Alois Glück

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Last Statements

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die zugrunde liegenden Fragen sind mir – das darf ich persönlich sagen – nicht so ganz fremd, weil ich mich in der kirchlichen Entwicklungsarbeit über Jahrzehnte hinweg immer wieder damit befasst habe, beispielsweise zuletzt vor zwei Jahren unmittelbar an der Basis in Ecuador war, dort, wo die wirklich Armen sind. Ich kann in der gebotenen Kürze nur sagen: Für diesen Antrag gilt ganz gewiss auch: Gut gemeint ist nicht gut; denn, meine Damen und Herren, wer generell gegen Kinderarbeit plädiert – –
Augenblick; zwei verschiedene Dinge, verehrte Frau Kollegin. Es ist gerade gesagt worden, gegen Kinderarbeit ein Zeichen zu setzen, würde bedeuten, in vielen Entwicklungsländern den Familien ihr Existenzminimum zu nehmen; denn es ist nicht so, dass diese Volkswirtschaften so entwickelt sind, dass Alternativen möglich sind. Ausbeuterische Kinderarbeit abzugrenzen ist nicht mit einem Symbolakt getan. Es geht auch nicht nur um Kinder. Es geht auch darum, dass beispielsweise in der Lederherstellung Arbeitsmethoden angewandt werden, die unter jedem gesundheitlichen Aspekt indiskutabel sind; sie sind sowohl Kindern als auch Erwachsenen nicht zuträglich. Solche Waren bei uns gegebenenfalls zu boykottieren, ist eine sinnvolle Aktion. Das hatte zum Beispiel Erfolg bei Fußbällen. Eine pauschale Aktion dieser Art ist aber für diejenigen schädlich, denen Sie mit der globalen Aussage „wir machen hier Symbolpolitik“ helfen wollen. Deswegen bin ich in Übereinstimmung mit vielen in der kirchlichen Entwicklungsarbeit entschieden gegen einen solchen pauschalen Antrag. Gut gemeint, völlig falsch in der Signalwirkung.
Das Ding ist doch seit langem in der Diskussion!
Ich sage gerne etwas dazu. Herr Glück, ich habe genau diesen Punkt am 10. April zur Abstimmung gestellt, und die CSU hat genau diesen Zusatz abgelehnt. Daraufhin haben wir gesagt: Okay, dann machen wir daraus einen Dringlichkeitsantrag. Das hat Sie dazu veranlasst, heute mit einem Dringlichkeitsantrag nach
zuziehen und unsere Forderung in Ihrem Antrag zu übernehmen. – Gut so.
Ich möchte dazu aber gerne noch ein paar Worte sagen. Das Informationszentrum für den Nationalpark Berchtesgaden ist überfällig und seit Jahren im Gespräch. Herr Schnappauf hat es vor Ort seit vielen Jahren versprochen, aber es wurde immer wieder auf die lange Bank geschoben. Es gab dort die Diskussion um die Immobilie Berchtesgadener Haus, die der Freistaat hat. Seit drei Jahren versucht der Freistaat, diese Immobilie zu verkaufen, bisher erfolglos. Gleichzeitig gibt es aber auch Vorschläge, das Bildungs- und Informationszentrum möglicherweise in diesem Haus aufzunehmen. Es gibt auch eine Option für andere Realisierungen dieses Informationszentrums. Das ist gut so.
Jetzt muss ein Konzept gefunden werden – und darum unser Dringlichkeitsantrag, in dem wir Sie auffordern, jetzt ein Konzept zu erarbeiten und dieses auch zeitnah zu realisieren, damit auch der Nationalpark Berchtesgaden ein Umweltbildungs- und Informationszentrum erhält. Hier sei angemerkt, dass im Nationalpark Bayerischer Wald das Hans-Eisenmann-Haus eine wirklich gute Einrichtung ist, die von Urlaubern und Tagesgästen vorzüglich angenommen wird. Dies fördert das Verständnis für diesen Nationalpark und macht ihn einfach attraktiver. Genau das sollte auch beim Nationalpark Berchtesgaden passieren. Wenn man zurückschaut, kann man es nicht ganz verstehen, warum es dort so lange dauert. Bereits 1910 gab es dort den Pflanzenschonbezirk Berchtesgadener Alpen, 1921 das Naturschutzgebiet Königsee und seit 25 Jahren den Nationalpark, aber noch müssen wir hier darum ringen, dass endlich dieses Informationszentrum für den Nationalpark kommt.
Ich freue mich, dass die CSU – ob sie unserem Antrag zustimmt, weiß ich noch nicht; ich erwarte das natürlich – heute unsere Forderung in ihrem Dringlichkeitsantrag aufgegriffen hat.
Noch eine abschließende Bemerkung! Wir haben in unserem Dringlichkeitsantrag auch darauf hingewiesen, dass wir in diesem Informationszentrum die Regionalvermarktung stärken wollen. Das ist auch im Bayerischen Wald ganz gut geglückt. Dort werden handwerklich erzeugte Produkte angeboten. Auch bei der Verpflegung wird auf ökologisch und regional erzeugte Lebensmittel zurückgegriffen. Das soll in das Konzept eingebunden werden. Man soll sich dort der regionalen Wertschöpfung bedienen und handwerkliche Produkte und regional erzeugte Lebensmittel anbieten, um ein abgerundetes, geschlossenes Konzept zu haben. Sie werden dort doch nicht etwa einen Lidl-Markt oder ein Geschäft einer sonstigen Großmarktkette haben wollen. Ich hoffe, dass bei der Erarbeitung des Konzeptes, seiner Umsetzung und der Finanzierung auch die regionale Wirtschaft, das heimische Handwerk und die regionale Landwirtschaft in ein vernünftiges Umweltbildungs- und Informationszentrum eingebunden werden.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die letzte Sitzung des frei gewählten Bayerischen Landtags fand am 10. Februar 1933 statt. Wie schon dargelegt, wurde die Zusammensetzung für die Sitzung am 29. April von den Nazis erzwungen. Maßstab war das Ergebnis der vorhergehenden Reichstagswahl vom 5. März 1933. Die Landespolitik war zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr eigenständig handlungsfähig. Das Umfeld und die Bedingungen dieser Sitzung wurden vom Herrn Landtagspräsidenten und soeben auch vom Kollegen Maget dargestellt. Umso bewundernswerter war der Mut der SPD-Abgeordneten, gegen dieses Ermächtigungsgesetz zu stimmen. Dies hat jenseits jeder Tagespolitik unseren bleibenden Respekt und unsere Anerkennung.
Dem Protokoll dieser Sitzung kann man auch entnehmen, dass es sich auch diejenigen aus den demokratischen Parteien, die in schmerzlicher Abwägung für die
ses Gesetz gestimmt haben, nicht leicht gemacht haben. Es ist ein exemplarischer Vorgang für das, was in der Nazidiktatur in vielfältiger Weise immer wieder erlebt wurde: die schwierige Abwägung, in der die einen glaubten, über diesen, und die anderen über jenen Weg vielleicht noch Schlimmeres verhindern zu können. Ich sage aber nochmals: Dies ändert nichts an dem Mut der Sozialdemokraten, in dieser Situation dieses Zeichen zu setzen.
Machtpolitisch war diese Abstimmung schon ohne Bedeutung. Der Rechtsstaat und die Demokratie waren bereits außer Kraft gesetzt. Trotzdem war diese Abstimmung von den Nazis gewollt und erzwungen; denn sie legten immer Wert auf eine Scheinlegalität.
Dieser Landtagssitzung ging auch in Bayern ein monatelanges Ringen voraus. Die Vorgeschichte beschreibt Dietrich Mittler in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 10. April dieses Jahres folgendermaßen – ich zitiere –:
Es gereicht Bayern zur Ehre, dass sich der damalige Ministerpräsident Heinrich Held den Plänen der braunen Horden bis zum Schluss ebenso verzweifelt wie hartnäckig widersetzte. Als Adolf Wagner, Heinrich Himmler und der SA-Stabschef Ernst Röhm am Mittag des 9. März im Amtssitz des Ministerpräsidenten erschienen und ultimativ dessen Rücktritt forderten, lehnte Held das Verlangen ab. Auch die Drohungen, dass SA-Abteilungen bereits zum Sturm auf die Landeshauptstadt bereitstünden, beeindruckten ihn nicht. Er könne ohne den Ministerrat keine Entscheidung treffen. Eine Stunde später erklärte er Röhm und seinen Begleitern bei ihrem zweiten Anlauf, der Ministerrat sehe überhaupt keine Veranlassung, dem Druck der SA nachzugeben und zurückzutreten. Held war bereit zum Äußersten. Die bayerische Reichswehr sollte sich den bewaffneten SA-Männern entgegenstellen, doch die Reichswehrführung in Berlin durchkreuzte die Pläne des bayerischen Ministerpräsidenten; die Reichswehr müsse sich aus innenpolitischen Dingen heraushalten. In einem letzten Aufbäumen schickte Held ein Protesttelegramm an den Reichskanzler Adolf Hitler – vergeblich. Die letzten Stunden der rechtmäßigen bayerischen Regierung waren gezählt. Ebenfalls per Telegramm setzte das Reichsinnenministerium Bayerns Ministerpräsidenten ab. Held musste erkennen, dass er diesen Kampf verloren hatte. Selbst nach seiner Absetzung hatte er seinen Glauben an Recht und Gesetz noch nicht verloren, aber fand keinen Beistand mehr. Reichspräsident Hindenburg ließ ihn nicht einmal mehr zu einem Gespräch vor.
