Volker Ratzmann
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Last Statements
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Angesichts dieser Debatte über die historische Bilanz erlaube ich mir – da wir ja über einen SPDgeführten Senat reden –, mit einem Zitat von Ferdinand Lassalle zu beginnen:
Alle große politische Aktion besteht im Aussprechen dessen, was ist, und beginnt damit. Alle politische Kleingeisterei besteht im Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist.
Das steht in einem Buch von Peer Steinbrück, das aber im Moment nicht zu Ihrer bevorzugten Lektüre gehören dürfte, Herr Wowereit, weil er ja im Rennen um die Kanzlerkandidatur Ihr Konkurrent ist.
Aber es passt. Dieser Senat steht nach zehn Jahren wahrlich nicht im Verdacht, der Senat der großen politischen Aktion zu sein. Auf Sie trifft wohl eher die zweite Kategorie zu. „Berlins Lizenz, Bedeutendes zu tun“ – wie es einer Ihrer Vorgänger nicht im Amt des Regierenden Bürgermeisters, sondern als Kultursenator gesagt hat – ist bei Ihnen in den falschen Händen. Das muss nun wohl jedem klar sein.
Berlin verstehen – das heißt bei Ihnen wohl eher verschleiern, verleugnen, vergessen und, wenn man Herrn Müller so zuhört, wohl auch verdrehen. Sie wollen Berlin vorgaukeln, Sie hätten die Stadt in zehn Jahren vorwärtsgebracht, ihr weismachen, dass Ihre Mittelmäßigkeit der Maßstab für den Erfolg der Hauptstadt ist? Sie wollen uns weismachen, dass „arm, aber sexy“ das Lebensgefühl der Stadt ausdrückt? Fragen Sie einmal die Betroffenen! Berlin kann mehr, Berlin will mehr, und Berlin hat ein Recht darauf, dass der nächste Senat mehr für die Menschen in unserer Stadt leistet. „Arm, aber sexy“ reicht nicht, und darum geht es bei der Wahl am 18. September!
Was verstehen Sie denn von Berlin? Sich in Ihrem über die Stadt ausgeworfenen Netzwerk selbst zu bedienen? Hillenberg und HOWOGE, Spreedreieck, Golfklub Wannsee, Bebauungspläne? Herr Müller, klingelt da nicht etwas? Millionen an Schadenersatzforderungen, die das Land für falsche Bebauungspläne ausgegeben hat? – Das ist die Wahrheit über Ihre Politik, und von Berlin bis BSR riecht es nach zehn Jahren Rot-Rot wieder nach Filz und Parteibuchwirtschaft. Das dürfen wir uns in dieser Stadt nicht gefallen lassen!
Was sagt der Regierende dazu? – „Alles Neider. Skandale gibt es nicht. Alle wollen nur Berlin schlechtreden.“ Und vor diesem Hintergrund erdreisten Sie sich wirklich, unseren Vorschlag, das rot-grüne Gesetz aus Bremen zur Ausweitung der Kontrolle bei Vergaben, anzunehmen. Das ist wirklich ein Skandal.
Ist das, so muss man sich fragen, wirklich noch die SPD von Willy Brandt? Ist das der Mentalitätswechsel, den Sie 2001 versprochen haben? Nach zehn Jahren sind wir wieder in dem Mehltau angekommen, den Harry Ristock einst beschrieben hat. Ihr „Verstehen“ heißt verschleiern, und ist der Versuch, die verordnete politische Mittelmäßigkeit mit der „bella figura“ eines Regierenden nach außen zu übertünchen. Aber schauen Sie genau hin! Der Kaiser hat einen Schnappi im Gesicht, aber er hat keine Kleider an.
Darüber, meine Damen und Herren, müssen wir reden. Außer Klaus Wowereit, der sich hier über den Dingen wähnt, hat doch diese SPD und hat auch dieser Senat nichts zu bieten. Ich meine wirklich nichts,
und das machen Sie in Ihrem Wahlkampf mehr als deutlich.
Bei aller Beliebtheit und in Respekt vor Ihrem Amt, Herr Regierender Bürgermeister: Sie allein sind doch nun wirklich nicht die Lösung:
Würde seine Kinder nicht auf Kreuzberger Schulen schicken, vergleicht bei Glatteis und Gefahr von Oberschenkelhalsbrüchen schon einmal mit „Holiday on Ice“, droht der S-Bahn so oft mit Sanktionen, dass nun wirklich jeder weiß: Der bellt nur, der beißt nicht. – und im Wahlkampf knutscht er von vorn die schwarzen Schweinchen im Tierpark und hinten streicht er ihnen das Futtergeld weg. Das ist Ihr Verständnis von Berlin!
Wie vollmundig sind Sie 2001 nach dem Bruch der großen Koalition angetreten. Mir klingeln noch Ihre Worte im Ohr, Herr Regierender Bürgermeister:
Wer die Neuverschuldung nicht in den Griff bekommt, vergreift sich an der Zukunft Berlins.
Berlin ist pleite, hat 22 Milliarden Euro Schulden mehr als zu ihrem Amtsantritt, alle Zumutungen aus der ersten Legislaturperiode waren für die Katz – der Aderlass der Beschäftigten, die unterlassenen Investitionen bei der Charité, in den Schulen,
bei den Lehrern und in die Infrastruktur. Sie haben die Neuverschuldung nicht in den Griff bekommen, und Sie haben sich an der Zukunft Berlins vergriffen!
Ich sage Ihnen: Das kann sich Berlin nicht länger gefallen lassen! Berlin braucht endlich wieder politische Spielräume für Bildung, für Arbeit, für mehr Sicherheit und für mehr Klimapolitik. Wir geben mittlerweile mehr Geld für Zinsen aus als für Schulen. Das kann sich eine Stadt wie Berlin einfach nicht leisten.
Natürlich geht es auch darum, nicht nur alle Probleme mit mehr Geld zu beantworten. Auch das geht, wenn man sich traut, weniger Bürokratie und überflüssige Verwaltung abzubauen. Die Stellen dahin zu schieben, wo sie wirklich gebraucht werden, das war unser Vorschlag bei der Polizei. Berlin braucht endlich einen Aufbruch aus der rotschwarzen Lethargie der 90er-Jahre und ihrer Fortsetzung unter Rot-Rot seit 2001.
Dabei müssen uns am meisten die Schulen und die Kitas am Herzen liegen. 18 Jahre sozialdemokratische Bil
dungsverantwortung, 23 Reformen unter Rot-Rot, vorletzter Platz bei PISA, letzter in Sachen Chancengleichheit, 11,5 Prozent Schulabbrecher,
6 000 Kitaplätze fehlen und 1 200 Erzieherinnen und Erzieher. Dafür aber der Wegfall der Kitagebühren für Besserverdienende und null Engagement, um die Lehrer in der Stadt zu halten und die Schulen zu sanieren. Sie, meine Damen und Herren von Rot-Rot, haben doch Bildungspolitik längst aufgegeben. Das interessiert Sie doch gar nicht mehr!
Wir brauchen mehr Spielräume. Alle wissen, das geht nur mit mehr Wirtschaftskraft in dieser Stadt. Das Fleisch ist abgenagt vom Haushaltsknochen. Wir haben gesagt: 500 Millionen Euro über die Legislaturperiode, das kann man noch zusammenbekommen. Aber Handlungsspielräume, mehr Spielräume für politische Aktionen werden wir nur wieder erlangen, wenn die Wirtschaft wächst, wenn Unternehmergeist in der Stadt Einzug hält, und auch Geld verdient werden kann. Wenn gute, qualifizierte Arbeitsplätze entstehen, wenn wieder produziert wird, und wenn sich Unternehmen ansiedeln und gründen. Und ja, Herr Müller, das sage ich Ihnen an dieser Stelle: Dazu gehören auch gut geführte öffentliche Unternehmen. Sie haben vorhin aus unserem Programm zitiert. Ich sage Ihnen: Gucken Sie auf Seite 66, da steht die Aussage, die Sie haben wollen.
Wir sprechen uns gegen die weitere Privatisierung öffentlicher Unternehmen aus. Wir machen den Unsinn, den die SPD mit den Wasserbetrieben gemacht hat, nicht weiter.
Sie haben ja immer noch nicht begriffen, dass man für eine gute Wirtschaftspolitik auch die Wirtschaft braucht, dass man dazu in Deutschland, in Europa deutlich machen muss, dass hier wirtschaftlich vor Ort etwas los ist, dass hier der Platz ist, an dem die Technologien der Zukunft entwickelt werden, dass hier Arbeitsplätze entstehen können. Aber dazu braucht man eine Spitze, die das will, und auch annimmt. Es ist einfach fatal, wenn in Wirtschaftsmagazinen Geschichten stehen, die mit „Viel Berlin um nichts“ überschrieben sind. Wenn der Regierende als Menschenfänger, aber nicht als kompetenter Wirtschaftspolitiker da steht, wenn Berlin als Stadt des Kleinklein und nicht als Stadt des großen Wurfes beschrieben wird.
Wenn Sie jetzt auch noch verspielen, dass Berlin Schaufenster bei E-Mobility wird – Sie sind auf dem besten Weg dazu –,
dann zeigt das ganz deutlich, dass Sie kein Interesse daran haben, dass diese Stadt wirtschaftlich wächst. Ein Viertel aller Haushalte in Berlin lebt von weniger als 1 300 Euro im Monat. Das ist ihre Bilanz! Es reicht doch nicht, nur zu wollen, Herr Müller, man muss auch mal gucken, was man kann. Sie haben gezeigt, dass Sie es nicht können!
Ich sage Ihnen: Da helfen auch keine Masterpläne. Wissen Sie, wie viel Masterpläne Rot-Rot in den zehn Jahren Regierungszeit gemacht hat? – Neun Stück. Neun Masterpläne, die keiner kennt.
Dazu auch noch eine Unzahl von sogenannten Chefsachen, wie Klimaschutz, Industriepolitik, Demografie, Kultur und natürlich – Integration, Herr Sarrazin lässt grüßen, lieber Herr Wowereit! Die Beschreibung des Systems Wowereit und das Prozedere nach der Proklamation einer Chefsache klingt in den Zeitungen dann so:
Es gibt dann meist ein paar hektisch organisierte Runde Tische, Steuerungskreise und Workshops unter Beteiligung des Regierenden Bürgermeisters. Die kleinteilige Sacharbeit mit allen Irrungen und Wirrungen bleibt dann aber meistens in den Ressorts. Von Wowereit hört man unterdessen wenig zum Thema. Sollte das Vorhaben scheitern, steht jedenfalls schon fest, wer es nicht verbockt hat: der Chef.
