Ramona Pop
Appearances
16/4
16/6
16/8
16/9
16/10
16/13
16/14
16/17
16/23
16/24
16/26
16/30
16/31
16/33
16/34
16/37
16/38
16/39
16/40
16/43
16/44
16/45
16/46
16/47
16/49
16/50
16/53
16/54
16/56
16/58
16/59
16/61
16/64
16/65
16/66
16/69
16/71
16/72
16/74
16/75
16/76
16/77
16/78
16/80
16/83
16/84
Last Statements
Ich frage angesichts der heutigen Bildungsproteste den Bildungssenator, ob seine einzige Antwort auf die Bildungsproteste die Androhung von Disziplinarmaßnahmen bleiben wird.
Verstehe ich Sie also richtig, dass Sie aus Ihrer Sicht in der Bildungspolitik alles richtig gemacht haben und Sie die Bildungsproteste, die zurzeit stattfinden, für überflüssig und für absolut ungerechtfertigt halten, Herr Zöllner?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass der Regierende Bürgermeister sich nicht für Wirtschaftspolitik interessiert, zeigt sich ja nicht nur heute.
Mit meiner Einstiegsbemerkung wollte ich Ihnen eine Freude machen, Herr Gaebler, damit Sie sofort loskreischen können.
Nach dem Einbruch durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise
erleben wir es nun zum zweiten Mal, dass sich die Berliner Wirtschaft erholt, dass sie Fahrt aufnimmt. Gefüllte Auftragsbücher lassen die Unternehmer und Unternehmerinnen positiv in die Zukunft schauen. Laut den aktuellen Konjunkturberichten der IBB und der IHK, die auch schon zitiert worden sind, können wir in diesem Jahr sogar mit 3 Prozent Wachstum rechnen. Unser Dank und Anerkennung gelten den Unternehmerinnen und Unternehmern in dieser Stadt.
Gleich nach dem dritten Satz? Also, bitte! Nein!
Jenen, die in Berlin ihre Chancen ergreifen, ihre Ideen und Innovationen verwirklichen und damit Arbeitsplätze sichern und schaffen, gilt unser Dank.
Viel Gutes passiert in dieser Stadt, obwohl in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik des rot-roten Senats jahrelang der Stillstand regierte. Ihre schlechte Bilanz können Sie schlecht hinter der guten Prognose 2011 verstecken. Wie sind die Fakten? – Nach wie vor hat Berlin die geringste Exportquote im Vergleich der Bundesländer. Wir liegen bei 13 Prozent, bundesweit im Durchschnitt liegt sie bei 30 Prozent. Sie loben sich für die positive Entwicklung in der Industrie und steigende Beschäftigung. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Die Anzahl der Erwerbstätigen im produzierenden Bereich ist von 2002 bis 2010 um fast 20 Prozent gesunken. Die Versäumnisse von zehn Jahren Stillstand wiegen einfach schwer, Herr Klemm. Sie sind noch nicht so lange dabei.
Da reicht es eben nicht, ein Dreivierteljahr vor der Wahl auf Industriepolitik zu machen, wenn man vorher nichts getan hat.
Für den Arbeitsmarkt sieht es nach zehn Jahren genauso traurig aus. Wie können Sie überhaupt von Erfolg reden, wenn in Deutschland die Arbeitslosenzahlen auf einem Tiefstand sinken, wenn man in der Republik hier und da von Vollbeschäftigung spricht, doch in Berlin die Zahl der Arbeitslosen entgegen dem Trend zunimmt? Sie steigt an, mitten im Aufschwung. Wir sind mit 13,6 Prozent Arbeitslosenquote Schlusslicht bei der Arbeitslosigkeit. Bundesweit die höchste Arbeitslosigkeit, die höchste Jugendarbeitslosigkeit bundesweit und auch die höchste Arbeitslosenquote unter Migranten bundesweit. Die Anzahl der Langzeiterwerbslosen? – Ist auch die höchste bundesweit. Inzwischen haben uns sogar Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern überholt und liegen vor uns in der Arbeitslosenstatistik. Wie konnte das eigentlich passieren?