Soweit dieser Bericht.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen: Warum habt ihr Hitler nicht verhindert? – Diese Frage der Nachkriegsgeneration hat bis heute von ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Dabei sollte uns ein Ergebnis der Geschichtsforschung besonders zu denken geben: Das Scheitern der Demokratie war die Voraussetzung für die Diktatur. Wir müssen deshalb also immer wieder der Frage nachgehen: Warum scheiterte die Weimarer Demokratie? – Die His
toriker nennen dafür den Versailler Vertrag mit seinen Wirkungen, die Bedrohung durch den Bolschewismus als die andere schreckliche Alternative, die Bedrohung durch politische Extreme von Links und Rechts im Land, die sich gegenseitig hochschaukelten, die wachsende Not der Menschen und das Versagen der Parteien sowie die Unterschätzung der Gefahr Hitlers, die Illusion über seine Person, seine Ziele und die Möglichkeit, noch etwas beeinflussen zu können.
Unsere Aufgabe ist heute nicht die Bewertung der historischen Rahmenbedingungen. Ein solcher Gedenktag sollte jedoch durchaus Anlass sein, über zwei Aspekte nachzudenken, nämlich zum einen über die Gefahren der Fehleinschätzung radikaler Kräfte und die damit verbundenen Folgen und zum anderen über die Verantwortung der Parteien und der Verantwortlichen in der Politik. Die Gefahr, die von Hitler ausging, wurde weithin krass unterschätzt. Nicht wenige haben dafür später, als sie ihre Irrtümer erkannten und in den Widerstand gingen, diese Fehleinschätzung mit ihrem Leben bezahlt. Menschen wie Graf Stauffenberg zählen zu ihnen, aber auch viele andere aus allen gesellschaftlichen Gruppen, zum Beispiel den Kirchen, den Parteien, den Gewerkschaften, den Organisationen der Wirtschaft oder aus dem Militär.
Diese Realität muss uns im Urteil zu äußerster Vorsicht mahnen, aber ebenso zu großer Wachsamkeit. Der Münsteraner Historiker Hans-Ulrich Tammer schreibt:
Fehleinschätzungen und Illusionen haben Hitlers Weg zur Macht begleitet und erleichtert. Kein politisches Lager, keine soziale Gruppe, keine Konfession blieb vor solchen Irrtümern und falschen Deutungen bewahrt. Die wenigen Ausnahmen an Einsicht und Weitsicht bestätigten die Regel.
Joachim Fest beschreibt in seinem großen Werk „Staatsstreich – der lange Weg zum 20. Juli“ im ersten Kapitel unter der Überschrift „Der versäumte Widerstand“ analytisch und für mich bewegend anhand von einzelnen Schicksalen das Ausmaß von Fehleinschätzungen und damit verbundene Tragödien. Ich möchte aus diesem Beitrag zitieren:
Julius Leber war eine der charismatischsten und tatentschlossensten Figuren des deutschen Widerstands. Schon vor 1933 als Reichstagsabgeordneter für die SPD tätig, entging er am Tag nach der Machtergreifung im Januar 1933 nur knapp einem Mordanschlag der Nationalsozialisten. Anschließend verbrachte er vier Jahre im KZ. Im Jahre 1943 zog Stauffenberg ihn und seine Freunde ins Zentrum der Verschwörung und öffnete die gesamte Widerstandsbewegung nach links.
Als Hitler Reichskanzler wurde, äußerte Leber, Zitat: „Wir fürchten die Herren nicht. Wir sind entschlossen, den Kampf aufzunehmen.“ Im Streit um politische Tagesfragen übersah man in der Weimarer Republik die grundsätzlichen Gefahren für die Demokratie. Symptomatisch hierfür war das Auseinanderbrechen der letzten parlamentarisch gebilde
ten Regierung. Die Flügelparteien der Koalition standen jeweils unter starkem Einfluss von außen.
Die Sozialdemokratie unter dem – nach Einschätzung der Historiker schwachen – Reichskanzler Hermann Müller stand unter Gewerkschaftseinfluss, die Deutsche Volkspartei unter dem Einfluss der Großindustrie. Nun stritt man über die Finanzierung der Arbeitslosenversicherung, um die Frage, wer das fehlende halbe Prozent der notwendigen Beitragserhöhung tragen sollte, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Daran scheiterte diese Regierung. Das war eine der Voraussetzungen für den Aufstieg des Nationalsozialismus.
Zu den Irrtümern und dem Versagen der Parteien haben sich bemerkenswert übereinstimmend Franz Josef Strauß und Hoegner geäußert. Strauß schrieb einmal, ich zitiere:
Die demokratischen Parteien von Weimar waren ausnahmslos nicht bereit, in der Stunde höchster nationaler Not über alle ideologischen und politischen Gegensätze hinweg zusammenzustehen, damit der braunen Flut Einhalt geboten würde. So sind sie schließlich alle von ihr überspült worden.
Der spätere bayerische Ministerpräsident Wilhelm Hoegner war davon überzeugt, dass ein rechtzeitiges Zusammengehen von Bayerischer Volkspartei und Sozialdemokratie in den entscheidenden Jahren nach 1928 zu einer Wende geführt hätte. Aus seinem Exil hat er diese Erkenntnis noch einmal zusammengefasst, als er schrieb, ich zitiere:
Der wahre Grund des Zusammenbruchs war, dass die beiden größten Parteien des Landes aus alter Gegnerschaft heraus sich nicht rechtzeitig einigen konnten. Für diejenigen, die nicht ins Exil gingen oder gehen konnten, blieben im Grunde nur zwei Möglichkeiten; entweder durch Mitarbeit als Opposition von innen zu versuchen, den Gang der Dinge zu beeinflussen und dabei all die Illusionen, Selbsttäuschungen und oft genug auch hoffnungslosen Verstrickungen in Kauf zu nehmen, die sich aus einem solchen Doppelleben fast zwangsläufig ergaben, oder aber den Schritt in die gesellschaftliche und nicht selten zugleich menschliche Isolierung zu tun und sich auszuschließen von der Aufbruchstimmung auf allen Seiten und dem neuen Gemeinschaftsgefühl, das im Selbstanpreisungsjargon der Machthaber dann als Wunder der deutschen Einigung gefeiert wurde.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, welche Lehren ziehen wir aus diesen Erfahrungen mit Blick auf unsere Verantwortung in unserer Zeit? – Ich möchte dazu einen Historiker, der ein aufmerksamer Beobachter unserer Zeit ist, zu Wort kommen lassen, nämlich Herrn Professor Dr. Horst Möller. Er schrieb uns mit seiner Rede am 9. April bei der Gedenkveranstaltung in der Staatskanzlei gewissermaßen ins Stammbuch, ich zitiere:
Täuschen wir uns nicht. Obwohl heute unter den Staaten der Welt rechtstaatliche liberale Demokra
tien in der Minderheit geblieben sind, gehen wir Europäer von der politisch und moralisch durchaus notwendigen, historisch aber zweifelhaften Voraussetzung aus, dass die Demokratie die geradezu zwangsläufige und selbstverständliche politische Organisationsform sei. Nach den historischen Erfahrungen ist aber nichts selbstverständlich, schon gar nicht die Dauerhaftigkeit politischer Systeme.
Der Kampf gegen Diktatur besteht nicht in der Selbstgerechtigkeit gegenüber früheren Generationen, sondern in der Stabilisierung der Demokratie. Weder die Wähler noch die Parteien können aus ihrer Verantwortung entlassen werden. Reflektierten die Weimarer Parteien ohne hinreichende Gestaltungskraft die gesellschaftlichen und politischen Probleme der Weimarer Republik, so besteht heute eine andere, aber in manchem analoge Gefahr. Im Grundgesetz steht: Die Parteien wirken an der politischen Willensbildung mit. Durch die Demoskopie, die nahezu wöchentlich Stimmungen und Tendenzen über wesentliche politische Sektoren reflektiert, wird aber, ohne dass dies verfassungsrechtlich greifbar wäre, ein quasi plebiszitäres Element eingeführt. Es gefährdet tatsächlich das repräsentative System, das ein freies Mandat auf Zeit benötigt, nicht aber ein hektisches Reagieren auf aktuelle Stimmungsschwankungen.
Die Parteien fühlen sich in der Zwickmühle, einerseits zwischen dem Druck, nicht nur bei Wahlen gewinnen, sondern ständig auf Stimmungen in der Bevölkerung reagieren zu müssen, andererseits aber kompetent zu regieren. Die zunehmend kompliziertere Politik, die oft auch langfristig wirksame Entscheidungen verlangt, deren Konsequenzen nur bei einer hohen Sachkompetenz überblickbar sind, ist bei dieser Kurzfristigkeit immer schwerer den Wählern zu vermitteln. Die Versuchung wächst also, auch in der Zukunft mehr auf aktuelle Wirkung als auf Sachangemessenheit zu setzen. Dieses Vermittlungsproblem besteht in allen Massendemokratien.
Soweit Prof. Dr. Möller. – Verehrte Kolleginnen und Kollegen, hier ist vor dem Hintergrund des Versagens der Parteien und des politischen Führungspersonals in der Weimarer Zeit unsere Aufgabe und unsere Verantwortung beschrieben. Wenn bei den gegenwärtigen Herausforderungen Parteien und Politiker versagen, könnte wieder der Weg für eine Radikalisierung bereitet werden. Das sollten wir bei diesem Anlass besonders bedenken.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gab zwischenzeitlich ein Gespräch – Wie soll ich das ausdrücken? – Über die Buschtrommeln, die dieses Haus schon immer kennt, hat uns die Nachricht erreicht, dass die SPD-Fraktion eine Vertagung im Hinblick auf einen Änderungsantrag beantragen wird.