Das, meine Damen und Herren, ist das Verständnis des Regierenden Bürgermeisters von einer Chefsache.
Diese Stadt muss sich wirklich langsam fragen: Gibt es eigentlich ein Thema, für das Sie sich wirklich interessieren? Für was stehen Sie eigentlich?
Manche meinen, es sei der Flughafen. Ich muss Ihnen sagen: Ich glaube das nicht. Wer bei einer Debatte, die die Stadt so bewegt wie die über die Flugrouten, so völlig abtaucht, kann sich nicht wirklich für diesen Flughafen interessieren. Wer es als Aufsichtsratchef nicht fertigbringt, aufzuklären, warum von 1998 bis September 2010 die Betroffenen wider besseren Wissens mit falschen Routen veräppelt worden sind, wer sich nicht dafür interessiert, dass der Bau, die Planung und die Auswirkungen dieses Flughafens demokratisch sauber legitimiert sind, dem nehme ich nicht ab, dass ihn das Projekt Flughafen-Willy-Brandt in seiner ganzen Tragweite wirklich am Herzen liegt.
Da geht es um mehr als Flugbewegungen und Wirtschaftlichkeit, da geht es um Menschen, die in den Regionen
wohnen, arbeiten und auch schlafen wollen. Deshalb sprechen wir uns ganz klar für ein Nachtflugverbot zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr aus.
Ich nehme Ihnen nach zehn Jahren Untätigkeit auch nicht ab, dass Ihnen die Mieterinnen und Mieter am Herzen liegen. Da sind keine Ideen, kein Drive, lustlos, die Bundesratsinitiativen in den Sand gesetzt. Laut Verlautbarung des Regierenden Bürgermeisters sind Gentrifizierung und steigende Mieten eigentlich gar kein Problem. Das wird dann nur noch getoppt von der Linkspartei: „Wildwest in der Mietenpolitik“. Man fragt sich allerdings, wo Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren gewesen sind. Wo war denn Winnetou Wolf und Nscho-tschi Bluhm, die gegen die bösen Bleichgesichter aus dem kapitalistischen Westen gekämpft haben?
Schön mit der SPD alle Vorschläge weggebügelt. Ob den Ankauf der Wohnungen aus dem Fanny-Hensel-Kiez, die Einführung der Zweckentfremdungsverbotsverordnung, die Begrenzung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Ich kann verstehen, meine Damen und Herren von der Linkspartei, dass Sie zurzeit eher damit beschäftigt sind, Ihre heilige Johanna der Tschekisten, Frau Lötzsch, wieder einzufangen, aber nach zehn Jahren Untätigkeit einfach nur in die Mottenkiste des kalten Krieges zu greifen, das ist nun wirklich billig.
Wir haben der Stadt vor Kurzem noch einmal unser Angebot vorgelegt, in zehn Punkten zusammengefasst. Wir haben der Stadt ein inhaltliches Angebot gemacht. Natürlich sehen und wissen wir, nehmen zur Kenntnis, wie diese Stadt tickt. Dem stellen wir uns auch. Sie tickt nicht in Ihre Richtung, um das einmal ganz deutlich zu sagen.
Und weil Berlin so tickt, liegt darin auch Kraft. Berlin braucht Kraft für die nächste Legislaturperiode. Unser Angebot liegt auf dem Tisch,
und das gilt auch in Richtung SPD.
Und dazu gehört der Verzicht auf den Bau der A 100.
Und das meinen wir – im Gegensatz zur Linkspartei – bitterernst. Das, Herr Wowereit, wenn Sie das wirklich
wollen, kriegen Sie nur mit der CDU. Und Sie haben gesagt, dass Sie das wollen. Und dann müssen Sie Ihrer Partei, die sich mit fünf Stimmen Mehrheit auf einem Parteitag zu diesem Projekt bekannt hat, auch klarmachen, dass Sie dahin wieder zurückwollen, zur CDU, da, wo Sie auch herkommen.
Und dann frage ich die SPD: Ist das wirklich euer Ernst? Wollt ihr wirklich drei Kilometer Autobahn, die verkehrspolitisch nichts bringen, wegen einer überholten Planung aus den Dreißigerjahren für eine Planung, gegen die ganze Bezirke klagen, wollt ihr deswegen dieser Stadt wieder eine Koalition zwischen SPD und CDU zumuten? Wollt ihr wirklich zurück in den Mehltau der Neunziger, zu Diepgen und Landowsky?
Habt ihr Bankenskandal, Größenwahn und Verschwendung vergessen?
Es kann wirklich nicht euer Ernst sein.
Ich fordere Sie auf, Herr Wowereit, erklären Sie sich heute dazu! Berlin will wissen, woran es ist. Wir haben uns klar geäußert. Unser inhaltliches Angebot liegt auf dem Tisch, und das haben wir an Sie gerichtet.
Die Stadt hat am 18. September die Wahl: mit SPD und CDU in die Rolle rückwärts oder mit den Grünen in die Zukunft. Das ist die Entscheidung, die zählt. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Finanzsenator. – Herr Dr. Nußbaum! Wenn man sich so die Zeitungsberichte über die Verkaufsverhandlungen, Rückkauf der RWE-Anteile an den Wasserbetrieben, ansieht, könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Verkaufsverhandlungen eigentlich schon gescheitert sind. Ist denn was dran an diesem Eindruck?
Aber da drängt sich natürlich die Frage auf: Wie will denn der Senat dann die Wasserpreise senken? – Herr Wolf hat eine Änderung der Wassertarifverordnung bereits öffentlich angekündigt.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! U-Bahnhof Lichtenberg; U-Bahnhof Friedrichstraße; UBahnhof Amrumer Straße; U-Bahnhof Franz-NaumannPlatz – eine Serie von Gewalttaten mit schwersten Folgen für die Opfer durchzieht Berlin. Vorfälle, die die ganze Stadt bewegen – das erfordert eine politische Reaktion. Unsere Anteilnahme gilt hier erst einmal den Opfern – auch um die muss man sich kümmern, Herr Wowereit –, verbunden mit der klaren Botschaft: Das dulden wir nicht in Berlin, und das werden wir nicht hinnehmen.
Diese Vorfälle, ihre Auswirkungen und ihre Darstellung in der Presse drohen unser öffentliches Personennahverkehrsystem zu einem Ort der Unsicherheit werden zu lassen, und das wäre verheerend. Der öffentliche Personennahverkehr ist ein öffentlicher Raum, und es ist unsere Aufgabe, dort für Sicherheit zu sorgen. Das kann man nicht allein auf den Betreiber abwälzen.
Wir durften heute hier endlich Ihre Reaktion zur Kenntnis nehmen, Herr Wowereit. Auch ich sage: Das ist die richtige Richtung. Wir unterstützen es ausdrücklich, die Sicherheit in den U-Bahnen wieder sichtbar mit Polizei herzustellen. Das ist Aufgabe der öffentlichen Hand. Schwarze Sheriffs, wie von der CDU gefordert, sind hier nicht die Lösung, und auch so manch anderer Vorschlag, den Sie, Herr Juhnke, heute unterbreitet haben, schießt ein bisschen über das Ziel hinaus.
Aber es ist schon erstaunlich, wie schwer sich gerade die Berliner Sozialdemokratie damit getan hat, das auch einmal anzuerkennen. Da tobt nach diesen Bildern, nach der bundesweiten Aufmerksamkeit, die das hervorgerufen hat, monatelang eine Diskussion, was zu tun sei. Bereits im letzten Dezember ist das im Innenausschuss auf unseren Antrag hin aufgerufen worden, und jetzt, kurz vor der
Wahl, kommen Sie aus dem Knick. Statt sofort das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen, erleben wir ein elendes Herumgefeilsche des Innensenators oder absurde Diskussionen um Sicherheitszuschläge auf den Fahrpreis. Das war nun wirklich der Situation nicht angemessen.
Ich frage mich auch, Herr Innensenator, warum das so ist. Sie waren und sind doch in anderen Situationen in der Lage, schnell und auch mit Symbolkraft in die Öffentlichkeit hinein richtig zu handeln, wenn aufgrund von Gefährdungslagen Personal konzentriert eingesetzt werden muss, wenn durch sichtbare Polizeipräsenz in der Öffentlichkeit einem Unsicherheitsgefühl entgegengewirkt werden muss – dann ist doch auch das Personal dafür da. Aber dieses Mal ging es eben nicht um Politikerinnen und Politiker, nicht um den Schutz von Institutionen, sondern nur um Menschen in der U-Bahn, die auf dieses Verkehrssystem angewiesen sind. Ich sage: Sie haben genau dasselbe Recht, von der öffentlichen Hand mit ihren Sicherheitsbedenken Ernst genommen zu werden wie jeder andere. Deshalb kommt Ihre Reaktion von heute zu spät. Das wäre schon vor Monaten möglich gewesen.
Ich sage Ihnen auch, Herr Wowereit: Wir haben sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass Sie heute schon wieder Versprechungen auf Pump für die Zukunft machen. Sie wollen 200 neue Polizeibeamte durch Neuverschuldung finanzieren. Ich sage Ihnen aber: Wir wollen jetzt sehen, dass eine Reaktion kommt.
Sie haben angekündigt, mit 60 Beamten Schwerpunkteinsätze zu machen. Das reicht nicht. Wir müssen gerade jetzt, wo das Gefühl da ist, zeigen, dass wir in der Lage sind zu reagieren, und da lohnt es sich nicht, das Ganze auf den Sankt-Nimmerleins-Tag in die nächste Legislatur zu verschieben. Jetzt müssen Sie zeigen, dass Sie handlungsfähig sind, und darauf warten wir noch heute.
Das sage ich auch ganz klar an dieser Stelle: Es war auch gut, dass Täter mit den Videoaufzeichnungen schnell dingfest gemacht werden konnten. Auch die schnelle Ahndung hilft, Täter abzuschrecken.
