Manfred Weiß
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Last Statements
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Zunächst zur Zahl der Anordnungen. Im Bereich der bayerischen Justiz wird nach einem bundeseinheitlichen Muster sowohl die Anzahl der Verfahren, in denen in einem Berichtsjahr Maßnahmen nach den §§ 100 a, 100 b StPO angeordnet wurden, als auch die Anzahl der von solchen Maßnahmen betroffenen statistisch erfasst. Im Jahr 2002 sind in 562 Verfahren Maßnahmen nach den §§ 100 a, 100 b StPO angeord
net worden. Von diesen Maßnahmen waren im Jahr 20021313 Personen betroffen.
Zum Abschluss der Überwachungen kann ich Ihnen keine Zahlen nennen. Die Erfassung von abgeschlossenen Überwachungen ist in der bundeseinheitlichen statistischen Erhebung zu Maßnahmen nach §§ 100 a, 100 b StPO nicht vorgesehen. Auch eine gesonderte statistische Erhebung erfolgt im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz hierzu nicht.
Auch zur Frage der Benachrichtigungen kann ich keine Angaben machen, da in diesen Fällen weder bei der bundeseinheitlichen statistischen Erhebung noch im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz Feststellungen getroffen werden. Auf jeden Fall werden die bayerischen Staatsanwaltschaften regelmäßig für die besondere Bedeutung der Benachrichtigungsverpflichtung gemäß § 101 StPO sensibilisiert, zuletzt bei der Dienstbesprechung mit den Leitern der Staatsanwaltschaften vom 19. bis 21. März 2003 in Kloster Irsee.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfragen, Frau Stahl?
Sie haben das richtig erkannt, Frau Kollegin.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Eine weitere Zusatzfrage, bitte.
Auch hier liegen Sie richtig, Frau Kollegin.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Dann ist der nächste Fragesteller Herr Christ, bitte.
Frau Präsidentin, Hohes Haus, lieber Kollege Christ! Die Kammer für Handelssachen am Landgericht Aschaffenburg leistet eine gute und zügige Arbeit, die allgemein anerkannt wird. Aufgrund dieser Mündlichen Anfrage ist der Staatsregierung allerdings bekannt geworden, dass ein Prozessbeteiligter in Verfahren vor Kammern für Handelssachen am Landgericht in Aschaffenburg über eine zu lange Verfahrensdauer klagt. Nach Auskunft des Gerichts wirkt dieser Prozessbeteiligte in nicht unwesentlicher Weise an der Länge der Verfahren selbst mit durch häufigen Rechtsanwaltswechsel, mit Anträgen auf Ergänzungsgutachten sowie durch Zustimmung zu längerem Ruhen des Verfahrens.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Herr Christ.
Ich weiß von der zuständigen Berufungskammer, dass diese Kammer hohes Ansehen genießt und sehr zügig arbeitet. Ich weiß allerdings auch, dass der Betreffende, auf den Sie sich beziehen, in den letzen Jahren eine größere Anzahl von Klagen einbrachte und dass er jedes Mal, wenn die Gefahr bestand, einen Prozess zu verlieren, durch eine Unmenge von Beweisanträgen – ich denke an die Vernehmung eines Zeugen im Kosovo –, durch mehrmaligen Anwaltswechsel und durch sonstige Maßnahmen dazu beitrug, dass es nicht zu einem für ihn negativen Urteil kam. Sonstige Klagen sind mir von anderen Beteiligten nicht bekannt.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Zusatzfrage?
Lieber Herr Kollege, ich glaube nicht, dass man diesen Regelungen der ZPO solche Schlussfolgerungen entnehmen kann. Es ist jetzt vorgesehen, dass die Berufungsgerichte substanzlose Rechtsmittel zurückweisen können. Das heißt, dass sie sich mit wirklich grundlosen Rechtsmitteln nicht allzu lange befassen müssen, sondern dass sie sich darauf konzentrieren können, auf die Rechtsmittel einzugehen, die Substanz haben. Im Übrigen ist die Zurückweisung substanzloser Rechtsmittel durch § 522 ZPO ohne mündliche Verhandlung zwingend vorge
schrieben. Es ist also nicht so, dass hier die Aschaffenburger besonders rigide wären, sondern sie halten nur das Gesetz ein.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich bitte nun die Staatssekretärin für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz, Frau Görlitz. Fragestellerin ist Frau Kellner.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich bin allen Rednern dankbar, dass sie die Arbeit unserer Gerichtsvollzieher so hoch einschätzen. Das ist eine wichtige Arbeit, weil es nichts nützt, wenn die Gerichte in vier bis sechs Monaten die Urteile erlassen und möglicherweise ein halbes oder ein Jahr lang nicht vollstreckt wird.
Es ist auch richtig, dass die Gerichtsvollzieher in den vergangenen Jahren überlastet waren, nicht durch Fehlverhalten der Bayerischen Staatsregierung, sondern weil auf Wunsch der Gerichtsvollzieher zusätzliche Aufgaben, nämlich die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, hinzugekommen sind.
Das ist eine Bundesregelung. Man hat das gewünscht, und dann ist man in der Arbeit abgesoffen. Wir haben dem aber abhelfen können. Im Doppelhaushalt 2001/2002 wurden 50 neue Planstellen zur Verfügung gestellt; damit ist die Situation im Wesentlichen geklärt. Es gibt insoweit kaum mehr Probleme.
Frau Kollegin Stahl, Ihre Aussage, junge Menschen würden diesen Beruf nicht mehr ergreifen wollen, ist schlichtweg falsch. Wir haben genügend Leute, nicht nur, um die Ausscheidenden zu ersetzen, sondern sogar, um die zusätzlichen 50 Planstellen zu besetzen. Es schadet nichts, wenn wir einige Externe dazunehmen.
Wir haben die Sache also, was die Arbeitsbelastung und die Dringlichkeit der Erledigung betrifft, im Griff. Es gibt Differenzen in der Bürokostenentschädigung. Herr Volkmann, Sie haben gesagt, da würden Bescheide im Nachhinein erlassen; das wäre unanständig. Sie haben wohl keine Ahnung von der Materie. Sie müssten wissen, dass zu Beginn des Jahres die Höhe der Bürokos
tenentschädigung vorläufig und nach Abschluss des Jahres endgültig festgesetzt wird. Dass die vorläufige Festsetzung mit der endgültigen nicht übereinstimmen muss, ergibt sich schon aus den Begriffen. Das ist weder unanständig noch unehrlich, sondern entspricht genau dem Gesetz.
Richtig ist, dass durch die Entschädigungsverordnung vom 18. September 2002 Unmut entstanden ist und manche Gerichtsvollzieher der Meinung sind, dass sie zu hoch in Anspruch genommen werden. Das wird geklärt, und zwar wird das ein Gericht klären. Ich darf Sie darüber informieren, dass das Staatsministerium der Justiz mit dem Bayerischen Beamtenbund, der auch den Bayerischen Gerichtsvollzieherbund repräsentiert, sowie mit der Dienstleistungsgesellschaft Verdi eine Prozessabrede getroffen hat. Damit wurde auch ein Stillhalteabkommen geschlossen. Fünf Musterklagen werden durchgezogen; die anderen halten still. Während diese Musterklagen geführt werden, wird auch nicht vollstreckt. An das Urteil werden sich dann alle halten. Bekommt die Staatsregierung Recht, wird die Rückforderung geltend gemacht. Bekommen die Kläger Recht, wird auch für die, die den Bescheid nicht angegriffen haben, der Ausgleich geschaffen. Ich glaube also, dass die Kuh vom Eis ist. Das Problem wird sauber gelöst.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nun hat noch Frau Stahl das Wort zu einer persönlichen Erklärung.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Frage der Frau Kollegin Stahl beantworte ich folgendermaßen: Nein, diese Vermutung ist nicht zutreffend.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gibt es eine Zusatzfrage? – Frau Stahl.
Frau Kollegin, ich vermute, dass Sie hier falsch informiert sind. Es gibt in keiner Haftanstalt Überlegungen, irgendwelche Computer einzuziehen oder Umfragen in diese Richtung zu starten.
Es wird mir eine Freude sein, Ihnen darauf die entsprechende Antwort zu geben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächster Fragesteller: Herr Wörner.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Die Frage des Kollegen Wörner beantworte ich wie folgt: Nachdem es im angesprochenen Verfahren ausschließlich um ein Steuerdelikt gegangen ist, hat das Finanzamt gemäß § 386 Absatz 1 und Absatz 2 Nummer 1 der Abgabenordnung in originärer Zuständigkeit ermittelt und nach Abschluss der Ermittlungen gemäß § 400 Abgabenordnung den Strafbefehlsantrag gestellt. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft, über die der Antrag zum Gericht geleitet wurde, war der Strafbefehlsantrag schlüssig. Er ist unverändert an das Amts
gericht weitergeleitet worden. Die Tagessatzhöhe ist vom Finanzamt nach § 40 Absatz 3 des Strafgesetzbuches geschätzt worden; die Staatsanwaltschaft hatte keine Kenntnisse, die einen vom Antrag des Finanzamts abweichenden Antrag hätten rechtfertigen können.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Zusatzfrage: Herr Wörner.
Herr Kollege, ich brauche Ihnen hier nichts zu erklären. Ich habe nicht die Detailkenntnisse wie Sie. Ich habe nichts zusammengerechnet. Das Finanzamt hat die Höhe festgesetzt, und die Staatsanwaltschaft hat das für schlüssig gehalten. So ist es weitergeleitet worden.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Letzte Zusatzfrage: Herr Wörner.
Ich weiß nicht, ob die Höhe stimmt oder nicht stimmt. Ich weiß nur, dass die vom Finanzamt vorgelegten Zahlen für die Staatsanwaltschaft schlüssig waren. Schließlich ist das Finanzamt näher am Sachverhalt als die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft hat den Strafbefehlsantrag des Finanzamtes weitergeleitet. Die ermittelnde Behörde war nicht die Staatsanwaltschaft, sondern das Finanzamt. Die Staatsanwaltschaft leitet lediglich den Antrag nach Schlüssigkeitsprüfung an das Gericht weiter.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Damit sind die Fragen aus dem Bereich des Justizministeriums beantwortet. Danke schön, Herr Staatsminister. Die nächste Fragerunde betrifft das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Herr Staatsminister, ich darf Sie bitten. Erster Fragesteller ist Herr Hausmann.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Der Justizetat, der Ihnen heute zur Beschlussfassung vorliegt, gehört nicht zu den großen Brocken des Gesamthaushalts. Trotzdem lohnt es sich nach meiner Meinung, bei der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes auch einmal die Arbeit der Justiz in den Mittelpunkt der Beratung zu stellen. Dass die bayerische Justiz ihre Aufgaben sorgfältig und verlässlich erfüllt, wird von den meisten Bürgern wohl als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, im Ergebnis zu Recht. Der Bürger hat einen Anspruch auf effektive Rechtsgewährung. In der Tat ist es den bayerischen Gerichten, Staatsanwaltschaften und den übrigen Justizbehörden auch in den zurückliegenden Jahren wieder gelungen, das in sie gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen.
Bei aller Zufriedenheit darf jedoch nicht der Eindruck entstehen, die dritte Gewalt schultere die ihr übertragenen Aufgaben mühelos. Im Gegenteil: Die Gewährung effektiven Rechtsschutzes erfordert Jahr für Jahr erheblich Anstrengungen. Die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Arbeit der Justiz sind derzeit, das möchte ich deutlich machen, alles andere als einfach. Die Geschäftsbelastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist seit langem hoch. Die Personalsituation in allen Bereichen der bayerischen Justiz muss als angespannt bezeichnet werden. Nicht nur die hohen Fallzahlen, sondern gerade auch die zunehmende Komplexität vieler Verfahren machen der Justiz zu schaffen.