Wir haben kein Interesse daran, den heutigen Tag damit zu füllen, dass wir zu diesem Thema primär über Verfahren diskutieren. Das Gesetz muss aber zügig verabschiedet werden. Wenn es vonseiten der beratenden Ausschüsse bzw. der Ausschussvorsitzenden eine Zusicherung gibt, dass bis zum nächsten Plenum diese Änderung in den beiden Ausschüssen beraten ist und es zu keiner weiteren Verzögerung kommt, dann sind wir bereit, heute einer Absetzung von der Tagesordnung zuzustimmen. Ich bin davon ausgegangen, dass von der SPD die Absetzung beantragt wird. Insofern herrschte für einen Moment Verwirrung.
Ich erkläre also für die CSU-Fraktion, dass wir mit dieser Maßgabe, dieser Zusicherung, die übermittelt worden ist, zustimmen, dass dieser Gesetzentwurf heute abgesetzt und im nächsten Plenum beraten und verabschiedet wird.
Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ich denke, damit ist Übereinstimmung im Hohen Haus erzielt. Die Gesetzentwürfe sowie die eingereichten Anträge und der eingereichte Dringlichkeitsantrag werden von der heutigen Tagesordnung abgesetzt und an den federführenden Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zurückverwiesen. Besteht damit Einverständnis? –
Ich rufe auf:
Antrag der Staatsregierung
Zweite Lesung –
Ich eröffne die Aussprache. Wortmeldungen? – Herr Schultz, bitte.
Frau Präsidentin, wir haben heute Nachmittag eine Debatte über die vorliegenden Entschließungen zum Irak-Krieg. Gleichwohl will ich mit diesem Thema beginnen, da es vom Herrn Kollegen Maget und vorher vom Herrn Ministerpräsidenten angesprochen wurde.
Es ist keine Frage, dass das die Thematik ist, die uns alle gegenwärtig am meisten beschäftigt und bedrückt, und dass wohl alle Menschen in Deutschland die Hoffnung verbindet, dass eine Lösung ohne kriegerische Mittel und ohne Militäreinsatz gefunden werden kann. Es ist aber auch entscheidend, dass wir dabei eine Politik gestalten, die die Wahrscheinlichkeit für eine friedliche Lösung steigert, und dass nicht von Deutschland aus eine Politik vertreten wird, die die Wahrscheinlichkeit für eine friedliche Lösung in der Wirkung – ich sage nicht „in bewußter Absicht“, weil ich fairer sein möchte als Herr Maget mit seinen Unterstellungen gegenüber dem Ministerpräsidenten – beeinträchtigt.
Ich will niemand unterstellen, dass er bewusst durch seine Politik zu einer größeren Wahrscheinlichkeit eines Krieges beitragen will.
Was sind die Fakten? – Herr Maget, zu keinem Zeitpunkt hat der Ministerpräsident seinerzeit als Kanzlerkandidat die Kriegsgefahr im Irak als eine Erfindung der SPDWahlkampfzentrale gesehen. Aber dass von Ihrer Seite suggeriert wurde, dass Deutschland mit Bodentruppen beteiligt wäre, war zu jedem Zeitpunkt ein Produkt der Phantasie und nie realer Gegenstand.
Wenn Sie jetzt wieder apodiktisch formulieren, „keine militärische Beteiligung“, das sei die Position der Bundesregierung, dann darf ich Sie fragen: Wie ist das mit den Awacs-Flugzeugen? Warum widerspricht die Bundesregierung der Position der Union und der Opposition, dass über einen möglichen Einsatz von Awacs-Flugzeugen im Deutschen Bundestag entschieden werden muss, wie damals beim Einsatz auf dem Balkan? Der Bundeskanzler hat ausdrücklich erklärt, dass er sich dem nicht entziehen will. Aber Sie wagen es nicht, in eine Abstimmung im Deutschen Bundestag zu gehen, weil es Sie dann zerreißt und weil dann Ihre Wischiwaschi-Position und Ihre Irreführung der Bevölkerung in diesem Punkt offenkundig wird.
Ihren Entschließungsantrag von heue Nachmittag leiten Sie ein mit der interessanten Formulierung, dass derzeit ein Krieg gegen den Irak nicht gerechtfertigt wäre. Diese Auffassung teilen wir. Aber die Bundesregierung sagt, unabhängig von der Sachlage und allen Erkenntnissen – UNO-Berichte, Berichte von Inspekteuren, da kann kommen, was mag, – sind wir in jedem Fall dagegen. Für was sind Sie denn nun? Sind Sie für die Position von Herrn Schröder, oder haben Sie eine neue Position? Darüber müssen wir heute Nachmittag noch reden. Es ist wieder der Versuch, zu taktieren, es jedem recht zu machen und zu suggerieren: „Wir sind die großen Friedensapostel.“ Das ist aber keine verantwortliche Politik für Deutschland.
Es ist völlig klar, die Gefahr geht von Saddam Hussein aus. Ich denke, soweit sind wir uns einig. Es ist auch klar, dass die Entscheidungsebene nur die UNO sein kann. Wir müssen immer wieder deutlich machen, der Konflikt kann morgen beendet sein, wenn Saddam Hussein die Bedingungen der UNO – nicht die Bedingungen der Amerikaner oder von irgendjemandem, sondern die Bedingungen der Resolutionen des UN-Sicherheitsrats – erfüllt.
Meine Damen und Herren, wir sind gegen Alleingänge der USA und gegen deutsche Alleingänge. Dabei gibt es
ein Problem. Es geht um eine schwierige Gratwanderung, auf die es entscheidend ankommt und bei der sich unsere Wege trennen. Ein Einlenken von Saddam Hussein ist nach allen Erfahrungen wenn überhaupt dann nur zu erwarten, wenn es eine glaubwürdige Drohung und Bedrohung für ihn gibt. Nun ist die Frage, wie betreibt man Politik, damit diese Bedrohung für ihn so real ist, dass er hoffentlich zum Einlenken kommt.
Natürlich darf daraus kein Automatismus zum Krieg führen. Aber wer jetzt vorweg erklärt, Saddam Hussein soll abrüsten und alle friedlichen Möglichkeiten sind auszuschöpfen, die dafür denkbar sind, aber in keinem Fall wird es ein militärisches Eingreifen geben, egal wie Saddam Hussein sich verhält, der nützt Saddam Hussein und schadet der friedlichen Welt, der UNO und allen, die einen friedlichen Weg wollen.
Dass diese Drohungen eine Wirkung haben können, zeigt, dass Saddam Hussein gestern in einer Rede in einer Mischung von Appell und Drohung an seine Generäle appelliert hat, loyal zu bleiben und nicht in Gedanken mit einer inneren Revolution zu spielen. In meinen Augen ist das ein Anzeichen dafür, dass er unsicher wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, diese mögliche Perspektive gibt es doch nur, weil die UNO, die Amerikaner, die Franzosen und andere keine Politik gemacht haben wie die deutsche Bundesregierung. In der entscheidenden Frage gibt es keine Übereinstimmung zwischen Frankreich und Deutschland. Ich fühle mich vom französischen Präsidenten – wenn ich das so sagen darf – gut vertreten. Er sagt, zuerst sind alle friedlichen Mittel auszureizen, kein vorschneller Weg in eine kriegerische Auseinandersetzung. Er sagt, den Inspekteuren muss länger Zeit gegeben werden, aber er sagt nie und hat nie gesagt, wenn das nicht greift, werden wir nicht weiter handeln. Die französische Regierung hat gegenüber Saddam Hussein auf jeden Fall die Unsicherheit offen gelassen, welche Konsequenzen er zu tragen hat, wenn nichts passiert. Genau das ist das Problem.
Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 25. Januar. Dort schreibt der Autor Stefan Cornelius, nachdem er sich sehr kritisch mit Bush auseinander gesetzt hat:
Jeder außenpolitische Berater wird Schröder gesagt haben, dass der amerikanische Präsident am Ende die Unterstützung der Partner braucht, und sei es zur Befriedung der amerikanischen Wähler. Schröder entschied, sein Urteil über den Bündnispartner zu einem innenpolitisch passenden, aber außenpolitisch ungelegenen Zeitpunkt abzugeben, während des Wahlkampfes und mitten in der Drohphase gegenüber Saddam Hussein. Zeitpunkt und Wortwahl waren falsch. Sie stehen für eine grandiose Unverhältnismäßigkeit. Im Ergebnis hat Schröder dazu beigetragen, die Glaubwürdigkeit der Drohkulisse zu zerstören.
Es geht weiter:
Saddam reibt sich die Hände, während sich Washington und Berlin zerfleischen. Ein Urteil über die Bedrohung durch den Irak war aus Schröders Mund nicht zu hören. Er hat mit seinem Verhalten mehr zu einem Krieg beigetragen, als dass er die Gefahr reduziert hätte.
Meine Damen und Herren, das ist ein vernichtendes Urteil, das nicht aus der Sicht – wie Sie vielleicht vermuten oder sagen wollen – unserer parteipolitischen Brille gefällt wurde, sondern aus der Warte unabhängiger Beobachter. Das ist unsere tiefgreifende Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf das Verhalten der Bundesregierung. Ein Bundeskanzler, der so weitreichende Fragen für die Zukunft unseres Landes auch in einer Sicherheitspartnerschaft und eine so weitreichende Frage für die Weltgemeinschaft dem Wahlkampfkalkül unterordnet, handelt verantwortungslos. Ich sage, er handelt skrupellos.
Damit, Herr Maget, will ich mich Ihren Ausführungen und der Landespolitik zuwenden. Im „Münchner Merkur“ war am 28. Januar ein Zitat von Ihnen zu lesen: „Was soll der arme Sigmar denn machen?“ Vermutlich haben Sie innerlich gedacht: „Was soll der arme Franz denn machen?“
Mit Blick auf die Landespolitik ging es vielleicht auch um die Frage, wer von Ihnen beiden die Spitzenkandidatur übernehmen soll. Auch dafür gäbe es einen Ausweg: Schlagen Sie es Lafontaine vor; er hat wieder Ambitionen. Davon ist zwar Herr Hoderlein nicht sehr erbaut, aber Herr Stiegler sagt, einen erfolgreichen Kämpfer wie Lafontaine braucht die SPD.