Sie haben nicht dazu beigetragen, die Taten zu verhindern. Aber sei’s drum!
Herr Innensenator! Was aber nicht dabei behilflich war, war Ihr öffentlich ausgetragener Disput mit der Justizsenatorin um die Frage, ob ein Haftverschonungsbeschluss richtig war oder nicht. Das trägt nun wirklich nicht dazu bei, das Vertrauen in die Justiz zu stärken. Dann klären Sie doch innerhalb des Senats ab, ob Sie mit einer solchen Entscheidung zufrieden sind, und halten Sie die Staat
sanwaltschaft an, in die Beschwerde zu gehen! Das ist der richtige Weg. Aber das, was Sie hier vorgetragen haben, zeigt nur, dass Sie nicht in der Lage sind, in dieser Situation angemessen zu reagieren. Das hat die Unsicherheit geschürt und nicht das Vertrauen in unsere Institutionen und in unser System gestärkt.
Herr Innensenator! Das ist auch genau Ihr Problem. Das ist das Problem der Berliner SPD. Man weiß nicht mehr, wer hier eigentlich die Linien bestimmt. Ist es Körting, oder ist es von der Aue? Ist es Dilek Kolat oder Herr Nußbaum in der Finanzpolitik? Und auch in der Integrationspolitik sind noch ein paar andere Akteure unterwegs, wo man nicht weiß, ob sie die Linie bestimmen oder noch diejenigen, die im Berliner Senat sitzen.
Ich sage Ihnen: Wir werden Sie aus dieser Verantwortung nicht herauslassen. Bis zum 18. September, 18 Uhr, sind Sie gewählte Regierung. Danach werden die Uhren sowieso anders ticken.
Das geht hoffentlich schnell vorbei. Berlin hat lange genug darauf gewartet. – Vielen Dank!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Thiel! Ihr Antrag ist von der Realität überholt. Wir haben den Geschäftsklimaindex aus der Frühjahrsumfrage des Berliner Handwerks zur Kenntnis genommen. Das Berliner Handwerk wächst auch ohne die Hilfe der FDP. Die braucht niemand, und deshalb werden wir Ihren Antrag ablehnen, und ich wünsche Ihnen allen einen schönen Abend.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Mitgefühl und unsere Trauer gelten den Opfern der unfassbaren Katastrophen in Japan. Wir denken an die Menschen, die sich diesem Schicksal stellen mussten. Unser Mitgefühl gilt auch den Japanerinnen und Japanern, die hier in Deutschland und in Berlin um ihre Angehörigen bangen. Zehntausende Tote, Zehntausende Vermisste aufgrund des Erdbebens und des Tsunamis, Menschen, die zwar überlebt haben, aber ihr ganzes Leben verloren haben, Familien, die auseinander gerissen wurden, Kinder, die elternlos mit Tränen in den Augen durch die Straßen irren – Berlin wird wie immer, helfen, wo es geht. Es kann sein, dass wir angesichts der möglichen Evakuierung unserer Partnerstadt Tokio sehr schnell gefragt sind, nicht nur mit Geldmitteln, sondern mit handfesten Unterstützungsmaßnahmen einzugreifen. Ich fordere alle Berlinerinnen und Berliner auf: Helfen Sie mit!
Dazu kommt eine dritte Katastrophe, die nukleare, im Gegensatz zu den anderen keine unausweichliche Naturkatastrophe, sondern eine von Menschen bewirkte, eine zivilisatorische, eine beschämende und gleichzeitig eine epochale. Fast stündlich neue schreckliche Meldungen: Arbeiter, die ihr Leben in die Waagschale werfen, um der Katastrophe zu trotzen, verzweifelte Ingenieure, die kapituliert haben vor den letztendlich dann doch unbeherrschbaren Kettenreaktionen, radioaktive Wolken, die die Millionenstadt Tokio, unsere Partnerstadt, bedrohen. Was für eine Herausforderung, wenn diese Metropole evakuiert werden müsste!
Es sind diese Schreckensvisionen, die für uns, die wir den Glauben der Beherrschbarkeit der zivilen Nutzung der Kernenergie nicht teilen, Grundlage unserer Ablehnung sind. Es verbietet sich völlig, nach dieser schrecklichen Bestätigung der Befürchtungen mit dem Gestus des erhobenen Zeigefingers zu reagieren. Aber als Mitglied einer Partei, zu deren Gründungskonsens der Ausstieg aus der Kernenergie gehört, sage ich auch: Wir verspüren auch, und zwar durchaus mit Enttäuschung, Wut – Wut, dass es uns und den vielen Gleichgesinnten in der Welt nicht gelungen ist, rechtzeitig mit Argumenten zu überzeugen, rechtzeitig den Verantwortlichen in den Arm zu fallen, bevor die Katastrophe grausame Beweise lieferte.
Vor 25 Jahren explodierte der Reaktor in Tschernobyl. Viele erinnern sich noch: Statt auszusteigen, wurde die Gefahr weggeredet. Nicht vergleichbar sei die Situation und die Technologie des sowjetischen Reaktors mit den westlichen Standards. Aber im Gegensatz zu Tschernobyl war Fukushima kein sozialistischer Schrottreaktor, und doch ist auch hier das Undenkbare eingetreten, ist das Restrisiko von einer kleinen statistischen Größe zur katastrophalen Realität geworden. Das macht wütend, und das werden wir nie vergessen.
Die Katastrophe von Fukushima zeigt eines in aller Deutlichkeit: Kein Atomkraftwerk ist weltweit vor einer Kernschmelze gefeit, auch in Deutschland nicht.
Die Kernschmelze ist kein erdbebentypisches Risiko, sie kann immer auftreten, wenn der Strom ausfällt und die Notstromaggregate versagen. Fukushima lehrt uns: Das Risiko einer Kernschmelze darf nicht länger ignoriert werden, hier hilft auch keine Nachrüstung, hier hilft nur eins: abschalten!
Wir hatten 2000 ein Ausstiegsszenario mit der Energiewirtschaft ausgehandelt, es gab einen nationalen Konsens: 2021 sollte der letzte Reaktor vom Netz gehen. Stade und Obrigheim haben wir stillgelegt, Neckarwestheim wäre schon längst vom Netz, dieses Jahr wären Biblis A, Isar I und 2012 Biblis B und Felixburg I dran, und zwar endgültig. Diesen Konsens haben Schwarz-Gelb und die großen Energieversorger wieder aufgekündigt. 14 Jahre längere Laufzeiten, 14 Jahre länger unermesslicher Profit, und 14 Jahre länger tödliches Restrisiko. Wir erinnern uns an die Bilder von Frau Merkel und Herrn Großmann, die ihren Deal unter dem Jubel der FDP mit Schnaps begossen – auch das werden wir nicht vergessen!
Deshalb sagen wir der Bundesregierung und SchwarzGelb: Wir trauen euch jetzt nicht. Wir trauen euch nicht, weil den betroffenen Worten immer noch nicht die Erkenntnis folgt, dass wir schnell aussteigen müssen, weil Merkel schon wieder von Brückentechnologie redet und
euer dreimonatiges Moratorium rechtswidrig und Augenwischerei ist und letztendlich nur noch den Großkonzernen Vorlagen für Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe gibt. Weil uns noch vor sechs Monaten gepredigt wurde, wir hätten die sichersten AKWs der Welt, und jetzt soll plötzlich noch einmal alles gecheckt werden – das ist kein Umdenken, das ist Trickserei!
Danach werden sie wieder vom bloßen Restrisiko und der Brückentechnologie reden. Wir aber wollen über diese Restrisikobrücke nicht noch weitere 25 Jahre gehen. Wir wollen endlich ernst machen mit dem Ausstieg, und zwar schnell und unumkehrbar.
Solange es kein Ausstieggesetz gibt, können die Meiler nur auf freiwilliger Basis, sozusagen im Konsens mit den Betreibern, abgeschaltet werden. Mit denen hatten wir schon mal einen Konsens, den die aufgekündigt haben. Das, was uns jetzt angeboten wird, ist keine Lösung, das ist Wahlkampftaktik, damit wollen sich CDU und FDP über Wahlkämpfe in den Ländern retten, damit instrumentalisieren sie die Katastrophe von Fukushima.
Jetzt sollen die sieben ältesten Meiler plus Krümmel vom Netz gehen – vorübergehend. Das reicht uns nicht! Legt sie endgültig still, und zwar rechtssicher und ohne die Möglichkeit der Übertragung von Reststrommengen!
Wir haben auch noch 9 weitere AKWs im Land, und jedes einzelne von denen kann das ganze Land verseuchen. Wir brauchen endlich eine verlässliche gesetzliche Grundlage dafür, dass wir alle AKWs stilllegen können. Ich kann hier nur an die Energieversorger appellieren, einer davon sitzt auch hier in Berlin und heißt Vattenfall: Verzichten Sie auf die Laufzeitverlängerung, bleiben Sie bei dem ursprünglich 2000 ausgehandelten Konsens, steigen Sie um auf die erneuerbaren Energien, Sie haben genug verdient mit dieser tödlichen Technologie!
Wir wollen zurück zum Ausstieg und dabei bleiben. Als Erstes gilt es, die sieben ältesten und Krümmel stillzulegen, und zwar endgültig. Dann so schnell wie möglich alle anderen, aber wir wollen es jetzt schneller, und wir wollen mehr als noch im Atomkonsens 2000 ausgehandelt.
Das ist auch möglich, ohne dass die Lichter ausgehen. Das sehen wir jetzt gerade, da die acht AKWs stillgelegt werden. Wir müssen jetzt ganz klar das Bekenntnis zu einer Energiewende abgeben, und wir müssen sie endlich einleiten, nachdrücklich und mit allen Mitteln, die uns zur
Verfügung stehen. Bereits 2020 können wir 40 Prozent des nationalen Strombedarfs schon aus erneuerbaren Energien decken. Wir werden keine neuen Kohlekraftwerke brauchen oder müssen die alten länger laufen lassen. Klimaschutz geht auch ohne Atomkraft, und das werden wir Ihnen, meine Damen und Herren von Schwarz-Gelb, beweisen.
