Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 29. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie die Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie ist ihnen wie immer vorab erteilt worden.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich an ein herausragendes Ereignis der deutschen Geschichte erinnern, das sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährt. In einer friedlichen Revolution haben mutige Bürgerinnen und Bürger der DDR im November 1989 die Macht der SED gebrochen und die Öffnung der Berliner Mauer und schließlich deren Fall erzwungen.
Was dies für die Menschen bedeutete, haben wir vor einigen Wochen in Passau, in Selb und am vergangenen Wochenende sehr, sehr eindrucksvoll in Berlin erlebt. Nach einem Vierteljahrhundert sind die Menschen voller Freude und zugleich zutiefst bewegt von dem Moment, als sich die Grenzen öffneten. Dafür hatten sie in den Wochen zuvor gekämpft und mitunter sogar ihr Leben riskiert, etwa bei den Protesten gegen Wahlfälschungen oder bei den großen Demonstrationen in Leipzig, Erfurt, Magdeburg und Berlin.
Ohne diesen Mut der Menschen, ohne ihre Sehnsucht nach Freiheit, Demokratie und besseren Lebensverhältnissen hätten die Staatsmänner der damaligen Zeit die Einheit Deutschlands nicht vollenden können. Zugleich hatte sich damit ein Tor für ein friedliches Zusammenleben in einem einigen Europa weit geöffnet.
Gerade weil uns die Ereignisse in der Ukraine in der jüngsten Zeit sehr deutlich vor Augen führen, dass der Frieden keine Selbstverständlichkeit ist, dass er brüchig ist und schnell gefährdet sein kann, sollten wir uns an jene Tage im November 1989 erinnern. Wir sollten uns daran erinnern mit Dankbarkeit und Respekt, aber auch mit einer großen Zuversicht. Frieden, Freiheit und Demokratie sind es wert, dass wir gemeinsam dafür eintreten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf einen Glückwunsch aussprechen. Frau Kollegin Eva Gottstein feiert heute einen halbrunden Geburtstag.
Wenn die Sitzung heute nicht so lange dauert, Frau Kollegin, wären wir natürlich auch für eine Einladung dankbar.
Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute, vor allen Dingen auch Gesundheit und weiterhin ein gutes Zusammenarbeiten!
Was mich jetzt ganz besonders freut – ich denke, Sie freuen sich alle mit mir -, ist ein außergewöhnliches Jubiläum, ein "parlamentarischer Geburtstag", auf den ich heute aufmerksam machen möchte. Unser Kollege Herr Staatsminister a. D. Dr. Thomas Goppel ist seit dem 7. November 1974 ohne Unterbrechung 40 Jahre im Landtag.
Das sind genau 14.616 Tage. Damit ist er seinen "Verfolgern" – wenn ich es so formulieren darf - Simon Nüssel und Dr. Günther Beckstein um einige hundert Tage voraus. Simon Nüssel hat mit kurzer Unterbrechung 14.522 Tage hinter sich, Günther Beckstein 14.214 Tage. - Auf Länderebene ist Herr Kollege Dr. Goppel einsame Spitze.
Auf Bundesebene gibt es mit Dr. Wolfgang Schäuble nur einen einzigen, der mit insgesamt 42 Jahren noch länger in der parlamentarischen Verantwortung ist.
Offensichtlich ist es unserem Kollegen Dr. Goppel ein Anliegen, im Laufe seiner Wahrnehmung politischer Verantwortung immer wieder einmal für Besonderheiten zu sorgen: Denn Dr. Thomas Goppel war bei seiner ersten Sitzung, der Konstituierenden Sitzung am 12. November 1974, der jüngste Abgeordnete, und damit war er Schriftführer. Wer war der älteste damals? - Sein Vater, Alfons Goppel, war bei dieser Sitzung der älteste Abgeordnete und nur deshalb nicht Alterspräsident, weil er damals Ministerpräsident war. Wir haben nicht recherchiert, aber ich denke, diese Konstellation war damals und ist bis heute einzigartig im deutschen Parlamentarismus.