Herr Maget, Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht bald zum verschwindenden Rest von Menschen in Deutschland gehören, die die Politik von Schröder gut finden. Aus der heute veröffentlichten Analyse in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“:
Frage: Was glauben Sie, wie die meisten über die Politik von Gerhard Schröder denken? Sind die meisten Menschen bei uns in der Bundesrepublik mit der Politik von Gerhard Schröder einverstanden oder nicht? – Die meisten sind einverstanden: 5%. Herr Maget, Sie haben nicht mehr viel Gefolgschaft. Nicht einverstanden: 73%. Ähnlich eindeutig fällt auch das Ergebnis der Frage aus: Was glauben Sie, wie es weitergeht? Werden in Zukunft immer mehr Menschen für Bundeskanzler Schröder sein oder immer weniger oder wird sich da nichts ändern? – Immerhin 5% glauben, immer mehr werden für Bundeskanzler Schröder sein, immer weniger werden für ihn sein: 60%. Nun ist die SPD in Bayern gewohnt, bei Minderheiten dabei zu sein. Aber trotzdem, Herr Maget, so wie Sie hier die Politik darstellen – auch wenn Sie an einer Stelle sagen: „Wir kritisieren die Bundesregierung
ja auch, wenn es sein muss“, aber dann eine globale Verteidigung betreiben – sind Sie weit, weit, weit weg vom Lebensgefühl der Menschen in Deutschland.
Ich will einige Stichworte aus Ihrer Rede in aller Kürze aufgreifen: Staatsfinanzen – mit Eichel hätte die Konsolidierung begonnen. Theo Waigel hat in der schwierigsten Phase der deutschen Staatsfinanzen, nämlich in dem Jahrzehnt, wo die Wiedervereinigung die größte Belastung für den Staatshaushalt war, die Stabilitätskriterien nie gefährdet. Es ist Eichel und Ihrer Politik vorbehalten geblieben, dass wir heute in Europa der Kranke sind, dass wir Rügen von der EU-Kommission bekommen, dass eine tiefe Besorgnis über die Zerrüttung der Staatsfinanzen in Deutschland vorhanden ist. Das hat es in Zeiten von Unionsregierungen in Deutschland nie gegeben. Das ist das Dramatische an der heutigen Situation.
Rente: Wir haben den demografischen Faktor eingeführt – nach wie vor eine der wichtigsten Weichenstellungen im Hinblick auf eine neue Balance des Generationenvertrages in der Rentenversicherung. Sie haben 1998 einen skrupellosen Wahlkampf nach dem Motto „Soziale Kälte – das braucht es alles nicht“ geführt, haben dies sofort kassiert, genauso wie Sie in der Krankenversicherung eine Stabilisierung durch eine entsprechende Selbstbeteiligung bei denen, denen man es zumuten kann – 25% waren frei, untere Einkommensgruppen – verhindert haben. Sie haben im Wahlkampf polemisiert und leider damit Erfolg gehabt. Sie haben unsere Maßnahmen zunächst kassiert und anschließend die Rentenversicherung und die Krankenversicherung in chaotische Zustände geführt.
Über die Fragen der Regionalpolitik haben wir uns hier auseinandergesetzt und werden uns auch immer wieder auseinandersetzen. Deswegen will ich die diversen Zahlen nicht noch einmal wiederholen. Nur eines ist bezogen auf Oberfranken ganz klar, Herr Hoderlein und andere – –
Der ist schon da, er führt gerade eine Schwabenkonferenz.
Herr Hoderlein, eines ist bei allen Problemen, die es in Oberfranken gibt, ganz klar: Ergebnisse der Kommunalwahlen und der Bundestagswahlen haben gezeigt, dass die Menschen dabei mehr auf die CSU setzen und schon gar nicht auf die SPD. Das ist eindeutig.
Die Menschen in Oberfranken und in Bayern wissen:
Ja, schauen Sie sich einmal die Wahlergebnisse an.
Die Menschen in Oberfranken und in Bayern wissen: Wir versprechen nichts leichtfertig, aber wir tun das Mögliche und das schafft Glaubwürdigkeit. Das ist das, was sie bei Ihnen leider nicht mehr erwarten und auch gar nicht mehr vermuten.
Herr Maget, nur ein Wort zu Ihrer Kritik an der Aktion der Wirtschaft. Ich meine, das ist grundsätzlich deren Sache. Das ist Meinungsfreiheit. Warum soll der Wirtschaft und den Wirtschaftsverbänden nicht erlaubt sein, was den Gewerkschaften selbstverständlich erlaubt ist?
Wenn Sie sogar hier noch argumentieren, die hätten von der Steuerreform profitiert, die dürften nicht kritisieren: Erstens haben Sie das in der Vergangenheit immer geleugnet und zweitens: Was ist denn das für ein Politikverständnis, dass man sagt, wer von unserer Politik einmal Nutzen hat, der hat zu schweigen und zu klatschen und darf nicht mehr kritisieren? Wo kommen wir denn mit solchen Verhaltensweisen hin?
Im Übrigen, was Sie zur Schule gesagt haben, ist schon sehr schwach. Bei Ihrer Klausurtagung in Irsee waren Sie ja ganz offensichtlich nicht in der Lage, ein schulpolitisches Konzept zu verabschieden.
Wenn das, was Sie vortragen, die Quintessenz dessen ist – Sie sind gegen Sitzenbleiben und sind gegen zu viele Disziplinforderungen an der Schule –, dann ist das ein wirklich jämmerliches Konzept. Mehr war da leider nicht enthalten.
Im Übrigen, was die Bundesmittel betrifft: Die Bundesregierung soll zunächst einmal ein konkretes Angebot machen. Es sind alles großspurige Angebote, aber eines ist völlig klar, dass wir uns nicht in die Ausgestaltung unserer Schulen hineinregieren lassen. Im Übrigen wäre es viel vernünftiger, wenn die Bundesregierung nicht vorher das Geld den Ländern und Kommunen wegnehmen würde, um dann Wahlkampfgeschenke zu machen. Genau so ist doch die Geschichte über die Steuerreform gelaufen.
Ihre Zahlen zur Kinderbetreuung waren gebetsmühlenartig wieder falsch, nach dem Motto Wiederholungen – wer nicht so genau Bescheid weiß, glaubt es vielleicht. Es stimmt schlicht und einfach nicht, dass wir an letzter Stelle wären.
Auch die Zahl ist falsch.
Nein, das stimmt nicht. Sie wiederholen das einfach gebetsmühlenartig.
Im Übrigen, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft: Nirgendwo in Deutschland ist die Frauenerwerbsquote so hoch wie in Bayern. Wir haben nicht nur den höchsten Beschäftigungsgrad insgesamt, wir haben auch den höchsten Beschäftigungsgrad bei Frauen. Wir wissen ganz genau, dass hier vieles zu tun ist. Aber wer so tut, als seien ausgerechnet und speziell in Bayern so ganz unerträgliche Verhältnisse, der hat keine Ahnung von der Wirklichkeit.
Konnexität: Natürlich war das Konnexitätsprinzip in Bayern seit Jahren immer wieder ein Thema. Aber es war nie ein so zwingendes Anliegen der kommunalen Spitzenverbände. Das ist es erst geworden, als Entscheidungen der jetzigen Bundesregierung zum finanziellen Notstand bei den Kommunen geführt haben. Das ist das Schlüsselproblem, das jetzt für die Kommunen entstanden ist. Wir haben zu unserer Regierungszeit in Bonn gewiss den Kommunen immer wieder das eine oder andere zugemutet, aber wir haben ihnen nie Lasten aufgewälzt, wie Sie es gegenwärtig wieder tun, zum Beispiel mit der Grundsicherung.
Fragen Sie einmal, wie die Situation bei vielen Landkreisen in Bezug auf die Antragstellung ist und wie sich das Thema bereits jetzt dramatisch auf die kommunalen Finanzen auswirkt.
Über eines gilt es auch zu reden, was Umweltpolitik und Klima betrifft: Herr Maget, es waren CSU-Bundestagsabgeordnete – das gilt es festzuhalten –, die das Einspeisungsgesetz für regenerative Energien in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Bayern hat seit jeher einen überdurchschnittlichen Anteil an regenerativer Energie. Nicht erst, seit es die Förderprogramme aus der heutigen Zeit gibt.
Wir haben seit jeher vonseiten der Landespolitik regenerative Energien gefördert. Ich erinnere an die Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit der Hightech-Offensive, wo sehr ehrgeizige Ziele für den Anteil regenerativer Energien am Gesamtenergieaufkommen gesetzt worden sind, wie es sie so in keinem anderen Bundesland gibt. Ich möchte aber auch noch eines hinzufügen: Die Finanzierung der regenerativen Energieträger können wir uns nur leisten durch den Beitrag der traditionellen Energieträger für die Gesamtenergieversorgung. Das, was heute an Förderungen gegeben wird – sei es Wasserkraft, Photovoltaik, was immer da dazu kommt –, wird aus den Erträ
gen, die über die Kernenergie, über Kohle oder Öl kommen, finanziert.
Sie kommen im Besonderen von der Kernenergie.
Weder Sie, Herr Maget, noch die Bundesregierung haben jemals eine Antwort darauf gegeben, wie die künftige Energieversorgung in Hinblick auf finanzierbar, umweltverträglich und verfügbar aussehen kann im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, so lange andere Träger der regenerativen Energien nicht in anderer Weise zur Verfügung stehen. Deshalb ist es unsere Energiepolitik, die Alternativen zu fördern, wie wir das immer getan haben, und die Umweltverträglichkeit voranzutreiben, aber daraus keine Ideologie zu machen, die letztlich wiederum die Bevölkerung in dem täuscht, was tatsächlich geschieht und möglich ist.