Obwohl Sie doch so gern vom sozialen Miteinander reden, die Realität Ihrer Regierung ist alles andere als sozial.
Berlin ist mit über hunderttausend Menschen die Hauptstadt der Aufstocker, Berlin ist die Hauptstadt der prekären Beschäftigung,
mehr als die Hälfte Ihres rot-roten Jobwunders ist darauf zurückzuführen. Minijobs, Teilzeitjobs, befristete Projektarbeitsplätze, da ist Berlin Spitzenreiter,
nicht andere Bundesländer. Berlin ist da Spitzenreiter, weil Ihre Politik die falsche ist. Nicht andere Bundesländer haben diese schlechten Zahlen.
Das ist die Bilanz Ihrer Politik. Sie haben den Aufschwung nicht für gute und zukunftsfähige Arbeitsplätze genutzt. Es reicht eben nicht aus, ein dreiviertel Jahr vor der Wahl einen Ausbildungspakt auf den Weg zu bringen oder Masterpläne zu formulieren. Das ist später Aktionismus, Herr Gaebler!
Sie sind immer so hektisch unterwegs, Herr Gaebler! Aktionismus passt zu Ihnen ja immer.
Der Berliner Wirtschaft droht ein Fachkräftemangel, weil Sie sich jahrelang auf den öffentlichen Beschäftigungssektor konzentriert und an der Ausbildungs- und Weiterbildungspolitik gespart haben. Wo ist eigentlich Ihre Aussage zur modernen, grünen Wirtschaftspolitik? Wirtschaftliche Dynamik, Klimaschutz und effiziente Ressourcennutzung ist überall eine Binsenweisheit, nur bei Rot-Rot noch nicht angekommen. Die letzten zehn Jahre hatten Sie dazu nichts zu sagen und in Ihren Programmen für die nächsten fünf ist darüber nichts zu lesen.
Das Klimaschutzgesetz ist vom Regierenden Bürgermeister persönlich gestoppt worden, obwohl alle wissen, dass allein durch energetische Sanierung 20 000 Jobs entstehen – und zwar Vollzeitbeschäftigung, keine prekäre Beschäftigung. Davon wollen Sie aber nichts wissen. Dass große Firmen längst um diesen wachsenden Markt wetteifern, Siemens gründet eine neue Sparte, die „Infrastructures & Cities“ heißt, Infrastruktur für die Städte ist längst das Gewinnerthema,
und was macht Siemens? – Es geht damit nach München, weil sich dafür hier in Berlin keiner interessiert hat. Nicht in der Bundeshauptstadt werden wirtschaftliche Innovationen für Großstädte entwickelt, nein, das hat dieser Senat verbockt. Wie schade für Berlin, kann man da nur sagen. Was für ein Armutszeugnis für diesen Senat.
Weil man angesichts dieser dann doch etwas ernüchternden Fakten lieber darüber nicht reden möchte, haben Sie sich dahin gerettet, lieber über ihr Vergabegesetz zu reden und dort neue Wohltaten anzukündigen – als Ablenkungsmanöver. Wir haben vor einem Jahr ein Vergabegesetz auf den Weg gebracht,
das soziale und nach vielen Mühen und Verhandlungen mit Ihnen auch ökologische Kriterien beinhaltet. Doch wo stehen wir nach einem Jahr? – Trotz Vergabegesetz erreichen uns schlechte Nachrichten. Die öffentlichen Unternehmen fühlen sich davon häufig nicht angesprochen,
wenn beim Charité Facility-Management der Tarifvertrag für den Wachschutz sogar noch umgangen wird, um noch weniger zu bezahlen, wenn bei der BSR Tagelöhner angeheuert werden, wenn Vivantes Subunternehmer nutzt, um Pflegekräfte möglichst günstig einzustellen, wenn die Kulturverwaltung Förderbescheide unterschreibt, in denen mit einem Stundenlohn von 3,50 Euro kalkuliert wird, wo bleibt da eigentlich das Eingreifen von Rot-Rot?