Lieber Herr Kollege Dr. Goppel, wir sind gespannt, was wir zukünftig noch an Besonderheiten erleben dürfen. Heute gratulieren wir Ihnen, Herr Kollege Dr. Goppel, lieber Thomas, von ganzem Herzen. Herzlichen Dank für dein jahrzehntelanges politisches Engagement, um noch einmal die Statistik zu bemühen, unter anderem in weit über 400 Reden und Wortmeldungen im Parlament. Das ist alles dokumentiert. Wir wissen, wie großartig und wie verantwortungsbewusst Sie, wie du immer die Pflichten wahrgenommen
hast zum Wohle dieses Parlaments, zum Wohle Bayerns, der Menschen und darüber hinaus und damit auch für die Zukunft unserer Demokratie.
Alles, alles Gute! Deine rhetorische Qualität kennen wir, die werden wir auch weiter erleben. Wir wünschen im fünften Landtagsjahrzehnt nicht nur viel Erfolg, sondern auch Gesundheit und weiterhin viel Freude in der Verantwortung. Ich darf einfach sagen: Thomas, du bist ein Juwel in unserer parlamentarischen Arbeit für die Menschen und für uns darüber hinaus.
(Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD): Oh! – Inge Aures (SPD): Ui, ui! – Lang anhaltender Beifall – Die Abgeordneten erheben sich)
Jetzt treten wir in die Tagesordnung ein. Zur Geschäftsordnung nach § 106 hat sich Herr Kollege Gehring gemeldet. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle den Antrag gemäß Geschäftsordnung auf Absetzung von Tagesordnungspunkt 4. Das ist die Zweite Lesung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und des Gesetzes über die behördliche Organisation des Bauwesens, des Wohnungswesens und der Wasserwirtschaft, kurz die 10H-Regelung. Ich stelle diesen Antrag, weil der Ausschuss für Wirtschaft und Medien, Infrastruktur, Bau und Verkehr, Energie und Technologie in seiner letzten Sitzung beschlossen hat, nach § 173 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Landtags eine Anhörung zu dem in Beratung befindlichen Gesetzentwurf und speziell zu den kurzfristig eingereichten Änderungsanträgen der CSU durchzuführen.
Wird das Gesetz heute beraten und beschlossen, dann besteht keine Chance mehr, dass die Anhörung zu dem Gesetzentwurf samt den Änderungsanträgen stattfinden kann; denn der Beratungsgegenstand fällt weg. Der Beschluss des Wirtschaftsausschusses würde nicht umgesetzt, und die Opposition könnte von ihrem Minderheitenrecht nach § 173 der Geschäftsordnung nicht mehr Gebrauch machen.
Eine Anhörung ist, Monate nachdem das Gesetz verabschiedet worden ist, substanzlos, weil der Beratungsgegenstand nicht mehr gegeben ist. Es ist eine Farce, Monate nach einem Gesetzesbeschluss noch eine Anhörung abzuhalten.
Dazu sollte sich der Bayerische Landtag nicht hergeben. Wir als Opposition werden uns in Achtung der
Wenn es heißt, diese Anhörung dient der Evaluierung, dann ist es etwas anderes. Die Juristen sagen: ein Aliud. Es ist dann ein Peius, eine Verschlechterung des Zwecks dieser Anhörung. Außerdem wäre eine Anhörung zur Evaluierung drei Monate nach dem Gesetzesbeschluss auch sinnlos.
Wir legen Wert darauf, die verfassungsgemäß gebotene Anhörung durchzuführen und führen folgende Gründe an:
Erstens. Im Ältestenrat ist am 22. Oktober klar zum Ausdruck gebracht worden, dass damals die Absetzung des Oppositionsantrags durch den Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses nicht richtig war. Der Ausschussvorsitzende ist aufgefordert worden, den Antrag auf die Durchführung einer Anhörung auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Wirtschaftsausschusses zu setzen. Das ist passiert, und die Anhörung ist dann im Ausschuss beschlossen worden.