Meine Damen und Herren, die zentralen Themen des Jahres 2003 sind Arbeit, solide Staatsfinanzen, zukunftsfähige soziale Sicherungssysteme und die Qualität unseres Bildungswesens. Es gäbe weitere Themen. Ich füge spontan die Familienpolitik hinzu. Wir werden auch die anderen Bereiche nicht vernachlässigen.
Wir werden aber angesichts der Situation der öffentliche Haushalte in einer bislang noch nie gekannten Konsequenz Prioritäten setzen müssen. Prioritäten zu setzen heißt immer, etwas anderes, was man auch gerne tun würde, nicht in dem Umfang tun zu können, wie man es gerne tun würde. Das Thema Nummer 1 für die weitere Entwicklung in Deutschland ist die Zukunft der Arbeit in Deutschland.
Deshalb, meine Damen und Herren, muss es in der Abwägung in allen Politikebenen – das gilt auch für die Landespolitik – eine ganz klare Priorität für Maßnahmen geben, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen zu schaffen und Entwicklungen zu fördern für mehr Arbeit in Deutschland, für mehr Arbeit in Bayern und auch für mehr Arbeit in den jeweiligen Kommunen. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Gewerbeansiedlung vor Ort, um die Höhe der Gewerbesteuer und um vieles andere mehr.
Um die Prioritätensetzungen kommen wir nicht herum, denn eng mit der Arbeit verbunden ist die wirtschaftliche Entwicklung, damit wiederum die Situation der öffentlichen Haushalte und die Situation der Renten-, Krankenund Arbeitslosenversicherung. Noch nie hatte die CDA, die Arbeitnehmerorganisation der CDU eine, so richtige Formulierung für einen Kongress gewählt: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“
Führen wir uns die diversen Diskussionen zu arbeitsmarktpolitischen Regelungen vor Augen. Herr Clement hat im Bundesrat die Erfahrung gemacht, dass die Union konstruktiv ist, obwohl das für uns eine zwiespältige Wirkung hat; denn aus unserem Wahlprogramm kamen die Vorschläge zu den Niedriglöhnen und zur Abschaffung von Bereichen, die total reglementiert waren wie zum
Beispiel geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Gelobt worden ist dafür in erster Linie Herr Clement. Trotzdem werden wir uns aus parteipolitischen Erfahrungen heraus den sinnvollen Dingen nicht verweigern. Die Reaktion der SPD-Landtagsfraktion in Irsee auf die Vorschläge von Clement oder auf die Vorschläge des Kanzleramtes hält einem vor Augen, dass es eine „Betonfraktion“ ist, mit der Veränderungen in Deutschland ganz bestimmt nicht möglich sind.
Wir sind für solche Veränderungen. Wir müssen aber mit dem Irrglauben aufhören, dass ein möglichst dichtes Netz von Schutzbestimmungen für die einzelnen Menschen immer gut wäre. Die Realität ist, dass der einzelne Arbeitgeber nicht mehr einstellt, weil er in die arbeitsrechtliche Regelung „einbetoniert“ ist, sodass er lieber den Weg über die Überstunden geht. Damit wird eine solche Absicherung kontraproduktiv.
Die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme wird eines der ganz großen Themen dieses Jahres sein, das die Landespolitik berührt. Ich denke dabei an die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen auf die Situation in den Krankenhäusern und auf die ärztliche Versorgung in der Fläche. Deshalb werden wir uns selbstverständlich an dieser Thematik beteiligen.
Nun zur Qualität unseres Bildungswesens: Die Pisa-Studie sagt, Bayern sei auf dem richtigen Weg. Wir ziehen daraus auch Schlussfolgerungen.
Eine Reihe von Schlussfolgerungen hat der Ministerpräsident vorgetragen. Wir haben bei der Klausurtagung in Kreuth entsprechende Positionen formuliert. Wir werden diese bis Ostern im Lande zur Diskussion stellen. Das ist ein Stück neuer Politikstil, die Anträge nicht sofort im Landtag, sondern mit Interessierten, Beteiligten oder Betroffenen zu diskutieren.
Dann werden wir unsere Schlussfolgerungen im Hinblick auf das, was wir für notwendig halten, ziehen.
Die Menschen wären dankbar, wenn Sie etwas Vergleichbares anzubieten hätten, meine Damen und Herren von den GRÜNEN oder der SPD.
Das große und zentrale Thema des Jahres 2003 wird aber sein – und es wird sich durch alle Politikbereiche ziehen – wie viel Staat und wie viel Eigenverantwortung wir brauchen. Wir haben eine gemeinsame Quelle aller Probleme. Das ist der Trend: immer mehr Staat und
immer weniger Eigenverantwortung. Das ist auch der Trend: immer mehr Sozialstaat – Volumen und Organisation – und immer mehr soziale Kälte.
Ich will von diesem sehr umfangreichen und grundsätzlichen Thema nur einen Aspekt herausgreifen, mit dem wir uns in Kreuth befasst haben. Dieses Thema hat Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber angesprochen, und er hat auch schon die Henzler-Kommisson berufen. Das ist der Problemkreis der Bürokratie.
Herr Maget, das Thema kann man nicht „kabarettmäßig“ abhandeln, wie Sie das versucht haben. Wir müssen uns gründlicher damit auseinandersetzen, warum wir trotz aller Abschaffungsbemühungen in Deutschland insgesamt – sicherlich auch in Bayern – letztlich einen ständigen Zuwachs an Regeln, Regulierungsdichte und damit verbundene Lähmungseffekte haben.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, mit der Bevölkerung darüber eine Debatte zu führen. Ich sehe im Wesentlichen drei Ursachen für dieses Problem: Anscheinend haben wir im internationalen Maßstab ein besonders ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Wenn es bei uns ein Problem gibt, muss es dafür eine Regelung geben. Wir haben zum Zweiten einen Hang zum Perfektionismus. Es ist nicht böswillig, wenn von den Fachverwaltungen noch eine neue Vorschrift oder noch eine neue Detailregelung kommt. Es hat aber auch damit zu tun, dass wir in der politischen Diskussion einen Prozess bekommen haben, den ich mit der „Skandalisierung der Politik“ bezeichnen möchte.
Lieber vorher denken und nicht so schnell reden. Oder mitdenken.
Die Skandalisierung der Politik nach dem Motto: Es gibt ein Problem, und am meisten Gehör findet, wer am lautesten „Skandal“ schreit. Daraus entwickelt sich eine Kopfjäger-Mentalität. Alles zusammen führt zu noch mehr Absicherungsmentalität – sei es bei den Menschen in der Verwaltung aber auch in der Politik.
Meine Damen und Herren, wir alle miteinander sind gefordert. Was passiert? – Schauen wir alle in den Spiegel. Wenn es ein Problem oder ein massives Fehlverhalten, einen Skandal in einer Biogasanlage gibt, entsteht der Druck, sofort alle Biogasanlagen in Bayern zu überprüfen und neue Regeln einzuführen. Dann klagen alle, dass das nicht finanzierbar sei.
Wir haben ein Problem in einem Pflegeheim. Daraus wird sofort ein politischer Skandal und man sagt, die Aufsicht habe versagt. Es entsteht also der Druck, die Regeln und das Netz der Kontrollen dichter zu machen. Anschließend klagen alle, dass man immer mehr Papierkram zu bearbeiten und weniger Zeit hat, sich dem Menschen zuzuwenden. Diejenigen, die tatsächlich bewusst
Regeln verletzen wollen, erreichen wir damit ohnehin nicht. Denn wer im Pflegeheim, Krankenhaus oder wo auch immer keine Skrupel hat, einen Menschen schlecht zu behandeln, der hat auch keine Skrupel, einen Fragebogen oder eine Zeittabelle falsch auszufüllen. Das sind nur zwei Beispiele, mit denen ich sensibilisieren möchte. Wir müssen aufhören, alle Bereiche, in denen es ein Problem gibt, sofort zu regeln.
Dann müssen wir aber auch zusammenstehen und denen in der Politik oder in der Verwaltung Rückendeckung geben, die den Missständen nachgehen, aber nicht gleich wieder neue Regelungen einführen. Wenn wir den Verantwortlichen keine Rückendeckung geben, wenn wir uns nicht insgesamt von den Scheinsicherheiten lösen, die uns suggerieren, dass die Sicherheiten desto größer wären, je mehr geregelt würde, und wenn wir dies mit der Bevölkerung nicht schaffen, dann werden wir aus dem Teufelskreis des Regelns, Reglementierens und Lähmens nicht herauskommen.
Es ist nicht so, Herr Maget, dass aus den Verwaltungen bisher nur überflüssige Regelungen gekommen wären. Wir müssen aber konsequenter als bisher fragen, ob die Regelungen tatsächlich unverzichtbar sind. Wir dürfen nicht fragen, ob sie richtig oder falsch, vertretbar oder nicht sind, sondern wir müssen fragen, ob die Regel unverzichtbar ist und ob gegebenenfalls ein Sicherheitsproblem oder ein Rechtsproblem entsteht. Wenn dem nicht so ist, dann sollten wir alle den Mut haben, auf eine Regelung zu verzichten. Ich hoffe, dass dann nicht wieder die Verwaltungsgerichte die Regelung übernehmen oder die Politik zum Handeln auffordern.
Die Regelungsdichte ist Ausdruck der inneren Verfassung unseres Landes. Ohne mentale Veränderungen sind die Probleme in Deutschland nicht zu lösen. Das ist unser Schlüsselproblem.