Wir können und müssen auch in Berlin unseren Beitrag leisten. Wir begrüßen, dass Rot-Rot die Bundesratsinitiative zum Ausstieg, die aus NRW kommt, unterstützt, und auch wir werden Rot-Rot in diesem Vorhaben unterstützen. Wir können aber mehr! Jedes Megawatt, das wir durch mehr Effizienz einsparen, muss weniger produziert werden. Wir können die Wärmekraftkopplung in der Stadt forcieren, wir können dezentrale Wärmeversorgung einführen – da muss sich viel ändern! Wir brauchen das Klimaschutzgesetz, das endlich den ordnungspolitischen Rahmen dafür setzt, dass wir mit dem wirklichen Umstieg auf die Energiewende ernst machen. Wir brauchen Programme zur Förderung der Finanzierung der Sanierung unseres Altbaubestandes, wir brauchen ein Programm, um die Energie, die in Berlin in den öffentlichen Gebäuden schlummert, endlich zu heben und zu nutzen. Das muss unser Beitrag sein zum Umstieg auf die Energiewende – wir wollen Hauptstadt der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz werden, das muss jetzt das Ziel sein!
Wir wollen und wir können einen Beitrag dazu leisten, dass wir diese tödliche Energie nicht länger brauchen. Zeigen wir der Welt, zeigen wir hier in der Bundesrepublik, dass man eine Industrienation auch ohne AKWs mit Energie versorgen kann. Harrisburg, Tschernobyl, Fukushima – ein viertes darf es nicht mehr geben! Schalten wir die AKWs endlich ab!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Schicksal der Berliner Wasserbetriebe ist in letzter Zeit Gegenstand heftiger politischer Diskussionen hier in der Stadt. Insbesondere die Wasserpreise spielen eine entscheidende Rolle dabei. Wir haben vor Kurzem den ersten gewonnenen Volksentscheid hier im Land gehabt. Auch da sagen alle, die sich mit diesem Thema befasst haben, die Höhe der Wasserpreise, und der Widerstand der Berlinerinnen und Berliner gegen diese Höhe der Wasserpreise, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass dieser Volksentscheid gewonnen werden konnte.
Wir haben zu fragen: Was hat die Höhe dieser Wasserpreise bewerkstelligt? – Wir wissen, dass die Wasserpreise nach dem Berliner Betriebe-Gesetz vom Aufsichtsrat der Berliner Wasserbetriebe auf Vorschlag des Vorstandes genehmigt und dann noch einmal durch die Genehmigungsbehörde von Frau Lompscher bestätigt werden. Jetzt müssen wir uns fragen: Wer ist verantwortlich für die Höhe der Wasserpreise? – Wir sind der Meinung, dass der Aufsichtsratsvorsitzende in Gestalt des Wirtschaftssenators ein Gutteil daran mitgewirkt hat, dass die Wasserpreise in Berlin derzeit auf der Höhe sind, gegen die sich die Berlinerinnen und Berliner in dem Volksentscheid gewehrt haben.
Harald Wolf hat das Teilprivatisierungsgesetz hier im Haus mit durchgesetzt. Ich kann mich noch gut daran erinnern, das war in der ersten Legislaturperiode, in der ich hier war. Harald Wolf hat dafür gesorgt, dass der Arbeits- und der Grundpreis des Wasserpreises getrennt werden konnten und er hat damit dafür gesorgt, dass die Großverbraucher gegenüber den Eigenheimbesitzer, was die Wasserpreise und die Höhe der Wasserpreise angeht, ins Hintertreffen geraten sind. Er hat dafür gesorgt, dass es eine Ausgleichspflicht zugunsten der Privaten bei Veränderung der gesetzlichen Grundlage bei der Tarifkalkulation gibt, er hat 2007 dafür gesorgt, dass es eine Nachkalkulation bei Wegfall der Kostenunterdeckung gibt,
und deshalb auch das unternehmerische Risiko bei den Privaten völlig entfallen ist. Er hat dafür gesorgt, dass es quasi eine Garantie für die Privaten gibt, dass sie das, was sie als Kapital eingesetzt haben, was ihnen garantiert worden ist, auch mit aus den Wasserbetrieben herausziehen können. Deswegen sagen wir: Harald Wolf ist verantwortlich für die Höhe der Wasserpreise in dieser Stadt.
Und Harald Wolf ist gleichzeitig Chef der Landeskartellbehörde. Als solcher hat er ein Verfahren zur Überprüfung der Wasserpreise an das Bundeskartellamt abgegeben. Das Bundeskartellamt, das haben wir letzte Woche alle zur Kenntnis bekommen, hat festgestellt, dass die Berliner Wasserpreise wahrscheinlich bis zu 25 Prozent überhöht seien.
Nun kann man sich fragen: Ist ein Aufsichtsratsvorsitzender, der per Corporate Governance Kodex auf das Wohl des Unternehmens verpflichtet ist, gut beraten, wenn er das Bundeskartellamt am Vorstand vorbei, ohne Absprache mit den Gesellschaftern, ins Unternehmen schickt? Das hat zu sehr viel Unmut in den Wasserbetrieben geführt. Aber vor allen Dingen muss man sich fragen: Wo hat denn Harald Wolf als Aufsichtsratsvorsitzender, der die Wasserpreise genehmigt hat, die nun augenscheinlich kartellrechtswidrig sind, seit neun Jahren hingeguckt?
Er hat einfach darüber hinweggesehen, dass die kartellrechtswidrig sind. Da muss man sich doch einmal fragen, ob ein Vertreter des Landes Berlin, jemand, der vom Senat nach § 10 Berliner Betriebe-Gesetz für die Interessen des Landes in diese Position geschickt wird, diese Position wirklich gut ausgefüllt hat und ob er geeignet ist, diese Position auch weiterhin auszufüllen.
Da sagen wir: Nein! Das ist er nicht.
Das ist ungefähr so, als würde jemand, der sich selbst der Steuerhinterziehung anzeigt und deshalb nicht zur Verantwortung gezogen wird, trotzdem noch den Leumund dafür bekommen, dass er ein großes Unternehmen führen kann. Ich finde, das geht nicht. Die Konsequenz muss er ziehen. Er hat versagt in dieser Position. Deshalb muss er sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender niederlegen. Der Senat ist gehalten, jemand anderes zu bestimmen, der diese Position auch wirksam im Interesse des Landes Berlin und vor allem im Interesse der Berlinerinnen und Berliner, die das Wasser bezahlen müssen, ausüben kann. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Was wir am Sonntag erlebt haben, war ein einmaliges Ereignis für Berlin. Das war wichtig für Berlin und für die direkte Demokratie. Dank, Respekt und Gratulation für den „Wassertisch“!
Respekt verdient aber vor allem das Votum von mehr als 665 000 Berlinerinnen und Berlinern. Ich will das zu Anfang ganz klar sagen: Das war kein Votum gegen die Berliner Wasserbetriebe und ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die in dieser Stadt einen guten Job machen.
Das Votum hieß, ganz klar: Wir wollen nicht länger für eure verfehlte Privatisierungspolitik die Zeche zahlen. Sorgt dafür, dass die Wasserpreise sinken! – und vor allen Dingen: Wir glauben diesem Senat nicht, wenn er uns sagt, alle Verträge liegen auf dem Tisch. – Und sie hatten mit ihrem Misstrauen recht.
Sie, Herr Wolf, haben noch am Freitag im Radio auf mehrfaches Nachfragen öffentlich beteuert: Ja, es liegen wirklich alle Verträge auf dem Tisch. – Nein, das taten sie nicht. Das ist mittlerweile nachgewiesen. Da helfen auch Ihre hilflosen Interpretationsversuche nicht.
Bereits nach dem geänderten IFG hätten Sie alle, nicht nur die Verträge zwischen Land und Investoren, veröffentlichen müssen, aber Sie haben die Rechnung ohne das Volk gemacht, und das Misstrauen war mehr als berechtigt.
Es ist schon abenteuerlich, wie dieser Senat mit dem Begehren und dem Ergebnis umgeht. Der verantwortliche Wirtschaftssenator ruft mit zweifelhaften Behauptungen quasi zum Boykott einer Volksabstimmung auf, und wäre das Quorum verfehlt worden, hätte es geheißen: Seht ihr! Das war eine Bestätigung für unsere Rekommunalisierungspolitik. – Jetzt ist der Entscheid gewonnen, und jetzt heißt es: Auch das war eine Bestätigung! – Da fragt man sich doch, Herr Wowereit und Herr Wolf, warum haben Sie nicht aufgerufen, zu dieser Volksabstimmung zu gehen und mit Ja zu stimmen? Ich glaube, solch ein Verhalten lässt sich wohl er mit psychiatrischen denn mit politischen Kategorien bewerten.
Nein, Herr Wowereit! Das war keine Bestätigung für Ihre Politik. Das war ein klares Misstrauensvotum. Sie haben keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung für Ihre Wasserpolitik, Ihren Umgang mit den Wasserbetrieben. Die SPD hat den Laden verkauft. Die Linke hat die Fehler des Verkaufs ausgebügelt, vom Teilprivatisierungsgesetz bis zur Kompensationsklausel, die wir Ihnen, Herr Wolf, zu verdanken haben. Sie haben versagt, und jetzt sollen wir Ihnen den Rückkauf und die Neustrukturierung des Unternehmens anvertrauen? – Niemals, sage ich Ihnen!
Herr Wolf hat doch schon das Glitzern in den Augen, wenn er nur über die RWE-Anteile redet. Egal, was es kostet, Hauptsache Rekommunalisierung!
Herr Wowereit! Es war gerade sehr erhellend, was Sie über den Rückkauf und den Ankauf von Anteilen oder Infrastruktur gesagt haben. Ich glaube, man muss eher bei Ihnen aufpassen, dass Sie hier nicht den Mappus machen und am Parlament vorbei schnell zuschlagen und die RWE-Anteile zurückkaufen. Aber egal, das ist ja nicht Ihr Geld. Sie meinen, Sie können hier machen, was Sie wollen. Aber uns ist das nicht egal, und wir werden Ihnen ein solches Verhalten nicht durchgehen lassen.
Herr Albers! Ja, auch wir wollen die RWE-Anteile zurück,
aber nur, wenn der Preis stimmt,
und dazu muss man das Kartellverfahren abwarten – Herr Wolf! Ich warte immer noch darauf, dass Sie hier eine Aussage machen, dass Sie dieses Verfahren erst abwarten, bevor es zu einem Abschluss kommt –,
wenn die Finanzierung des Kaufpreises uns einen Spielraum dafür lässt, die Wasserpreise wirklich zu senken. Das ist das Votum vom Sonntag gewesen.