Die ökologischen Kriterien werden nicht eingehalten, wenn die BVG noch Atomstrom bezieht, obwohl der erklärte Wille besteht, dies im Land Berlin nicht mehr zu tun. Überall fehlen hier die Kontrollen. Aber so ist Ihre Politik, da klaffen Symbolpolitik und Realität dramatisch auseinander.
Nicht zuletzt der HOWOGE-Skandal belegt, dass im Vergabebereich des Landes Berlin noch einiges im Argen liegt. Wir haben vorgeschlagen, weiteren Filz zu verhindern, wir haben vorgeschlagen, die Landesunternehmen stärker zu verpflichten. Bindend ist bisher für die Landesunternehmen nur das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das mit EU-weiten Schwellenwerten operiert. Alle Aufträge unterhalb dieser Schwellenwerte, das dürften mehr als die Hälfte bei den Landesunternehmen sein, werden in Berlin von keiner einzigen gesetzlichen Regelung erfasst. Da stehen Tür und Tor offen für Geschäfte nach dem hillenbergschen Motto „Man kennt sich“, da sind Vetternwirtschaft und Filz nicht fern.
Das wollen wir ändern, damit Filz und Vetternwirtschaft ein Ende haben und für alle Beteiligten Klarheit und Rechtssicherheit gilt, die Sie von der SPD offensichtlich scheuen.
Das rot-rote Vergabegesetz ist ein Symbolgesetz, die Realität sieht anders aus. Es gibt Lohndumping in öffentlichen Unternehmen, es wird Atomstrom bezogen und die
Geschäfte nach dem Motto „Man kennt sich“ gehen munter weiter. Es ist wie immer bei Rot-Rot: Sie machen Symbolpolitik, die Verbesserungen für die Berlinerinnen und Berliner sind nicht spürbar und erkennbar. Wenn Sie jetzt mit großer Geste kommen und versprechen, den Mindestlohn im Vergabegesetz auf 8,50 Euro zu erhöhen, kann ich dazu nur sagen: Halten Sie erst einmal die 7,50 Euro bei allen Landesunternehmen ein, bevor Sie weitere Versprechen auf den Weg bringen!
Sorgen Sie für ein Gesetz, das in der Praxis funktioniert, sozial und ökologisch, wirksam und transparent ist! Das ist fair, das schafft den Aufschwung, der auch tatsächlich bei den Berlinerinnen und Berlinern ankommt.
Hier herrscht ja großartige Aufregung, wenn ich nach vorn komme. Das freut mich!
Ich kann nur hoffen, dass der Regierende Bürgermeister etwas Vernünftigeres verhandelt beim Atomkonsens, als er in der Frage Länderfinanzausgleich für Berlin herausgeholt hat.
Her Klemm! Mäkeln dürfen Sie gern wieder ab nächstem Jahr, wenn Sie wieder im Parlament sein sollten. Ich glaube, Sie freuen sich schon darauf, denn Ihre Lustlosigkeit, mit der Sie gerade die Zahlen vorgetragen haben, zeigt deutlich, in welche Richtung das für Sie geht: Hauptsache, ab nächstem Jahr wieder Opposition machen zu dürfen.
Hätten Sie sich weniger aufgeregt, hätten Sie auch Vorschläge gehört. Unter anderem wäre der Ausbildungspakt vor fünf Jahren richtig gewesen, dann hätten wir keine 22 000 arbeitslosen Jugendlichen,
die seit Jahren auf eine Nachqualifizierungsoffensive warten, die Sie aber nicht machen, weil Sie das Geld lieber woanders verschwenden. Eine Nachqualifizierungsoffensive für Jugendliche wäre sinnvoll, bei Ihnen Fehlanzeige.