Für die hohe Belastung und die immer schwieriger werdenden Rahmenbedingungen lassen sich mehrere Ursachen nennen. Das gilt nicht nur für Bayern, sondern bundesweit. Vor allem bei den Betreuungsverfahren, den Familiensachen und den Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften steigen die Fallzahlen kontinuierlich an. Grund zur Besorgnis gibt auch die hohe Belastung der Insolvenzgerichte. In diesen Bereichen zeigt sich, dass die gesellschaftliche Entwicklung und die gesamtwirtschaftliche Lage die Geschäftsbelastung der Justiz wesentlich beeinflussen. Hierzu möchte ich einige Beispiele nennen.
Der Bestand an Betreuungsverfahren in Bayern belief sich bei In-Kraft-Treten des Betreuungsgesetzes im Jahr 1992 auf etwa 89000 Verfahren. Zwischenzeitlich liegt diese Zahl bei mehr als 145000. Das heißt, am Ende des Jahres 2001 hatten mehr als 145000 Menschen in Bayern eine Betreuerin oder einen Betreuer als gesetzlichen Vertreter. Dementsprechend sind die Haushaltsausgaben für den Aufwendungsersatz und die Vergütung von Betreuern und Verfahrenspflegern drastisch angestiegen. Im Jahr 1994 wurden aus dem Haushalt des Freistaates Bayern etwas mehr als 12 Millionen DM für den genannten Zweck ausgezahlt. Ende 2001 waren wir bei 40 Millionen e angelangt. Dies entspricht einer Erhöhung auf mehr als das sechsfache in sieben Jahren.
Hauptursache dieser enormen Steigerungen ist die demografische Entwicklung. Immer mehr Mitbürgerinnen und Mitbürger erreichen heute ein Alter, das man vor wenigen Generationen noch biblisch genannt hätte. Mit steigendem Alter wächst das Risiko, zum Beispiel wegen einer Altersdemenz seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln zu können. Über 30 Prozent der 90-jährigen sind hiervon akut bedroht.
Auch bei den Familiensachen hat sich die Lage in den letzten Jahren erheblich verändert. Die Neuzugänge bei den Familiengerichten sind von knapp 51000 im Jahr 1991 auf mehr als 72000 im Jahr 2001 gestiegen. Neben der Kindschaftsrechtsreform des Jahres 1998 kommt hier sicher auch die gewandelte gesellschaftliche Einstellung zu Ehe und Familie zum Tragen. Die jedes Jahr wachsende Zahl der Ehescheidungen belegt diese Entwicklung sehr anschaulich.
In besonders schwerwiegender Weise wirkt sich der gesellschaftliche Wandel auf die Arbeit der Strafjustiz und des Strafvollzugs aus. Die Belastung der Strafgerichte und Staatsanwaltschaften verschärft sich nicht nur auf Grund der hohen Zahl der Neueingänge. Ausschlaggebend für die Lage der Strafjustiz ist vielmehr auch die zunehmende Qualität der Straftaten. Die gestiegene Gewaltbereitschaft und vielfältige neue Erscheinungsformen schwerer Kriminalität stellen die Strafverfolgungsbehörden vor größte Herausforderungen.
Für den Bereich des Strafvollzugs lassen sich die schwieriger gewordenen Rahmenbedingungen anhand der Entwicklungen im Jugendstrafvollzug besonders deutlich belegen. Die Arbeit der Justizvollzugsbediensteten wird durch die steigende Zahl suchtgefährdeter und stark gewaltbereiter jugendlicher und heranwachsender Straffälliger erheblich erschwert. Die Statistik zeigt, das
gerade die 14-bis-20 jährigen an der Gewaltkriminalität überproportional beteiligt sind und mit zunehmender Tendenz in den Vollzug gelangen. Zugleich ist ein hoher Anteil von ausländischen Jugendstrafgefangenen festzustellen. Er liegt in Bayern derzeit bei rund 20 Prozent. Dass viele dieser Gefangenen nur sehr schlecht deutsch sprechen, belastet die vollzugliche Arbeit zusätzlich in nicht geringem Maße.
Neben den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen macht der Justiz natürlich auch die prekäre gesamtwirtschaftliche Lage schwer zu schaffen. Zum einen verhindern die bestehenden Sparzwänge die in einigen Bereichen erforderliche personelle Verstärkung der Justiz. Zum anderen haben die negative gesamtwirtschaftliche Entwicklung und einige Neuerungen des Insolvenzrechts eine kritische Situation bei den Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzgerichten ausgelöst. Die Zahl der Zwangsversteigerungen- und Zwangsverwaltungsverfahren ist in den letzten 10 Jahren stark angestiegen. Bei der Zahl der abgenommenen eidesstattlichen Versicherungen – des ehemaligen Offenbarungseides – wurde 2001 mit über 106000 ein trauriger Spitzenwert erreicht.
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den Insolvenzverfahren. Hier macht sich die neue Insolvenzordnung, die seit 1999 in Kraft ist, deutlich bemerkbar. Während 1991 nur knapp 5700 Anträge auf Konkurseröffnung gestellt wurden, gingen im Jahr 2001 beinahe 8300 Unternehmensinsolvenzanträge ein. Hinzu kamen rund 3300 Verbraucher- und Kleininsolvenzanträge, die es so vor 10 Jahren noch nicht gab.
Gerade beim Insolvenzrecht, aber auch in anderen Rechtsgebieten zeigt sich eine weitere Ursache für die schwierigen Arbeitsbedingungen der Justiz: Die hohe Belastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften ist zu einem guten Teil auf den beinahe schon inflationären Gesetzesausstoß des Bundes zurückzuführen. Um etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: Bayern hat sich sinnvollen Gesetzesreformen auf Bundesebene nie verschlossen und an derartigen Vorhaben stets tatkräftig mitgewirkt. Ich kann ihnen versichern, dass das Bundesministerium der Justiz die fachliche Mitarbeit meines Hauses bei zentralen Gesetzgebungsvorhaben durchaus zu schätzen weiß, auch wenn unsere Zielvorstellungen oft auseinandergehen. Es ist aber nicht hinnehmbar, wenn der Bundesgesetzgeber immer neue Aufgaben auf die Justiz überträgt und die bestehenden Aufgaben zunehmend komplexer ausgestaltet, ohne die gravierenden Auswirkungen auf die gerichtliche- und staatsanwaltschaftliche Praxis zu berücksichtigen.
Hierzu folgendes Beispiel: Unter der Flagge „Reform des Zivilprozesses“ verfolgte die Bundesregierung zunächst das Ziel, den bewährten Aufbau der ordentlichen Gerichtsbarkeit in den Ländern mit hohem Kosten – und Umstellungsaufwand völlig umzukrempeln. Als Stichwort erwähne ich nur den dreistufigen Gerichtsaufbau. Zum Glück konnte dieser Anschlag auf die Gerichtsbarkeit in den Ländern – und das sage ich deutlich – auch dank der Unterstützung vieler SPD-regierter Länder abgewehrt werden. Mit Blick auf die derzeitige wirtschaftliche Lage kann ich hier und heute rückblickend feststellen,
dass die Justizhaushalte in der Mehrzahl der Länder unter den Umstellungskosten für den dreistufigen Gerichtsaufbau zusammengebrochen wären. Die Bundesregierung hat mit diesem Reformvorhaben die Funktionsfähigkeit der Justiz aus ideologischen Gründen leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Es ist schon bezeichnend, dass bisher nicht ein einziges Land bereit war, von der Öffnungsklausel Gebrauch zu machen, die den Einstieg in die Dreistufigkeit ermöglichen sollte.
Die Reste der Zivilprozessreform der Bundesregierung sind in Gestalt zahlreicher Verfahrensänderungen zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten. Nach den ersten Berichten der Gerichte haben diese Änderungen die tägliche Arbeit nicht erleichtert, sondern sogar noch erschwert. Bei den Amts- und Landgerichten schlägt sich die angestrebte „Stärkung der ersten Instanz“ hauptsächlich in einer stärkeren Formalisierung des Verfahrens nieder. Ich nenne nur den Zwang zur Güteverhandlung und die jederzeitige und umfassende Pflicht des Prozessgerichts, Hinweise zu erteilen und diese zu dokumentieren. Durch diese Überregulierung wird die erforderliche flexible Einzelfallgestaltung behindert. Die zusätzliche belastete und gegängelte gerichtliche Praxis hat kein Verständnis für derartige „Wohltaten“ des Gesetzgebers.
Generell lässt sich feststellen, dass die Rechtsanwendung für die Richter und Staatsanwälte in den letzten Jahren komplizierter geworden ist. Häufige Gesetzesänderungen und umfangreiche Reformvorhaben zwingen die Richter, sich in immer kürzer werdenden Abständen mit neuer Gesetzessystematik und –begrifflichkeit auseinander zu setzen. Allein das Bürgerliche Gesetzbuch wurde seit dem Jahr 2000 durch zwölf verschiedene Gesetze geändert. Neue Änderungen stehen schon wieder bevor. Häufig bleibt kaum genügend Zeit, für eine Einarbeitung in die geänderte Rechtslage. So hat die rotgrüne Bundesregierung etwa für das In-Kraft-Treten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes entgegen unseren Forderungen eine Übergangszeit verweigert. Auch hier zeigt sich mangelndes Verständnis der Regierungskoalition in Berlin für die Belange der Justiz in den Ländern.
Trotz schwieriger Rahmenbedingungen hat die bayerische Justiz auch in den beiden zurückliegenden Jahren sehr erfolgreich gearbeitet. Die bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften konnten ihre Spitzenpositionen im bundesweiten Vergleich behaupten. Die statistischen Daten belegen, dass der Bürger im Freistaat weiter auf eine schnelle und effektive Erledigung der Verfahren bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften bauen kann.
Zunächst zu den Staatsanwaltschaften. Die Belastung der bayerischen Staatsanwaltschaften ist in den letzten zehn Jahren statistisch um über 20% gestiegen. Trotz des gewaltigen Geschäftsanfalls liegen unsere Staatsanwaltschaften in der bundesweiten Reihung vorn. Jeder der 650 bayerischen Staatsanwälte hat im Jahr 20011145 Verfahren erledigt. Das bedeutet bundesweit Platz 1.
Auch bei den bayerischen Gerichten liegen die Erledigungszahlen in fast allen Bereichen über dem Bundesdurchschnitt. Besonders hervorzuheben sind hier die Erledigungen von Strafsachen. Bei den erst- und zweitinstanzlichen Strafverfahren vor den Landgerichten nimmt Bayern mit knapp 62 Erledigungen pro Richter im Jahre 2001 erneut die Spitzenposition ein. Bei den amtsgerichtlichen Strafverfahren waren es 431 Erledigungen pro Richter. Das entspricht bundesweit Platz 4.
Für den rechtssuchenden Bürger kommt es weniger auf Erledigungszahlen als vielmehr darauf an, dass die Gerichtsverfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden. Die Geschäftsstatistiken belegen eindrucksvoll, dass die Justiz in Bayern besonders schnell arbeitet. Ein Zivilprozess dauerte bei den bayerischen Amtsgerichten im Jahr 2001 durchschnittlich 3,7 Monate. Die Verfahrensdauer eines erstinstanzlichen Zivilprozesses beim Landgericht betrug im Schnitt 6,3 Monate. Auch die Familiengerichte erledigen ihre Verfahren in aller Regel sehr zügig. In Ehesachen belief sich die Verfahrensdauer auf 7,9 Monate. Für Ehescheidungen ergab sich eine Durchschnittsdauer von 8,3 Monaten.