Wenn der Konsortialvertrag wirklich geändert werden kann und der Eigentümer dieses Unternehmen auch führt und eine Strategie entwickelt, wie man mit diesem Unternehmen umgeht, und wenn in Berlin eine nachhaltige und ökologische Wasserpolitik gemacht wird, nur dann ist es gerechtfertigt, mit dreistelligen Millionenbeträgen – über diesen Bereich reden wir – in einen Rückkauf einzusteigen.
Anders der rot-rote Senat: Für einen schnellen Erfolg sind Sie bereit, unkalkulierbare Haushaltsbelastungen zulasten von dringend notwendigen Investitionen in Bildung, in die Charité oder in das ICC aufzubauen. Sie haben für das Problem der Rekommunalisierung und der Neuaufstellung der Wasserbetriebe keine Lösung. Der Sonntag hat gezeigt: Die Berlinerinnen und Berliner trauen Ihnen auch keine zu. – Vielen Dank!
Vielen Dank, Herr Präsident! – Auch ich habe eine Frage an den Regierenden Bürgermeister. – Herr Wowereit! Sie haben ja eben so mit der Inbrunst des Überzeugten gesagt, Sie hätten nichts davon gewusst, dass abknickende Flugrouten in der Diskussion seien. Wie erklären Sie sich denn, dass bereits 1998 der Geschäftsführer – –
Wenn der Herr Bürgermeister erst die Geschäftsordnung lesen will, würde ich ihm dazu natürlich Gelegenheit bieten.
Hat er es eingesehen? – Dann noch einmal meine Frage, Herr Wowereit: Wie erklären Sie sich denn, dass bereits 1998 der Geschäftsführer der Projektentwicklungsgesellschaft das Bundesverkehrsministerium darum gebeten hat, auf die Deutsche Gesellschaft für Flugsicherung einzuwirken, bitte nicht in der Öffentlichkeit verlauten zu lassen, dass man selbstverständlich von abknickenden Flugrouten bei der geplanten Start- und Landedichte auszugehen habe? Wie erklären Sie sich, dass Sie als Aufsichtsratsvorsitzender davon nichts wussten?
Jetzt gab es auch noch eine Fluglärmkommissionssitzung im Juni 2000 unter Beteiligung der Senatsverwaltung. Auch da wurde darauf hingewiesen.
Aber wie kann es denn sein, dass so eine Information in einer Behörde, die Sie übernommen haben, die auch damit befasst ist, genau diese Diskussion zu führen, untergeht und von Ihnen überhaupt nicht an die Betroffenen publiziert wird? Das kann schlechterdings gar nicht möglich sein.
Die Behörde wusste –
von diesem Schreiben.
Herr Präsident! Meinen sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Zimmermann! Erst mal vielen Dank für Ihre klarstellenden Worte, dass es das vornehmste Recht der Opposition ist, staatliches Handeln auch in parlamentarischen Ausschüssen zu hinterfragen! Ich muss schon sagen: Es ist ein starkes Stück, Herr Juhnke, wenn Sie die Aufgabe, die wir als Oppositionelle in den Ausschüssen wahrnehmen wollen, auf diese Art und Weise zu desavouieren versuchen. Es ist und bleibt unsere Aufgabe, staatliches Handeln zu kontrollieren und danach zu fragen. Das lassen wir von Ihnen mit Ihrem rückwärtsgewandten Sicherheitsverständnis nicht infrage stellen.
Ich stelle fest: Am Montag gab es im Innenausschuss eine Diskussion über die bevorstehende Räumung eines be
setzten Hauses hier in Berlin. Der Abgeordneten meiner Fraktion Canan Bayram wurden aus dem Publikum Flugschriften übergeben. In dieser Sitzung wurde sie von einem FDP-Mitglied, dem sauberen Herrn Dr. Kluckert, dessen Name unter diesem Antrag steht, gefragt, ob sie ihm eines dieser Flugblätter aushändigen könnte – was sie tat. Sie gab daraufhin diese Flugblätter an jemanden aus der Linksfraktion, der diese weitergab.
Und an die SPD! – In diesem Zusammenhang davon zu reden, dass hier eine Verteilung von Flugblättern dergestalt stattgefunden hat, dass sich jemand mit dem Inhalt gemein macht, ist eine perfide Unterstellung, die ich hier ausdrücklich und in aller Form zurückweise.
Herr Zimmermann hat uns eben aufgefordert und, ich denke, auch Frau Bayram aufgefordert klarzustellen, dass sie sich von dem Inhalt dieser Flugschrift distanziert. Das hat sie bereits getan. Wer lesen kann und wollte, konnte das in einer Pressemitteilung lesen, die Ihnen, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, vor Abfassung Ihres Antrags zugegangen ist, in der sie eindeutig gesagt hat, sie verurteilt die in dieser Flugschrift enthaltenen Drohungen und Angriffe auf staatliche Institutionen. Deshalb sage ich: Es ist ein perfides, wahlkampfgeleitetes Getöse, das Sie hier veranstalten, das nur dadurch zu erklären ist, dass Sie versuchen, Ihr schwindendes politisches Gewicht in der Stadt durch solche perfiden Aktionen aufzubessern. Das ist nicht redlich.
Wir wissen, dass die Polizei am 2. Februar vor einer schwierigen Aufgabe stehen wird. Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Es hat ein rechtsstaatliches Verfahren stattgefunden. Die rechtsstaatlichen Mittel konnten von den Beteiligten ausgeschöpft werden. Es gibt eine rechtskräftige Entscheidung, und die Berliner Polizei wird handeln müssen. Es bleibt ihr gar nichts anderes übrig, als die dort ergangenen Titel jetzt auch mit zu vollstrecken.
Deswegen sage ich von dieser Stelle aus ganz gezielt an diejenigen, die sich rechtswidrig in der Liebigstraße 14 aufhalten: Verlassen Sie dieses Haus! Ersparen Sie der Stadt einen Polizeieinsatz, und ersparen Sie Friedrichshain Auseinandersetzungen um diese Räumung! Das kann uns allen nur gut tun.
Ich sage an dieser Stelle auch ganz deutlich, Herr Juhnke, dass es die Grünen und der grüne Bürgermeister Franz Schulz waren, der sich nachdrücklich dafür eingesetzt hat, die Situation in Friedrichshain zu entschärfen und beiden Seiten gerecht zu werden und zum Ausgleich zu verhelfen. Es war Franz Schulz, der sich dafür in der Öffentlichkeit von den Besetzerinnen und Besetzern schelten lassen musste, und es war Franz Schulz, der mutmaßlich aus diesem Umfeld mit Drohungen überzogen wurde. Es ist eigentlich guter Brauch, werter Herr Juhnke, dass man
in einer Rede wie Ihrer und einem Antrag, wie Sie ihn hier zur Abstimmung stellen, zumindest ein Wort der Solidarität mit jemandem ausdrückt, der so bedroht wird.
Nichts ist von Ihnen gekommen, gar nichts ist von Ihnen gekommen, und deshalb sage ich: Schon aus diesem Grund verbietet es sich, diesem Antrag auch nur den Hauch einer Zustimmung zu erteilen.
Ich sage hier noch mal ganz eindeutig: Wir sind an friedlichen Lösungen interessiert. Wir haben mehr als alle anderen Parteien bewiesen, dass wir das nicht nur sagen, sondern dafür arbeiten.
Dass unsere Funktions- und Amtsträger dafür einstehen, hat Franz Schulz für uns mehr als deutlich gemacht. Deshalb sage ich noch mal: Es ist ein perfides, wahlkampftechnisches Spiel, das Sie hier veranstalten. Ihrem Antrag, der in den Grundaussagen so wahr wie platt ist, kann man an dieser Stelle nicht zustimmen. Es verbietet sich für ein Haus wie das Abgeordnetenhaus, diesen Plattitüden, die Sie hier aufgeschrieben haben, auch nur den Hauch einer Zustimmung zu geben. Dafür sind uns unser Grundgesetz und unsere Rechtsordnung zu schade, als dass wir sie Ihren Wahlkampfspielchen anheimgeben. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Werter Herr Juhnke! Im Gegensatz zu Ihnen habe ich mit dem Ausschussvorsitzenden geredet, und er hat mir die Situation geschildert. Das stimmt aber nicht unbedingt mit dem überein, was Sie hier eben zum Besten gegeben haben. Deswegen sage ich noch mal: Nicht nur die Verdrehung in Ihrem Antrag ist perfide, sondern auch die Falschbehauptungen, die Sie hier in den Raum stellen, sind es.
Zum anderen kann ich Ihnen nur sagen, ich bleibe dabei: Sie haben eine rückwärtsgewandte Sicherheitspolitik, und wir sind gottfroh und müssen es sein und müssen alles dafür tun, dass die CDU nie wieder Verantwortung für die Sicherheitspolitik in dieser Stadt übernehmen kann.
Ganz kurz: Wenn ich das richtig verstanden habe – so hat uns das auch der Regierende Bürgermeister erklärt –, ist der Weg des rot-roten Senats, energetische Sanierung anzureizen. Gleichzeitig erklären Sie uns aber, dass die energetische Sanierung auf die Mieten umgelegt wird und zu Mietsteigerungen führt, jedenfalls dann, wenn sie über das Klimaschutzgesetz kommt. Wie bringen Sie das denn mit Ihren Anreizprogrammen in Übereinstimmung, denn da wird die Miete ja wohl auch erhöht, wenn die Vermieter die Sanierung umsetzen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am letzten Dienstag hat der Präsident des Deutschen Bundestages, Norbert Lammert, die Sitzung mit den folgenden Worten eröffnet:
Ich versichere …, dass sich der Deutsche Bundestag von niemandem und nichts an der Wahrnehmung seiner Aufgaben und Verpflichtungen hindern lassen wird.
Eine Reaktion, vielleicht auch ein Appell angesichts einer ernsten Lage. So konkret wie hier waren die Warnungen noch nie, und wir müssen die Lage ernst nehmen und gleichzeitig dafür einstehen, dass unsere Freiheit keinen Schaden nimmt.
Wir haben etwas zu verteidigen. Wir haben Werte, deren wir uns auch in der jetzigen Situation immer wieder versichern müssen: die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Gleichheit, den sozialen und demokratischen Rechtsstaat, die Glaubens-, Versammlungs- und Pressefreiheit. All das wurde erkämpft. Die Freiheitsrechte stehen in unserem Grundgesetz. Das zu leben, werden wir uns von nichts und niemandem nehmen lassen.
Es war ein Wagnis der politisch Verantwortlichen, mit einer solchen Warnung an die Öffentlichkeit zu gehen. Jetzt geht es darum, angemessen und verantwortlich zu reagieren, nichts zu überziehen, aber auch nichts zu verharmlosen. Nur das wird uns helfen, solche Warnungen für die Zukunft nicht zu entwerten. Wir alle wünschen uns doch, dass nichts passiert, aus welchem Grund auch immer.
Einige meinen vielleicht nun, das sei nur ein billiger Vorwand, dem Leviathan die Ketten abzunehmen und die gesetzlichen Instrumente zu schärfen. Das meine ich nicht. Ich sage ganz klar: Nach allem, was wir wissen, war es richtig, diese Warnung zu veröffentlichen. Es ist richtig, die öffentliche Debatte darüber zu führen – Innenpolitik darf nicht Geheimpolitik sein. Auch hier ist eine offene Gesellschaft gefordert, zu zeigen, dass sie verantwortlich und besonnen mit einer solchen Situation umgehen kann. Die Ruhe und Besonnenheit des Bundesinnenministers de Maizière in dieser Lage verdient Anerkennung!
Diese Ruhe und Besonnenheit ist genau das Richtige, das, was wir brauchen. Wir merken doch alle, dass das irgendwie etwas mit uns macht, das erreicht uns doch in
irgendeiner Art und Weise. Da wird plötzlich auch von unseren Kindern gefragt: Können wir denn noch auf den Weihnachtsmarkt gehen? Musst du morgen wirklich in den Bundestag zur Arbeit gehen? – Die Antwort kann nur sein: Ja, davon lassen wir uns nicht einschränken! Ja, wir haben eine gute Polizei in Berlin, die wissen, was sie tun, die sind ausgebildet, wir sind gut vorbereitet, und solange die Polizei nicht sagt, dass wir uns anders verhalten sollen, werden wir das auch nicht tun.
Die Polizei hat reagiert – wir sehen es im öffentlichen Straßenland, wir merken es im alltäglichen Leben, auch hier im Haus. Das alles ist Teil der Reaktion, und man kann nur darum bitten, ihnen mit dem nötigen Respekt zu begegnen, denn auch sie sind Teil dessen, was wir machen müssen, nämlich die Terrorwarnungen ernst nehmen und unsere Freiheit schützen.
Die Verantwortung aller, die jetzt an der öffentlichen Debatte teilnehmen, ist groß – für die Politik genauso wie für die Medien. Auch sie müssen sich fragen lassen, ob der schnelle Erfolg der Veröffentlichung einer vertraulichen Unterlage den Schaden, den das anrichten kann, aufwiegt. Ja, wir brauchen Transparenz, da wo Bürgerinnen und Bürger Entscheidungsgrundlagen für ihr eigenes Verhalten und für Beteiligungen brauchen oder wo Verantwortliche eventuell etwas zu Unrecht verheimlichen. Aber die Veröffentlichung überzogener Darstellungen oder auch bloßer Vermutungen trägt zur Verunsicherung bei und ist wenig hilfreich. Zu entscheiden, was veröffentlicht wird, liegt aber im alleinigen Verantwortungsbereich der Medien, da dürfen und wollen wir uns nicht einmischen, auch das gehört zu der Freiheit, die wir schützen müssen – der Pressefreiheit.
Es ist aber auch wenig hilfreich, wenn vor dem Hintergrund dieser Situation sofort wieder reflexhaft die Rufe nach mehr Polizei und schärferen Gesetzen kommen. Wir sind gerne bereit, sachlich und mit Augenmaß darüber zu debattieren, wo wir Bedarfe haben. Ich kann aber nur alle warnen, Herr Juhnke, dieses Thema zu Wahlkampfzwecken zu missbrauchen. Es ist doch jetzt wohlfeil, in das übliche Horn zu blasen, mehr, mehr, mehr! zu schreien und so zu tun, als wäre Berlin in einer Sondersituation. Das Problem, das Sie geschildert haben, besteht doch für jede Polizei, bundesweit und auch für diejenigen, die von Innenministern aus Ihrer Partei geführt werden. Es ist nicht an der Zeit, jetzt die Ängste, die dazu bestehen, auszunutzen. Gefragt sind doch jetzt vor allen Dingen die Spezialistinnen und Spezialisten wie etwa im Gemeinsamen Terrorabwehrzentrum, die das, was wir haben, auswerten, ermitteln und zielgerichtetes Handeln ermöglichen. Bis wir neue Polizisten ausgebildet hätten und sie einsetzen könnten, ist doch die Bedrohungslage hoffentlich schon längst wieder vorbei. Mit den anstehenden Engpässen, wie sie heute zum Teil wieder beschrieben wurden, müssen wir einfach leben. Das ist der Preis, den wir zahlen, und nicht nur wir zahlen ihn an dieser Stelle, sondern er wird auch von vielen anderen an anderer Stelle
bezahlt. Fragen Sie doch mal die Gewerbetreibenden in der Stadt, fragen Sie diejenigen, die Gastronomie und Restaurants betreiben – die merken das doch, dass es jetzt zu Einbußen kommt. Das ist bedauerlich, aber auch das werden wir hinnehmen müssen, weil wir ernsthaft mit dieser Lage umgehen werden.
Es ist genauso unsinnig, jetzt nach der Vorratsdatenspeicherung zu schreien – das nützt uns nichts, Herr Juhnke! Sie ist – und das ist nun einmal festgestellt worden – verfassungswidrig. Wir haben ausreichend gesetzliche Grundlagen, und Terrorwarnungen ernst nehmen – Freiheit schützen heißt auch, dass wir unsere Freiheit nicht selbst aufgeben, denn wenn wir das tun, dann haben die, die uns angreifen wollen, ihr Ziel schon zum Teil erreicht.
Auch das, was wir aus Niedersachsen und zum Teil aus der CDU-Bundestagsfraktion an Überbietungswettbewerb in Sachen Sicherheit hören, ist wenig hilfreich. Wenig hilfreich waren aber auch die Äußerungen von Innensenator Körting in der „Abendschau“. Sie haben zu Recht Unmut und Empörung ausgedrückt, aber, Herr Körting, Sie haben das richtiggestellt und sie bedauert und gesagt, dass das falsch war. Auch ein Innensenator kann sich mal verhauen, wir alle kennen doch die Situation, wenn man live vor der Kamera steht und etwas äußern muss. Wichtiger ist mir, dass er sie richtiggestellt hat, das akzeptiere ich, und damit muss jetzt auch gut sein. Ich habe nichts davon, diese Situation auszunutzen und die in dieser Stadt ohnehin schon bestehenden Vorurteile gegen Muslime noch zu verstärken oder die Situation anzuheizen. Das ist gefährlich!
Wir haben auch eine andere Freiheit zu verteidigen – die Freiheit, tolerant zu sein und die Freiheit, in Vielfalt zu leben. Auch hier lauert eine Gefahr. Wir hatten bereits Anschläge auf Moscheen, und die sind auf das Schärfste zu verurteilen!
Wir sagen allen Muslimen in dieser Stadt: Wir wissen, dass der Islam eine friedliebende Religion ist, und wir wissen, dass Muslime friedliebende Menschen sind. Sie sind willkommen hier in Berlin, der Islam gehört zu Berlin, und wir werden auch Ihre Freiheit verteidigen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werter Herr Klemm! Das hoffen wir nicht!
Ich muss Ihnen allerdings recht geben in der Bewertung dieses Antrags der FDP. Das ist wirklich eine wüste Zusammenstellung aus Versatzstücken eines Konzepts, das die IHK aufgeschrieben hat. Herr Thiel! Ich muss Ihnen ein Kompliment machen: Sie haben ein Kunststück vollbracht. Sie haben anderthalb Seiten mit nichts gefüllt, mit absolut nichts. Ihre Anträge und das, was Sie da sagen, diese Allgemeinheiten, die Sie, Herr Klemm, auch eben zitiert haben, sind so platt wie wahr, wenn man sie einzeln nebeneinander stellt, helfen uns aber in der jetzigen Situation nun wirklich überhaupt nicht weiter. Ich möchte hier einmal an beide Seiten appellieren, an diejenigen, die das Hohelied der Rekommunalisierung singen, und diejenigen, die immer noch in ihren neoliberalen Wahnvorstellungen verhaftet sind, einfach mal ein Stückchen weit abzurüsten und die Debatte so zu führen, wie wir sie in dieser Stadt führen müssen: Wo und an welcher Stelle macht es Sinn, mit wie viel Geld in bestehende Un
ternehmen einzusteigen, um das zu ermöglichen, was Sie in Ihrem ersten Satz geschrieben haben, nämlich die Interessen und das Wohl der Berlinerinnen und Berliner wirklich an den Anfang und in den Mittelpunkt politischer Betrachtung zu stellen. Darauf kommt es an und auf nichts anderes.
Aber natürlich, Herr Lederer!
Sehen Sie, Herr Lederer, bei uns bewegt sich wenigstens noch etwas, und Sie sitzen einfach nur irgendwie auf Ihrem Sessel und kommen weder nach vorn noch nach hinten, nach links oder nach rechts. Es ist doch auch bezeichnend, Herr Lederer, dass Sie sich in dieser Debatte hinstellen und einfach nicht über das reden, was Sie in Ihrer Regierungszeit verkauft haben. Ich meine, das ist doch wohlfeil, was Sie hier irgendwie – – 8 Milliarden haben Sie aus Verkäufen eingenommen. Sie haben die Stadtgüter verkauft, die GSW, die Sparkasse, die Feuersozietät, die GSG, die KPM und noch vieles, vieles mehr an Immobilien.
Und vieles davon war auch richtig. Es war richtig, sich davon zu trennen. Aber bezeichnenderweise reden Sie heute nicht mehr darüber. Wohnungsbaugesellschaften ist ja eines Ihrer großen Themen. Die GSW nach ihrem misslungenen Börsengang zurückzukaufen, die Sie ja irgendwie verkauft haben, die Blöße wollen Sie sich nicht geben. Und auch Herr Jahnke, der sich hierhin gestellt hat und in Inbrunst der Überzeugung gesagt hat: Man muss alles, was auch nur den Hauch von Daseinsvorsorge hat, wieder zurückholen. Was haben Sie als SPD denn alles
mit der CDU zusammen verkauft? – 4,6 Milliarden! Sie haben die Bewag, die GASAG verkauft. Sie haben die Berliner Wasserbetriebe privatisiert, und jetzt sagen Sie: Wir müssen alles wieder für teures Geld zurückkaufen.
Ich sage Ihnen: Lassen Sie uns darüber reden, wie wir es wirklich machen und zu welchem Preis! Ja, es gibt jetzt eine Diskussion über den Rückkauf der RWE-Anteile, und das haben wir in der Tat dem „Wassertisch“ zu verdanken, weil er mit seiner Kampagne dafür gesorgt hat, dass diese Privatisierung und die danach folgende Politik des Hochtreibens der Wasserpreise, an denen Sie beteiligt waren und was Sie wissend gemacht haben, weil Sie dafür Geld für das Land Berlin einnehmen wollen – –
Ich will darüber reden, zu welchen Bedingungen, zu welchem Preis es sich lohnt, in diese Debatte einzusteigen und vor allen Dingen, ob wir in dieser Vertragsgestaltung – – Sie wissen das doch selbst. Sie haben sich doch damit auseinandergesetzt. Einfach nur einsteigen bringt uns doch gar nichts. Wir müssen doch dafür sorgen, dass wir Spielraum bekommen, selbst wenn wir unsere Anteile erhöhen. Was wollen Sie denn? – Noch mehr Geld aus den Berlinerinnen und Berlinern herausholen und das Staatssäckel füllen? Das Ganze macht doch nur Sinn, wenn wir das Ganze zu einem Preis erwerben können, bei dem wir Spielraum haben, um die Wasserpreise tatsächlich zu senken, bei dem wir das Ganze nicht in die Zinslasten stecken müssen für die Kredite, die wir aufnehmen. Glauben Sie denn wirklich, dass wir im Moment noch darüber reden, das zur Hälfte des Einstandspreises erwerben zu können? – Das ist doch illusorisch. Herr Müller hat es dankenswerterweise das letzte Mal auch gesagt. Es wird kaum einen Spielraum geben. Ich sage Ihnen: Dafür Geld aufzunehmen, um so weiterzumachen, wie wir bisher gewirtschaftet haben, lohnt sich nicht, denn dann können wir das Geld besser in andere Projekte investieren, die in dieser Stadt viel dringender sind!
Deswegen sage ich Ihnen noch mal: Kommen Sie zurück, und lassen Sie uns darüber reden, wie wir sachlich und im Interesse – –
Michael Müller! Sie sind doch der Erste, der sagt: Mir ist es scheißegal, was passiert – Entschuldigung! –, Hauptsache, ich habe das Ding wieder unter meiner Kuratel und kann es SPD-mäßig wie früher staatlich gelenkt führen. Das ist nicht unsere Politik.
Schauen Sie sich das Unternehmen an, bevor es privatisiert worden ist: unter SPD-Führung Steigerung der Wasserpreise um 130 Prozent. Das war Ihre Politik, als es öffentlich war, und das dürfen wir in dieser Stadt nie wieder zulassen.
Wie sah denn die Bewag aus? – Die Alten erinnern sich noch daran, als Sie von der SPD das Sagen hatten. Da sind vierzehneinhalb Monatsgehälter geflossen, und die Berlinerinnen und Berliner haben es bezahlt. Schauen Sie sich die GASAG an, wie sie unter Ihrer Führung aussah! Ein Skandal nach dem anderen. Sie können es nicht, und das ist das große Problem in dieser Stadt, und deswegen dürfen Sie es auch nicht machen.
Wir müssen alles tun, dass, selbst wenn wir zur Rekommunalisierung zurückkommen, die SPD auf jeden Fall nicht so weiter machen kann, wie sie es vorher gemacht hat, denn dann reiten Sie die Stadt in die Grütze, und das lassen wir nicht zu.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Henkel! Es gibt eine Volksbefragung zur A 100, und das ist die Wahl am 18. September, und wer da das Kreuz an der richtigen Stelle macht,
wird sich genau dazu bekennen oder dieses Projekt ablehnen.
Ihr Vorschlag verspottet all diejenigen, die sich an die Verfahren zu Volksbegehren und Volksentscheiden halten, die wir hier gemeinsam beschlossen haben, die sich auf die Straße stellen und Unterschriften sammeln, die dafür arbeiten. Deswegen sage ich nach wie vor: Ihre Idee widerspricht dem, was wir hier als Verfahren zugrunde gelegt haben. Auch Volksbefragungen, lieber Herr Henkel, brauchen eine Legitimation, sonst wären sie nur ein Akklamationsinstrument für Regierungspolitik, und Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie das weiterverfolgen.
Ich glaube, dass wir gerade gesehen haben, wie man sich für ein Thema engagiert. Ich glaube, an dieser Stelle muss man zuvörderst denjenigen, die die Unterschriften gesammelt und sich im „Wassertisch“ und für die Initiative engagiert haben, Hochachtung, Anerkennung und Dank aussprechen, weil sie zuallererst dafür gesorgt haben, dass diese Verträge offengelegt werden. Ohne ihr Engagement und ohne einen drohenden Volksentscheid wäre deren Inhalt niemals öffentlich geworden – trotz Informationsfreiheitsgesetz und alldem.
Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass es des Regierenden Bürgermeisters bedurfte, um zu verkünden, dass die Verträge offengelegt werden. Es war nicht der zuständige Senator und, wie man hört, war er auch nicht unbedingt in die Absprache zur Verkündung eingebunden. Dennoch war der Schritt richtig, denn es ist der Senat, den wir zur Veröffentlichung verpflichtet haben, und nicht die „taz“.
Aber die Veröffentlichung ist das eine. Noch besser wäre es gewesen, man hätte diese Verträge gar nicht erst abgeschlossen.
Das hat uns die damals noch große Koalition eingebrockt – neben der Bankgesellschaft das zweite Geschenk, für das die Berlinerinnen und Berliner heute noch die Zeche zahlen. Das dürfen wir nie vergessen. CDU und SPD waren diejenigen, die diese Verträge geschlossen haben. – Herr Henkel! Wenn ich Sie heute höre, beide Hände in der Kasse, und jetzt schreien Sie: Haltet den Dieb! – Das ist wirklich bigott von Ihnen.
Die Veröffentlichung wird auch nicht dazu führen, dass diese Verträge so einfach rückgängig gemacht werden können. Dafür hat nicht zuletzt Harald Wolf gesorgt. Der hat unter dem Mantel der Geheimhaltung alles dafür getan, dass die Privaten ihre garantierten Renditen erhalten.
Ich darf aus einem Papier der Senatsverwaltung für Finanzen vom 5. Januar 2010 zitieren – mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident –:
Zusammen mit der erst 2007 insbesondere auf Vorschlag der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen eingeführten Nachkalkulation, die zu einem Wegfall des unternehmerischen Risikos der Kostenunterdeckung geführt hat, folgt damit aus dem Nachteilsausgleich faktisch eine Garantierendite für die privaten Anteilseigner.
Das, Herr Wolf, nenne ich Planübererfüllung, und Sie sind dafür verantwortlich.
Sie haben systematisch dafür gesorgt, dass alles aus dem Weg geräumt wird, was der Rendite der Privaten im Weg stand. Ich gestehe Ihnen gern zu, dass Sie einen Vertrag vorgefunden haben, der katastrophal war. Aber Sie haben sich in allen Schritten und Etappen nicht für die Interessen der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt, sondern für Sie standen immer nur die Vertragspartner im Vordergrund. Das ist keine Politik für Berlin.
Auch wenn Sie heute groß von Rekommunalisierung fantasieren, dann wissen wir doch alle, dass die Privaten nach dem und nach Ihren Handlungen überhaupt kein Interesse am Verkauf haben. Sie haben doch die Braut erst geschmückt und so teuer gemacht, dass heute kaum noch jemand darüber nachdenkt. Sie haben doch beim Nachbessern des Teilprivatisierungsgesetzes dafür gesorgt, dass wir keinen Hebel haben.
Sie haben mit Anschluss- und Benutzerzwang gegen den Willen der SPD einen Hebel aus der Hand gegeben und verhindert, dass Verbraucherinnen und Verbraucher eine Gegenmacht entfalten können. Das war Ihr Werk, dafür haben Sie die Verantwortung zu tragen und können sich
auch mit Ihren Rekommunalisierungsfantasien nicht aus der Verantwortung stehlen.
Jeder – da gebe ich dem Kollegen Müller ausdrücklich recht –, der heute über Rückkauf nachdenkt, wird sich an einem Maßstab messen lassen müssen: Man kann über einen Rückkauf nur nachdenken, wenn nach der Finanzierung eines Kaufpreises noch so viel Volumen im Unternehmen übrigbleibt, dass Gebühren gesenkt werden können und eine ökologisch vernünftige Wasserpolitik hier im Lande durchgeführt werden kann.
Diese Aufgabe haben Sie, Herr Wolf, mit Ihrem Kurs erschwert, und das werden wir den Berlinerinnen und Berlinern immer wieder sagen. Sie sind genauso dafür verantwortlich, dass der Karren so in den Dreck gefahren wurde.
Sie haben alle Chancen vergeigt, die es für das Land Berlin gegeben hat, da vernünftig rauszukommen. Deshalb sind Sie genauso für die hohen Wasserpreise verantwortlich. Es wird Sie auch nicht retten, dass Sie jetzt zum Bundeskartellamt laufen und versuchen, jemand anderen Ihre Geschäfte machen zu lassen. Das ist eine Bankrotterklärung für eigene Handlungsfähigkeit. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Wowereit! Das war ja schon fast eine Liebeserklärung, die Sie hier in Richtung der CDU abgegeben haben. Man hat sich ja schon so gefühlt, als wäre man auf einem Hochzeitsmarkt, und Sie würden eine rotschwarze Ehe anbahnen. Früher hat man so etwas große Koalition genannt, heute kann man bei einer solchen Koalition nicht mehr von groß reden.
Selbst wenn das in dieser Stadt die einzige politische Konstellation zu sein scheint, die für sich in Anspruch nimmt, dieses unsinnige Projekt umsetzen zu wollen, da muss in der Tat die Frage gestellt werden, ob selbst solch eine Konstellation die erforderliche Mehrheit für ihr Projekt erhalten würde. Das bezweifeln wir für die nächste Wahl ernsthaft.
Ich finde, Herr Wowereit hat einen sehr treffenden Satz gesagt. Den muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er hat nämlich gesagt, wenn dieses Projekt tatsächlich nicht gebaut werden sollte, wenn es unwahrscheinlich wäre, dass es gebaut wird, dann wären die jetzt eingesetzten Planungsmittel herausgeschmissenes Geld. Richtig, Herr Wowereit! Es ist herausgeschmissenes Geld. Sie können als jemand, der hier Verantwortung trägt, nicht so mit den öffentlichen Geldern umgehen!
Ich will auch noch einen inhaltlichen Satz zu unserer Ablehnung sagen. Das ist das unsinnigste Verkehrsprojekt aus dem letzten Jahrtausend, das man sich vorstellen kann!
Wir hätten eigentlich gedacht, dass die SPD im Jahr 2011 und folgende weiter wäre, weggekommen wäre von dieser Betonapologetik, die Sie sonst immer predigen, und mal geschnallt hätte, dass eine moderne Stadt moderne Verkehrskonzepte benötigt und dass Bundesautobahnen in einer Stadt nichts mit moderner Verkehrspolitik zu tun haben. Aber anscheinend sind Sie immer noch nicht so weit, dass Sie das verstanden haben!
Deshalb muss man allen sagen: Wer die SPD wählt, wählt Verkehrspolitik von gestern. Diese Stadt braucht alles andere als eine Verkehrspolitik von gestern!
Mit dieser Bundesautobahn, mit diesem Stummel, den Sie von Neukölln aus bauen werden, werden Sie den Schwerlastverkehr in die Innenstadt hineintragen, das haben mehrere Gutachten bereits festgestellt. Und das bei sinkenden Verkehrszahlen. Das ist nicht nur herausgeschmissenes Geld, das ist einfach unsinnig, was Sie der Stadt zumuten!
Jetzt noch ein Wort zu den schönen Vorwürfen, die immer von der Linkspartei kommen. Ja, das ganze Ding stand im Bundesverkehrswegeplan, angemeldet im Jahr 2003 von Rot-Rot.
Sie waren diejenigen, die auf das Bundesverkehrsministerium zugegangen sind und gegen den erbitterten Widerstand des Staatssekretärs SPD durchgesetzt und gesagt haben: Bitte, bitte ein Projekt! Das ist das einzige Straßenprojekt, das ihr habt, das könnt ihr uns nicht auch noch wegnehmen!
Dann ist es in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Wir alle wissen, dass der Bundesverkehrswegeplan dann zur Gestaltungsreife kommt, wenn die Mittel im Haushalt eingestellt sind. Das sind sie bis heute nicht für dieses Bundesautobahnprojekt.
Deswegen ist es eine Anmeldeliste aus den Ländern, die mit einer Konkretisierung überhaupt nichts zu tun hat.
Wir waren dagegen! Natürlich hätten wir es lieber gehabt, wenn es nicht aufgenommen worden wäre. Aber es ist
aufgenommen worden, vor mehr als sieben Jahren ist es hineingekommen.
Jetzt schaffen Sie die Voraussetzungen dafür. Frau Krautzberger hat es vorhin gesagt. Sie fangen an, konkrete Projekte, konkrete Umsetzungen herbeizuführen. Wir sehen doch gerade bei der Debatte um Stuttgart 21, wo das hinführt. Dann sind plötzlich die Sachzwänge da, und keiner kommt mehr hinaus aus dem Projekt. Das werfen wir Ihnen, lieber Herr Wowereit, vor. Ich sage Ihnen: Schön, dass Sie es gesagt haben! Wir müssen allen in dieser Stadt deutlich machen: Jetzt muss man dieses Projekt verhindern! Jetzt muss man dafür sorgen, dass nicht Nägel mit Köpfen gemacht werden, die nicht wieder herausgezogen werden können. Deshalb sagen wir noch einmal allen, die davon betroffen sind – das sind alle, die an der Autobahnführung, das sind alle, die im Prenzlauer Berg, in Mitte an diesen Straßenführungen wohnen –: Lasst das der SPD nicht durchgehen! Ich sage auch zu allen SPDlern – und das war ja eine ganze Menge auf Ihrem Parteitag –: Lasst dieser Betonriege um Wowereit und Junge-Reyer nicht durchgehen, dass sie dieses unsinnige Straßenprojekt in die Stadt hineinprügeln! Das darf nicht passieren! Diese Gelder sind besser aufgehoben bei der Sanierung des Bundeshaushalts als in solch einem unsinnigen Betonprojekt. – Danke sehr!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sage es gleich vorab: Ja, wir werden diesem Gesetz zustimmen, ich habe es bereits bei der Einbringung gesagt, weil wir der Meinung sind, dass dieser jahrelang schwelende Streit endlich mal zu Ende gebracht werden muss.
Wir diskutieren seit Jahren über einen Sonntag, über zwei, vier Sonntage – wir wollten immer vier Sonntage, aber wir glauben nicht, dass das christliche Abendland untergeht, wenn die Geschäfte in Berlin nicht nur an vier, sondern an acht Sonntagen offen haben. Die müssen nur klar und verbindlich für die Geschäftsleute und für die Kundinnen und Kunden festgelegt werden. Wir legen Wert darauf, dass vonseiten des Senats oder der festsetzenden Behörde gegenüber den Geschäften darauf gedrungen wird, dass entsprechende Betreuungsangebote für gerade in diesem Bereich sehr vielfältig beschäftigte Frauen und alleinerziehende Mütter mit Kindern vorhanden sind. Das ist uns ein wichtiges Anliegen, dass das auch berücksichtigt wird.
Ob der Hauptbahnhof offen hat oder nicht – davon wird Berlin nicht zu Posemuckel, davon wird Berlin auch nicht geschädigt, das ist einfach eine Frage, ob man an so einem Ort an einem Sonntag ein Angebot offen hält. Wir waren da immer skeptisch, das gebe ich zu, aber auch wir sehen, dass es an so einer Stelle durchaus sinnvoll ist, das, was sich an Geschäftsgebaren bereits herauskristallisiert hat, dann auch am Sonntag zutage treten zu lassen. Wir hatten ja jahrelang offen, und niemand hat etwas dagegen gemacht, bis Frau Lompscher plötzlich gesagt hat, jetzt wollen wir hier mal Tabula rasa machen und verfügen, dass die nicht mehr auf haben dürfen.
Einer Schimäre, die von den Regierungsfraktionen aufgebaut wird, muss man aber wirklich entgegentreten: Dass das ein Paradebeispiel eines Gesetzgebungsprozesses für ein modernes Gesetz ist, das kann man nun wahrlich nicht sagen. Man muss sich das mal vorstellen: Am 1. September 2009 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, und heute, am Tag der zweiten Lesung, bekommen wir noch eine Tischvorlage für eine Änderung des Gesetzes.
Dass man in so einer Frage bis zu diesem Zeitpunkt noch nachkorrigieren muss, das zeugt nicht gerade von Qualität der beschlussempfehlungsvorlegenden Fraktionen. Unter einem modernen und handwerklich guten Gesetzgebungsprozess stellen wir uns etwas anderes vor.
Man muss es sich auch wirklich mal auf der Zunge zergehen lassen, was Sie da reingeschrieben haben: In § 5 Nr. 3 soll eingefügt werden: „Auf Fernbahnhöfen dürfen darüber hinaus Waren des täglichen Verbrauchs“ – nicht Ge-, sondern nur Verbrauchs! –, „insbesondere Erzeugnisse für den allgemeinen Lebens- und Haushaltsbedarf und Reisegepäck, Reisetaschen, Fan- und Geschenkartikel sowie Sehhilfen angeboten werden.“ Daraus schließt Die Linke und scheinbar auch die SPD, dass das alles außer Textilien und Schuhe sei, weil wir ja wissen, dass sich der Görtz am Hauptbahnhof ein bisschen aufgespielt hat, da wollen wir ihm mal ordentlich zeigen, dass wir uns von dem nicht ins Bockshorn jagen lassen. Der darf seine Schuhe nicht verkaufen, aber Fielmann dürfte den Optikerladen aufmachen und seine Brillen am Hauptbahnhof auch am Sonntag verkaufen – da muss mir mal einer erklären, wo da die Logik steckt.
Dass das rechtssicher sein soll, das will ich erst noch mal sehen. Allein die Formulierung „insbesondere Erzeugnisse für den allgemeinen Lebens- und Haushaltsbedarf“ – da möchte ich mal sehen, dass eine Senatsverwaltung das gerichtsfest durchkriegt, jemandem zu verbieten, dass er unter der gesetzlichen Ermächtigung nicht auch an diesem Tag ein Paar Schuhe oder ein Hemd, das sich ein Reisender im Zug mit Kaffee vollgekleckert hat, verkaufen darf. Das heißt Nichtrechtssicherheit – mit dieser Formulierung geben Sie den Händlerinnen und Händlern Steine statt Brot.
Dennoch ist es wichtig, sich auf den Weg zu machen. Ich merke das aber klar an: Wir gehen davon aus – und das ist auch schon angekündigt –, dass diejenigen, denen unter dieser Ägide der Verkauf von Textilien verboten werden soll, damit vors Gericht ziehen, und ich glaube, Sie werden eine Bruchlandung erleiden.
Wir werden sehen, wie das Verwaltungsgericht entscheidet. Wichtig ist jedenfalls, dass die Stadt sich aufmacht und es endlich vorbei ist, dass die Gazetten voll sind mit Artikeln, dass die Nichtöffnung der Geschäfte am Hauptbahnhof Berlins Metropolencharakter beeinträchtige. Deswegen stimmen wir dem zu, auch wenn wir Bauchschmerzen haben, so, wie es jetzt formuliert ist.