Ich glaube, das Grundproblem der SPD und der Regierung Schröder-Fischer besteht darin, dass sie keinen Kompass, kein Koordinatensystem und keine erkennbare verbindliche Grundorientierung für das politische Handeln haben. Die Regierung ist sprunghaft und opportunistisch. Schröder ist lange bewundert worden, weil er ein genialer Techniker der Macht sei. Genau daraus ist die Situation erwachsen, dass heute für viele Menschen in Deutschland diese Politik der Unberechenbarkeit ein Risikofaktor für die Lebensplanung geworden ist.
Dem stellen wir eine klare Alternative entgegen. Deshalb will ich, ohne auf Detailfragen einzugehen, einmal aus meiner Sicht beschreiben, worin die Grundorientierung des Regierungshandelns der Regierung Stoiber in Bayern besteht und was die Politik der CSU und der Staatsregierung prägt.
Erstens. Unsere Politik ist fest in der Grundorientierung der christlichen Wertetradition verankert, sie ist aber auch für die notwendigen geistigen Auseinandersetzungen unserer Zeit offen. Dazu gehört auch das bayerische
„Leben und leben lassen“, aber nicht die als Toleranz getarnte Beliebigkeit. Wichtig ist also die feste Grundorientierung.
Zweitens. In Bayern wird eine Politik gestaltet, die Innovation mit innerer Stabilität verbindet. Die Innovationskraft wird durch die Politik gefördert. Ich bin überzeugt, dass wir alle Voraussetzungen in unserem Land haben, dauerhaft in der Weltspitze zu bleiben, wenn die Politik ermöglicht, dass sich das Potenzial und die Kraft der Menschen entfalten können. In Bayern haben wir eine solche Politik gestaltet, und wir gestalten sie weiter, was sich auch in der Zahl der Patentanmeldungen oder in der Qualität unseres Bildungswesens ausdrückt. Wir sind aber keine blinden Modernisierer.
Innovation und Veränderung sind für uns kein Selbstzweck. Genauso wichtig ist für uns, die innere Stabilität in der Gesellschaft zu fördern. Dazu zählt ganz wesentlich die Verlässlichkeit der Politik, dazu zählt aber auch die entscheidende Qualität der inneren Sicherheit. Dazu zählen Werte, Traditionen und Gemeinschaftsleben. Wir haben es auch in der Formulierung „menschlich und modern“ ausgedrückt. Diese Kombination von Innovationskraft und innerer Stabilität wird unsere Politik auch weiter prägen.
Drittens. Das dritte prägende Merkmal der Politik der letzten zehn Jahre und der Politik, die wir weiter gestalten wollen, ist die Zukunftsorientierung und die Zukunftsverantwortung. Zukunftsorientierung heißt zunächst einmal, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu erfassen, was sich zu verändern beginnt, um den Wandel zu gestalten. Es ist sicher eine wesentliche Erklärung für die außergewöhnliche Entwicklung Bayerns über die letzten 40 Jahre hinweg, dass die Verantwortlichen zu ihrer Zeit mehr als andere die Zeichen der Zeit erkannt und daraus Schlussfolgerungen gezogen haben. Das gilt für die Energiepolitik, die Bildungspolitik, die Agrarpolitik und die Entwicklung ländlicher Räume, die Hochschulpolitik und vieles mehr. Wir haben in den letzten Jahren vieles aufgegriffen, was sich in der Zukunftsoffensive, der Hightech-Offensive und ähnlichen Themen niedergeschlagen hat.
Ich nenne aber auch die Zukunftsverantwortung. Edmund Stoiber war einer der ersten Politiker der ersten Reihe, die das Thema der Nachhaltigkeit konsequent aufgegriffen haben. Er hat Nachhaltigkeit nicht nur auf die Umweltpolitik begrenzt, sondern sie auf einen neu zu gestaltenden Generationenvertrag ausgeweitet, der eine Folge der demographischen Entwicklung ist. Nachhaltigkeit übertrug er auch auf die Entwicklung der Haushalte. Für die umfassende Nachhaltigkeit wähle ich heute lieber den Begriff der Zukunftsverantwortung. Wir praktizieren sie und setzen dementsprechend Prioritäten in der Familienpolitik.
Viertens. CSU-Politik in Bayern verbindet ökonomisch kompetente und erfolgreiche Politik mit engagierter Politik für die sogenannten kleinen Leute und die Schwächeren. Das hat der SPD auch im Bundestagswahlkampf so zu schaffen gemacht, weil Edmund Stoiber neben dem Betreten von neuem Gelände durch Innovation immer in besonderer Weise ein Anwalt der kleinen Leute war, so
wie es die CSU als Ganzes ist. Nur so sind auch unsere Wahlergebnisse zu erklären. Das heißt aber auch, dass wir nicht gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen. Ein wesentlicher Teil dieses konstruktiven Klimas in Bayern hat damit zu tun, dass wir eine geringere Klassenkampfmentalität haben.
Wir spielen weder Menschen noch Regionen gegeneinander aus, sondern wir verbinden sie miteinander.
Fünftens. Bayern stellt für die CSU eine besondere Aufgabe und Verantwortung dar, und zwar nicht nur im Rahmen der Landespolitik, sondern für die Partei als Ganzes. Wir sind auch in den Augen der Menschen die Partei, die die Interessen der Menschen und des Landes vertritt. Was Sie von der SPD auf Bundesebene diesbezüglich tun, ist allenfalls eine große Geheimsache. Die Menschen jedenfalls können es nicht erkennen.
Wir haben bewiesen, dass wir bayerische Interessen sowohl dann vertreten, wenn wir auf Bundesebene an der Regierung sind gibt, als auch in Zeiten der Opposition.
Demgegenüber sind die SPD und die GRÜNEN nur regionale Niederlassungen, die von Berlin aus gesteuert werden.
(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Kaul (CSU))
Herr Maget, Ihre heutige Rede war eine einzige Dokumentation dessen, dass Sie gegenüber Berlin keine bayerischen Interessen vertreten. In Ihrer ganzen Rede ist davon nichts vorgekommen.
Lassen Sie mich ein weiteres Stichwort nennen. Wir belegen, dass wir mit einer starken Landespolitik Auswirkungen auf den Bund und auf Europa ausüben. Wir setzen aus der Landespolitik heraus wichtige Akzente. Ich nenne beispielhaft die innere Sicherheit. Die von der CSU und der Staatsregierung seit Jahrzehnten kontinuierlich geformte und entwickelte Politik für innere Sicherheit ist heute das prägende Muster für den Maßstab in Deutschland. Herr Schily versucht, unseren Innenminister Günther Beckstein dabei möglichst oft nachzuahmen.
Wir haben entscheidende Markierungspunkte gesetzt und bei der Entwicklung der Zuwanderungspolitik in Deutschland Wesentliches erreicht. Wir haben auf die Gestaltung der Arbeitsmarktpolitik gerade in jüngster Zeit entscheidend Einfluss genommen. Meine Damen und Herren, auf europäischer Ebene haben wir Wirkung erzielt, wie es für Landespolitik sehr ungewöhnlich ist. Über viele Jahre hinweg war Bayern der einsame Vorreiter der Forderung nach einer inneren Reform der Euro
päischen Union im Sinne der Subsidiarität. Heute ist dies europäisches Allgemeingut, wenn auch noch nicht politische Wirklichkeit. Es ist ein gemeinsames europäisches Thema geworden. Edmund Stoiber ist von Ihnen während vieler Jahre als Europafeind diffamiert worden, als er genau dies immer wieder hartnäckig forderte.
Meine Damen und Herren, Bayern ist ein Land mit besonderer Lebensqualität. Es ist zum einen das Ergebnis der Politik und der politischen Rahmenbedingungen. Zum anderen ist es aber das Ergebnis bürgerschaftlichen Engagements. Aufgrund der Mentalität gibt es in Bayern offensichtlich weniger Ich-AG und mehr Wir-Verantwortung.
In Bayern gibt es mehr von dem, was man in der heute überall gebrauchten ökonomisierten Sprache als Sozialkapital bezeichnet: die Qualität des Zusammenlebens und das Engagement von Menschen für Anliegen des Gemeinwohls. Ich füge hinzu, mit das Wertvollste, was wir in unserem Land haben ist, dass wir im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland ein höheres Maß an Grundübereinstimmung im Hinblick auf das Zusammenleben haben und darauf, was hierfür notwendig ist. Daraus erwächst wertvolle Kraft. Dabei müssen wir auch neue Wege gehen und fördern, neben den traditionellen Vereinen und Verbänden. Ich denke beispielsweise an die Entwicklung und die Förderung von Selbsthilfegruppen, von Familiengruppen, Freiwilligen-Agenturen und was es sonst noch alles gibt.
Unsere Botschaft für das Jahr 2003 möchte ich so formulieren: Wir haben miteinander – mit den Menschen, die hier leben –, viel geschaffen. Wir können mit Selbstvertrauen in die unübersichtliche Wegstrecke des Jahres 2003 gehen. Wir werden alles uns Mögliche tun, damit Bayern auch noch in fünf und in zehn Jahren in Deutschland ein Land mit besonderer Lebensqualität ist. Bayern ist eine Heimat mit Zukunft. Auch in den jetzigen unruhigen und schwierigen Zeiten ist es besonders wichtig, dass dieses Land eine kompetente und verlässliche Führung hat, auf die man vertrauen kann. Ohne Vertrauen in die Führung kann weder eine Firma ihre noch ein Land seine Möglichkeiten entwickeln. Eines der größten Probleme in Deutschland ist, dass die Menschen in die derzeitige politische Führung Deutschlands kein Vertrauen haben.