In Straf- und Bußgeldsachen wurden ebenfalls sehr erfreuliche Werte erreicht. Strafverfahren vor dem Amtsrichter dauern in Bayern nur 2,8 Monate. Erstinstanzliche Strafverfahren vor den Strafkammern der Landgerichte wurden im Jahr 2001 in durchschnittlich 5,8 Monaten erledigt.
Mit diesen Erledigungszeiten können wir uns im nationalen und internationalen Vergleich sehen lassen. Bei den Amtsgerichten halten wir sowohl in Straf- und Bußgeldverfahren als auch in Familiensachen bundesweit die Spitzenposition. Bei den amtsgerichtlichen Zivilverfahren ergab sich – wie in den Vorjahren – ein zweiter Rang. Auch mit den Verfahrensdauern bei den Landgerichten und Oberlandesgerichten liegen wir seit Jahren in der Spitzengruppe der Länder.
Zum Abschluss dieser kurzen Bilanz der Leistungsfähigkeit der Justiz in Bayern noch einige Zahlen aus dem Bereich des Strafvollzugs. Die Belegung der bayerischen Justizvollzugsanstalten hat sich auf hohem Niveau eingependelt. Sie betrug im Jahr 2001 insgesamt 34000 Gefangene. Dies entspricht einer Durchschnittsbelegung von rund 11600 Inhaftierten. Unter enormen Anstrengungen ist es gelungen, die Überbelegung der Anstalten wesentlich zurückzuführen. In einem gewaltigen Kraftakt haben wir seit 19921250 zusätzliche Haftplätze geschaffen. Wir verfügen nunmehr über insgesamt 11524 Haftplätze. Seit 1992 wurde die Rekordsumme von 366 Millionen e für Baumaßnahmen im Strafvollzug ausgegeben. Ich möchte sagen: Das ist ein gewaltiges Investitionsvolumen, und es verhinderte, dass in Bayern Gefangene in Containern untergebracht werden mussten, wie das in anderen Bundesländern leider der Fall ist.
Diese Anstrengungen und die kontinuierliche Verbesserung der Sicherheit in den Anstalten haben sich erfreulicher Weise auch ausgezahlt. Trotz der anhaltend hohen Belegung und der zunehmenden Risiko- und Gewaltbereitschaft der Gefangenen geht die Zahl der Entweichun
gen in den letzten Jahren stark zurück. Im Jahr 2001 ist es nur einem Gefangenen gelungen, aus einer unser bayerischen Justizvollzugsanstalten auszubrechen.
Das zeigt, dass wir die Sicherheitsbedürfnisse der Bevölkerung ernst nehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die insgesamt erfreuliche Leistungsbilanz darf jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Grenzen der Belastbarkeit der Justiz erreicht sind. Wenn es der Justiz in Bayern bisher gelungen ist, die gestiegene Geschäftsbelastung ohne Qualitätsverlust in der Aufgabenerledigung aufzufangen, so ist dies in erster Linie auf die hohe Motivation und Leistungsbereitschaft unserer Mitarbeiter in allen Laufbahnen zurückzuführen. Ich will an dieser Stelle nicht versäumen, allen Angehörigen der bayerischen Justiz für ihre hervorragende Arbeit zu danken.
Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, die gewohnt zuverlässige Justiz sei in der Lage, eine weiter steigende Belastung ohne Verbesserungen der Stellensituation zu verkraften. Angesichts der seit langem angespannten Personalsituation haben wir bereits in den vergangenen Jahren die zur Verfügung stehenden organisatorischen und technischen Möglichkeiten zur Mobilisierung der Binnenreserven genutzt.
Die Justiz unternimmt im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel alle Anstrengungen, um die bayerischen Gerichte und Staatsanwaltschaften mit moderner EDV-Technik auszustatten. In den meisten Arbeitsbereichen kann heute auf automationsunterstützte EDV-Verfahren zurückgegriffen werden. Das Großprojekt bajTECH 2000, mit dem etwa 12300 Arbeitsplätze aus allen Verfahrensbereichen der Justiz auf moderne PC-Technik umgestellt werden, läuft und soll bis Ende des Jahres 2006 abgeschlossen werden.
Die Geschäftsabläufe der Justiz wurden und werden unter Einsatz von Organisationsberatern auf Rationalisierungsmöglichkeiten untersucht. Mit der Einrichtung von Serviceeinheiten bei Gerichten und Staatsanwaltschaften haben wir moderne Organisationsformen geschaffen. Wir versprechen uns hiervon Synergie- und Entlastungseffekte. All diese Maßnahmen zur Rationalisierung und Optimierung des Personaleinsatzes sind im Hinblick auf die bestehenden Sparzwänge sicher unverzichtbar.
Ich sehe allerdings kaum noch Möglichkeiten, über das bereits Erreichte hinaus weitere Binnenreserven freizusetzen. Auf Dauer kann unsere Justiz ihre Spitzenstellung in Deutschland – gerade bei der inneren Sicherheit – nur halten, wenn für eine ausreichende Personalausstattung gesorgt ist.
Ich bin daher sehr froh, dass wir nach dem 11. September 2001 im Rahmen des Sicherheitskonzepts wenigs
tens einige neue Stellen für den Haushalts 2003/2004 erhalten haben.
Die sechs neuen Stellen für Staatsanwälte und die 20 zusätzlichen Stellen für Bewährungshelfer geben uns die Möglichkeit, Verbesserungen an besonderen Brennpunkten der Belastung zu schaffen. Dies gilt in gleicher Weise für die 12 zusätzlichen Stellen im Justizvollzug, die wir für den Aufbau einer sozialtherapeutischen Abteilung dringend benötigen. Ich kann Ihnen versichern: Die Personalverstärkung wird unserem Einsatz für die Sicherheit der Bürger im Freistaat unmittelbar zugute kommen.
Erledigungszahlen und Erhebungen zur Verfahrensdauer lassen sicher aussagekräftige Rückschlüsse auf die Effizienz der Justiz zu. An diesen statistischen Daten allein können die Leistungen der Dritten Gewalt jedoch nicht gemessen werden. Die Leistungsfähigkeit der bayerischen Justiz lässt sich vielmehr auch durch Kriterien außerhalb der Geschäftsstatistiken anschaulich belegen. Hier ist zunächst die Qualität der Aufgabenerfüllung zu nennen.
In den bayerischen Gerichten und Staatsanwaltschaften wird ebenso wie im Strafvollzug nicht nur schnelle, sondern auch gute Arbeit geleistet. Ungeachtet dessen, dass ein gerichtliches Urteil häufig nicht die ungeteilte Zustimmung beider Streitparteien finden wird, ist im Wesentlichen ein großes Vertrauen der Bürger in die Arbeit der Gerichte feststellbar. Benutzerumfragen bei verschiedenen bayerischen Gerichten erbrachten insgesamt sehr erfreuliche Ergebnisse. Der ausgezeichnete Ruf, den die bayerischen – wie überhaupt die deutschen – Gerichte im Ausland besitzen, zeigt sich besonders deutlich bei den Streitigkeiten im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Da es sich hier häufig um grenzüberschreitende Streitigkeiten handelt, hat der Kläger in der Regel die Wahl, bei welchem europäischen Gericht er seine Klage anhängig macht. Dass zwischenzeitlich mehr als zwei Drittel aller europäischen Patentverletzungsstreitigkeiten bei deutschen Gerichten – vor allem in München und Düsseldorf – verhandelt werden, ist als Vertrauensbeweis in die Arbeit unserer Gerichte zu werten.
Besondere Erwähnung verdient an dieser Stelle auch die äußerst effektive und erfolgreiche Arbeit der bayerischen Staatsanwaltschaften. Die Ermittlungsbehörden haben sich den Herausforderungen bei der Bekämpfung der neuen Formen schwerer Kriminalität – ich nenne hier nur die Organisierte Kriminalität und die Wirtschaftskriminalität – gestellt. Gerade bei der Abschöpfung illegal erworbenen Vermögens setzen Justiz und Polizei in Bayern Maßstäbe. Der Umfang der vorläufig gesicherten Vermögenswerte wurde seit 1998 um nicht weniger als 1540% gesteigert.
Wesentliche Kriterien für die Qualität des bayerischen Strafvollzugs sind der Schutz der Bürger vor weiteren Straftaten und die Heranführung der Gefangenen an ein rechtschaffenes Leben in der Gemeinschaft. Experimente zu Lasten der Sicherheit der Bevölkerung wird es in Bayern nicht geben.
(Beifall des Abgeordneten Herrmann (CSU)
Wenn Zweifel an der Eignung für eine Vollzugslockerung bestehen, dann müssen diese Zweifel zu Lasten des Gefangenen gehen – nicht zu Lasten möglicher Opfer.
Selbstverständlich unternehmen wir aber alle Anstrengungen für eine Resozialisierung der inhaftierten Straftäter. Auch die erfolgreiche Resozialisierung von Straftätern ist ein Gewinn an Innerer Sicherheit. Dabei kommt einer ständigen Weiterentwicklung des Arbeits-, Fortbildungs- und Freizeitangebots sowie einer qualitativ hochwertigen ärztlichen, psychologischen, seelsorgerischen und sozialen Betreuung ganz entscheidende Bedeutung zu.
Besonderes Gewicht legen wir auf die Ausbildung und die Hinführung der Gefangenen zu einer geregelten Arbeit. Für viele Gefangene ist es ein erstes Erfolgserlebnis, wenn sie einmal drei oder vier Stunden zusammenhängend gearbeitet haben. Derzeit stehen in den bayerischen Vollzugsanstalten insgesamt 879 qualifizierte Berufsausbildungsplätze zur Verfügung. Neben Ausbildungsberufen wie Kfz-Mechaniker oder Elektroinstallateur können wir auch Meistervorbereitungskurse, Sprachkurse und Fortbildung im EDV-Bereich anbieten. Die Ausbildungserfolge sprechen für sich: Im letzten Jahr nahmen mehr als 4600 Gefangene an Ausbildungsmaßnahmen teil. 130 Inhaftierte holten den Haupt- oder Realschulabschluss nach.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer Gradmesser für die Leistungsfähigkeit der bayerischen Justiz sind die Akzentsetzungen im Bereich der Rechtspolitik. Einen Schwerpunkt bildet dabei die rechtspolitische Arbeit auf Bundesebene. Bayern setzt sich seit jeher tatkräftig für eine bürgernahe und praxisgerechte Ausgestaltung des Zivil- und Strafrechts ein. Ich möchte hier nur kurz auf zwei Themen eingehen, die mir derzeit besonders am Herzen liegen:
Erstens. Die Bundesregierung hat es bisher entgegen allen Betreuerungen unterlassen, die Bevölkerung ausreichend vor Straftaten zu schützen. Die Versäumnisse von Rot-Grün bei der Bekämpfung von Straftaten ziehen sich wie ein roter Faden durch die Bundesgesetzgebung der letzten Jahre. Dies beginnt schon bei der Bekämpfung der Alltagskriminalität, wo die Bundesregierung unsere Vorschläge zum Beispiel für eine verbesserte Bekämpfung des Graffiti-Unwesens blockiert.
Sie können lachen, aber Sie wissen, dass den Schaden in zig Millionen Höhe der Bürger tragen muss, der keinen entsprechenden Schadenersatz bekommt.
Als weiteres Beispiel ist das Jugendstrafrecht zu nennen. Angesichts der Entwicklung der Jugendkriminalität fordern wir seit Jahren eine wirkungsvollere Ausgestaltung der Sanktionsmöglichkeiten im Jugendstrafrecht. Unsere Gesetzentwürfe zu dieser drängenden Proble
matik wurden im Bundesrat von den SPD-geführten Ländern bisher blockiert.
Die Bundesregierung ist völlig untätig geblieben. Wenn die Regierungskoalition nunmehr – endlich – im Koalitionsvertrag ankündigt, sie wolle das Jugendstrafrecht auf Veränderungsbedarf prüfen, so zeigt dies in aller Deutlichkeit, dass sie die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen hat.
Die Liste der Versäumnisse der Regierungskoalition ließe sich noch um ein gutes Stück verlängern. Ich will hier nur exemplarisch unsere Forderungen nach Einführung praxisgerechter Kronzeugenregelungen und nach Verbesserungen bei der Erstellung von DNA-Analysen zu Zwecken der Strafverfolgung nennen.
Wir werden in unseren Anstrengungen um eine weitere Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung nicht nachlassen. Unser besonderes Augenmerk muss dabei dem Schutz der Bevölkerung vor schweren Straftaten gelten. Einige entsetzliche Verbrechen aus jüngster Zeit haben deutlich gemacht, dass das Strafrecht noch Lücken aufweist, soweit es um den Schutz der Allgemeinheit vor Sexualstraftaten und andren schweren Delikten geht.
Die Staatsregierung hat bereits im Oktober einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem diesen Defiziten entgegengewirkt werden kann. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Im Kern fordern wir die Heraufsetzung der Mindestverbüßungsdauer bei lebenslanger Freiheitsstrafe auf 20 Jahre, eine den Sicherheitsbedürfnissen genügende bundesweite Regelung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung sowie Verbesserungen bei der Ahndung von Straftaten Heranwachsender und bei der Verfolgung von Kindesmissbrauch.
Wir nehmen zur Kenntnis, dass sich die neue Bundesjustizministerin unseren Vorschlag zu eigen gemacht hat, die Grundfälle des Kindesmissbrauchs als Verbrechen zu brandmarken. Bisher hatten SPD und GRÜNE dies im Bundestag immer abgelehnt. Auch ansonsten hat die Koalition den markigen Ankündigungen des Bundeskanzlers bisher keine Taten folgen lassen. Die vom Bundestag beschlossene Vorbehaltsregelung der nachträglichen Sicherungsverwahrung bringt jedenfalls keinen ausreichenden Schutz für die Bürger. Die Vorbehaltsregelung greift bei bereits verurteilten Straftätern, deren Gefährlichkeit sich erst während der Haft herausstellt, nicht. Sie erfasst keine Altfälle. Das heißt, alle, die wir zurzeit in Haft haben und die wir in den nächsten sechs bis acht Jahren entlassen müssen, sind von diesem neuen Gesetz nicht erfasst. Anlässlich der bayerischen Gesetzesinitiative muss Rot-Grün Farbe bekennen, ob ihre Bekenntnisse im Koalitionsvertrag zu einem besseren Schutz vor Sexualstraftaten wirklich ernst gemeint sind.
Ein zweites drängendes rechtspolitisches Thema ist die erforderliche Reform des Betreuungsrechts. Bei der Darstellung der schwierigen Rahmenbedingungen für die Justiz habe ich bereits erwähnt, dass die Zahl der Betreuungen in den letzten Jahren drastisch angestie
gen ist. Es stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung tatsächlich dem Sinn des Betreuungsrechts entspricht. Die Rechtsfürsorge für psychisch Kranke oder altersdemente Menschen ist sicher eine besonders wichtige Aufgabe der Justiz. Uns allen ist aber ebenso bewusst, dass das Institut der Betreuung nicht zum Selbstzweck werden darf.
Auch die Betroffenen werden es häufig nicht als reine Rechtswohltat empfinden, wenn für sie ein Betreuer bestellt wird. Wir müssen daher Wege finden, die Zahl der Betreuungsfälle zu reduzieren und die Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen auf das absolut Notwendige zu beschränken.
Ich halte es für einen richtigen Ansatz, die privatautonome Vorsorge für den Fall einer rechtlichen Betreuungsbedürftigkeit zu stärken. Wer rechtzeitig Vollmachten für den Fall einer späteren Betreuungsbedürftigkeit erteilt, kann hierdurch die Anordnung einer Betreuung überflüssig machen. Wir haben bereits im vergangenen Jahr eine Vorsorgebroschüre herausgebracht, die konkrete Vorschläge für die Abfassung von Vorsorgevollmachten und auch von Patientenverfügungen enthält. Die Nachfrage nach dieser Broschüre übertraf bei weitem alle Erwartungen. Innerhalb eines Jahres wurden mehr als 400000 Exemplare versandt. Das zeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger für das Thema private Rechtsfürsorge durchaus zu interessieren sind.
Wir haben die Broschüre damals nicht flächendeckend verteilt, auch nicht im Parlament. Aber wir haben einige Exemplare dabei. Wenn also jemand ein spezielles Interesse daran hat, möge er sich bei uns melden. Dann bekommt er ein Exemplar dieser Broschüre.
Daneben halte ich jedoch auch gesetzliche Änderungen für erforderlich. Auf Beschluss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister wurde im Sommer 2001 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge für eine Strukturreform des Betreuungsrechts erarbeiten wird. Bayern wird sich im Rahmen der Arbeitsgruppe nachdrücklich für eine möglichst schnelle Lösung der Problematik einsetzen.
Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf einen dritten Maßstab für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Justiz eingehen, nämlich auf die Entwicklung und Umsetzung innovativer Projekte. Die dritte Gewalt darf sich nicht auf Erreichtem ausruhen, sondern muss offen bleiben für neue Wege und technischen Fortschritt.
Über „eGovernment“ das heißt die Erbringung staatlicher Leistungen auf elektronischem Wege – wird heute viel diskutiert. Die bayerische Justiz hat hier schon erfolgreich Pionierarbeit geleistet. Mit den EDV-Programmen SolumSTAR und RegisSTAR werden inzwischen sämtliche Grundbücher Bayerns und mehr als die Hälfte der Handelsregisterblätter elektronisch geführt. Dadurch können Eintragungen in die Register schneller erfolgen. Einsichtnahmen sind in einem Online-Abrufverfahren möglich.
Wir haben jetzt einen riesigen Vorteil. Während früher derjenige, der im Grundbuchamt Aschaffenburg Einblick nehmen wollte, zum Beispiel von München nach Aschaffenburg fahren musste, was eine Tagesreise war, kann er heute bei jedem beliebigen Amtsgericht in Bayern die Information bekommen, gleichgültig ob das das Grundbuchamt in Aschaffenburg, in Lindau, in Passau oder in Garmisch-Partenkirchen betrifft.
Beim zentralen Mahngericht in Coburg werden sämtliche Mahnverfahren – circa 1,5 Millionen Anträge jährlich – mit dem automatisierten gerichtlichen Mahnverfahren AUGEMA maschinell bearbeitet. Etwa 60% der Anträge werden im elektronischen Verfahren abgewickelt. Im Hinblick auf die übrigen – auf Papiervordrucken eingereichten – Anträge führen wir Online-Varianten des Mahnverfahrens ein. Planungen für ein Pilotprojekt zum elektronischen Rechtsverkehr hat die bayerische Justiz bereits aufgenommen.
Innovation darf jedoch nicht auf technischen Fortschritt reduziert werden. Die Justiz in Bayern zeigt auch durch zahlreiche Modellprojekte im Straf– und Zivilrecht neue Wege zur Lösung gesellschaftlicher Problemstellungen im Justizbereich auf. Über mehrere dieser Projekte habe ich bereits ausführlich im Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags berichtet. Ich darf mich daher an dieser Stelle darauf beschränken, einige Beispiele zu nennen, etwa unser viel beachtetes kriminalpädagogisches Schülerprojekt „teen court“ in Aschaffenburg, den Modellversuch „Wiedergutmachung im Strafverfahren über anwaltliche Schlichtungsstellen“, das Projekt Graffiti München oder den Modellversuch „Außergerichtliche Beilegung von Zivilrechtsstreitigkeiten“ im Landgerichtsbezirk Nürnberg-Fürth.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, zu guter Letzt möchte ich nochmals allen Angehörigen der bayerischen Justiz für die geleistete Arbeit herzlich danken. In meinen Dank schließe ich selbstverständlich auch die Rechtsanwaltschaft, die Notarinnen und Notare und die Polizei ausdrücklich ein. Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit derjenigen, die sich ehrenamtlich bei der Justiz engagieren und damit einen wertvollen Beitrag zur Leistungsbilanz der Justiz erbringen.
Vielen Dank auch den Kolleginnen und Kollegen im Bayerischen Landtag für die Unterstützung der bayerischen Justiz. In erster Linie gilt dies natürlich für die Mitglieder des Rechtsausschusses, des Petitionsausschusses und des Haushaltsausschusses, allen voran für den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses, Kollegen Manfred Ach, und für den Berichterstatter Herbert Müller.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Interesse unserer gemeinsamen Sache – der Gewährleistung des Rechts im Freistaat Bayern – wünsche ich mir eine Fortsetzung der guten Zusammenarbeit. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zum Entwurf des Justizhaushalts für die Jahre 2003 und 2004. – Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich möchte mich zunächst einmal bei allen Rednerinnen und Rednern dafür bedanken, dass sie den Wert der Justiz so deutlich herausgestellt haben. Ich bin auch dankbar dafür, dass sie der Justiz an sich so viel gutes tun wollen. Selbstverständlich tut sich die Opposition hierbei leichter, denn sie muss am Schluss nicht zusammenrechnen.
Sie können jetzt natürlich alles fordern, und danach beklagen Sie sich, dass die Verschuldung zu hoch ist.
Ich möchte allerdings deutlich sagen, dass sich die Justiz auch nicht auf einer Insel der Glückseligen befindet. Wir sind realistisch. Wenn jede neue Steuerschätzung noch katastrophaler als die frühere ausfällt, dann schlägt
sich das auch bei der Justiz nieder. Bevor sie hier herumjammern und auf die Verantwortlichen in der Justiz schimpfen, sorgen sie bitte dafür, dass in Berlin eine vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik betrieben wird. Dann gibt es mehr Steuereinnahmen und mehr Geld, und dann wird die Justiz von diesem Parlament auch die Stellen bekommen, die sie bräuchte.
(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN: Davon war schon vor vier Jahren die Rede, und das war nach Kohl!)
Wir wissen, dass die Justiz stark belastet ist. Dabei ist Bayern allerdings kein Sonderfall. Vor ein oder zwei Jahren hatten wir unter den Justizministern einmal ein Kamingespräch, bei dem ein Kollege aus einem anderen Bundesland wissen wollte, wie hoch in den einzelnen Ländern die Belastung der Justiz sei, weil seine Justiz ständig jammern würde. Daraufhin haben wir verglichen und festgestellt, dass die Belastung überall die gleiche ist. Die Pensenzahlen lagen von Mecklenburg-Vorpommern bis zum Saarland und von Schleswig-Holstein bis Baden-Württemberg bei ungefähr 1,30. Die Belastung ist also überall die gleiche. Selbstverständlich ist sie zu hoch. Wir bemühen uns auch darum, die Situation zu verbessern. Wenn aber die wirtschaftlichen Verhältnisse so ungünstig sind, kann ich als Justizminister nicht mehr fordern als das, was ich vernünftigerweise noch verantworten kann.
Frau Kollegin, wir reden jetzt darüber, was wir für die Justiz erreichen können.
Ich bin dankbar dafür, dass wir in einer Zeit, in der es an sich keine neuen Planstellen gibt, für das Sicherheitspaket doch noch einiges bekommen haben. Ich glaube, wir werden damit einigermaßen über die Runden kommen. Frau Kollegin Stahl, ich rede hier keine Probleme klein. Ich weiß nicht, ob ein Justizminister schon so deutlich darauf hingewiesen hat, wo bei uns die Probleme liegen. Ich trage dafür die Verantwortung, aber wir müssen uns nach der Decke strecken. Wir können die momentane finanzielle Situation im Staat nicht vollkommen ignorieren.
Die Gerichtsvollzieher sind angesprochen worden. Ich bin dankbar dafür, dass wir vor zwei Jahren 50 zusätzliche Stellen plus 10 Ausbildungsstellen bekommen haben. Bevor ich einen Gerichtsvollzieher einsetzen kann, muss ich erst einmal Bewerber finden, die die Ausbildung antreten; dann muss ich sie 18 Monate lang ausbilden, und erst nach vielleicht zwei Jahren wird sich der Erfolg erstmals niederschlagen. Es ist gar nicht so einfach, Leute zu bekommen. Denen, die sich gegen die Ausbildung Externer gewandt haben, müssen wir heute recht geben. Wir würden die Zahl nie erreichen, wenn wir
nur von auswärts Bewerber bekommen. Ich glaube aber, dass sich unsere Bemühungen positiv niederschlagen werden, wenn die Leute ausgebildet und einsetzbar sind. Ich kann die Bezirke der Gerichtsvollzieher auch nicht zu klein machen. Der Kuchen, der zu verteilen ist – also die Einnahmen – ,wächst nicht. Je mehr Gerichtsvollzieher zur Verfügung stehen, umso geringer wird der Anteil des einzelnen Gerichtsvollziehers an den Einnahmen.
Des Weiteren ging es um die pauschale Entschädigung. Dazu muss ich deutlich sagen, dass der bayerische Justizminister diese Regelung nicht aus Jux und Tollerei getroffen hat. Wir sind gerügt worden, dass diese pauschale Entschädigung zu hoch ist. Bundesweit sind wir aufgefordert worden, diese Pauschale zu kürzen. Wir haben es in Verhandlungen mit dem Finanzminister sogar fertig gebracht, für 2001 den höheren Betrag bei den Gerichtsvollziehern zu belassen und die 8000 DM nicht zurückzufordern.
Selbstverständlich debattieren wir jetzt darüber, wie wir diese Bürokosten am besten entschädigen können. Sie glauben nicht, worüber wir bei der letzten Justizministerkonferenz diskutiert haben, über eine allgemeine Pauschale, über Spitzabrechnungen oder über erfolgsabhängige Pauschalen. Keiner unter den Justizministern weiß im Moment, wo es lang geht, und zuerst muss auch noch mit den Finanzministern gesprochen worden. Ich darf Ihnen aber sagen, die Vorschläge aus Bayern kommen den Vorstellungen der anderen Justizminister am nächsten. Ich hoffe darauf, dass wir eine Lösung zustande bekommen, damit die Gerichtsvollzieher zufrieden sind.
Der nächste Bereich ist der Strafvollzug. Selbstverständlich ist das Personal knapp. Ich möchte aber nicht übersehen, dass wir allein in den letzten vier Jahren 500 Stellen zusätzlich bekommen haben. Wir haben wesentliche Verbesserungen erreicht. Wir haben auch bei den Bauprogrammen in punkto Sicherheit einiges leisten können, was zu einer Entlastung der Bediensteten führt. Bei einer modernen Video-Sensoranlage, die bei jeder Bewegung Alarm auslöst, brauche ich nicht soviel Personal, als wenn ich selbst in größten Anstalten, wie zum Beispiel Berlin-Tegel mit 1600 Inhaftierten, keine derartige Anlage habe. Ich habe mir vor drei Wochen mit der Kollegin Schubert Berlin-Tegel angeschaut. Ich war ganz erstaunt. Wir haben etliches mehr an technischen Sicherheitsvorkehrungen, und damit ersparen wir uns Personal. Wir haben deutlich gemacht, dass wir mit dem, was wir bekommen, phantasievoll umgehen. Zum Beispiel haben wir uns aus 15 Stellen für Justizvollzugsbedienstete 12 höherwertige Stellen genehmigen lassen, um eine Abteilung für Sozialtherapie zusätzlich einrichten zu können.
Kollege Hahnzog hatte die Besetzung des Verfassungsgerichtshofs angesprochen. Kollege Hahnzog, ich bin ein bisschen im Zweifel. Ist das bei Ihnen Unkenntnis, oder wollen Sie mich aufs Glatteis führen? Ich bin mir sicher, dass es bei Ihnen keine Unkenntnis ist. Der baye
rische Justizminister hat mit der Besetzung des Verfassungsgerichtshofes überhaupt nichts zu tun, Herr Hoderlein. Die Besetzung des Verfassungsgerichtshofes wird von der Präsidentin dieses Gerichtes vorgeschlagen, und dieser Vorschlag wird dann über den Ministerpräsidenten an den Landtag weitergeleitet.
Der Justizminister ist überhaupt nicht involviert. Also, warum werfen Sie das eigentlich mir vor? – Ich habe damit überhaupt nichts zu tun.
Nun zum Thema lebenslängliche Freiheitsstrafe. Für viele Bürger wird es etwas Neues sein, dass „lebenslänglich“ nicht lebenslängliche Haft bedeutet. Selbstverständlich tragen wir der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechnung. Aber ist es richtig, dass für schwerste Straftaten die Mindeststrafe nicht mehr ist als die längste zeitige Strafe? Das ist eine grundsätzliche Entscheidung. Das hat nichts mit der Gefährlichkeit zu tun. Wenn der Straftäter gefährlich ist, lassen wir ihn länger in Haft. Das ist ganz klar. Aber hier geht es um eine Grundentscheidung. Wir sind der Meinung, für schwerste Straftaten muss es eine schwere Strafe geben, und dafür sind 15 Jahr zu wenig.
Nächster Bereich: Jugendstrafrecht. Die Debatten beim Juristentag in Berlin habe ich miterlebt. Ich habe sogar die etwas konfusen Debatten miterlebt. Ich weiß, dass die Abstimmungen nicht so klar waren, es gab viel Hin und Her und teilweise mussten die Abstimmungen sogar wiederholt werden. Es war also keineswegs ein klares Meinungsbild.
Eines möchte ich zu bedenken geben: Es geht um den Heranwachsenden, der 18 bis 21 Jahre alt ist. Er kann zivilrechtlich jeden Vertrag schließen. Er kann eine Erbschaft ausschlagen, jede blödsinnige Verpflichtung eingehen. All das ist rechtsgültig. Im Strafrecht aber soll er entmündigt sein. Ich bin der Meinung, wir sollten zu dem Grundsatz kommen, im Normalfall ist er wie ein Erwachsener zu behandeln. Wenn ich bedenke, dass es Gerichte gibt, an denen 95% der Heranwachsenden nach dem Jugendstrafrecht behandelt werden, dann bekomme ich Zweifel, ob die intensive Abwägung des Gerichts tatsächlich stattfindet.
Nächster Punkt: Nachträgliche Sicherheitsverwahrung. In dieser Frage haben wir selbstverständlich schon etliche Anläufe unternommen. Ich allein habe schon drei Vorstöße im Bundesrat gemacht. Bei meinem dritten Vorstoß habe ich mich schon fast geniert. Dann aber habe ich Hoffnung geschöpft, weil der Kanzler zwei Tage vorher – es war Wahlkampf – große Sprüche machte und sagte: „Wer sich an kleinen Kindern vergeht, gehört für immer weggesperrt.“ Von Innenminister Schily wurde er nachhaltig darin unterstützt. Zwei Tage später bin ich in den Bundesrat gegangen und habe mir gedacht, jetzt wird es schon laufen, denn der Kanzler und der Innenmi
nister waren dafür. Jetzt aber hat die Bundesjustizministerin den Kopf geschüttelt.
Dann hat man mit dem Herumeiern angefangen. Zunächst wurde gesagt, das ist nicht die Sache des Bundes, dafür ist der Bund nicht zuständig. Das sollen die Länder machen. Das haben wir dann auch gemacht in Form einer polizeirechtlichen Regelung. Als der Wahltermin dann aber näher rückte, als der Druck der Öffentlichkeit kam, hat man sich dann aber doch gedacht: „Moment mal, es könnte doch Sache des Bundes sein.“ Anschließend hat man die Vorbehaltsregelung eingeführt. Da ist einem also doch wieder etwas eingefallen. Wahrscheinlich, weil man Angst vorm Wähler hatte. Wie üblich hat man Handlungen vorgetäuscht, ohne wirkliche Verbesserungen zu schaffen. Ich sage deshalb noch einmal: Diese Vorbehaltslösung kann für künftige Fälle gelten, für künftig Verurteilte. Für all die Gefährlichen aber, die wir in den nächsten fünf oder sechs Jahren entlassen müssen, auf die ist die Regelung nicht anzuwenden. Genau um diese Fälle geht es aber. Ich als Justizminister trage die Verantwortung, dass diese Straftäter nicht auf die Menschheit losgelassen werden.
Nächster Punkt: Richtervorbehalt, DNA. Es dürfte allgemeine Meinung sein: Wenn die Zustimmung des Betroffenen vorliegt, braucht man keine Richterentscheidung. Das ist ein Randgefecht, über das brauchen wir gar nicht reden.
Was wurde noch angesprochen? 10% aller Geldstrafen sollen an Opferschutzverbände gehen. Kollege Dr. Hahnzog, das war wieder so eine plakative Forderung, die die Bundesjustizministerin kurz vor der Wahl aufgestellt hat.
Sie hat gehofft, dass sie hierfür große Zustimmung bei den Bürgern bekommt. Wissen Sie, was Kollege Dieckmann zu mir sagte? – „Die ist doch verrückt geworden.“ Kollege Dieckmann hat mir vorgerechnet: „Das macht bei mir 200 Richterplanstellen aus. Als ich das in der Zeitung gelesen habe – es war während einer Justizministerkonferenz – habe ich mich sofort ans Telefon gesetzt und gesagt: „Glaubt bloß nicht, dass wir das mitmachen werden.““ So ist es auch geschehen. Das ist ein totgeborenes Kind, weil sich das die Länder nicht leisten können, auch nicht die SPD-regierten Länder. Kollege Dieckmann ist inzwischen sogar zum Finanzminister aufgestiegen. Ich glaube deshalb, das zeigt, dass wir nicht vollkommen im Abseits stehen.
Nächster Punkt: Ich stelle die Errungenschaften der bayerischen EDV-Technik dar, und Sie sagen: „So weit seid Ihr gar nicht. Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind schon weiter.“ Da liegen Sie aber falsch, Herr Kollege Dr. Hahnzog. Computer ist nicht gleich
Computer. Diese Bundesländer haben zwar Computer, aber die Computer verfügen nur über Schreibprogramme. Entscheidend sind aber nicht Schreibprogramme, sondern die Fachverfahren, die man braucht, um die Justizarbeit umsetzen zu können.
Bei SolumStar und RegisStar sind wir in ganz Deutschland federführend. Die anderen Bundesländer schließen sich unserem Vorbild an. Wir sind darüber froh, weil Sie dann mitzahlen. Wir sind einsame Spitze, und darüber bin ich froh.
Sie haben die Sache mit dem Grenzabstand angesprochen. Das ist zwar ein Nebengefecht, aber auch Sie müssten wissen: AGBGB – unsere landesrechtliche Regelung ist Landesrecht. Bundesrecht bricht Landesrecht.