Zweitens. Es gab eine erste Anhörung, ja. Aber die zweite Anhörung wurde notwendig, weil der ursprüngliche Gesetzentwurf der Staatsregierung durch Änderungsanträge der CSU verändert wurde. Diese Änderungsanträge betreffen weitere, im Rahmen der ersten Anhörung noch nicht geklärte Aspekte und werfen weitere rechtliche, zum Teil verfassungsrechtliche Fragen auf, die eine erneute Beurteilung durch Sachverständige erfordern.
Wohlgemerkt, wir begrüßen es, wenn die CSU-Fraktion Änderungsanträge zu einem Gesetzentwurf der Staatsregierung macht. Das sollten Sie öfters tun. Das ist gut so.
Aber dann, wenn die Änderungsanträge Substanz haben, müssen sie auch einer Anhörung unterzogen werden. Es geht um Änderungen, die durchaus auch verfassungsrechtliche Fragen aufwerfen. Es geht um etwas, was uns allen wichtig ist: um die kommunale Selbstständigkeit, um die kommunale Selbstbestimmung. Die aufgeworfenen Fragen müssen in einer Anhörung geklärt werden, und das ist eben nicht erfolgt.
Drittens. Wir sehen keine Eilbedürftigkeit, keine Notwendigkeit, dieses Gesetz heute zu verabschieden. Es gibt keine rechtlich gebotenen Fristen, die einzuhalten wären und die eine Einschränkung des Anhörungsrechtes des Parlaments rechtfertigen würden.
Mit gutem Willen kann man dieses Gesetz auch nach einer Anhörung auf den Weg bringen und rechtzeitig verabschieden. Außerdem findet derzeit sowieso ein Dialog zur Energiepolitik statt; momentan ist alles auf Stopp gestellt worden. Es gibt also keinen Grund, dieses Gesetz heute zu verabschieden.
Wie Ihnen bekannt ist, hat die CSU-Mehrheit heute im Ältestenrat diesen Antrag abgelehnt. Wir bringen ihn, und zwar alle drei Oppositionsfraktionen, noch einmal vor das Hohe Haus, weil es im Ältestenrat eine Meinungsverschiedenheit über die Rechte der Opposition und ihre Reichweite gab.
Die hier vorliegende Verletzung des § 173 Absatz 1 Satz 2 der Geschäftsordnung stellt einen evidenten Verstoß gegen die in Artikel 16 a der Bayerischen Verfassung garantierten Rechte der Opposition dar.
Wenn dieses Gesetz heute nicht von der Tagesordnung abgesetzt wird, sondern vom Landtag beschlossen wird, dann sehen wir, dass es nicht nur materiell verfassungswidrig ist, sondern dass es offensichtlich auch formell verfassungswidrig ist. Das Instrument der Anhörung durch das Parlament wird hier zur Farce gemacht, die Geschäftsordnung grob missachtet und die in der Bayerischen Verfassung verbrieften Oppositionsrechte werden verletzt.
Wir bitten Sie daher, dem Antrag auf Absetzung von Tagesordnungspunkt 4, Gesetzentwurf zur 10-H-Regelung, zuzustimmen.
Zur Gegenrede darf ich für die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Zellmeier das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir widersprechen der Absetzung. Wir sind der Überzeugung, dass das Vorgehen korrekt ist. So hat das auch der Ältestenrat beschlossen, und so hat auch das Landtagsamt die Geschäftsordnung gedeutet.
Es gab bereits eine Anhörung. Dabei sind alle wesentlichen Fragen erörtert worden. Eine weitere Anhörung kann stattfinden. Wir haben nichts gegen dieses Minderheitenrecht. Aber wir sagen auch ganz klar: Es darf nicht missbraucht werden, um ein sinnvolles Gesetz, das die große Mehrheit der Menschen in Bayern will, zu verzögern.
Das ist ein Gesetz, das die Entscheidungskompetenz auf die örtliche Ebene gibt, das regelt, dass also vor Ort entschieden werden soll. Das sagen Sie doch immer. Wir geben diese Möglichkeit. Das Gesetz ist absolut sinnvoll. Die Menschen warten darauf. Wir bekommen tagtäglich Dutzende von E-Mails und Briefen, mit Fragen, wann das Gesetz endlich in Kraft tritt.