Andererseits gilt aber, dass die Menschen in Bayern wissen: Auf die CSU und auf Ministerpräsident Stoiber ist Verlass. Auf sie ist Verlass, weil sie kompetent sind, weil sie ein Koordinatensystem haben, weil ihr politisches Handeln kontinuierlich und berechenbar ist. Dies ist sicher eine der wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Entwicklung Bayerns in schwierigen Zeiten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Köhler, Sie haben mit Ihren Schlussbemerkungen zu unserem Antrag deutlich gemacht, dass wir in weiten Bereichen übereinstimmen. Das gilt auch grundsätzlich für die SPD. Ich darf es noch einmal deutlich machen. In unserem Antrag wird dokumentiert, dass an erster Stelle alle möglichen Mittel und Wege auszuschöpfen sind, um den Konflikt auf friedlichem Wege zu lösen. Allerdings sehen wir mit Sorge das, was schon jetzt die Waffeninspektoren feststellen. Bis heute ist von Saddam Hussein kein Nachweis erbracht worden. In seinem Bericht an die UNO gibt es immer noch Lücken. Mittlerweile sind zusätzliche Giftpotentiale festgestellt worden. Wir sind sehr wohl der Meinung, dass die Inspektoren weitere Zeit bekommen sollen. Andererseits wird zu fragen sein, wie viel Zeit sie noch bekommen sollen, denn wenn der Irak nicht zur Zusammenarbeit bereit ist, wird vermutlich auch eine einjährige Inspektion zu keiner Klarheit führen. Bei der Größe des Landes ist es durchaus möglich, unter brutalstem Druck ein Kartell des Schweigens zu halten. Wehe, einer der Wissenschaftler würde jetzt etwas sagen, dann ist nicht nur er selbst, sondern sein ganzer Familienkreis morgen kaum mehr am Leben. Wir haben es hier nicht mit einem Partner zu tun, der unter zivilisatorischen Bedingungen arbeitet, sondern mit jemandem, der alles in seinem Land brutalst knechtet und knebelt und nicht zur Zusammenarbeit bereit ist. Frau Kollegin Köhler, Sie haben ja Zahlen genannt.
Eine meiner großen Sorgen über die weitere Entwicklung besteht darin, dass die UNO ihre Autorität verliert, wenn es Saddam Hussein gelingen würde, über ein Jahr oder welche Zeit auch immer hinweg mit der UNO ein Katz- und Mausspiel zu veranstalten. Das wäre ein fatales Signal an alle Hasardeure dieser Erde. Davon gibt es auf dieser Welt mehrere, die ein Problem darstellen.
Wir werden hier im Bayerischen Landtag sicherlich nicht richtig abschätzen können, wieviel Zeit unbedingt notwendig ist und was im Einzelnen richtigerweise getan werden muss. Bei diesem Land handelt es sich weiß Gott nicht um eine Region, in der Menschenrechte hoch geachtet werden. Und das gilt nicht nur für den Irak. Seit dem 11. September 2001 muss insbesondere den Amerikanern, aber auch uns allen, bewusst sein, welch hoch problematische Situation in Saudi Arabien vorherrscht. Dort herrscht ein Klüngel von gut 20000 Prinzenfamilien, die zynisch im Wohlstand leben, während es dem Volk immer schlechter geht. Das Regime entfremdet sich dem eigenen Volk immer mehr, und Osama bin Laden hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass ihm – ich sage es mit meinen Worten – ein Regimewechsel in Saudi Arabien genauso wichtig wäre wie die Attacke auf die Amerikaner. Jetzt wird manchmal sehr leichtfertig – leichtfertig ist noch eine höfliche Formulierung – über einseitige Erdölinteressen der Amerikaner geredet.
Wenn es in Saudi Arabien aber zu einem solchen Regimewechsel käme, wenn dort Islamisten die politische Herrschaft hätten, können wir nur sagen: Gute Nacht, Weltwirtschaft! Eine solche Entwicklung hätte Konsequenzen für alle auf der Welt, egal ob arm oder reich. Das macht deutlich, in welch labiler Abhängigkeit wir uns befinden.
Verehrte Frau Köhler, natürlich ist die Weltpolitik voller Irrtümer, das gilt auch für die frühere Unterstützung von Saddam Hussein oder der Taliban. Das gilt aber auch für Saudi Arabien. Im Grunde arrangiert sich hier der Westen mit einer Regierung, mit der wir uns aufgrund unserer Wertvorstellungen nicht arrangieren dürften, von der wir aber auf höchst gefährliche Weise abhängig sind. Deswegen ist diese Situation moralisch höchst problematisch.
Sie haben eine interessante Aussage gemacht, Frau Kollegin Köhler. Ich weiß nicht, ob Sie diese Aussage auch vor zwölf Jahren gemacht und akzeptiert hätten. Damals hätten die Amerikaner doch den Regimewechsel herbeiführen können, wenn der damalige Präsident Bush gegen den Rat seiner Militärs den Feldzug nicht gestoppt hätte. Er wollte nicht bis Bagdad durchmarschieren.
Das ist ein weiteres Kapitel. Sie haben nach meiner Kenntnis zu Recht angesprochen, dass der Westen diese Stämme anschließend im Stich gelassen hat und dass sie von Saddam Husseins Leuten hingeschlachtet wurden.
Damals hat es die Proteste gegen den Krieg gegeben, die Friedensdemonstrationen, wie es sie jetzt auch gibt. Alle haben aufgeatmet, als der ehemalige Präsident Bush, der Vater des jetzigen Präsidenten, diesen Krieg gestoppt hat und die Militärs nicht bis Bagdad durchmarschiert sind. Aus späterer oder aus heutiger Sicht war das wahrscheinlich ein großer Fehler. Sie haben das auch so interpretiert. Vor zwölf Jahren hätten wahrscheinlich Sie und auch andere gesagt: völlig unmöglich, usw.
Allein daraus wird schon erkennbar und sichtbar, wie schwer einschätzbar solche Situationen sind. Gewiss weiß kein Mensch, welche Reaktionen ein Militärschlag auslöst. Ich glaube, auch die Amerikaner können das nicht abschätzen. Soweit ich die Sache anhand der Berichte einschätzen kann, wären alle arabischen Regierungen froh, wenn Saddam Hussein gestürzt würde. Sie haben aber Angst vor einer längeren Auseinandersetzung, dass es dann durch die Fernsehbilder zu einer Mobilisierung der Massen kommt und sie selbst möglicherweise gefährdet sind.
Ich muss gleichzeitig die Gegenfrage stellen, Frau Kollegin Köhler, darauf haben Sie keine Antwort gegeben, darauf gibt es wahrscheinlich genauso wenig aus Ihrer Position heraus eine plausible Antwort: Welche Wechselwirkungen kann ein Krieg auslösen? Mit welchen poli
tischen und diplomatischen Mitteln wollen Sie denn die friedliche Entwaffnung des Irak erreichen? Das ist ein Mann, der die Welt seit zwölf Jahren an der Nase herumführt, der überhaupt nicht daran denkt, über Verhandlungen Veränderungen herbeizuführen. Insoweit formulieren Sie eine Hoffnung; Sie geben keine Antwort, die Bundesregierung gibt keine Antwort darauf, was passiert, wenn auf friedlichem Weg eine Entwaffnung nicht möglich ist. Noch dazu schwindet jetzt die Wahrscheinlichkeit, das auf friedlichem Weg zu erreichen, wenn man schon jetzt verkündet: Mit der letzten Konsequenz brauchst du nicht zu rechnen.
Das ist aus unserer Sicht der entscheidende Fehler und eine nicht vertretbare Haltung der Bundesregierung.
Im Übrigen ist das genau der Punkt, mit dem im Wahlkampf Polemik gemacht wird. Wir üben keine Kritik daran, dass in einem Wahlkampf Fragen, die Menschen berühren, besprochen werden. Der Bundeskanzler hat in Goslar in einer Rede während des Parteitags, ohne dass er neue zusätzliche Erkenntnisse gehabt hätte, seinen Kurs korrigiert. Bis zu diesem Abend hat er bewusst – –
Entschuldigung, er hat nicht gesagt, dass er neue Fakten hätte. Dann hätte er das doch begründet.
Bis vor der Veranstaltung in Goslar hat er gesagt – weil es in der SPD und auch in Ihrer Partei schon eine Debatte darüber gab: Wie wir im Sicherheitsrat abstimmen werden, entscheiden wir, wenn wir die Informationen in der Entscheidungssituation haben. Dann hat er aus rein wahlkampfpolitischen Gründen mit Blick auf Niedersachsen und auch Hessen diese Position korrigiert nach dem Motto: Es interessiert mich überhaupt nicht, was es da einmal für einen Bericht geben wird; jetzt ist es wahlpolitisch opportun zu sagen, wir sind in jedem Fall dagegen. Genau das ist das Unverantwortliche.
Nein, das ist keine Unterstellung. Das sind die Fakten.
Ich darf Sie auf noch etwas hinweisen, meine Damen und Herren von den GRÜNEN. Von Ihrem heimlichen Vorsitzenden, dem Herrn Bundesaußenminister, gibt es seit Wochen diesbezüglich keine so eindeutige Aussage. Der hält sich das Schlupfloch offen, erst recht, seit er in Arabien unterwegs war.
Dann hätte er sich schon öffentlich geäußert. Frau Stahl, dieses Märchen brauchen Sie mir nicht zu erzählen, dass intern die Situation völlig anders wäre.
Das ist doch nicht wahr, Fischer hat sich in dieser Frage seit Wochen nicht mehr erklärt, und der Bundeskanzler hat in Goslar seinen Kurs geändert.