Wir haben eben den § 242 BGB – Leistung nach Treu und Glauben. Wir haben auch den § 226 BGB – Schikaneverbot. Die Gerichte legen die bayerische Regelung eben dahin gehend aus, dass damit das höherrangige Bundesrecht entgegensteht, dass es nicht gilt. Wir wollen das im Gesetz jetzt klarstellen. Andererseits haben wir gesagt, im Sinne der Deregulierung: Wenn es bisher so gegangen ist, dann geht es auch weiterhin ohne. Damit kann ich leben. Die Richter werden das Recht kennen und die Rechtsanwälte nach der Diskussion inzwischen hoffentlich auch.
Ich möchte auf jeden Fall deutlich sagen, dass wir trotz der schwierigen Zeit auf einem guten Weg sind.
Wie bitte? Ach ja, Berufung der Richter. Es geht jetzt darum, dass die Justizministerin gesagt hat, solange ich die nicht befördern kann, ist die Unabhängigkeit der Richter mir etwas wert. Ich darf Ihnen etwas sagen, der Präsidialrat, die von den Richtern gewählte Vertretung, die bei der Ernennung zu beteiligen ist, hat vor ungefähr zwei Monaten gewechselt. Ich habe für den bisherigen Präsidialrat ein Abschiedsessen gegeben. Der bisherige Präsident, Herr Gummer, hat mir eine Auflistung der von der Richterschaft gewählten Personen gemacht. Ich habe in den letzten drei Jahren knapp vierhundert Personalentscheidungen getroffen.
Nur in fünf von vierhundert Fällen hat der Präsidialrat einen Alternativvorschlag gemacht. Von fünf Fällen habe ich in vieren dem Vorschlag des Präsidialrats Rechnung getragen. Nur in einem einzigen Fall – es war eine nicht sehr bedeutende Position, es ging um den Direktor eines Amtsgerichts –, habe ich meine Meinung beibehalten. Nachträglich hat der Präsidialrat zum mir gesagt: „Sie haben wohl Recht gehabt.“ Auch der von der Richterschaft gewählte Präsidialrat stimmt also mit den Entscheidungen des Justizministers überein. So falsch können die Entscheidungen des Justizministers also nicht sein.
Frau Kollegin Stahl hat vorhin von den leuchtenden Augen des Justizministers gesprochen. Es ist richtig, ich bekomme leuchtende Augen, wenn ich an die bayerische Justiz denke.
Ich bekomme leuchtende Augen, wenn ich an die Leistung der bayerischen Justiz denke. Ich muss sagen, ich bin stolz darauf, dass ich als Minister für diese bayerische Justiz Verantwortung trage.
Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich beantworte die Frage von Frau Kollegin Tausendfreund wie folgt: Gegen MdL Dr. Gröber wurde zunächst wegen des Verdachts der veruntreuenden Unterschlagung ermittelt, später wurde auch eine mögliche Steuerhinterziehung geprüft. Mit Verfügung vom 18. Oktober 2002 hat die Staatsanwaltschaft München II das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und dies wie folgt begründet; ich zitiere in Auszügen:
Zunächst zur Steuerhinterziehung:
Nach dem Ermittlungsergebnis ist also nicht auszuschließen, dass der Beschuldigte die Zuwendung als Schenkung an sich selber betrachtete. Dann war er allerdings zur Abgabe einer Schenkungssteuer verpflichtet. Insoweit hat er am 17. Juni 2002 den Empfang des Betrages als Schenkung beim Finanzamt Kaufbeuren nachgemeldet und die Schenkungssteuer entrichtet, so dass hinsichtlich einer Schenkungssteuerhinterziehung gemäß § 371 Abs. 3 AO Straffreiheit eingetreten ist. Ein Fall des § 371 Abs. 2 AO lag nicht vor, weil jedenfalls eine etwaige Steuerhinterziehung zu dieser Zeit nicht entdeckt war.
Zum Verdacht der Unterschlagung schreibt die Staatsanwaltschaft:
Wenn man zur Überzeugung gelangt, dass der Beschuldigte die empfangene Zuwendung an die CSU hätte abführen müssen, aber bestimmungswidrig für sich behielt, wäre hinsichtlich dieser Unterschlagung Verfolgungsverjährung eingetreten. Dem Beschuldigten kann nämlich nicht widerlegt werden, dass er den Geldbetrag, seiner Aussage entsprechend, bereits im September 1996 erhalten hat.
Bei dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München II gegen MdL Dr. Gröber handelt es sich schon wegen dessen Immunität um eine Berichtssache.
Frau Kollegin, ich habe bereits die beiden Möglichkeiten deutlich gemacht. Wenn er gedacht hätte, dass das Geld für ihn selbst bestimmt sei, wäre Schenkungssteuer fällig gewesen. Das hat er rechtzeitig angezeigt, somit war es nicht strafbar. Wenn das nicht der Fall gewesen wäre, wäre es eine Unterschlagung gewesen. Diese Unterschlagung wäre dann bereits verjährt gewesen.
Frau Kollegin Tausendfreund, das Verfahren ist nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, weil keine Straftat verfolgt werden konnte.
Frau Kollegin Paulig, Herr Genz ist zu diesem Sachverhalt vernommen worden. Wir haben aber auch die Aussage von Herrn Dr. Gröber.
Herr Präsident, Hohes Haus, verehrter Herr Kollege Schuster! Darüber liegen der Bayerischen Staatsregierung keine Erkenntnisse vor. Im Gegenteil: Nach Nummer 1 zu § 22 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz überprüfen die Justizvollzugsanstalten in unregelmäßigen Abständen, ob Güte und Preis der beim Einkauf gelieferten Gegenstände angemessen sind. Damit wird insbesondere sichergestellt, dass von den Gefangenen keine überhöhten Preise verlangt werden.
Herr Kollege, auch ich bekomme immer wieder Schreiben von Gefangenen, die der Meinung sind, dass in den Gefängnisshops überhöhte Preise verlangt würden. Wir überprüfen das regelmäßig. Mir ist kein Fall bekannt, bei dem die Preise überhöht gewesen wären. Natürlich muss klar sein, dass in einem solchen Laden die Preise nicht auf einem so niedrigen Niveau wie in einem Supermarkt sein können, schon gar nicht auf dem Niveau von Sonderangeboten. Da Sie der stellvertretende Vorsitzende des Gefängnisbeirates in Nürnberg sind, haben wir auch dort nachgefragt. Der Anstaltsleiter hat mir gesagt, dass es derzeit keine Beschwerden gebe. Wenn festgestellt würde, dass in einem solchen Laden die Produkte zu überhöhten Preisen angeboten würden, müssten wir zunächst mit dem Händler sprechen und darauf hinwir
ken, dass die Preise angepasst werden. Sollten sie dann nicht angepasst werden, wäre das sicher ein Grund, den Vertrag mit dem Händler aufzulösen.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Nachdem ich von den Rednern der Opposition mehrmals persönlich angesprochen worden bin, wird sicherlich erwartet, dass ich zu den Sachverhalten noch Stellung beziehe. Vorweg möchte ich mich beim Kollegen Kreuzer bedanken. Er hat schon sehr viel von dem richtiggestellt, was Unrichtiges von diesem Pult verkündet worden ist.
Ich möchte auch einen Dank an die Mitarbeiter der Justiz für die Unterstützung im Untersuchungsausschuss vorausschicken, und zwar an die Mitarbeiter im Ministerium, bei der Staatsanwaltschaft und bei den Gerichten. Der Herr Vorsitzende Güller hat zwar versucht, das lächerlich zu machen, indem er meinte, deren Haupttätigkeit hätte lediglich darin bestanden, mitzustenografieren. Ich muss sehr deutlich sagen: Meine Mitarbeiter haben Tausende von Stunden geleistet, damit dieser Untersuchungsausschuss überhaupt vernünftig arbeiten kann.
Das beginnt bei der Vorbereitung der Beschlüsse und endet bei ihrer Durchführung. Ich möchte einmal deutlich sagen, was unseren Leuten zugemutet wird. Am vergangenen Dienstag kam ein mehrseitiger Antrag, für über 200 Zitate die Geheimhaltung aufzuheben. Meine Leute haben alle anderen Arbeiten zurückgestellt, um zu überprüfen, wo die Geheimhaltung aufgehoben werden kann und wo nicht. Ich weiß nicht, ob sich auch die Staatsanwaltschaft und die Gerichte so viel Zeit nehmen konnten. Ich sage deutlich: Die Justiz hat diesen Untersuchungsausschuss nach bestem Wissen und Gewissen unterstützt.
Ich möchte ein Weiteres sagen. Ich habe sicher einige Erfahrung mit Untersuchungsausschüssen. Ich war bei drei großen Untersuchungsausschüssen der Vorsitzende. Ich habe selten einen Untersuchungsausschuss erlebt, bei dem die Ergebnisse so dünn waren, aber so starke Sprüche gefolgt sind, wie dies hier der Fall war.
Wenn man den Untersuchungsausschuss teilweise miterlebt hat und sich den Minderheitenbericht ansieht, wundert man sich, was in ihm an Tatsachenverdrehungen und falschen Schlüssen enthalten ist, nur um ein Konglomerat von Vorwürfen zu schaffen mit dem Ziel, irgendjemandem etwas anzuhängen. Zuerst wollte man dem Ministerpräsidenten etwas anhängen, hat aber nichts gefunden. Statt dass man fair wäre und gesagt hätte, nein, es ist nichts da, lässt man es im Raum stehen. Dann versuchte man, dem jeweiligen Justizminister etwas anzuhängen, hat aber auch nichts gefunden. Dies lässt man aber auch im Raum stehen. Am Schluss ging man dann mit absurden Vorwürfen auf die Beamten los in der Hoffnung, etwas werde schon hängen bleiben, was die Beamten und auch die politische Spitze treffe. Ich glaube, dies ist ein fieser Stil. Wenn sich bei einer Beweisaufnahme nichts ergibt, gebe ich das eben zu.
Wie so etwas abläuft, haben wir sehr deutlich gesehen. Generalstaatsanwalt Froschauer war noch gar nicht vernommen, aber der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses forderte bereits seinen Rücktritt. Das muss man sich einmal vorstellen. Derselbe Vorsitzende, von dem man Objektivität und eine faire Zeugeneinvernahme erwartet, fordert den Rücktritt eines Zeugen bereits vor dessen Vernehmung. Herr Güller, ich glaube, was Sie geboten haben, war kein Glanzstück.
Weil die Fakten gar so dünn sind, muss man noch einen draufsetzen und fordert den Rücktritt des Amtschefs. Die Begründung lautete im Prinzip: Er war einmal Mitarbeiter in der Landesleitung, und er war Beamter in der Staatskanzlei. Sonst haben Sie überhaupt nichts. Sie haben gar nichts. Das sind Vermutungen, Sie können aber nichts nachweisen. Den Leuten hängen Sie aber etwas an, weil Sie die Hoffnung haben, damit auch die politisch Verantwortlichen treffen zu können.
Das Untersuchungsausschussgesetz verlangt richtigerweise vom Vorsitzenden die Befähigung zum Richteramt. Der Hintergrund ist nicht nur, dass er eine Zeugenbelehrung vornehmen kann, sondern der Hintergrund ist, dass auch die Zeugen darauf vertrauen können, fair behandelt zu werden, ehrlich gefragt zu werden. Die richtige Aussage ist nicht diejenige, die dem Vorsitzenden in seinen politischen Kram passt, sondern die richtige Aussage ist die wahre Aussage. Das sollte man sich einmal merken.
Ich habe mir im Nachhinein die Vernehmungen angesehen.
Schreien Sie doch nicht so herum; jetzt bin ich dran.
Ich habe auch noch das Mikrofon. Durch das Mikrofon habe ich einen Vorteil, den ich auch ausnutze.
Ich habe einige Zeugenvernehmungen nachgelesen. Ich füge deutlich hinzu, dass dies nach meiner Vernehmung war. Was habe ich alles an zweifelhaften Vorhalten gelesen, in denen Leute nach Inhalten von Schriftstücken gefragt worden sind, ob sie diese kennen, die Fragesteller aber gewusst haben, dass es Schriftstücke mit diesen Inhalten gar nicht gibt. Dies sind keine fairen Zeugeneinvernahmen. Dies sind Tricksereien, mit denen man versucht, einen Zeugen hereinzulegen.
Herr Kollege Güller, ich habe drei große Untersuchungsausschüsse geleitet, nämlich „Wienerwald“, „Schalck“ und „Plutonium“. Die stellvertretenden Vorsitzenden dieser Ausschüsse waren innerhalb der SPD sicherlich keine Leichtgewichte, sondern Fachleute. Im ersten war es Frau Carmen König, im zweiten Karl-Heinz Hiersemann und im dritten Franz Schindler. Nach jedem Untersuchungsausschuss haben mir die Kollegen von der SPD bestätigt, dass ich eine saubere und faire Beweisaufnahme gemacht habe. Ich habe nicht getrickst, weil ich Richter war und die Möglichkeit haben wollte, erhobenen Hauptes wieder zur Justiz zurückzukehren. Wenn Ihnen heute solche Vorwürfe gemacht werden, sollten Sie einmal darüber nachdenken, ob Sie Ihre Aufgabe richtig erfüllt haben.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schieder?
Ich werde Ihnen das später in Ruhe erklären. Hier geht es nicht nur um die Durchführung der Beweisaufnahme, sondern auch um die Darstellung des Ergebnisses. Ich werfe Ihnen, Herr Güller, im Hinblick auf meine Aussage vor, dass Sie diese Aussage bewusst falsch dargestellt haben. Ich verweise auf die Seite 39 des Minderheitenberichts, wo es heißt: „Justizminister Dr. Weiß hat in Vorbereitung seiner Aussage vor dem Untersuchungsausschuss ein ungewöhnliches Rechtsverständnis demonstriert.“ Wer mir so etwas vorwirft, muss sich sehr sicher sein. Ich möchte Sie einmal nach Ihrer großen Erfahrung fragen, die Sie bezüglich der Durchführung einer Zeugenvernehmung vorweisen können. Ich glaube nicht, dass Sie am Landratsamt Aichach-Friedberg allzu viele Zeugen vernommen haben.
Ich liefere die Begründung nach. So etwas lasse ich mir aber nicht sagen.
Was habe ich in meiner Aussage über die Vorbereitung gesagt? – Ich habe gesagt, dass ich bereits vor zwei Jahren dem Verfassungsausschuss umfassende Berichte zu diesem Sachverhalt abgegeben habe, nicht als Zeuge, sondern als Justizminister. Dabei hatte ich auch über Sachverhalte zu berichten, von denen ich selber keine Kenntnis hatte. Diese Fragen wurden von Beamten bearbeitet. Ich habe das vorgetragen. Ich selbst konnte schließlich nicht wissen, was im Jahr 1995 war. In Vorbereitung meiner Zeugenaussage habe ich also die Mitarbeiter gebeten: Schreibt einmal zusammen, was ich bei den Ausschusssitzungen gesagt habe und teilt mir mit, ob es da irgendetwas zu korrigieren gibt. Es könnte schließlich eine neuere Entwicklung gegeben haben. Die Antwort lautete: Nein. Was Sie vor zwei Jahren berichtet haben, stimmt auch heute noch. Dann habe ich festgestellt, worüber ich eigene Kenntnisse habe. Ich kam zu dem Ergebnis, ein Großteil der Fragen betrifft Sachverhalte, die vor meiner Zeit lagen. Deshalb konnte ich darüber keine eigenen Kenntnisse haben. Ich habe das deshalb weggelassen, weil ich mir gesagt habe, dass der Untersuchungsausschuss selbst die Akten lesen kann. Das müssen nicht meine Beamten tun, die daraus die Antworten gemacht haben.
Danach habe ich versucht, mich zu erinnern und festgestellt, was ich zu den einzelnen Sachverhalten noch weiß. Dann habe ich einen Mitarbeiter gebeten, diese Erinnerungen um die entsprechenden Daten und Zahlen, also wann was war, zu ergänzen. Ich habe mich also erinnert und einen Mitarbeiter gebeten, diese Erinnerungen durch Zahlen zu belegen, die ich nicht mehr im Kopf hatte. Was hat der Herr Vorsitzende daraus gemacht? – Ich zitiere: „Das von ihm vor dem Ausschuss verlesene Schriftstück, das Antworten auf Fragen des Untersuchungsauftrags geben sollte, wurde von seinen Mitarbeitern vorbereitet, wobei der Zeuge Dr. Weiß dann nur noch zu entscheiden hatte, woran er sich erinnerte und woran nicht.“ Das ist eine Unverschämtheit. Das ist das Gegenteil von dem, was ich wirklich gesagt habe.
Ich wurde weiter gefragt, ob mein Amtschef das Schriftstück gesehen hat. Ich habe gesagt: Das weiß ich nicht. Ich habe aber auch keinen Geheim-Stempel darauf gemacht. Danach hat der Amtschef gesagt, dass er einen Teil der Passage gesehen hat. Was haben Sie daraus gemacht? – Ich zitiere:
Da beide Zeugen zu einem Vorgang geladen waren, der sich auf die etwaige Weitergabe von vertraulichen Ermittlungsunterlagen an den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Stoiber bezog, wären diese
Zeugenaussagen von erheblicher Bedeutung gewesen. Nachdem deutlich geworden ist, dass auch diese Zeugen ihre Aussagen vor dem Ausschuss im Vorfeld abgestimmt und durch die Kenntnis ihrer Mitarbeiter erweitert haben, ist der Beweiswert der erfolgten Aussage unter größtem Vorbehalt zu sehen.
Ich frage Sie: Wo haben wir etwas abgestimmt? – Allein die Tatsache, dass der Amtschef meine Aussage in Teilen kennt, hat doch mit meiner Aussage überhaupt nichts zu tun. Meine Aussage war Ihnen jedoch unangenehm. Deshalb wollten Sie sie wegdrücken. Das ist eine alte Masche. Die kennen wir ganz genau.
Ich komme damit zum nächsten Punkt, der bei Ihnen große Empörung ausgelöst hat: die Aussage „Froschauer“. Der Generalstaatsanwalt hatte nicht über irgendeinen Vorgang zu berichten, zu dem er eine Entscheidung getroffen hat. Das waren Verfahren, die über Jahre gelaufen sind. Einmal hat der Generalstaatsanwalt selbst entschieden, ein anderes Mal sein Stellvertreter und in einem dritten Fall ein Sachbearbeiter. Es kamen verschiedene Briefe. Wenn der Generalstaatsanwalt zu Ihnen in den Ausschuss gekommen wäre und gesagt hätte: Das weiß ich nicht. Den Brief habe ich unterschrieben, warum, weiß ich nicht. Damit wären Sie wahrscheinlich nicht zufrieden gewesen. Wenn ich einen Zeugen zu solchen Sachverhalten befrage, also zu ganzen Komplexen, kann und muss ich von ihm erwarten, dass er versucht, die Zusammenhänge wieder herzustellen.
Er muss sich fragen, wie das damals war, wer was entschieden hat und wer welche Schreiben geschickt hat. Er muss wissen, auf welche Entscheidungen sich die Staatsanwaltschaft bei dieser oder jener Entscheidung seinerzeit gestützt hat. Deshalb sage ich deutlich: Ich bin der Meinung, dass sich der Generalstaatsanwalt ordnungsgemäß auf seine Aussage vorbereitet hat. Er konnte Ihnen dadurch eine vollständige Aussage präsentieren und Ihre Fragen beantworten. Wenn er nur darauf verwiesen hätte, dass er den Zusammenhang nicht kennt, wären Sie damit sicher nicht zufrieden gewesen.
Lassen Sie bitte diese Tricks und die kleinen Spitzen weg. Sie haben zum Beispiel gesagt: „Der CSU-Mann Schreiber“. Herr Schreiber war Mitglied der CSU. Das ist völlig klar. Seitdem diese Vorwürfe im Raum stehen, hat die CSU jedoch nichts mehr mit ihm zu tun.
Ich erinnere an Herrn Wienand. Er saß bereits in Haft und hat in Köln trotzdem noch seine Spielchen getrieben.
Dann diese „hinterfotzige“ Darstellung im Minderheitenbericht. Ich sage das ganz bewusst. Darin heißt es: Das Zusammentreffen des Zeugen Held mit dem Beschuldig
ten Strauß mehrmals im Ministerium. Das ist so falsch. Herr Strauß war zwar irgendwann einmal Beschuldigter und hat sich irgendwann einmal mit Herrn Held getroffen. Mit Herrn Held ist er jedoch nie zusammengekommen, als er Beschuldigter war. Im Vorfeld hat er sich einige Male mit ihm getroffen. Sobald das Verfahren gegen Strauß jedoch lief, hat der Amtschef nichts mehr mit ihm zu tun gehabt. Sie suggerieren jedoch mit einer solchen Formulierung, dass die beiden während des Ermittlungsverfahrens miteinander Kontakt gehabt hätten.
Nun zu den angeblichen Unstimmigkeiten und den verdächtigen Dingen, die passiert sein sollen. Sie haben gesagt: Max Strauß war gewarnt. Dahinter muss irgendeine geheime Macht gestanden haben. Das können Sie nur jemandem erzählen, der die Akten nicht kennt. Sonst wüssten Sie ganz genau, dass für fünf Beschuldigte eine Durchsuchung beantragt war. Das Gericht hat diesem Antrag bei vier Beschuldigten Rechnung getragen, nur bei einem nicht, nämlich bei Max Strauß. Dann mussten sich die Staatsanwälte überlegen, was sie machen sollten: Sie hätten abwarten können, bis die Beschwerde gegen die Ablehnung der Durchsuchung bei Strauß durchgeht. Zuvor wäre jedoch ein Zeitungsartikel erschienen. Dann wären alle gewarnt gewesen. Die zweite Möglichkeit war, dass sie bei den übrigen vier Beschuldigten die Durchsuchungen durchführen, selbst auf die Gefahr hin, dass der fünfte Beschuldigte dadurch gewarnt wird. Insofern gab es keine Indiskretion. Der Fünfte wusste dann natürlich, dass er von einer Durchsuchung betroffen sein wird.
Der nächste Punkt ist die Warnung, die Herr Strauß an Riedl weitergegeben haben soll. Da haben Sie auch etwas zusammengezimmert. Herr Strauß hat angeblich Herrn Riedl darüber informiert, dass bei ihm durchsucht wird. Das ist Ihre These. Im Untersuchungsausschuss hat sich jedoch herausgestellt, dass zum damaligen Zeitpunkt nie geplant war, bei Herrn Riedl zu durchsuchen. Wenn Sie ehrlich gewesen wären, hätten Sie eingeräumt, dass das ein Flop war. Stattdessen haben Sie jedoch behauptet, Herr Strauß hätte Herrn Riedl gesagt, dass irgendetwas gegen ihn laufen könnte. Dass das Verfahren schon seit einem halben Jahr gelaufen war und darüber bereits in der Zeitung berichtet worden ist, wird von Ihnen einfach ignoriert, weil Ihnen das nicht in den Kram passt und Sie Ihre Vorwürfe, auch wenn sie noch so unsinnig sind, aufrechterhalten wollen.
Nächster Punkt: Rekonstruktion der Daten auf der Festplatte. Es war ja nicht so, dass es geheißen hätte, wir bräuchten nur schnell mal 150000 DM und dann könnten wir die Festplatte lesen. Sachverhalt war, dass man davon ausgegangen ist, die Festplatte wahrscheinlich nicht lesbar machen zu können, aber man mit einem Aufwand von 150000 DM einen Versuch starten könnte. Der Generalstaatsanwalt hat dann gesagt: „Wir haben das Geld nicht zum Fenster hinauszuschmeißen, wenn die Wahrscheinlichkeit sowieso gering ist. Warten wir lieber ab, bis wir bessere Auswertungsmöglichkeiten haben, – die Technik verbessert sich weiter – und wir sie dann immer noch lesbar machen können“. Das ist eine
ganz vernünftige Entscheidung gewesen, die vielleicht auch auf die Finanzmittel der Justiz Rücksicht genommen hat.
Dass man die Festplatte bei dem Sachverständigen gelassen hat, ist zunächst einmal sinnvoll gewesen. Sie machen uns große Vorwürfe und fragen, wo sie verschwunden ist. Ich muss Ihnen sagen, dass die Verantwortung dafür der Gruppenleiter bei der Staatsanwaltschaft Dr. Maier als ermittelnder Staatsanwalt hatte. Diese Tatsache wird bei Ihnen weggedrückt.
Wobei ich ausdrücklich sagen möchte: Ich mache Herrn Dr. Maier in dieser Sache keinen Vorwurf, da es nicht Aufgabe des Staatsanwalts ist, sich dauernd um jedes Asservat zu kümmern; man kann davon ausgehen, dass Asservate eben da sind. Ich halte die Entscheidung, die Festplatte beim Sachverständigen belassen zu haben, für richtig. Dass sie bei einem der Sachverständigen verschwunden ist, ist eine andere Sache, die sehr bedauerlich ist.
Dazu muss ich aber auch sagen: Herr Güller, Sie haben in diesem Punkt ein sehr sonderbares Rechtsverständnis. Unsere Ermittlungen haben ergeben – nach Untersuchungen und allem drum und dran –, dass diese Beweismittel bei der Staatsanwaltschaft nicht verschwinden konnten, weil sie zu keinem Zeitpunkt dort waren. Sie sind wohl bei den Sachverständigen Wißner oder Diers oder irgendwo dazwischen einmal verschwunden. Ihre Schlussfolgerung daraus lautet, „in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben sollte der Umstand, dass der Sachverständige Wißner nach wie vor Aufträge von Seiten der Justiz erhält, nach eigener Aussage sogar mehr als früher. Weder der Zeuge Nemetz, noch der Justizminister Weiß sahen Anlass das Verhalten des Sachverständigen Dr. Wißner zu sanktionieren oder zumindest für die Zukunft für einen korrekten Umgang des Sachverständigen mit Asservaten zu sorgen. Es hat hierzu keinerlei Überprüfung stattgefunden“. Zunächst sollten Sie wissen: Wenn ein Gericht einen Auftrag an einen Sachverständigen gibt, macht es das in richterlicher Unabhängigkeit. Da kann ich nicht als Justizminister hingehen und sagen: „Den könnt Ihr aber nicht nehmen.“ Zum Zweiten wissen wir nicht einmal, ob sie bei Herrn Wißner oder Herrn Diers verschwunden sind. Herr Wißner wendet sich ganz energisch dagegen, dass ihm das vorgeworfen wird.
Wir wissen nicht, bei wem sie verschwunden sind. Soll ich jetzt vorsorglich alle in Sippenhaft nehmen, weil sie bei einem Sachverständigen verschwunden sind? Das geht in einem Rechtsstaat nicht so. Wenn man es keinem nachweisen kann, muss ich mich eben damit abfinden. Ich muss sagen: Es ist ein etwas sonderbares Verständnis, das Sie haben.
Thema Pfahls: Sie sprechen von unkomplizierten Wegen. Eine Staatsanwaltschaft ist eine geordnete Behörde, und zwar in jedem Bundesland. Überall tragen
Leute die Verantwortung. Ein ermittelnder Beamter ist kein einsamer Kämpfer, der machen kann, was er will, er muss sich in ein System einfügen. Es gibt manche Fälle, bei denen man sich genauer überlegt hat: Können wir hier durchsuchen oder nicht; beispielsweise wenn es sich um Abgeordnete, um einen Journalisten oder um einen Rechtsanwalt gehandelt hat; überall dort, wo Personen ein Zeugnisverweigerungsrecht haben. Man hat immer wieder gesagt: Wir müssen uns die Sache genauer anschauen, ob wir in dem konkreten Fall eine bestimmte Maßnahme ergreifen müssen oder ob wir nicht mit einen minderschwerem Eingriff zum gleichen Ergebnis kommen. Darum ist es sinnvoll, dass eine vorgesetzte Behörde einen derartigen Eingriff überprüft. Das, was Sie unkomplizierte Wege nennen, ist ganz einfach ein Verstoß gegen die rechtlichen Vorgaben im Rahmen der Staatsanwaltschaft. Dass der Generalstaatsanwalt das Recht hat, zu sagen: „Moment einmal, ich möchte mir das schon genau anschauen“, das glaube ich, dürfte klar sein. Dann hat man gesagt, dadurch könnte der Pfahls entflohen sein. Dann hat man mitbekommen, dass der schon seit Wochen weg war. Daraufhin hat es geheißen, er hätte ja dann zurückkommen können. Er ist aber unstreitig in den zwei Tagen nicht zurückgekommen. Also können Sie doch nicht solche Behauptungen zusammenzimmern. Es war eine Überprüfung des Haftbefehls ohne Auswirkungen auf den Vollzug und es war auch sinnvoll, dass das so gemacht wurde.
Frau Tausendfreund hat vorhin gesagt, wenn es bei dem Schreiber schneller gegangen wäre, hätte er gleich in der Schweiz festgenommen werden können. Frau Kollegin Tausendfreund, Sie sollten inzwischen gelernt haben, dass die Schweiz wegen Steuervergehen nicht ausliefert. Darum hat man ja warten müssen, bis er nach Kanada gegangen ist. In der Schweiz hätten wir ihn nie bekommen. Das war unser Problem.
Sie ziehen nach meiner Meinung ein bewusst falsches Resümee. Sie haben gesagt, es hätte keine Entscheidung des Justizministeriums gegeben, die das Verfahren beschleunigt hätte. Dafür haben Sie sicherheitshalber natürlich keinen Beweis angetreten, weil sie dabei Schwierigkeiten bekommen hätten. Ich möchte Sie auch darauf hinweisen, dass ich beispielsweise nach dem Wunsch der Staatsanwaltschaft Augsburg, nach der Anklageerhebung gegen Maßmann, Haastert, und so weiter, das Verfahren gegen Strauß an München abzugeben, gesagt habe: Nein, das machen wir nicht. Wir lassen es in Augsburg, weil sonst vielleicht der Verdacht aufkommen könnte, wir wollten das Verfahren an eine andere Staatsanwaltschaft zuweisen, die nicht so in der Sache drin ist.
Sie haben behauptet, es seien praktisch täglich Berichte von der Staatsanwaltschaft Augsburg zu pinseln gewesen. Ich weiß nicht, was Sie sich da zusammengereimt haben. Ich weiß nicht, ob überhaupt während des gesamten Zeitraums jeden Monat einer gekommen ist. „Täglich“ war vielleicht locker dahergesagt, auf jeden Fall stimmt es nicht. Wenn wir einen Bericht bekommen, möchte ich auch nicht fünf verschiedene Meinungen haben, sondern dann möchte ich die Meinung des mir verantwortlichen Generalstaatsanwalts hören. Wenn der
ermittelnde Staatsanwalt oder der ermittelnde Behördenleiter eine andere Meinung haben, haben diese das intern abzuklären, weil ich nicht derjenige bin, der unter verschiedenen Meinungen zu entscheiden hat. Ich bekomme einen Bericht, in dem drinsteht, was gelaufen ist. Darum war es auch sinnvoll, es so zu machen, wie es gemacht wurde.
Dann hat Frau Tausendfreund behauptet, Strafanzeigen gegen Froschauer seien nicht ausreichend untersucht worden. Wenn man einen solchen offensichtlichen Mist schreibt – ich sage das einmal deutlich – kann man nicht erwarten, dass das nachdrücklich behandelt wird. Zuerst wissen Sie gar nicht, wer zuständig ist und schicken die Sache an den Generalbundesanwalt, als wenn wir einen Überermittler in der Bundesrepublik Deutschland hätten, und wenn man Ihnen dann schreibt, das, was Sie bringen, sei nicht im entferntesten mit einer Straftat in Verbindung zu bringen, dann schreiben Sie, es sei nicht befriedigend untersucht worden. Ich darf Ihnen sagen: Es ist ausreichend untersucht worden, es ist wahrscheinlich sogar noch mehr des Guten getan worden, als erforderlich gewesen wäre.
Des Weiteren kommen Sie mit der Vernehmung Kohl, weil Ihnen das so schön in den Kram gepasst hätte. Es sollte Ihnen aber zu denken geben, dass nicht nur Generalstaatsanwalt Froschauer die Vernehmung von Kohl für nicht erforderlich gehalten hat, sondern dass auch das Landgericht Augsburg, das im Moment verhandelt und für jeden Beweis dankbar ist, eine Vernehmung von Kohl zu demselben Sachverhalt für nicht erforderlich gehalten hat. Reimen Sie doch nicht irgendetwas zusammen, was überhaupt nicht passt.
Ich weiß es.
Als Letztes möchte ich im Zusammenhang mit Handakten deutlich machen: Sie haben behauptet, die Handakten seien dem Berliner Untersuchungsausschuss bei der Vorlage vorenthalten worden. Sie müssen wissen, dass der Berliner Untersuchungsausschuss die Verfahrensakten angefordert hat. Unsere Verfahrensakten kennen keine Handakten. Wir haben ihnen alle Akten gegeben, die Verfahrensakten sind. Als Sie gesagt haben, sie wollten auch die Handakten, haben sie auch die Handakten bekommen, und zwar gegen manche Besorgnisse, das darf ich deutlich sagen. Wir haben inzwischen festgestellt, dass die Presse bereits über manche Informationen, die wir nach Berlin gegeben haben, berichtet oder bei uns Nachfragen gestellt hat, bevor die Abgeordneten Kenntnis erhielten.
Ich weise die Vorwürfe gegen die Justiz und gegen unsere Mitarbeiter energisch zurück. Die Justiz hat ordnungsgemäß ermittelt. Auch ist von Oben kein unzuläs
siger Einfluss genommen worden. Dass sich ein Generalstaatsanwalt um den Ablauf kümmern muss, ist eine Selbstverständlichkeit. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass der Generalstaatsanwalt in Bayern Lebenszeitbeamter, kein politischer Beamter ist. Anders als dies bei seinen Kollegen in rotgrün regierten Ländern der Fall ist. Wir wissen ja, wie in letzter Zeit mancher Generalstaatsanwalt von der politischen Spitze gefeuert worden ist, weil sie mit seiner Arbeit nicht einverstanden war.
Ich möchte mich herzlich bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedanken. Ich nenne in diesem Zusammenhang ausdrücklich meinen Amtschef und Herrn Generalstaatsanwalt Froschauer.
Diese Leute haben jahrzehntelang für unseren Rechtsstaat gearbeitet, haben Jahrzehnte für die Justiz gearbeitet. Ich halte es für ein infames Spiel, wenn man ihnen aus parteipolitischen Gründen irgendetwas anhängen will. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Dr. Kronawitter.