zeit überholt. Unsere Lehrkräfte kommen auf dem letzten Schlauch daher. Sie sind jetzt schon genügend Belastungen ausgesetzt, und wenn wir da nicht endlich ansetzen, geht irgendwann auch dem besten Lehrer mit der besten Absicht einfach einmal die Puste aus.
Ein ganz wichtiger Punkt ist der von den Pädagogen, von allen Lehrkräften immer wieder geforderte Praxisbezug. Wir brauchen mehr Praxis, wir brauchen Lehrer mit einer guten Persönlichkeit. Nichts ist interessanter und spannender, als sich im Unterricht auszuprobieren, zu merken, wie man ankommt, wenn man ein Feedback gibt oder bekommt. Was auch wichtig ist: Nicht jeder, der Lehramt studiert, ist auch unbedingt als Pädagoge geeignet. Wenn man dann aber Praxisgelegenheiten hat, dann merkt man das vielleicht. Mehr Praxisbezug wäre also eine supergute Sache.
Es geht um unsere Zukunft und die Zukunft unserer Schülerinnen und Schüler. Es geht mir aber vor allem auch um die Zukunft unserer Lehrerinnen und Lehrer. Sie müssen das notwendige Rüstzeug haben. Wir werden wahrscheinlich intensiv und heiß über diesen Gesetzentwurf diskutieren – ich denke, das kann man
heute schon sagen. Es geht aber wirklich auch darum, dass wir die Sache ernst nehmen und nicht einfach abtun: Machen wir eh schon alles besser. – Nichts ist so gut, als dass man es nicht noch besser machen kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich versuche jetzt, wieder mit Sachlichkeit an die Thematik heranzukommen. Ich fand es sehr bemerkenswert von Ihnen, Frau Kollegin Kaniber, dass Sie zu Beginn Ihrer Rede versucht haben, sich sehr sachlich mit der Thematik auseinanderzusetzen.
Das, was Sie gesagt haben, kann man im Protokoll nachlesen. Das ist Ihre Sichtweise auf die Situation.
Das respektiere ich. Ich möchte aber auch etwas zu dem sagen, was die Kollegin Kamm ausgeführt hat. In der Tat ist es so, dass der Vorfall, der Mord in Arnschwang, tragisch ist, dass man dazu viele Fragen stellen muss, Fragen, die nicht beantwortet sind. Es ist unser gutes Recht, diese Fragen zu stellen und nicht zu vorschnellen Lösungen und Antworten zu kommen. Da gab es offensichtlich keinen guten Austausch zwischen den Behörden. Offensichtlich ist es auch so, liebe Kollegin Kaniber, dass gerade in der Oberpfalz die Trennung von Frauen und Kindern und Männern nicht möglich ist. Sie haben in Ihren Zahlen sehr deutlich aufgeführt, dass es diese Möglichkeit der Separierung wohl gibt, dass das aber eben nicht ausreicht. Diese Separierungen reichen nicht aus. Das muss so festgehalten werden. Vergegenwärtigen Sie sich die schwierigen Umstände der Frauen und Kinder. Zum Teil haben die Frauen und Kinder in ihrem Herkunftsland Gewalt, beispielsweise sexuelle Gewalt erlebt. Sie haben auf ihrer Flucht Gewalt und Vergewaltigung erlebt. Wenn sie bei uns ankommen, dann ist es unsere oberste Aufgabe, dass wir in den Unterkünften Schutz vor Gewalt bieten und uns überlegen, wie wir präventiv tätig werden können.
Die GRÜNEN haben diesen Antrag nicht einfach so gestellt, sondern auf Empfehlungen der Freien Wohlfahrtspflege. Dort sind erfahrene Frauen und Männer tätig, die wissen, wie es in den Unterkünften ist. Deshalb ist es richtig und sinnvoll, ein Konzept für alle Unterkünfte zu haben. Danach können sich die dort tätigen Frauen und Männer richten. Dort erhalten sie Anleitungen dazu, wie sie im Falle von Gewalt und Aggression reagieren können. Es ist naheliegend, dass es in solchen Unterkünften – laut Kabinettsbeschluss gibt es mittlerweile in erster Linie zentrale und weniger dezentrale Unterkünfte – zu Aggressionen, Wut und auch Gewalt kommt. Das wissen wir.
Zu den GRÜNEN möchte ich noch etwas zur Datenerfassung sagen. Bremen macht es sehr gut vor. Dort wurde bereits im Oktober vergangenen Jahres ein Gewaltschutzkonzept beschlossen. In Bremen müssen keine Daten erhoben werden, weil man weiß, dass diese Klientel besonders schutzbedürftig ist. Diese Klientel ist besonders oft und häufig sexueller Gewalt oder einer anderen Form von Gewalt ausgesetzt. Wir können uns hier ein Beispiel an einem anderen Bundesland nehmen. Bremen arbeitet hier vorbildlich. Alle Materialien können heruntergeladen und angeschaut werden. Die Tätigen vor Ort haben in Bremen am Konzept mitgearbeitet. Das Konzept soll weitgehend bis Ende 2017 umgesetzt werden. Das ist eine Hilfestellung, die man den Leuten vor Ort an die Hand gibt. Damit wissen die Menschen vor Ort, wie
man mit derartigen Fällen umgeht. Ein Blick in andere Bundesländer lohnt manchmal. Es handelt sich um ein 18-seitiges Konzept, und die Vereinbarungen gelten für alle.
Die größtmögliche Sicherheit soll natürlich räumlich und personell gewährleistet werden. Möglicherweise wird man nicht vor jeder Situation schützen können. Jedoch erleichtert es die Sache, wenn alle dieselben Handreichungen und Möglichkeiten haben. Sie haben bereits angesprochen, dass es eine Art Runden Tisch gibt. Wieso kann man sich am Runden Tisch denn nicht ein derartiges Konzept zur Hand nehmen und dieses Konzept nachahmen? – Dieses Konzept gibt es ja bereits und könnte übernommen werden. Ich verstehe das nicht. Ein Runder Tisch ist mitunter ganz sinnvoll. Jedoch dient er manchmal dazu, Dinge auf die lange Bank zu schieben. Das können wir nicht akzeptieren.
Ich komme nun zum Schluss. Ich finde, ein Gewaltschutzkonzept aus einem Guss ist ein richtiger Beitrag, damit alle Menschen, die in einer Einrichtung leben, so angstfrei und so sicher wie möglich ankommen und leben können. Gewaltprävention und Klarheit im Umgang mit Übergriffen und Gewalt nützen allen. Sie nützen Bewohnern und allen in den Einrichtungen engagierten Menschen, egal woher sie kommen, welches Geschlecht sie haben, ob sie mit oder ohne Behinderung leben oder welcher Religion sie angehören. Ich bitte Sie, überlegen Sie sich das noch einmal. Ich glaube, dass es mir gelungen ist, die Debatte wieder ein Stück weit zu versachlichen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "Das schlanke Konzept des G 8 macht die bayerischen Jugendlichen fit für die Zukunft", so jubelte damals, im Jahre 2003, das CSU-Organ "Bayernkurier". Landauf, landab sind dann die Kollegen und Kolleginnen der CSU herumgezogen und haben für dieses wunderbare G 8 geworben: "Es macht die Jugendlichen so fit für den Beruf, die Wirtschaft wünscht sich das, die kürzere Schulzeit ist unheimlich toll." Und im Übrigen, was die Kolleginnen und Kollegen von der CSU sonst nicht tun, haben sie damals gesagt: Die anderen Bundesländer machen es ja auch so. Aber jetzt, nach fast eineinhalb Jahrzehnten, muss man einfach einmal feststellen, dass dieses G 8 nicht das Erfolgsmodell geworden ist, wie man es sich gewünscht hätte.
Sprechen wir doch mal mit den jungen Menschen, die das Abitur in der Tasche haben und sich fragen: Was mache ich denn jetzt? Wer bin ich denn jetzt? Kann ich schon studieren? – Viele, viele Fragezeichen. Wenn etwas nicht von Erfolg gekrönt ist, wenn man Fehler gemacht hat, wenn es Widerstand gegeben hat, wenn es Protest gegeben hat, dann muss auch eine CSU einmal in der Lage sein zu sagen: So, bitte schön, wir haben das verstanden, das G 8, wie es bisher gelaufen ist, ist im Prinzip nicht mehr zu retten.
Schauen wir uns doch an – der Kollege Piazolo hat es vorhin so wunderbar gemacht –, welche Versuche unternommen wurden: diese Gelenkklasse – ich glaube, sie wurde damals von der Kollegin Renate Will so ein
geführt –, dann die Mittelstufe Plus, dann hat man da ein bisschen verkürzt und dort ein bisschen verkürzt. Da stellt man fest: Im Prinzip kann man etwas, was schon von Anfang an vermurkst" ist, letztendlich auch mit vielen Pflastern nicht mehr heilen.
In der breiten Liste der Unterstützer einer längeren Schulzeit erkennt man ein Bündnis kompetenter Fachfrauen und Fachmänner: Da sind der Philologenverband, die Direktorenvereinigung, die Landeselternvereinigung, der Landesschülerrat, der Bayerische Landkreistag, der DGB. Man muss einfach einmal sagen: Hier ist eine Kehrtwende nötig. Man muss auch einmal die Chance für einen kompletten Neuanfang ergreifen und das bayerische Gymnasium so aufstellen, dass es den Schülerinnen und Schülern auch guttut, dass vertieftes Lernen möglich ist und dass es möglicherweise Überholspuren gibt für diejenigen, die dazu in der Lage sind, sie zu nutzen.
Die CSU sollte einmal auch auf ihre Jugend hören. Ich glaube, Herr Reichhart ist im Augenblick nicht da. Da hat die JU ein einziges Mal eine grandiose Idee und äußert sich. Ich muss sagen: Recht haben die JUler. Das sage ich jetzt nur einmal. Aber da finde ich sie klasse. Da hätte ich gesagt: Herr Spaenle, das ist doch ein Signal von Ihrer Jugend, das Sie einfach aufgreifen könnten. Sie hätten dann sagen können: Ich mache jetzt eine klare Ansage. Aber offensichtlich sind Sie so in der Zwickmühle der Fraktion, und jetzt schnappt sich wahrscheinlich der Herr Ministerpräsident Seehofer dieses Thema. Wo bleiben Sie, Herr Minister? – Ich mache mir schon ein bisschen Sorgen um Sie.
Also, Herr Minister Spaenle, wir erwarten von Ihnen eine ganz klare Ansage. Sie müssen erkennen: Das G 8 will so niemand haben. Also müssen Sie die gymnasiale Bildung reformieren. Lassen Sie uns gemeinsam eine Debatte führen, und kämpfen wir für das Gymnasium der Zukunft!