Jetzt lese ich heute in der „Süddeutschen Zeitung“ unter der Überschrift – wenn ich es richtig in Erinnerung habe: „Schröder sagt: Keinen Krieg im Irak ohne zweite Resolution.“ Was bedeutet das? – Er fügt dann zwar hinzu: „Wir werden uns trotzdem nicht beteiligen.“
Meine Damen und Herren, genau das ist der Wischiwaschikurs. Ich komme jetzt auf Ihren Antrag von der SPD zu sprechen. Ich greife Ihre Formulierung von heute Vormittag oder heute Mittag noch einmal auf: „Der Landtag ist aufgrund der derzeitigen Lage gegen einen Krieg gegen den Irak.“
Wie ist die derzeitige Lage, Herr Gantzer? Wie interpretieren Sie das? Sie sprechen anschließend. Ich hätte gerne eine Antwort darauf. Heißt das, dass für Sie auch eine Situation vorstellbar ist, in der der Krieg das letzte Mittel ist? Nur so kann ich diese Formulierung verstehen. Ich bitte Sie, hier klar zu sagen, wie diese Situation aussieht. Ansonsten kann ich nur feststellen, Sie sind entweder anderer Meinung als der Bundeskanzler, oder Sie machen eine Sowohl-als-auch-Politik.
In dem zweiten Absatz heißt es, dass die Bundesregierung mit ihrer Friedenspolitik viel bewegt hat. Ich kann nur sagen: Sie haben Friedensdemonstrationen gemacht, bewegt haben sie überhaupt nichts.
Frau Köhler, ich komme auf Ihren Begriff der Annäherung zurück, der hinreichend unscharf war. Was heißt Annäherung? Seit langem besteht eine große Übereinstimmung, dass alles zu tun ist, um einen Krieg zu vermeiden. Tony Blair hatte da vielleicht von Anfang an eine andere Position, oder er hat von Anfang an stärker auf einen Militärschlag gesetzt. Alle anderen europäischen Länder hatten immer diese Position, wir auch.
Aufgrund der Entwicklung der Situation in den letzten 14 Tagen ist noch deutlicher an die Adresse der USA gesagt worden, eine Entscheidung kann letztlich nur die UNO treffen. Das ist aber eine spezifische Position der Bundesregierung. Zu dem entscheidenden Punkt im Hinblick auf die Frage der Wirkung einer Drohung, jetzt schon zu erklären, dass ein Militärschlag in keinem Fall in Frage kommt, egal wie sich Saddam Hussein verhält, bitte ich Sie, Frau Köhler und Sie, Herr Gantzer, mir anschließend die Länder aufzuzählen, die das ebenfalls erklärt haben.
Dann reden wir weiter. Nach meiner Erkenntnis steht hier Deutschland nach wie vor allein.
Das ist doch gar nicht wahr. Verkaufen Sie die Menschheit nicht für dumm. Frankreich hat das überhaupt nicht erklärt. Chirac denkt überhaupt nicht daran, das zu erklären, –
weil er ganz genau weiß, dass diese Option offen bleiben muss.
Ich wage eine Prognose: Wenn die Amerikaner – selbst ohne UNO-Resolution – einen Militärschlag machen, dann werden mit höchster Wahrscheinlichkeit die Franzosen daran beteiligt sein. Die Deutschen werden innerhalb der NATO alleine stehen. Ich hoffe, dass es zu einer Entscheidung durch die UNO kommt und dass es ohne einen Alleingang geht.
Verehrte Frau Kollegin Stahl, wir werden zunächst einmal überlegen müssen, was es für unsere eigene Sicherheit bedeutet, wenn wir uns innerhalb der NATO völlig abseits stellen. Wir und unsere eigene Sicherheit leben von dem Bündnis. Ohne das funktionierende Bündnis werden wir auf Dauer keine Sicherheit haben, weder in der Terrorbekämpfung noch bei denkbaren anderen Bedrohungen.
Von daher ist jede Art von Alleingang auch nicht zu verantworten.
Herr Kollege Gantzer, ich weiß nicht, ob Sie der Autor dieses Textes sind, die Formulierung im ersten Absatz, „wegen des Widerstands der Mehrzahl der Verbündeten hat die Bush-Regierung die eigene Politik korrigieren müssen: Im Irak sind jetzt wieder UNO-Inspektoren im Einsatz“, ist die größte intellektuelle Unredlichkeit, die man in so einer Argumentation überhaupt gebrauchen kann.
Dass die Inspektoren im Einsatz sind, ist ausschließlich dem amerikanischen Druck auf die UN zu verdanken.
Das ist der Punkt, warum es überhaupt zum Einsatz der Inspektoren gekommen ist. Zu sagen, die Amerikaner hätten sich hier korrigiert, liegt meilenweit neben der Wirklichkeit. Das ist genau die Art von Umgang mit Verbündeten, mit denen man durchaus Meinungsverschiedenheiten haben kann – keiner von uns läuft blind hinter den Amerikanern her –, die diese kränken muss, weil sie falsch ist und weil permanent etwas unterstellt wird, was von der Sache her nicht gerechtfertigt ist.
Ohne den Druck Amerikas gäbe es keine Inspektoren, und wir wären auf dem Stand, den wir vorher hatten ohne jede Aussicht auf Klärung der Sachverhalte. Ich bitte Sie, mit den Fakten ehrlicher umzugehen und nicht krampfhaft eine Position zu formulieren und zu zementieren, die es nicht gibt.
Zu diesem Thema zitieren Sie gern den Papst und die Bischöfe. Ich bin neugierig, bei welchem anderen Thema Sie das dann auch einmal praktizieren.
Zur Interpretation der kirchlichen Position darf ich aus einer Fernsehsendung des Bayerischen Rundfunks zum Thema „Irakkrieg“ vom Montag zitieren. Teilnehmer war unter anderem Prof. Dr. Gerhard Ludwig Müller, Bischof von Regensburg, ein als Theologe international sehr renommierter Mann mit einer sehr starken Verankerung im Vatikan.
Der Moderator zum Bischof:
Sie sagen aber, auch ein Präventivkrieg wäre unsittlich und nicht erlaubt. Ist denn das ein Präventivkrieg, oder wäre das ein Präventivkrieg?
Müller:
Dies konkret festzustellen, ist nicht direkt jetzt unsere Aufgabe, sondern das müssen eben die Politiker, die die Verantwortung tragen und demokratisch gewählt sind, letztlich entscheiden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat ja von einer Autonomie der irdischen Lebensbereiche gesprochen. Man kann nicht unmittelbar die Fragen der Kultur, der Politik, der Kunst, der Wissenschaft jetzt unmittelbar mit theologischen Prinzipien nun entscheiden und – –
Er wird hier vom Moderator Lohmann unterbrochen:
Trotzdem sagen die Kirchen sehr deutlich Nein zu diesem Krieg.
Müller:
Woher haben Sie denn diese Gewissheit?
Lohmann:
Dann wird auch argumentiert mit dem gerechten Krieg – Thomas von Aquin. Gibt es überhaupt einen gerechten Krieg?
Müller:
Tja, die Lehre vom gerechten Krieg ist nicht entwickelt worden, um den Krieg zu rechtfertigen, sondern um die Bedingungen zu formulieren, unter denen individuelle Notwehr oder eine kollektive Not
wehr eines Staates oder einer Gesellschaft nun gerechtfertigt sind.
Lohmann:
Läge das jetzt vor?
Müller:
Ob es konkret vorliegt, das kann ich nicht von hier aus entscheiden. Es ist einfach ein Appell an das Gewissen der Verantwortlichen, alle Mittel zu prüfen und auszuschöpfen, die möglich sind, um unterhalb dieser Schwelle eines solchen Krieges, einer militärischen Auseinandersetzung, die natürlich auch für die Zivilbevölkerung und andere Bereiche weitere Konsequenzen und dann auch verheerende Folgen haben kann, alle Mittel auszuschöpfen, um zu einer Eindämmung und Beseitigung von Hussein zu kommen.
Dem können wir von Herzen zustimmen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrte Damen und Herren! Herr Maget, ich knüpfe gern an Ihren Schluss an und schicke voraus: Natürlich ist Bayern kein Paradies. Aber Bayern ist ein schönes und erfolgreiches Land. Soweit dies den Ergebnissen der Politik der verdanken ist – wir behaupten nicht, dass wir alles in Bayern gestaltet hätten – sind es die 40 Jahre Regierungsverantwortung der CSU, die Bayern zu diesem erfolgreichen Land gemacht haben.
Wenn wir in all den Jahren einschließlich der Beratungen zu diesem Doppelhaushalt Ihren Forderungen nachgegeben hätten und eine SPD-Regierung die Politik geprägt hätte, wäre Bayern heute dort, wo jetzt Niedersachsen und Schleswig-Holstein sind, nämlich am Ende der Skala in Deutschland.
Herr Maget, Sinn des politischen Wettbewerbs ist die Auseinandersetzung über unterschiedliche Zielvorstellungen. Wir sollten aber sorgsam mit den Fakten umgehen. Sie haben gerade behauptet, Bayern bekomme 40% der Bundesmittel für Forschung. Laut dem Jahresbericht des zuständigen Ministeriums beträgt der tatsächliche Anteil 17,1%. Dazwischen liegen Welten. Da so großzügig mit Fakten umgegangen wird, können wir nicht davon ausgehen, dass wir eine seriöse Diskussion miteinander führen können. Was die Größe der Staatskanzleien betrifft, so erkundigen Sie sich bitte in Nordrhein-Westfalen. Dort gibt es einen größeren Stellenbesatz. Auch das ist wiederum ein sehr leichtfertiger Umgang mit den Fakten.
Das ist ein extrem unsolider Umgang mit den Fakten.
Wir können uns über die politischen Bewertungen streiten. Wir sollten aber mit den Fakten seriös umgehen.
Die Krönung dieser Rede war für mich, dass Herr Maget bezogen auf den Bund gesagt hat, die Richtung stimme.
Heute habe ich in einer dpa-Meldung gelesen, der Bundesrechnungshof warne vor dem Zusammenbruch des Rentensystems. Das war der Bundesrechnungshof, nicht die CDU, nicht die CSU. Ich zitiere die Agenturmeldung: