Protocol of the Session on February 17, 2009

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 13. Vollsitzung des Bayerischen Landtags.

Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Diese wurde wie immer im Vorfeld erteilt.

Ich rufe zunächst den in der Tagesordnung vom 12. Februar 2009 enthaltenen Punkt Verfassungsstreitigkeit auf, der in dieser Plenarsitzung aus Zeitgründen nicht mehr beraten worden war.

Verfassungsstreitigkeit Schreiben des Bundesverfassungsgerichts - Erster Senat - vom 29. Oktober 2008 (1 BvR 2492/08), betreffend Verfassungsbeschwerde gegen das Bayerische Versammlungsgesetz vom 22. Juli 2008 (BayGVBl S. 421) PII/G-1320/08-8

Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurden pro Fraktion fünf Minuten Redezeit vereinbart. Ich darf als Erste Frau Kollegin Stahl ans Rednerpult bitten.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen. Die Verfassungsstreitigkeit stammt vom 22. Juli 2008. Sie wurde von 13 Beschwerdeführern und Beschwerdeführerinnen eingereicht, unter anderem dem Bund Naturschutz, dem Deutschen Bundeswehrverband - DBwV - Bayern, dem Bayerischen Journalistenverband, Gewerkschaften, der Humanistischen Union, der SPD und den GRÜNEN und eben auch von der FDP.

Mit dieser Verfassungsbeschwerde kritisieren wir das neue Bayerische Versammlungsgesetz, das in seiner Gänze - und das konnten wir leider bei ein paar Gelegenheiten schon miterleben - die freie Meinungsäußerung eher behindert denn befördert.

Es ist so, dass mittlerweile gerade während der laufenden Tarifstreitigkeiten die Gewerkschaften massive Probleme bekommen, aber auch ganz harmlose Bürgerinnen. Ich möchte Ihnen ein Beispiel dafür erzählen, weil sich in diesem Beispiel die ganzen Probleme wiederfinden lassen, die sich auch in dieser Verfassungsbeschwerde niedergeschlagen haben.

Zwei Bürgerinnen und Bürger entschließen sich, eine Demonstration wegen einer Beschneiungsanlage durchzuführen. Das war die Demonstration bei der Jennerbahn. Sie haben sich am Abend vorher dazu entschieden, weil sie auch gehört haben, dass Wirtschaftsminister Zeil zur Jennerbahn kommen wird - also ein hochpolitisches Thema, eine ganz wichtige Einweihung dieser Beschneiungsanlage. Die beiden haben noch

einen Streitgenossen vom Bund Naturschutz gefunden und sind dann zu dritt mit drei Plakaten - wohlgemerkt, ohne Stangen, das ist sehr wichtig - zu diesem Ereignis gegangen.

Was war? Das "Gefahrenpotenzial", das von diesen drei Leuten ausging - ich weiß nicht, ob Sie das bestätigen können, Herr Zeil -, muss so immens gewesen sein, dass gleich der Staatsschutz eingeschritten ist. Drei Personen, harmlos, bei einem Ereignis, wo man sich vorher noch die Hände geschüttelt hat, haben den Staatsschutz an den Hals bekommen. Die Personalien wurden aufgenommen, ein Ermittlungsverfahren wurde eingeleitet, und wie gesagt in einzelnen Punkten haben sie noch Glück gehabt, dass sie keine Stangen dabei hatten oder Schals oder dergleichen.

Das Problem war auch noch, dass zwei von ihnen "vorbelastet" waren. Denn sie hatten es gewagt, im November mit Sepp Daxenberger eine Beachparty am Beschneiungsteich durchzuführen. Das waren ca. 15 Personen einschließlich Kinder. Diese Beachparty war angemeldet bei der Gemeinde, bei der Polizei und bei den Betreibern der Jennerbahn, also bei drei Organisationen, Einrichtungen, kommunalen Verbänden. Die wussten also Bescheid. Trotzdem hat der Staat zu diesem Vorgang eine Akte angelegt, weil diese drei Personen wohl vergessen hatten, das Landratsamt zu benachrichtigen, wo ich gedacht hätte, die Gemeinde hätte das auch ans Landratsamt weitermelden dürfen. Also Handakte beim Staatsschutz, dann auch noch das Problem, dass sie zu dritt diese Demonstration veranstaltet haben, Verfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsrecht.

Dieser konkrete Fall beinhaltet für uns derartig viele Punkte, dass wir uns bei der Verfassungsbeschwerde, die wir eingereicht haben, voll bestätigt fühlen. Das geht von der Herabsetzung der Mindesteilnehmerzahl über die zusätzlichen Pflichten, die Veranstalterinnen und Veranstalter haben, über das Gebot der Normenklarheit bis zur Öffnung des Versammlungsrechts jetzt auch für nichtöffentliche Veranstaltungen, Kleinstveranstaltungen etc. pp., alles in unserer Verfassungsbeschwerde nachzulesen.

Nun begann im Ausschuss - weil es üblich ist, wenn eine Verfassungsbeschwerde vorliegt, dass wir vom Bundesverfassungsgericht oder vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof gefragt werden, ob wir uns als Landtag am Verfahren beteiligen bzw. dann auch eine Stellungnahme abgeben - das Geeiere. Es wurde beantragt, dass die ganze Verfassungsstreitigkeit abgesetzt wird. Die CSU sagte, sie habe sich nicht vorbereiten können, weil die Zeit zu kurz gewesen sei. Gleichwohl konnte man zu sieben weiteren Verfas

sungsbeschwerden am selben Tag ausführlich Stellung nehmen. Die FDP hat gar nichts gesagt.

Bei der zweiten Sitzung war man dann zwar vorbereitet, sagte aber, es müsse abgesetzt werden, weil das Ganze eh sinnlos sei, weil es ja ein neues Gesetz gebe. In dieser Sitzung habe ich die FDP gefragt, ob sie denn trotzdem bei der Verfassungsbeschwerde bleibe. Da hieß es, ja, sie bleibe natürlich als Beschwerdeführer bei der Verfassungsbeschwerde.

In der dritten Sitzung hat sich dann die FDP für eine Sprachregelung mit der CSU entschieden gehabt und hat gesagt: Es entscheidet aber der Landesvorstand, ob wir bei der Verfassungsbeschwerde bleiben oder nicht. Das ist ein unglaublicher Eiertanz - nachzulesen in den Protokollen. Herr Fischer, Sie können es nachlesen. Ich habe es nachgelesen; ich habe es mir mit Textmarker angestrichen, weil ich alles belegen möchte, was ich hierzu zu sagen habe.

(Dr. Andreas Fischer (FDP): Vielleicht wollen Sie es nicht verstehen!)

Selbstverständlich können Sie dazu Stellung nehmen.

Die Verfassungsbeschwerde muss mit einer Stellungnahme versehen werden - das ist ganz klar -; denn wir sind der festen Überzeugung - das hat das Beispiel eben deutlich gemacht -, dass eindeutig ein neues Gesetz her muss und dass das, was geplant ist und bisher an Änderungen in den Medien veröffentlicht wurde, diese Verfassungsbeschwerde nicht überflüssig machen wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. Nächste Wortmeldung: Herr Kollege Heike, bitte. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben jetzt wieder einmal einen Stahl'schen Eiertanz erlebt; denn was wollen Sie jetzt eigentlich? In Ihrer letzten Erklärung sagten Sie selbst: Ja, aber es kommt jetzt ein neues Gesetz, und in diesem neuen Gesetz werden wir uns dann wiederfinden müssen. Warum rufen Sie denn dann überhaupt diese Situation hervor? Wir haben im Ausschuss klar und deutlich gesagt: Erstens gibt es ein Gesetz, dass wohl den uns bisher vorliegenden Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts entspricht. Zweitens ist bekannt - das haben Sie selbst zugegeben -, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten, durch den Koalitionsvertrag vereinbart, eine Veränderung, ein neues Gesetz einbringen werden. Ich frage mich daher, warum wir hier unseren Kolleginnen und Kollegen die

Zeit mit einem einmaligen Beispiel stehlen müssen, dass drei Leute demonstrieren. Mein Gott, das gibt es öfter, aber das hat mit dem Gesetz und mit dem neuen Entwurf überhaupt nichts mehr zu tun.

Als Schlussfolgerung halte ich fest, dass es richtig war, dass der Ausschuss gesagt hat: Wir beteiligen uns nicht am Verfahren. Was sollen wir jetzt noch einmal unnötige zusätzliche Arbeit aufnehmen? Das Plenum wird sich nach den Ausschussberatungen mit Sicherheit wieder mit dem neuen Gesetz befassen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Deshalb bitte ich Sie, Frau Kollegin: Versuchen Sie einfach, dort mitzuarbeiten; bringen Sie dort Ihre Ideen ein. Dann werden wir einen gemeinsamen Weg finden, und das, was die Mehrheit des Hauses sagt, wird Gesetz werden. Dann können Sie wieder dagegen vorgehen. Ich glaube aber, dass wir wirklich Wichtigeres zu tun haben, als das gesamte Plenum damit aufzuhalten.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. Jetzt darf ich Herrn Kollegen Schindler das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage, warum sich das Plenum mit der Frage befasst, ob der Landtag eine Stellungnahme zu einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht abgibt, ist ganz einfach zu beantworten: Normalerweise hat der Landtag nämlich eine Meinung dazu, ob die von ihm beschlossenen Gesetze verfassungsgemäß sind oder nicht und kann dies dann auch sagen.

In den letzten Monaten haben wir erlebt, dass sich die Koalitionäre offensichtlich nicht darüber einigen konnten, ob das Versammlungsgesetz so, wie die FDP meint, im Wahlkampf gemeint hat und dies letzte Woche gemeint hat - ich nehme an, auch heute -, einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterzogen werden muss. Das meint die FDP. Gleichzeitig schickt die Staatskanzlei eine Stellungnahme nach Karlsruhe, in der es heißt, dass die Staatsregierung das Bayerische Versammlungsgesetz für verfassungskonform hält. Diesen Widerspruch möchten wir bitte aufgeklärt haben. Deswegen ist das Thema hier erneut zur Diskussion gestellt worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der letzten Periode monatelang ernsthaft über den Entwurf der Staatsregierung für ein Bayerisches Versammlungsgesetz gestritten. Ich habe damals für die SPDFraktion mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass das Versammlungsgesetz des Bundes aus dem Jahre 1953

nicht gerade ein Vorbild für ein liberales Versammlungsgesetz ist und dass es erst in der Zusammenschau mit der Rechtsprechung handhabbar gemacht worden ist. Ich habe aber auch mehrfach und immer wieder deutlich gesagt, dass der Gesetzentwurf der Staatsregierung gegenüber dem Versammlungsgesetz des Bundes keinen Fortschritt darstellt, sondern ganz im Gegenteil noch hinter dieses ohnehin nicht gelungene Versammlungsgesetz zurückfällt, weil das bayerische Gesetz nämlich von obrigkeitsstaatlichem Denken geprägt ist und weil es aus der Perspektive der Kreisverwaltungsbehörden, aus der Perspektive der Polizei, aber nicht aus der Perspektive der Bürgerinnen und Bürger geschrieben worden ist, die gelegentlich von ihrem Grundrecht Gebrauch machen wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben dieses Gesetz auch deshalb kritisiert, weil es von den Grundannahmen her falsch konstruiert ist. Offensichtlich ist die Staatsregierung in der letzten Periode davon ausgegangen, der Staat habe es zu genehmigen, wenn Bürgerinnen und Bürger ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen wollen. So ist es aber nicht.

(Beifall bei der SPD)

Nicht der Staat hat zu genehmigen, sondern der Staat hat die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Grundrecht möglichst ungehindert ausüben können.

Ich freue mich, dass das die FDP im Wahlkampf und als es darum gegangen ist, eine Verfassungsbeschwerde einzureichen, genauso gesehen hat, wundere mich aber nun, dass es die FDP hinnimmt, dass die von ihr getragene Staatsregierung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht mitteilt: Das ist nicht zu kritisieren; wir ändern das Gesetz zwar in einigen Details, aber im Prinzip halten wir das Gesetz für verfassungskonform. Ich bin der Meinung, die FDP darf nicht nur den Mund spitzen, sondern sie muss auch pfeifen und muss erklären, warum sie außerhalb dieses Hauses offensichtlich eine ganz andere Position vertritt als innerhalb dieses Hauses. Das kann man auch nicht damit erklären, dass das eine die Landespartei und das andere die Fraktion ist.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Schließlich ist der stellvertretende Vorsitzende der Landespartei der FDP Mitglied im Rechtsausschuss dieses Hauses. Ich bin gespannt, wie er diesen Widerspruch auflöst. Ich kann mir vorstellen, mit der Koalitionsdisziplin. Dazu sage ich: Bei der Frage, ob die Bürgerinnen und Bürger in unserem Lande ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben können oder nicht, darf bitte auch die FDP keine Kompromisse machen; da darf

sie sich keinem Koalitionszwang unterwerfen. Das erwarten wir von ihr jedenfalls.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Macht sie es dennoch, werden wir dies auch zu werten wissen.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. Kolleginnen und Kollegen, ich darf darauf hinweisen, Wortmeldungen zu einer Zwischenfrage oder zu einer Intervention sind bitte am Mikrofon anzuzeigen; ansonsten wird es schwierig. Man weiß nämlich nicht, was Bewegungen im Plenarsaal letztlich bedeuten sollen. Ich bitte also, das am jeweiligen Mikrofon anzuzeigen, dann kann das auch reibungslos über die Bühne gehen. Ich darf jetzt Herrn Kollegen Pohl bitten, ans Rednerpult zu kommen.

Frau Präsidentin, Herr Ministerpräsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie werden von mir heute keine Ausführungen über ein bayerisches Versammlungsrecht hören,

(Beifall bei der CSU)

obwohl es mir ein Anliegen wäre, zu den Ausführungen des Kollegen Schindler Stellung zu nehmen. Ich sage nur: Ein Versammlungsrecht darf nicht aus der Sicht der Bürger und auch nicht aus der Sicht der Kreisverwaltungsbehörden heraus geschrieben werden. Ein Versammlungsrecht muss handhabbar sein. Danach sollte sich der künftige Entwurf ausrichten.

Meine Damen und Herren, was ist unsere Aufgabe? Unsere Aufgabe ist es, zu entscheiden, ob wir eine Stellungnahme zu dieser Verfassungsstreitigkeit abgeben. Ich bin gerne bereit, juristische Stellungnahmen abzugeben, wenn dies Sinn macht. In diesem Fall würde ich es aber als Beschäftigungstherapie ansehen; denn die FDP hat diese Verfassungsstreitigkeit angezettelt. Die FDP ist Mitglied der Bayerischen Staatsregierung. Die FDP hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass es ein neues Versammlungsrecht geben wird. Warum müssen wir, der Bayerische Landtag, der FDP Schützenhilfe in einer Verfassungsstreitigkeit geben, die sich ohnehin in Kürze erledigt haben wird?

(Ulrike Gote (GRÜNE): Das wollen Sie doch nicht!)

Wenn man der FDP schon gar nichts zutraut -, so viel wird man ihr schon zutrauen können, dass sie den Koalitionsvertrag und die Punkte, die sie selbst hineingeschrieben hat, zeitnah abarbeiten wird.

(Beifall der Abgeordneten Harald Güller (SPD) und Thomas Hacker (FDP))