Wir von der SPD haben ganz klare Forderungen erhoben. Wir wollen die Entscheidung jetzt. Wir wollen einen Start zum Schuljahr 2017/2018. Das ist mit der 5. Klasse gut möglich. Damit kann man im Schuljahr 2017/2018 anfangen. Das gibt den Eltern Planungssicherheit. Die müssen das schließlich wissen; denn jetzt sind die Beratungsgespräche. Ich finde, schon allein aus diesem Grund muss man jetzt eine klare Entscheidung treffen. Die Zeit, die im Schul
jahr 2017/2018 verbleibt, kann man unheimlich gut für Bildungskonferenzen nutzen.
Ich verwende bewusst nicht das Wort "Dialog". Dieses Wort wurde von der CSU nicht im ursprünglichen Wortsinn verwendet. Wir nennen die Gespräche "Bildungskonferenzen", in denen es um die inhaltliche Neugestaltung des Gymnasiums geht. Wir sind der Meinung, dass man alle Betroffenen an den Tisch holen muss: die Schülerinnen und Schüler – die haben nämlich auch Anregungen, Ideen und Vorstellungen, wie sie das Gymnasium haben möchten –, natürlich auch die Eltern und selbstverständlich auch die Lehrkräfte. Das ist eine echte Chance, die man in diesem Schuljahr nutzen könnte. Bisher haben Sie wenig über die Inhalte gesprochen; Sie haben in erster Linie über die Strukturen gesprochen.
Was natürlich auch wichtig ist, das fordern wir in diesem Masterplan: Entwickeln Sie ein Übergangsmanagement. Was passiert mit dem Jahrgang 2017/2018, falls das G 9 erst zum Schuljahr 2018/2019 eingeführt wird? Wie sieht es mit den Jahrgängen aus, die schon jetzt am Gymnasium sind? Werden die ins G 9 mitgenommen? Und so weiter und so fort. Es gibt eine Menge offener Fragen, die dringend geklärt werden müssen.
Vielen von uns ist natürlich auch eine ganz klare finanzielle Ansage wichtig: Was sind die Lehrerbedarfe, was braucht es mehr an Räumen? Unsere Kommunen als Sachaufwandsträger müssen das wissen. Da gehen wir konform mit Uli Maly, dem Städtetagspräsidenten. Wir fordern, dass der Mehrbedarf an Lehrkräften und Räumen zu 100 % vom Freistaat übernommen werden muss. Unseres Erachtens greift nämlich da das Konnexitätsprinzip, das Sie immer so gerne ausblenden.
Wir fordern eine rasche Entscheidung. Diese Entscheidung wollen wir von Ihnen hören, Herr Minister Spaenle, möglichst rasch und kompetent.
Vor allem – das muss man auch sagen; ich und auch Kollege Piazolo haben das schon angesprochen – sind bei der Einführung des G 8 immense Fehler gemacht worden. Man muss sich die Zeit nehmen nachzudenken, um diese Fehler zu vermeiden. Das G 8 war eine Hopplahopp-, eine Hauruck-Entscheidung. Ich bitte Sie, die Chance zu ergreifen; denn so etwas darf zum Wohle der Schülerinnen und Schüler, zum Wohle der Eltern und vor allem der Lehrkräfte und Schulleiter, die das vor Ort ausbaden müssen, nicht mehr passieren. Ich erwarte, dass Sie diese Chance
nutzen. Schluss mit dem Hin und Her! Schluss mit dem Herumgeeiere. Machen Sie endlich Nägel mit Köpfen! Eine klare Ansage jetzt, Herr Minister! Sie sind gefordert.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär Georg Eisenreich! Natürlich will auch die SPD diesen Bericht, wenngleich man aufgrund Ihres Redebeitrags inzwischen genau weiß, was passiert. Nichtsdestoweniger haben wir jetzt die Gelegenheit, die ganze Problematik auf den Prüfstand zu stellen. Ich habe mich über die Aussage der Kollegin Eiling-Hüting gefreut, und auch Sie haben das gesagt: Da, wo Lücken sind, werden Sie gegebenenfalls nachbessern.
Ich meine, es gibt durchaus Lücken; wenn man sich mit den Lehrkräften unterhält, erfährt man dies. Ich hätte gerne eine Aussage von Ihnen, Herr Staatssekretär, wie man es mit einer Stunde Sozialkundeunterricht in der 10. Klasse der Realschule ermöglichen kann, die Zusammenhänge verständlich zu machen. Wie kann man den Schülern beibringen, kritisch Fragen zu stellen, und wie kann es ihnen ermöglicht werden, sich mit aktuellem Zeitgeschehen auseinanderzusetzen? Das kann man in einer Stunde wohl kaum schaffen. Das gilt gleichermaßen für die Gymnasien. Auch da muss man hinschauen.
Ich bin mir durchaus der Tatsache bewusst, dass politische Bildung nicht allein auf den Sozialkundeunterricht zu beschränken ist. Gleichwohl sollte man genau ansehen, ob das, was wir jetzt so schön formulieren, möglich ist.
Und noch etwas will ich gerne ansprechen. Wie sieht es mit der Sicht der Schüler aus? Ich nehme an, Herr Staatssekretär, dass auch Sie sich mit vielen Schülerinnen und Schülern unterhalten. Teilweise ist es erschreckend zu erfahren, was diese an politischem Wissen und Hintergrund haben. Auch darauf sollten wir den Fokus richten: Wie beurteilen junge Menschen selbst ihren Wissensstand, und wie weit können sie damit in Diskussionen bestehen?
Ich glaube, auswendiglernen ist das eine, aber sich vertieft mit Themen auseinanderzusetzen und kritisch Fragen zu stellen ist das andere. Darauf würde ich mein Augenmerk richten. Ich fasse meine Frage noch einmal zusammen: Kann man in einer Stunde die Zusammenhänge wirklich erklären?
Sehr geehrter Herr Kollege Huber, ich gebe Ihnen natürlich recht, dass das Erlernen der Sprache ein ganz zentraler Bestandteil ist. Sprache ist nun einmal der Schlüssel zur Welt, mit Sprache kann ich meine Gedanken, meine Kritik und meine Vorstellungen zum Ausdruck bringen. Wenn ich das aber so betone, wie Sie das gerade eben getan haben, dann muss ich auch einfordern – das ist in Ihrem Artikel 4 nicht gegeben –, dass das Fördern und das Fordern in einem sehr guten Gleichgewicht sind. Wie sieht es aus, wenn es vor Ort nicht genügend Sprachförderangebote und Alphabetisierungskurse gibt? Ich habe nicht einmal das Recht, das einzuklagen. Auch hier gilt wieder der Haushaltsvorbehalt. Sie können hier nicht großzügig formulieren, dass wir das unterstützen wollen, wenn die Möglichkeiten nicht entsprechend umfangreich vorhanden sind.
In einem weiteren Punkt widerspreche ich Ihnen. Hier bin ich in gewisser Weise Fachfrau. Auch die Akzeptanz und das Fördern der nichtdeutschen Muttersprache sind von enormer Bedeutung, gerade im vorschulischen und im schulischen Bereich. Nur wenn ich meine Muttersprache gut oder exzellent beherrsche, kann ich eine zweite Sprache gut erlernen. Das ist anerkannt, und das sollten Sie hier zur Kenntnis nehmen.
Weiter vermisse ich in Ihren Ausführungen, wie es mit Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf aussieht. Ich denke hier an die Menschen mit Behinderung, mit Körperbehinderung, mit Sprachbehinde
rung, mit Hörbeeinträchtigung. Wie gehen Sie damit um? – Das finde ich hier nicht.
Sehr geehrte Frau Ministerin, wenn Sie so betonen, dass in den Kindergärten die
kulturellen Wurzeln, vor allem die des christlich-jüdischen Abendlandes vermittelt werden sollen, bitte ich doch zu beachten, dass die Identität aller Kinder zu berücksichtigen ist. Das heißt auch, dass in den Kindertagesstätten die kulturellen Wurzeln der Kinder mit Migrationshintergrund ausreichend Raum finden und gleichwertig neben den kulturellen Wurzeln der anderen vermittelt werden müssen.
Sie sagen auch, dass Sie Fortbildungsangebote schaffen. Sie müssen dafür sorgen – –
Sie schaffen aber nicht ausreichend Fortbildungsangebote. Sie müssen ganz einfach dafür sorgen, dass in den Ausbildungen der Akademien vermittelt wird, dass es eine Selbstverständlichkeit ist, Verschiedenartigkeit in der Kultur und auch Verschiedenartigkeit in der Sprache zu haben. Ich stelle fest, dass diese Qualität nicht in allen Kindertagesstätten vorhanden ist.
Sie schreiben in Ihrem Gesetz auch, dass die Kindertagesstätten, –
– die Erzieherinnen und Erzieher, die Eltern mehr oder weniger dazu bringen müssen, sich an der Integration ihrer Kinder zu beteiligen. Ich möchte gerne wissen, wie Sie das umsetzen wollen und welche Zeitbudgets und welche finanziellen Mittel Sie den Kindertagesstätten zur Verfügung stellen.
Auch für die verpflichtende Sprachstandserhebung muss man die Erzieherinnen qualifizieren. Auch das ist nicht in ausreichendem Maße gegeben. Auch Vorkurse Deutsch sind nicht in ausreichendem Maße vorhanden.
Sie müssen also noch eine Menge umsetzen, wenn Sie dem Ziel der frühkindlichen Bildung, die Sie so sehr betonen, näherkommen wollen.
Da bleibt noch eine ganze Menge zu tun.
Im Übrigen: Ich meine, dass es eigentlich Quatsch ist, dass Sie das hier hineinschreiben, weil –
Ich sage meinen Satz noch zu Ende.
– nämlich alles das, was Sie fordern, in den Erziehungs- und Bildungsplänen bereits vorhanden ist.
Liebe Kollegin Trautner, der Themenbereich Schule ist so wichtig, und Sie gehen so schnell wieder vom Rednerpult weg. Das kann ich absolut nicht verstehen.
Sie haben von der Achtung der Würde des Menschen gesprochen.
Also bitte schön, jetzt spreche ich.
Sie sagen, dass die Achtung vor der Würde des Menschen und das Demokratieverständnis so wichtig sind.
Dazu meine ich: Das steht alles in unseren Lehrplänen. Damit sprechen Sie allen Lehrerinnen und Lehrern hohn, die sich in diesem Bereich seit Jahren vor
bildlich engagieren und dies bereits als Selbstverständlichkeit zur Maxime ihres Unterrichts erklärt haben.
Nun zu ein paar konkreten Dingen. – Jetzt spreche ich.
Gerne, "Oberlehrerin" ist gut; "Oberlehrer" hat man auch schon zu Hans-Jochen Vogel gesagt. Man sieht, wie weit er es gebracht hat.
Folgendes haben wir seit Jahren immer angemahnt, doch es fehlt. Das nehmen Sie zwar auf, aber dabei spielen Sie absolut mit der Rückhand. Im Hinblick auf Kinder, die traumatisiert sind, fehlt es an entsprechenden Angeboten an ausgebildeten Traumapädagogen. Dann fehlt es an Lehrkräften, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten; diese sind Mangelware. Auch dabei haben Sie sich Versäumnisse vorwerfen zu lassen. Gleiches gilt für Deutsch als Fremdsprache und die Schulsozialarbeit. Das ist ein von uns seit Jahrzehnten angemahntes Thema. Auch hier: Fehlanzeige. Bei der multikulturellen Kompetenz der Lehrkräfte: auch Fehlanzeige.
Ich bedauere sehr, dass heute der Minister Spaenle nicht da ist. Gerade wenn es um den ganzen Themenbereich Bildung geht, ist es ein Armutszeugnis, dass er heute nicht da ist. Ich betone noch einmal: –
Dass Sie nach zwei Minuten bei so einem wichtigen Thema weggehen, das verstehe ich überhaupt nicht.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Integrationsbericht wäre tatsächlich ein gutes Instrument, um sich sowohl um die im Zusammenhang mit der Integration auftretenden Herausforderungen und Handlungsempfehlungen als auch um die Umsetzung der Integration selbst zu bemühen. Wenn man denn nur wollte, könnte man dieses Instrument außerordentlich gut nutzen. Aber der Kollege Leiner hat es schon sehr deutlich gesagt: Wir sollen in Zukunft nur einmal pro Legislaturperiode einen Integrationsbericht bekommen. Außerdem, so formuliere ich es, wird dieser Bericht auch noch durch den Ministerrat zensiert werden. Ich kann überhaupt nicht verstehen, Frau Kollegin Schreyer, dass Sie sich das gefallen lassen; denn grundsätzlich ist doch in allen Ausschüssen jeder Bericht, den die Staatsregierung vorlegt, immer ein Bericht darüber, wie gut und wie erstklassig die Arbeit der Staatsregierung sei. Deshalb verstehe ich überhaupt nicht, dass Sie sich diese Chance entgehen lassen.
Also stelle ich mir die Frage nach dem Warum. Warum lassen Sie sich diese Chance entgehen? Haben Sie keine klaren Ziele für die Umsetzung der Integration? Oder dürfen Sie schlichtweg keine klaren Ziele haben? Oder aber wissen Sie schon ganz genau, dass Sie zwar ein Fordern wollen, aber für das Fördern keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stellen? Ohnehin stehen Sie alleine auf weiter Flur. Sie dürfen ja auch nur empfehlen und Anregungen geben und sind in keiner Weise souverän. Das hat man beim vorhergehenden Artikel bereits ganz klar feststellen können. Sie haben sich also ein außerordentlich enges Korsett anlegen lassen, das eigentlich gar nicht zu Ihnen passt. Ich kenne Sie aus dem Bildungsausschuss und kenne Ihre Aussagen zu den Dingen, die Sie umzusetzen wünschen. Ich würde mir an Ihrer Stelle kein so enges Korsett anlegen lassen.
Also, einerseits verpasste Chancen und andererseits Zensur, das geht in diesem Bereich doch gar nicht. Wir von der SPD haben hier ganz andere Vorstellungen. Für uns geht es hier um Transparenz und um ein stärkeres Gewicht für den Integrationsbericht. Aber für Sie ist dieser Integrationsbericht doch nur ein politisches Feigenblättchen, das Sie sich einmal je Legislaturperiode vorhängen, um auf diese Weise eine Art Tätigkeitsbericht und kleine Erfolge verkünden zu können. Wir fordern also einen jährlichen Tätigkeitsbericht. Das ist bei einem nach innen und außen derart wichtigen Thema doch absolut notwendig. Außerdem fordern wir natürlich, dass dieser Bericht konkrete Vorschläge und Handlungsempfehlungen zur Verbesserung der Integration enthält. Sie sprechen immer von der Integration als langwieriger Daueraufgabe, an der sich alle beteiligen müssen. Wäre es da nicht nur klug und sinnvoll, einen jährlichen Bericht abzugeben und ihn auch mit den beteiligten Verbänden und dem Integrationsrat abzustimmen? Das hätte Hand und Fuß. Außerdem wäre es sinnvoll, jederzeit über die Möglichkeit zu verfügen, in einem solchen Tätigkeitsbericht zu passenden Zeitpunkten über Erfolge zu berichten.
Ich erwarte von Ihnen, Frau Schreyer, dass Sie sich für einen derartigen Integrationsbericht einsetzen. Machen Sie etwas aus ihm! Lassen Sie sich nicht einfach das gefallen, was man für Sie vorgesehen hat. Dieses enge Korsett passt nicht zu Ihnen. Aber ich kann es mir denken: Weil Sie ja eigentlich nicht dürfen, reicht es aus, wenn Sie nur alle fünf Jahre einen Bericht abgeben; denn würden Sie jedes Jahr Bericht erstatten und das enge Korsett läge weiter an, dann würden Sie zu Recht von der Opposition und von den ehrenamtlich Engagierten im Integrationsbereich massiv kritisiert werden. Ich erwarte, dass Sie sich hier widersetzen und sich das nicht gefallen lassen. Lassen Sie sich als Frau bitte in dieser sehr ernsthaften Sache nicht als Feigenblatt instrumentalisieren.
(Von der Rednerin nicht autori- siert) Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit den Zahlen ist es ja immer so eine Sache. Wenn man sich anschaut, was der Herr Minister Spaenle verschickt hat, dann stellt man fest, dass man im vergangenen Schuljahr wohl falsche Schülerzahlen hatte.
Na ja, das ist ganz klar und richtig. Das können Sie alles nachlesen.
An den Realschulen und an den Förderschulen gab es aufwuchsbedingt höhere Schülerzahlen. Demzufolge musste man nachsteuern. Ich finde, wenn man schon Zahlen nennt, dann sollte man, ehrlich gesagt, die ganze Wahrheit auf den Tisch legen.
Jetzt möchte ich auch noch etwas Erfreuliches sagen. Anders als der Kollege Piazolo gerade gesagt hat, gehört der Bayerische Realschullehrerverband e.V. nicht zu den Leisen. Ich finde, die Realschullehrer mit
ihrem Vorsitzenden Herrn Böhm an der Spitze sind durchaus wortgewaltig und wissen Forderungen für ihre Schulart zu artikulieren. Wer heute die Medien aufmerksam verfolgt hat, konnte eine schöne Meldung zur Kenntnis nehmen. An unseren Realschulen gibt es 18 bilinguale Kurse. Die Evaluierung zeigte einen klasse Erfolg für alle Schülerinnen und Schüler, die an diesem Modell teilgenommen hatten. Diesen Schülerinnen und Schülern kann man nur gratulieren, da sie dadurch ihre Englischkenntnisse phänomenal verbessert haben. So viel dazu!
Der Bayerische Realschullehrerverband e.V. hat sich heute dazu gleich gemeldet. Es ist ein Erfolg der bayerischen Realschulen. Europaweit ist es das einzige Modell. Das ist doch klasse. Da könnten Sie einmal Beifall dafür klatschen, dass diese Schülerinnen und Schüler jetzt einfach besser in Englisch geworden sind. Das ist eine gute Sache; dafür geht ein Dank an die Lehrer und die Schüler.
Nun zur Forderung, die Realschulen fit für die Zukunft zu machen; so etwa lautete das Motto des Südbayerischen Realschultags im März 2016 in Landshut. Über 100 Personen aus den verschiedensten Bereichen haben sich darüber unterhalten, wie man diese Schulart für die Zukunft fit machen könnte. Es wurde über die pädagogischen Herausforderungen diskutiert, die immer vielschichtiger werden, über den Lehrplan, die neuen Konzepte, die Projekte, die wahnsinnige Heterogenität, die es inzwischen auch an den Realschulen gibt, aber auch über das Projekt individueller Förderung und nicht zuletzt auch über das Flüchtlingsprojekt SPRINT, das die Realschulen ebenfalls vor große Herausforderungen stellt. Ich meine, dass der Vorsitzende Böhm zu Recht gesagt hat, dass die SPRINTKlassen je zwei Pädagogen brauchen. Recht hat er! Das stellt die SPD auch immer fest.
Noch eine Anmerkung. Die SPD hat im Jahre 2014 das Thema Realschulen in den Bildungsausschuss gebracht. Wir waren es, die uns dieser Schulart angenommen und die Problematik erstmals thematisiert haben.
Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, können doch nicht immer behaupten, Sie wären die Hüter der Realschule. Wir lassen uns dieses Thema nicht nehmen. Wir haben konkrete Anträge vorzuweisen, Sie aber nicht.
Und noch etwas! Für die vielfältigen Aufgaben an den Realschulen gibt es total engagierte Lehrkräfte. Aber ich möchte nicht, dass diese Lehrkräfte, die sich über die Maßen engagieren, an ihr Leistungslimit geraten. Das sollte man auch einmal zur Kenntnis nehmen.
Ich verweise nun zum letzten Mal auf Herrn Böhm, der gesagt hat: Um dieses hochwertige qualifizierte Angebot an den Realschulen weiter aufrechterhalten zu können, braucht es Investition im System der Realschule. Recht hat er. Auch das unterstützen wir.
Die Lösung wäre so einfach. Es stehen immer wieder Tausende von Realschullehrern auf der Straße. Da möchte ich nur an die Aktion des vergangenen Jahres erinnern: Lehramt statt Arbeitsamt. Diese Resolution haben damals circa 7.000 Lehrer beziehungsweise Eltern unterzeichnet. Ist das nichts? Sie ignorierten das ganz einfach und gaben den Realschulkräften einfach nur schöne warme Worte. Das hilft denen nichts.
Die Einstellungsquote, die von Jahr zu Jahr schlechter wurde, wurde von uns immer wieder thematisiert. Ich erinnere noch einmal an das vergangene Jahr. 97 % der frisch ausgebildeten Lehrkräfte haben 2015 kein Stellenangebot erhalten. Es gab nur 76 feste Stellen für die Realschulen bei fast 2.500 Bewerbern. Das ist nicht in Ordnung.
In der "Süddeutschen Zeitung" war zu lesen, dass viele Schülerinnen und Schüler in andere Bundesländer abwandern. Wenn darunter 2.000 Realschüler sind, muss man sich doch einmal fragen, was da los ist. Müssen wir etwas verändern? Mein Eindruck war, man nimmt das zur Kenntnis, hakt es ab und macht so weiter wie bisher. Das ist nicht der Weg, den wir mitgehen wollen. Wir wollen eine Fehleranalyse, um die Situation zu optimieren. Das Gleiche erwarten wir vom bayerischen Kultusminister.
Für die bayerischen Realschulen gibt es eine Menge zu tun. Das haben wir bereits im Jahr 2014 angesprochen. Es gibt viel zu viele Klassen mit 26 Schülern, und es gibt auch noch eine Menge Klassen mit über 30 Schülern. Wie soll man da individualisieren und den von mir erwähnten Anforderungen und der Verschiedenartigkeit der Schülerinnen und Schüler gerecht werden? Das geht so überhaupt nicht.
Für uns möchte ich Folgendes festhalten. Die Realschulen sind nach unserer Meinung ein echtes Erfolgsmodell. Schauen Sie sich doch einmal an, wie viele 15- und 16-jährige Jugendliche diese Schule besuchen. Mit diesen Besucherzahlen sind die Lehrkräfte in den Realschulen überfordert. Das ist eine echt schizophrene Situation. Auf der einen Seite stehen zahlreiche junge, gut ausgebildete Lehrkräfte auf der Straße, und auf der anderen Seite gibt es in den Klassen sehr viel zu tun.
Wenn ich Kultusministerin in einem anderen Bundesland wäre, würde ich mir auf die Schenkel klopfen und sagen: Super, die Bayern bilden aus, aber bei uns unterrichten die jungen Lehrkräfte. Das ist wirklich schizophren.
So etwas können wir nicht mittragen. Meine Fehleranalyse lautet, wie gesagt: viel zu große Klassen und eine restriktive Einstellung der vorhandenen Lehrkräfte.
Ich spreche nun den Stundenausfall an. Eine Anfrage der SPD hat ergeben, dass eine Zunahme des Stundenausfalls zu verzeichnen ist; bei den Realschulen sind es 11 %. Das können Sie auch nicht schönreden; denn das sind die nackten Zahlen.
Jetzt rede ich. Das alles wird so wunderbar vertuscht. Ich erinnere nur an die fachfremd erteilten Stunden. Das ist nicht der qualifizierte Unterricht, der an den Realschulen stattzufinden hat. 11 % aller Unterrichtsstunden fallen aus; das sind viel zu viele. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, schaffen Sie mehr Stellen für die Integrierte Lehrerreserve, eine Stelle an jeder Realschule zusätzlich, und unsere tollen Leute vor Ort würden entlastet und könnten endlich eine noch bessere Arbeit leisten. Aber Sie haben ja bereits bei der großen Petition des Realschullehrerverbandes alles so wunderbar schöngeredet, jedoch die Taten fehlen. Diese Analyse, die Kollege Tomaschko wie in einer Vorlesung hier eben vorgetragen hat, allein hilft nichts. Worte, Worte, aber keine Taten!
Wir haben in der Politik allen Schulen, auch den Realschulen, immer mehr Aufgaben zugeschrieben, und wir fordern, dass sie qualifiziert wahrgenommen werden. Wir fordern Inklusion und eine stärkere Integration der Flüchtlinge auch an den Realschulen. Wir
wollen praxisnahen Unterricht. Wir wollen, dass der Digitalisierung Rechnung getragen wird, die Begabtenförderung muss genutzt werden, und das intellektuelle Potenzial an unseren Realschulen muss genutzt werden.
Nach dem Übertrittzeugnis könnten 50 % der Absolventen ans Gymnasium gehen. Aber lediglich 40 % nehmen das wahr. Das muss man also infrage stellen. Ich sehe das sehr, sehr skeptisch.
Und nun ein Wort zu den Modellversuchen. Das ist alles recht und schön. Realschule21, MINT21 usw. Wir sind raus aus dieser Modellphase. Das hat sich alles bereits bewährt. Diese Modellversuche gehören endlich beendet und in einen regulären Unterricht überführt.
Auch den Ganztagsunterricht möchte ich bei den Realschulen nicht außer Acht lassen. Ein gutes Ganztagesangebot wird inzwischen von allen Eltern gefordert. Wie so oft, fehlt es hier ebenfalls an Mitteln wie auch an pädagogischen Konzepten. Wir fordern es immer wieder. Ein guter Ganztagsunterricht kann nur durch ausreichend Lehrkräfte stattfinden. Meine Fehleranalyse hier lautet: viele Aufgaben für die Realschulen, aber viel zu wenig Unterstützung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die bayerischen Realschulen sind sehr beliebt, aber es lohnt durchaus auch ein Blick über den Tellerrand hinaus. Das tun Sie auch immer sehr gerne. Andere Bundesländer wie zum Beispiel Baden-Württemberg zeigen deutlich, dass es ein großes Potenzial nach oben gibt, und zu einer zukunftsfähigen Realschule gehören ganz einfach mehr Lehrkräfte, kleinere Klassen, mehr Stunden für den Ganztagsunterricht, mehr Stunden für die individuelle Förderung, für die Inklusion und die Integration.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich denke, wir haben hier viel zu tun. Ich finde es gut, dass die FREIEN WÄHLER das Thema aufs Tablett gebracht haben, sonst hätten wir es wieder getan.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es schon bedauerlich, dass der Herr Minister nicht anwesend ist, zumal er ja – –
Ist er da? Ach so, hinter den Fahnen! Okay. Jetzt sehe ich ihn. Ich würde mir schon wünschen, dass er der Debatte aufmerksamer folgt. Wir behandeln heute in Zweiter Lesung einen Gesetzentwurf, der, wenn ich den Ausführungen des Kollegen Hofmann folge, einen weitreichenden Schritt darstellt. Angesichts dessen verstehe ich es nicht, wenn der Herr Minister hinter den Fahnen steht, sich quasi versteckt und telefoniert. Es kommt hinzu, dass er bereits in der Ersten Lesung nicht unbedingt Leidenschaft und Verve für diese soundsovielte Änderung des Erziehungs- und Unterrichtswesengesetzes bewiesen hat. Dies wird deut
lich, wenn man im Protokoll nachliest. Er hat seine Rede damals in einem Aufwasch heruntergelesen.
Man konnte dem gar nicht folgen. Ehrlich gesagt, selbst beim Durchlesen des Protokolls ist es mir, aber auch vielen anderen einigermaßen schwergefallen, den roten Faden des Gesetzentwurfs eindeutig zu erkennen. Ich habe jedenfalls für mich festgehalten, dass die erneute Änderung drei wesentliche Bestandteile hat: offene Ganztagsangebote an Grundschulen und an Förderschulen aller Art, die Gewährung von Notenschutz, die Möglichkeit zur Errichtung von Grundschulverbünden.
Ich komme als Erstes zu den Neuerungen im Ganztagsbereich. Über die Ganztagsthematik haben wir schon des Öfteren diskutiert. Ich weise die Kritik der CSU an unserer Haltung noch einmal auf das Entschiedenste zurück. "Ganztag" ist an sich ein in pädagogischer Hinsicht gutes Projekt. Voraussetzung ist eine ausreichende finanzielle Ausstattung. Ferner müssen alle Pädagoginnen und Pädagogen, die sich im Ganztagsbereich engagieren, wirklich alle Vorteile, die Ganztag bietet, nutzen können. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal den Anspruch formulieren, den wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben: Wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler in den Genuss eines guten Ganztagsangebots kommen.
Dann ziehen Sie von der CSU wieder als ururalte Kamellen das Wort "Sozialismus" hervor. Hören Sie doch endlich damit auf!
Ganztag ist ein Thema, das ernsthaft betrachtet werden muss. Ganztagsangebote sind an unseren Schulen wirklich notwendig. Die Kinder brauchen diese Angebote. Vielen Kindern tut es gut, wenn sie mehr Zeit zum Lernen haben, wenn ihnen nach dem Unterricht eine Hausaufgabenhilfe zur Seite steht, wenn sie mehr Zeit zur Fächervertiefung haben und wenn ihre Eltern entlastet werden. Dabei geht es immer um qualitativ hochwertige Angebote. Ich hoffe, dass Sie von der CSU endlich damit aufhören, in diesem Zusammenhang das Wort "Sozialismus" zu benutzen. Das sollten übrigens die selbsternannten Mütter des Ganztags in der CSU auch so sehen. Es wäre mir allerdings neu, dass Sie dieses Projekt bisher mit Leidenschaft verfolgt hätten. Das merkt man immer dann, wenn man liest, was Sie dazu schreiben: Na ja, Ganztagsangebote kann man ja einrichten, muss man aber nicht. Wahrscheinlich wird es an den Förderschulen sowieso nicht dazu kommen, dass die gebundene Ganztagsangebote haben wollen.
Unser Ministerpräsident hat zwar gesagt, spätestens 2018 würden alle unsere Schülerinnen und Schüler bis zum 14. Lebensjahr ein Ganztagsangebot haben. Aber ich verspüre bei Ihnen Leidenschaftslosigkeit. Wenn wir mit diesen Trippelschritten weitermachen, dann werden wir von diesem Ziel noch sehr lange sehr weit entfernt sein.
Ein weiterer wesentlicher Punkt: Guter Ganztag bedeutet für mich – neben den bereits genannten Punkten –, dass auch die Ferien- und die Randzeiten abgedeckt sind. Davon sind wir in Bayern noch meilenweit entfernt. Ich habe die Hoffnung, dass durch den gestrigen Kabinettsbeschluss, mit dem eine Kooperation zwischen den Grundschulen und den Horten zugelassen werden soll, eine gewisse Verbesserung eintreten wird. Ich kann mir vorstellen, dass das eine gute Sache sein könnte. Unser Anspruch ist aber das Prinzip: Alle sollen in diesen Genuss kommen. Deshalb wollen wir einen Rechtsanspruch und nicht ein Vorgehen nach dem Motto "kann, aber muss nicht". Wir brauchen dringend einen Rechtsanspruch.
Eine ausreichende Finanzierung muss her, damit ein qualitätsvolles pädagogisches Angebot gemacht werden kann. – Meine Damen und Herren von der CSU, Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass der offene Ganztag und all diese Modelle immer qualitätsvoll sind. Wir müssen doch einmal sehen, wie viel Geld dafür zur Verfügung steht und was sich die Schulen dafür einkaufen. Es kann eine gewaltige Herausforderung sein, das Mittagessen oder die Hausaufgaben gut zu betreuen. Das kann nicht jeder. Hier werden wir nie zusammenkommen. Wir verfolgen die Entwicklungen aber mit Argusaugen.
Damit komme ich zum nächsten Punkt, nämlich zum Notenschutz und zum Nachteilsausgleich: Das ist ein sinnvolles Instrument. Auch wir glauben, dass wir Schülerinnen und Schülern, die benachteiligt sind, eine Lese- und Rechtschreibschwäche oder sonstige Schwierigkeiten haben, gerecht werden müssen. Wir müssen respektieren, dass diese Schülerinnen und Schüler mehr Zeit und Hilfsmöglichkeiten brauchen. Deshalb ist das, was hier vorgesehen ist, eine tolle Sache.
Beim Notenschutz müssen wir aufgrund des Urteils des Gerichts eine Konkretisierung vornehmen. Kinder mit Autismus, mit körperlichen oder motorischen Schwierigkeiten, mit Sprachschwierigkeiten oder Sinnesschädigungen müssen eine Unterstützung erfahren. Die Leistungen dieser Kinder, die anders als die Leistungen anderer Kinder sind, müssen anders bewertet werden.
Seit 2011 haben wir die Inklusion. Jetzt soll im Zeugnis vermerkt werden, dass ein Schüler oder eine Schülerin einen Notenschutz bekommen hat? – Hallo, geht’s noch? Das ist doch Diskriminierung! Das ist eine Stigmatisierung und hat mit Inklusion nicht im Entferntesten etwas zu tun!
Das kann jetzt aber eigentlich nicht sein.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über Inklusion, vor allem über gelingende Inklusion, sprechen, sollten wir uns ab und an die sogenannten
Unterstützungssysteme anschauen. Stimmt da die Qualität? Reicht die Professionalität aus? Das sind sehr wichtige Fragen, mit denen man sich beschäftigen muss. Wir alle, die wir im Bereich der Bildung tätig und vor allem für Inklusion zuständig sind, wissen, dass im Schulalltag die Schulbegleitung für die Schülerinnen und Schüler mit Behinderung eine ganz wichtige Unterstützungsmaßnahme darstellt. Die Schulbegleiter, wie wir sie nennen, werden manchmal auch als Schulhelfer oder Integrationshelfer bezeichnet.
In Artikel 30a des BayEUG wird der Begriff des Schulbegleiters bzw. der Schulbegleiterin genannt, ohne dass näher definiert ist, welches ihre Aufgaben sind. In diesem Zusammenhang wird immer betont, dass Schulbegleiter keine Zweitlehrkräfte sind. Aber darum geht es bei dieser Frage überhaupt nicht.
Man muss sich einmal genau ansehen, was die Schulbegleiter machen und welche Aufgaben sie haben. Ein Schulbegleiter steht nach dem SGB einem Schüler mit Behinderung zu, und zwar immer mit einer Zuordnung von eins zu eins. Was soll der Schulbegleiter machen? – Er hat die Aufgabe, den Schulalltag für die Schülerin oder den Schüler mit Beeinträchtigung so zu gestalten, dass sie ihn möglichst selbstständig absolvieren können. Natürlich muss die Unterstützung sehr individuell sein. Sie hängt davon ab, wie die geistige Beeinträchtigung, die körperliche Beeinträchtigung und die seelische Beeinträchtigung bzw. der Entwicklungsstand sind. Natürlich hängt sie auch davon ab, welche Kompetenzen die Schülerinnen und Schüler im lebenspraktischen Bereich, im sozial-emotionalen Bereich, im motorischen Bereich und im kognitiven Bereich haben.
Schon die ganze Bandbreite der Beeinträchtigungen und Behinderungen zeigt, dass ein Schulbegleiter möglichst professionell arbeiten muss. Er muss – ich betone das – auch pädagogisch arbeiten können. Denn es geht ja nicht nur darum, dass man den Gang zur Toilette unterstützt, dass man den Bleistift spitzt, dass man vielleicht gelegentlich ermahnt – da wird es schon wieder schwieriger –, dass man motiviert, dass man Kontakte zu anderen Kindern herstellt – das ist außerordentlich wichtig – und dass man vielleicht beruhigt und besänftigt. An den Schulbegleiter wird also schon eine Menge an Ansprüchen gestellt, die man nicht einfach auf die Seite schieben kann.
Aber im Moment gibt es – das hat Professor Dworschak in einer Untersuchung für die Lebenshilfe geschrieben – kein genaues Anforderungsprofil für die, wie ich meine, sehr verantwortungsvolle und wichtige Aufgabe, damit Inklusion gelingt. Da ist nämlich nur die Rede von Hilfskräften, von qualifizierten Hilfskräf
ten und von Fachkräften. Die Bandbreite lässt also eigentlich alles offen. Wenn eine Schülerin oder ein Schüler Glück hat, trifft sie bzw. er vielleicht auf jemanden, der mit ihr bzw. ihm sehr professionell, sehr einfühlend und sehr gut umgeht. Aber wenn sie bzw. er Pech hat, trifft das ganz einfach nicht zu.
Frau Badura, die immerhin unsere Behindertenbeauftragte ist und, wie ich meine, in diesem Bereich aus ihrer eigenen Sicht eine sehr große Erfahrung hat, hat bei einer Anhörung gesagt: Wir haben im Moment kein Berufsbild des Schulbegleiters und keine genaue Beschreibung der Rolle des Schulbegleiters. Ich muss sagen, da hat Frau Badura recht. Eine Assistenzleistung – wir sprechen ganz bewusst von pädagogischer Assistenz – verlangt einen verantwortungsvollen Umgang. Man muss ja wissen, wie stark man beschützend ist und inwieweit man den Schüler oder die Schülerin selber arbeiten lässt. Denn Ziel ist ja die völlige Selbstständigkeit. Wenn ich immer fürsorglich und schützend eingreife, dann widerspreche ich diesem Ziel. Also sind da außerordentliche Sensibilität und auch Wissen nötig.
Dazu gehört, dass der pädagogische Assistent – ich verwende jetzt den neuen Begriff – über das, was er tut, auch reflektieren kann und weiß, was er tut. Wir haben ja in der interfraktionellen Arbeitsgruppe einen wissenschaftlichen Beirat eingerichtet. Dieser wissenschaftliche Beirat hat vor etwa zwei Monaten ein sehr interessantes Buch herausgegeben. Dazu wurden die Lehrkräfte, die Schulbegleiter in ihren Klassenzimmern haben, explizit gefragt, wie sie denn deren Rolle beurteilen. Natürlich sagen sie zunächst einmal: Der Schulbegleiter spielt eine wichtige Rolle. Auf der anderen Seite vermissen sie oft fachliche Kompetenz und eine Qualifizierung. Sie sagen: Das ist verbesserungswürdig; es braucht einen pädagogischen Hintergrund. Die Schulbegleiter oder pädagogischen Assistenten, wie ich sie nenne, brauchen Supervision und regelmäßige Fortbildung und müssen ein fester Bestandteil des Teams an der Schule sein. Wenn ich das, was der wissenschaftliche Beirat abgefragt hat, ernst nehme – das tue ich, weil ich die Expertise der Lehrkräfte sehr hoch bewerte –, ist es doch wirklich nötig, dass wir die Rolle des Schulbegleiters – sprich: der pädagogischen Assistenz – genauer unter die Lupe nehmen und dafür sorgen, dass die Schulbegleiter ihre Aufgabe angemessen wahrnehmen können. Was im Augenblick läuft – das weiß ich aus der Anhörung, und auch Frau Badura hat das gesagt –, ist nicht zielführend. Es braucht ein Berufsbild und eine adäquate Qualifikation mit allen Punkten, die ich eben genannt habe.
Sie sind heute so großzügig, dann bitte auch zu mir. – Der amerikanische Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick hat einmal gesagt: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Analog sage ich: In einem Klassenzimmer kann man nicht nichtpädagogisch agieren. Ich fordere deshalb einfach eine Veränderung dieses Berufsbildes und eine Qualifizierung, weil das bisherige System nicht zielführend ist. Eine Inklusion wird nicht gut gelingen können, wenn nicht die entsprechenden Ressourcen und Professionalitäten vorhanden sind. – Jetzt bin ich auch schon fertig.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ehrlichkeit halber muss man schon sagen, dass sich der Freistaat vor dem Urteil des Bundessozialgerichts über lange Jahre hinweg einfach Geld gespart hat. Wir finden das Urteil folgerichtig, weil die Förderschulen ganz klar einen Versorgungsauftrag erfüllen. Demzufolge ist es einfach notwendig geworden, dass wir analog unsere privaten Förderschulen auf solide finanzielle Beine stellen. Wir müssen dafür sorgen, dass sie für ihren Sachaufwand und für ihren personellen Aufwand entsprechende Mittel haben. Ich meine, dass dem jetzt in gewisser Weise Rechnung getragen wird.
Mir ist es sehr wichtig – der Kollege Dünkel hat es bereits gesagt –, dass die Verbände zufrieden sind. Wir können gleich sagen, dass wir eigentlich alle zufrieden sind; dem Gesetzentwurf stimmen ja alle zu. Aber es ist eine wichtige Maxime, dass die Verbände zufrieden sind.
Zunächst war bei dem Gesetzentwurf nicht unbedingt geplant, Herr Staatssekretär Eisenreich, dass die Verbände angehört werden. Ich glaube aber, dass es ohne Anhörung der Verbände und der Betroffenen nicht geht. Das ist wirklich außerordentlich wichtig.
Jetzt also hat man das geschafft, worauf man so lange hingearbeitet hat. Jetzt ist ein kostenfreier Besuch der Schulen, die die Voraussetzungen des verpflichtenden Unterrichts für die Kinder mit dem sonderpädagogischen Förderaufwand, der Wahlpflichtfächer und des Ganztagsunterrichts erfüllen, möglich. Ergänzend muss man sagen, dass es weiterhin möglich ist – auch das ist mit verhandelt worden –, dass die privaten Schulen Schulgeld erheben. Dann kommen sie aber natürlich nicht in den Genuss der Unterstützung.
Was die Unterstützung betrifft, haben die Verbände, der Gemeindetag und die Bezirkstage dem Entwurf zugestimmt. Aber bei genauerem Hinsehen haben sie
festgestellt, dass in der Realität nicht alle Angestellten in den Einrichtungen jünger als 30 Jahre sind. Das hätte in der Konsequenz bedeutet, dass die Träger die Refinanzierung nur bis zu einem bestimmten Altersschnitt bekommen. Da geht es wirklich um eine ganz stattliche Summe Geld. Nun hat man nachgebessert und hat nicht mehr das Gehalt des Musterbeamten – so nenne ich ihn einfach einmal – im Grundrechenmodell zugrunde gelegt, sondern geht jetzt von einem Musterangestellten aus, dessen Bezüge pauschaliert erhöht werden. Das bedeutet im Endergebnis, dass man bei den Personalkosten zu einer besseren Finanzierung gekommen ist.
Ganz interessant ist der sogenannte Härtefonds, für den man 10 Millionen Euro eingestellt hat. Wir können den Härtefonds in dieser Höhe mittragen. Man hat uns auch zugesagt, dass man das nach einer gewissen Zeit, wenn die erste Förderzeit abgelaufen ist, überprüfen wird. Man wird dann genau hinsehen, welcher Bedarf tatsächlich vorhanden ist. Wir legen da ein großes Augenmerk darauf, mit welchen Forderungen die Verbände und Schulen kommen und mit welchen tatsächlichen Kosten sie aufwarten werden. Wir haben ja auch alle Schreiben bekommen, in denen es heißt: Wir haben jetzt schon Kosten in Höhe von 7 Millionen Euro. Es wird also wirklich zum Schwur kommen, inwieweit die 10 Millionen Euro letztendlich reichen werden.
Etwas kritisch sehen wir, dass die privaten Förderschulen nur je nach Haushaltslage etwas von dem Härtefonds bekommen. Wir werden genau hinsehen, ob das reichen wird und ob es gut und sinnvoll ist, das praktisch als freiwillige Leistung vorzusehen. Was das betrifft, bin ich ein bisschen skeptisch.
Das Abrechnungsverfahren soll – das ist ganz wichtig, und Herr Kollege Dünkel hat es auch angesprochen – immer möglichst rasch erfolgen. In der Vergangenheit mussten viele Verbände immer unheimlich viel zwischenfinanzieren. Das ist in keiner Weise im Sinne des Erfinders; denn das hat manche Träger an die Grenze der wirtschaftlichen Machbarkeit gebracht, will ich einmal sagen. Das kann aber nicht in unserem Sinne sein, zumal wir alle immer unisono betonen, wie wichtig und wertvoll unsere Förderschulen sind und wie wichtig uns die Kinder mit dem hohen sonderpädagogischen Förderbedarf sind. Eine Überprüfung ist angesagt, und wir tragen das, wie gesagt, mit. Wir werden das weiterhin sehr kritisch begleiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Trautner, ich wollte jetzt eigentlich nicht von Ihnen hören, was im Ministerium Tolles passiert, weil ich als Bildungspolitikerin genau weiß, was dort passiert; aber die Bewertung ist halt immer eine sehr unterschiedliche. Ich hätte von Ihnen sehr gern gehört, was Sie zu diesem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN inhaltlich zu sagen haben. Darauf sind Sie nur sehr wenig eingegangen.
Den GRÜNEN geht es im Prinzip darum, dass die Kinder und Jugendlichen, die der Schulpflicht unterliegen, in den Erstaufnahmeeinrichtungen eine Förderung bekommen, damit die Zeit, bis sie in die Schule kommen, nicht ungenützt verstreicht. Dafür wollten die GRÜNEN ein Konzept hören. Darauf sind Sie nur sehr wenig eingegangen.
Vorhin haben wir sehr intensiv über Sprache gesprochen. Ich mag in diesem Zusammenhang keine Begriffe wie "Bildungsvermittlungseuphorie" hören. Wir sind verpflichtet, diese Kinder und Jugendlichen zu beschulen.
Es geht einfach darum, bestimmte Zeitfenster zu nutzen. Ich sage Ihnen noch eines: Es ist völlig unbestritten, dass die Kinder und Jugendlichen – das haben Sie ja so ausgeführt –, wenn sie ankommen und vielleicht jahrelang auf der Flucht waren, diverse traumatische Bilder vor sich haben und möglicherweise krank sind usw., zunächst etwas anderes brauchen. Natürlich brauchen die Kinder zunächst einmal das Gefühl, dass sie sicher sind. Sie brauchen eine sau
bere Kleidung. Sie brauchen ein warmes Essen. Sie brauchen eine Überprüfung, ob sie gesund sind oder nicht. Sie brauchen gewisse Hilfestellungen, um an dem Ort, wo sie jetzt leben müssen, zurechtzukommen. Sie müssen lernen, sich auf Regeln einzulassen.
Aber dann ist es doch auch unheimlich wichtig, dass man diesen Kindern und Jugendlichen, die möglicherweise schon sehr lange keine Schule mehr besucht haben und keine Bildungs- und Förderangebote mehr genutzt haben, Angebote macht; denn man darf doch ihre Potenziale und Möglichkeiten nicht einfach brachliegen lassen. Möglicherweise haben die Kinder und Jugendlichen gar kein Selbstvertrauen mehr und können ihre Fähigkeiten nicht mehr einschätzen. Womöglich haben sie keine Motivation mehr und wissen nicht mehr, wie interessant zum Beispiel ein Buch sein kann und wie schön Musik, Tanz oder Bewegung sein können. All das ist wichtig. Man muss ganz einfach sagen: Es ist doch nicht schade, wenn es ein Konzept gibt, wie man hier vorgeht.
Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass sich sehr viele Frauen, Männer und Initiativen um die Kinder kümmern und Sprachangebote machen - keine Frage. Ich kenne Leute, die Malerei usw. anbieten. Aber es ist doch wirklich wichtig, dass man diese Förderung plant, organisiert, koordiniert und Abstufungen macht.
Es ist in der Tat nicht so, dass die Staatsregierung hier viel unternimmt. Tatsächlich engagieren sich vor Ort die Initiativen, die Frauen und Männer ehrenamtlich und geben Deutschunterricht. Das macht nicht die Staatsregierung.
Wenn es schon Bekenntnisse gibt, dass Integration wichtig ist – ein wesentlicher Pfeiler von Integration sind Sprache und Bildung -, dann muss man diese Bekenntnisse ernst nehmen und mit Inhalten füllen. Keiner von uns sagt, dass das Angebot schulisch sein muss. Aber das Angebot muss doch vorbereiten, helfen und unterstützen. Mit Sicherheit stellt keiner in Abrede, dass das Angebot den Kindern möglicherweise unheimlich guttut, weil es sie von den Schrecknissen, die sie erlebt haben, wegholen kann. Da schadet es doch nicht, wenn man sich einmal Gedanken macht und ein Konzept entwickelt, sodass man – wie wir es immer sagen - eine gute Förderung von Anfang an ermöglichen kann und der Weg in die Schule unabhängig von der künftigen Schulart erleichtert wird. Was für unsere Kinder gilt, muss doch auch für die anderen Kinder gelten.
Das hat in keiner Weise etwas mit Euphorie zu tun. Es hat etwas mit Humanität zu tun; es hat etwas mit Verantwortung zu tun. Da fasse ich Sie an Ihre Nase; denn Sie behaupten ja immer: Wir wollen sie auf dem Arbeitsmarkt integrieren, und die Integration steht im Vordergrund. – Wenn Sie sie auf dem Arbeitsmarkt integrieren wollen, ist der bestmögliche Schüssel dazu eine gute Bildung. Die können Sie schon früh anbieten. Sie können die Kinder fördern und Impulse geben. Von Schule oder Verschulung, wie es die GRÜNEN behaupten, wenn ich sie richtig verstanden habe, war überhaupt keine Rede.
Ich finde es sehr gut - das will ich nicht verhehlen -, dass man jetzt auch in Berlin zu einer Erkenntnis gelangt ist und die Bildungsministerin Frau Wanka angekündigt hat, dass im Dezember das Projekt "Lesestart" anlaufen soll. Das habe ich in einer Zeitung gelesen. Das ist toll und wunderbar; Lesen ist etwas Wunderschönes. Auch wenn man eine Sprache noch nicht so gut beherrscht, ist das Anschauen eines Bilderbuches etwas Wunderbares. Aber auch dafür braucht man Ehrenamtliche, und das sind, wie ich vorhin schon gesagt habe, viele Frauen und Männer.
Kollegin Trautner, ich mag es nicht, wenn es immer heißt, Ihr Weg sei der richtige.
- Nein. Sie behaupten, Ihr Weg sei der richtige und alles, was sie tun, sei gut und richtig. – Alles, was gut ist, kann man auch besser machen.
Man könnte doch in so einem Fall auch einmal sagen: Ja, da gehen wir mit; es wäre doch auch für uns gut, wenn wir ein Konzept hätten, mit dem wir hinausgehen und mithilfe dessen wir sagen könnten, was mit den Kindern und Jugendlichen passiert.
Ich sage Ihnen: Wenn wir hier nicht handeln, vertun wir viele Chancen. Daran, wie wir hier Bildung organisieren, werden wir noch viele Jahre gemessen werden. Das wird uns noch sehr lange beschäftigen. Man sollte nicht sagen: Wir machen jetzt schon alles sehr gut. – Noch einmal: Bildung lebt vom Wiederholen, vom Üben. Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen kann.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! "Aus Eins mach Zehn … und Zwei lass geh‘n" – so hat die Zeitschrift eines großen Lehrerverbandes im vergangenen Jahr einen Artikel betitelt, in dem es um die demografische Rendite geht. Darin wird auch auf die wunderbaren arithmetischen Rechenkünste unseres Herrn Dr. Spaenle Bezug genommen. Hintergrund für diesen Titel war der "Bayernplan", also das Wahlprogramm der CSU. Darin heißt es – das kann man nachlesen; man muss Wahlprogramme ernst nehmen können –: Wir in Bayern machen das völlig anders als andere Bundesländer. Wir wollen unsere Schulen stärken und belassen die demografische Rendite im System.
Dann aber kam es zum Schwur; denn bereits im April 2014 galt diese Aussage nicht mehr. Herr Dr. Spaenle trat nämlich vor die Mikrofone und verkündete, dass 832 Stellen wegfallen würden. Dagegen erhob sich großer Protest, aber nicht nur vonseiten der Schulen. Auch Herr Ministerpräsident Seehofer forderte eine Korrektur. Er fügte hinzu: Wenn das nicht von anderer Seite korrigiert wird, dann mache ich das selbst. - Offensichtich ist die Berechnung der demografischen Rendite nicht ganz einfach; jedenfalls haut das nicht immer hin.
Wir von der SPD haben uns dazu entschlossen, uns speziell den Realschulen zu widmen, da sie die starken Säulen unseres Bildungssystems sind. Wir alle wissen, dass sich die Realschulen ungebrochen großer Beliebtheit bei vielen Schülerinnen und Schülern erfreuen. Das hat natürlich Wirkungen. Wir haben mittlerweile 6.555 Realschulklassen. Allein diese Zahl zeigt, wie beliebt diese Schulart ist. Das liegt zum einen an dem Angebot an praktischem Unterricht und zum anderen an den vielfältigen Möglichkeiten, die man nach dem erfolgreichen Abschluss der Realschulausbildung hat. Der große Andrang an den Realschulen ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass es seit vielen Jahren großen Unmut an den Gymnasien gibt.
Wir fordern deshalb in unserem Antrag, dass die demografische Rendite im Stellenplan der Realschulen bleibt; denn die Realschulen können nur dann weiterhin erfolgreich sein, wenn sie Lehrkräfte nicht abgeben müssen. Zudem verfolgen wir unisono drei große Ziele, nämlich die Klassenstärken zu verringern, eine integrierte Lehrerreserve aufzubauen und – sehr wichtig – die Ganztagsangebote auch an den Realschulen auszubauen.
Wenn wir uns die Klassenstärken an den Realschulen anschauen, stellen wir fest: Mehr als 10 % aller Realschulklassen – um es exakt zu sagen: 683 – haben mindestens 31 Schülerinnen und Schüler. In einigen Klassen sind es noch mehr, bis zu 34. Das muss man einfach feststellen. Diese Klassenstärken sind zum einen nicht dazu geeignet, den so hoch gelobten individualisierenden Unterricht zu gewährleisten, und gehen zum anderen an die Substanz der engagierten Lehrerinnen und Lehrer. Wir dürfen auch nicht vergessen: In 3.280 Realschulklassen liegt die Zahl der Schülerinnen und Schüler immerhin noch zwischen 26 und 30. Auch diese Klassengrößen sind nicht hinnehmbar. Das ist ein sehr unbefriedigender Zustand.
Wir sagen: Das muss sich ändern. Wir haben aber nicht viele Möglichkeiten. Wir könnten jetzt Lehrkräfte einstellen. Ich verweise auf den Artikel, der gestern in der "Süddeutschen Zeitung" zu lesen war. Demnach haben wieder viele Referendare, die auf Realschullehramt studiert haben, keine Stelle bekommen. Schon vor zwei Jahren war es schlimm; damals hat nur jeder zehnte Bewerber eine Stelle bekommen. Das ist nicht in Ordnung. Wir möchten auch nicht – entgegen einer Äußerung von Minister Dr. Spaenle in einem Schreiben von gestern –, dass die demografische Rendite für die Erledigung von Aufgaben genutzt wird, die unseres Erachtens zusätzliche Aufgaben in einem ohnehin nur knapp abzudeckenden Bereich darstellen.
Schauen wir uns das Zahlenwerk genauer an – die Kolleginnen und Kollegen, die mich gut kennen, wissen, dass ich immer sehr aufrichtig mit Zahlen umgehe –: Es ist vorgesehen, dass die Realschulen zum 1. August 2015 218 Stellen abgeben; im Jahr 2016 sollen es 337 sein. Das sind summa summarum 555 Stellen. Der Fairness halber füge ich hinzu, dass die Realschulen auch Stellen zurückbekommen: 60 für die Grundversorgung, 18 für die Ganztagsbetreuung, 7 für die Inklusion, 10 für die Hochbegabtenförderung, 5 für die Integrationsförderung und 14 für die erweiterte Schulleitung; das sind summa summarum 114. Damit bleibt es bei einem Negativsaldo von 104 Stellen in diesem Schuljahr. Das kann nicht angehen, wenn man es wirklich ernst meint. Sie sagen doch immer, Sie seien der verlässliche Partner der Realschulen. Dann geht aber nicht an, dass Sie hier mit solchen Zahlenspielereien und Tricksereien arbeiten. Da stimmen nämlich Ihre Ankündigungen und später die nackten Zahlen in keiner Weise überein.
Wenn man sich einmal überlegt: Die jungen Menschen, die aus Kriegs- und Krisengebieten an unsere Schulen kommen – und darauf zielen der Berichtsantrag der GRÜNEN sowie der Berichtsantrag der FREIEN WÄHLER ab –, sind zahlenmäßig eigentlich gar nicht mit eingerechnet. Meiner Meinung nach muss man jedoch die Möglichkeit berücksichtigen, dass auch Flüchtlingskinder Realschulen oder Gymnasien besuchen können. Diese Situation muss sich auch in der Zahl der Lehrkräfte niederschlagen.
Deshalb können wir jetzt schon sagen, dass wir beiden Anträgen zustimmen werden. Die bisher bekannten Zahlen stimmen einfach nicht. In der vergangenen Woche musste das Ministerium zugestehen, dass es sich im Bereich der beruflichen Schulen absolut verrechnet hat. Dann muss man aber einfach einmal sagen: Wir befinden uns jetzt in einer besonderen Situation und greifen in die Töpfe, um unsere Schulen mit den entsprechenden Lehrkräften auszustatten.
Dazu fordern wir Sie jetzt nachdrücklich auf. Das hat auch damals schon funktioniert. Durch den erheblichen Druck sind für die Schulen damals immerhin 215 Stellen im Nachtragshaushalt geschaffen worden. Ich erwarte auch jetzt, dass wir diese Chance nutzen. Es darf nicht nur bei den Worten bleiben, dass wir der starke Partner unserer Schulen sind; vielmehr müssen wir diesen Worten nun auch endlich Taten folgen lassen.
Analog gilt das Gleiche natürlich auch für die Gymnasien. Das lässt ein Blick auf die Zahlen erkennen. Im Prinzip müssen unsere Realschulen und unsere Gymnasien am meisten Federn lassen; beide haben mit gewaltigen Problemen zu kämpfen. Ich möchte, dass unsere Schülerinnen und Schüler, egal auf welche Schulen sie gehen, engagierte Lehrkräfte haben, dass für sie ein individueller Unterricht möglich ist und dass jeder Schüler nach seinen Fähigkeiten und Begabungen gefördert werden kann.
Lassen Sie diese Chance nicht verstreichen. Ich appelliere an Sie und wiederhole mich dabei gerne: Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen!
Daran wird man Sie draußen messen. – Wir haben uns dieses Mal explizit die Realschulen ausgesucht. Sie tun nämlich immer so, als wäre das die Schulart, die Sie gepachtet haben und auf die Sie Ihr besonderes Augenmerk richten. In diesem Fall aber sind wir es, die ein besonderes Augenmerk gerade auf die Realschulen richten.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Gehring, Sie haben schon sehr viel zur interfraktionellen Arbeitsgruppe ausge führt. Man kann festhalten, dass man mit dieser inter fraktionellen Arbeitsgruppe zunächst einmal ein sehr gutes Instrument gefunden hat, das über Bayern hi naus große Beachtung gefunden hat. Wir haben es in diesen Jahren immerhin geschafft, viele Gemeinsam keiten zu finden. Aber wir haben schon in den vergan genen zwei Jahren feststellen müssen, dass es viele Stolpersteine und viele Barrieren gibt, die es zu besei tigen gilt. Wir kommen im Augenblick nicht sonderlich gut weiter; das muss man ganz einfach einmal fest halten.
Der Kollege Dünkel hat in einer seiner Reden ange merkt, man müsse alles sehr sorgfältig machen. Dem möchte ich in keiner Weise widersprechen. Ich möch te aber auch nicht, dass ein Pflänzchen, das von vie len engagierten Eltern, Lehrkräften und Schulleitern mühsam hochgezogen worden ist, auf einmal um knickt, weil wir nicht die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stellen. Eine Stimmung der Unterstüt zung kann sehr schnell kippen. Ich nenne das Bei spiel der Zweitlehrkräfte im Unterricht, weil es sich ge rade auf den Antrag bezieht. Es gibt mittlerweile – das muss man zur Kenntnis nehmen – auch inklusions feindliche Äußerungen von Eltern, die Sorgen haben, dass ihre "normalen" Kinder aufgrund der vorherrsch enden Rahmenbedingungen nicht ausreichend geför dert werden können, weil es in der Klasse Kinder mit besonderen Bedürfnissen gibt. Ich finde, man muss solche Äußerungen von Eltern ernst nehmen. Die Lehrkräfte müssen einen wahnsinnigen Spagat schaf fen, wenn sie allen Kindern gerecht werden wollen und kein Kind irgendwie durchlaufen lassen, wie es der Inklusion entspricht.
Wenn man das ernst nimmt, was Inklusion bedeutet, nämlich dass keiner stigmatisiert werden darf, dass keiner ausgegrenzt werden darf und dass es eine echte Individualisierung geben soll, heißt das, dass eine Lernatmosphäre herrschen muss und dass es Lehrpläne geben muss, die sich wirklich an der Kom petenz der einzelnen Schülerinnen und Schüler orien tieren, dass es also einen kompetenzorientierten Bil dungsplan für jedes einzelne Kind und eine Lernumgebung geben muss, die allen Bedürfnissen,
Fähigkeiten und Fertigkeiten der Kinder Rechnung trägt. Da, meine ich, darf man die Lehrkräfte, die in weiten Teilen sehr engagiert sind, nicht alleine lassen. Wenn man es mit Individualisierung – diese kostet Zeit und Kraft – ernst meint, dann muss man diesen Lehrkräften zumindest zeitweilig eine zweite Person an die Seite stellen; sonst wird das nicht funktionie ren.
Ich möchte auf die nächste Herausforderung einge hen, wenn es darum geht, eine inklusive Schullauf bahn zu ermöglichen; Kollege Gehring hat dazu schon ausgeführt. Zu mir sind Eltern gekommen, deren Kind die Grundschule besucht und dort ein be stimmtes Setting erfahren hat. Nun müssen die Eltern für ihr Kind eine geeignete Mittelschule, eine geeigne te Realschule oder ein geeignetes Gymnasium finden. Es muss doch möglich sein, dass dieses Kind wohn ortnah weiterhin diese erfolgreiche Art der Beschu lung in Anspruch nehmen kann. Die Intention der in terfraktionellen Arbeitsgruppe muss es sein, die Bedingungen dafür zu schaffen.
Die Träger von Förderschulen haben uns vor einiger Zeit im Rahmen eines Treffens sehr deutlich darauf aufmerksam gemacht, was es bedeutet, wenn diese Kinder was häufig der Fall ist an die Förderschule zurückmüssen. Sie sind völlig anderen Unterricht zu völlig anderen Bedingungen gewohnt. Das Ergebnis ist Frust auf Seiten der Lehrerkollegien an den För derzentren, aber auch auf Seiten dieser Kinder. Ich meine, das darf nicht sein. Wir müssen darauf achten, dass die Vorgabe in Artikel 2 des Bayerischen Geset zes über das Erziehungs und Unterrichtswesen um gesetzt wird: "Inklusiver Unterricht ist Aufgabe aller Schulen." Bisher erfüllen in erster Linie die Grund schulen und einige Mittelschulen diese Aufgabe, nur ganz vereinzelt Realschulen und Gymnasien. Ich be tone: Das kann es nicht sein.
Wir müssen uns auch ernsthaft Gedanken darüber machen, wie wir mit der Schulbegleitung umgehen. Eines kann man heute schon sagen: Eine Einszu einsBetreuung, ohne Anforderungen an die ausrei chende pädagogische Qualifizierung der Schulbeglei ter zu stellen, wird nicht funktionieren. Ist es wirklich sinnvoll, drei oder vier Schulbegleiter in einer Klasse zu haben? Ist es nicht sinnvoller, ein Konzept zu ent wickeln, das den Fachlehrern und den Förderlehrern – auch den heilpädagogischen Förderlehrern eine gute, differenzierte Unterrichtsplanung ermöglicht? Ich möchte vermeiden, dass unseren Lehrkräften, die sich stark für die Inklusion engagieren, plötzlich die Luft ausgeht, dass sie irgendwelche Krankheiten be
kommen oder dass ihnen ihre Motivation flöten geht. Auch die Eltern sollen nicht resignieren.
Aus den genannten Gründen bitte ich Sie herzlich, beide Anträge zu unterstützen; sie ergeben außeror dentlich viel Sinn.
Ich mag es langsam nicht mehr haben, dass Kollege Gehring, ich und andere draußen beschwichtigen müssen – "das wird schon noch", "das kommt schon noch", "wir bringen das Ganze voran" –, obwohl wir merken, dass wir, auch wenn wir einen Stein in den Fluss geworfen haben, nicht an das Ziel kommen, Teilhabe für alle Schülerinnen und Schüler zu ermögli chen. Wir sind auf diesem einen Stein stehen geblie ben. Wir brauchen aber viele Steine, damit wir endlich auf die andere Seite kommen und das Ziel erreichen.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es prima, dass wir dieses wichtige Thema der Barriere freiheit am Morgen diskutieren. Es handelt sich nicht um irgendein Thema, sondern um ein Thema, das die gesamte Gesellschaft betrifft. Deshalb ist es eine He rausforderung für uns alle.
Der Ministerpräsident hat im Jahr 2013 erkannt, dass dies ein Thema ist, das er aufgreifen muss. Allerdings hat er den Fehler gemacht, zu sagen, dies sei in zwölf Jahren zu schaffen. Er hat im Jahr 2013 gesagt: Bay ern barrierefrei – 2023.
Okay, zehn Jahre. Das ist noch schlimmer. – Er hat gedacht, dass wir es in zehn Jahren schaffen, unse ren Freistaat barrierefrei zu machen. Das ist eine hoch anspruchsvolle Aufgabe und ein hehres Ziel. Nur muss man, wenn man sich solche Ziele setzt, sehr sorgfältig vorgehen. Da muss man zunächst ein mal eine Bestandsaufnahme machen. Was heißt überhaupt "barrierefrei"? Wie kann ich es schaffen, dieses Ziel zu erreichen? Welche finanziellen Mittel brauche ich dafür? Wen muss ich gegebenenfalls ein beziehen? Wie es halt so oft ist: Es war ein schöner Heißluftballon, der alsbald zerplatzt ist. Ich glaube nicht, dass Ihr Ministerium, Frau Emilia Müller, einbe zogen war. Ich glaube auch nicht, dass Sie, Herr Spaenle, mit einbezogen waren – jetzt ist der Herr Spaenle gerade weg –, oder Sie, Herr Söder. Ich glaube nicht, dass man das mal ernsthaft abgeklopft hat. Das ist ein schöner Heißluftballon. Und dann merkt man: Die Realitäten sind ganz einfach andere.
Dann sucht man hurtig nach einem Ausweg.
Die Heißluftballons des Ministerpräsidenten rufen of fensichtlich aufseiten der CSU große Unruhe hervor. Ich meine, wenn man ein solches Thema angeht, muss man seriös arbeiten.
Ich glaube, dass wir als SPDFraktion das sehr gut und sehr verantwortungsvoll gemacht haben. Das gilt in der Politik als wichtige Basis. Wir haben uns näm lich im vergangenen Oktober die Mühe gemacht, über 270 Fragen zu stellen. Natürlich waren das enorme Mühen das gebe ich zu, Frau Staatsministerin. Dafür hat sich das Ministerium ordentlich ins Zeug legen und Antworten geben müssen. Das will ich nicht in Abrede stellen. Da ist schon eine gute und interessan te Arbeit gemacht worden. Erst wenn man die Basis, die Daten hat, kann man sagen: Jetzt macht man einen Aktionsplan, weil das Ziel schließlich steht. In diesem Aktionsplan setzt man Prioritäten, wie das in der Politik normal ist. Möglicherweise fängt man mit dem Einfachen an und bewegt sich hin zum Schwieri gen. Aber all das ist nicht passiert. Die Antworten sind in Teilen sehr interessant. Da war das Ministeri um – das muss ich einmal sagen – nicht unehrlich. Zum Bereich der Hochschule stand zu lesen: Wir er kennen sehr deutlich, dass es noch eine ganz große Herausforderung sein wird, barrierefreie Hochschulen und barrierefreie Hörsäle zu schaffen. Demzufolge hat man eine Gruppe eingerichtet mit dem Ziel, bis 2018 die Hochschulen und Hörsäle barrierefrei zu machen. Na ja, da sage ich: Das ist ein wunderbares Ziel. Hoffentlich bekommen die das hin. Die Hirne und das Denken wären ja möglicherweise vorhanden. Wenn man aber so etwas machen will – und das ist im Be reich der Hochschulen außerordentlich wichtig , braucht man ganz einfach Geld. Das muss man wis sen, und man muss das Geld rechtzeitig einstellen.
Ich bleibe bei den Hochschulen. Wir haben Gott sei Dank sehr viele Studierende. Es gibt Studierende, die eingeschränkt sind, sei es, weil sie einen Rollstuhl be nützen müssen, sei es, weil sie Gehhilfen benützen, oder sei es, dass sie einen Assistenten benötigen, um das Studium an der Hochschule zu bewältigen. Auch diese jungen Leute wollen selbstständig und unab hängig wohnen. Die Situation der Wohnheime ist alles andere als rosig. Ich habe mir die Zahlen angeschaut. Zum Beispiel sind von den knapp 2.000 im Bau be findlichen Wohnheimplätzen ganze 17 rollstuhlge recht; von den 2.000 sind ganze 17 rollstuhlgerecht! Da muss noch eine Menge Geld hineinfließen, um diesen jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, selbstständig und eigenständig zu wohnen.
Ich komme zu den Schulen. Das ist ja eher mein Be reich. Wie Sie wissen, gehöre ich der interfraktionel len Arbeitsgruppe an. Sehr viele Schulen haben sich
die Mühe gemacht zu antworten. Es waren mit Sicher heit Fragen das macht auch die Antwort des Ministe riums sehr deutlich , die in erster Linie sensibilisiert haben. Das Ministerium schreibt ehrlicherweise, dass das Thema durch die Anfrage der SPD vielleicht erst mals stark ins Bewusstsein gerückt wird. Das ist hochinteressant. Wir können auch hier feststellen, dass es noch in weiten Teilen – das gilt wahrschein lich durchgängig für alle Bereiche – der Sensibilisie rung und der Bewusstseinsbildung bedarf. Das heißt für mich ganz konkret: In die Öffentlichkeitsarbeit müssen Hirnschmalz und Geld gesteckt werden. An sonsten können wir dieses Ziel in keiner Weise errei chen.
Natürlich sind unsere Schulen schon teilweise behin dertengerecht ausgestattet. Von über 6.000 Schulen haben immerhin 4.000 geantwortet. Demnach ist bei 60 % der Eingangsbereich für Rollstuhlfahrer erreich bar. Schwieriger wird es bei den anderen Ebenen. Dort kommen nur 30 % hin. Immerhin 40 % der Schu len verfügen über behindertengerechte Toiletten. Das ist doch schon mal etwas! Aber auf der anderen Seite muss man ganz klar sagen: Unsere Kommunen brau chen Hilfe bei der Beratung. Sonst können sie das nicht stemmen; denn barrierefreies Bauen ist kein leichtes Thema. Zudem haben nicht alle Architektin nen und Architekten Erfahrung auf diesem Gebiet. In der Architektenkammer gibt es nur einen Architekten, der sich darauf versteht. Die Kommunen brauchen Hilfe und Unterstützung, was das Bauen betrifft. Sie brauchen aber auch eine Beratung zur Umsetzung.
Last but not least kam gestern das Papier des Deut schen Städtetags. Es gibt auch in Bayern ganz große Disparitäten, was die finanzielle Ausstattung unserer Kommunen betrifft. Kommunen wie zum Beispiel Re gensburg können sich in ihren Schulen Dinge leisten, die sich andere Kommunen nicht leisten können. Wir sprechen immer von der Gleichwertigkeit. Deshalb müssen unsere Kommunen über ein echtes Sonderin vestitionsprogramm Barrierefreiheit sehr massiv un terstützt werden. Die SPD wird das fordern.
Ich komme zur Öffentlichkeitsarbeit. Dafür ist Geld er forderlich. Für die Sonderinvestition in die Barrierefrei heit an den Schulen ist Geld erforderlich.
Jetzt komme ich auf die untere Ebene zu sprechen, die auch sehr wichtig ist ich schaue die Frau Rau scher an , nämlich auf unsere Kindertagesstätten. Was dazu ausgeführt worden ist, ist hochinteressant.
Laut dieser Zahlen gibt es Kommunen, in denen nicht einmal ein Drittel der Kindertagesstätten barrierefrei ist nicht einmal ein Drittel! Ich habe einen Bogen gespannt, wie es konkret ausschaut.
Ich fasse zusammen: Barrierefreiheit ist nicht irgend etwas, bei dem man schnell nice to have sagen kann, sondern Barrierefreiheit ist ein großes Ziel, das uns alle angeht. Daran müssen wir alle arbeiten. Das ist erst der Anfang.
Frau Kollegin, ich finde es wun derbar, wenn man sich die Dinge durch die rosarote Brille anschaut. Aber ab und an sollte man sie abneh men.
Sie sagen, eine Beratung könne durch die Architek tenkammer stattfinden. Dann frage ich Sie: Wissen Sie um die personelle Besetzung? Wissen Sie, dass im Grunde nur ein Architekt dafür zur Verfügung steht?
Dann sagen Sie, überall in den Kommunen funktionie re das schon sehr gut, und die Landratsämter würden das umsetzen. Ist Ihnen bekannt, was in den Antwor ten zu der Interpellation dazu zu lesen ist? Dort steht, man sei sich der Problematik bewusst, müsse aber noch stark sensibilisieren; bei den Bezirksregierungen sollen entsprechende Stellen eingerichtet werden, um die Aufgaben zu bewältigen. Es scheint also noch großer Handlungsbedarf zu bestehen. Ist Ihnen das bekannt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollege To maschko, ich fand es rührend, wie Sie das Lippenbe kenntnis zu den Privatschulen vorgetragen haben.