Wir haben vorgeschlagen, mehr Qualifizierung wegen des Fachkräftemangels zu machen – nein, Sie haben Vorschläge gefordert und die bekommen Sie jetzt auch –, anstatt das Geld dafür zu kürzen.
Wir haben vorgeschlagen, mit einem Klimaschutzgesetz energetische Sanierung auf den Weg zu bringen, was 20 000 Arbeitsplätze in der Stadt schaffen würde.
Aber das haben Sie lieber abgelehnt, obwohl IHK, BUND und der Mieterverein dafür gewesen sind.
Wir haben Ihnen bereits vor fünf Jahren vorgeschlagen, auf Industriepolitik, auf kluge, moderne Industrien zu setzen. Aber Sie haben bis vor zwei Jahren mit Ihren Förderrichtlinien lieber Callcenter mit Niedriglöhnen subventioniert. Das waren unsere Vorschläge, und hätten Sie diese umgesetzt, hätten Sie jetzt nicht die höchste Arbeitslosigkeit bundesweit und den niedrigsten Beschäftigungsaufbau. Das haben Sie mit Ihrer Kritik, dass Sie nur auf Dienstleistung gesetzt haben, selbst bestätigt. Das haben Sie getan in den letzten Jahren – und nichts anderes.
[Beifall bei den Grünen – Christian Gaebler (SPD): Nehmt ihr euch noch ernst? – Dr. Klaus Lederer (Linksfraktion): Das war provinziell und beschämend! – Wolfgang Brauer (Linksfraktion): Erbärmlich! – Weitere Zurufe von der Linksfraktion]
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt, glaube ich, kein Thema, das in diesem Hause so häufig diskutiert worden ist wie der öffentliche Beschäftigungssektor. Wenn man sich diesen FDP-Antrag anguckt, kann man wirklich nur sagen: Man mag von der FDP vom ÖBS halten, was man möchte, aber Sie haben schlichtweg keine Ahnung davon, was da stattfindet. Anders kann ich mir diesen Antrag nicht erklären.
Es gibt viele gute Gründe, den öffentlichen Beschäftigungssektor zu kritisieren, und Sie wissen, dass wir das auch schon länger tun. Wir sagen, er ist – so, wie er konstruiert ist – keine echte Alternative zu den Ein-Euro-Jobs – das sollte er eigentlich sein. Er ist kein vernünftiger sozialer Arbeitsmarkt, weil er von Rot-Rot für zu Wenige konzipiert worden ist und dafür mit sehr viel Geldeinsatz.
Dass ein sozialer Arbeitsmarkt notwendig ist, wissen wir doch alle! Aber ich zweifle, ob dieses Konstrukt das richtige ist.
Aber zu dem Thema der FDP, dass eine Verdrängung durch den öffentlichen Beschäftigungssektor im Handwerk stattfinden soll: Das ist ein Punkt, an dem Sie ganz offensichtlich keine Ahnung haben, weil der öffentliche Beschäftigungssektor hauptsächlich im Sozialbereich und im Kulturbereich stattfindet, nicht im Handwerksbereich. Dem hat Rot-Rot mit der Gemeinsamen Erklärung nämlich einen deutlichen Riegel vorgeschoben. Und wenn Sie bei den vielen Gesprächen mit den Kammern, mit den Gewerkschaften dabei gewesen wären, wüssten Sie auch, dass die Anzahl der Beschwerden bei niedrigen 5 oder
6 Prozent angekommen ist, Beschwerden, dass vielleicht eventuell Verdrängung vorliegen könnte, die sich meistens aber nicht bewahrheiten. An der Frage ist also nichts dran, weil im Handwerksbereich im öffentlichen Beschäftigungssektor überhaupt nichts stattfinden darf.
Das bedauern wir als Fraktion, um ehrlich zu sein, weil wir viele arbeitslose Menschen haben, die nicht für den Sozial- oder Kulturbereich Qualifizierungen, Erfahrungen, Berufswissen mitbringen, sondern eher im handwerklichen Bereich. Für diese haben wir kein Angebot einer arbeitsmarktnahen Beschäftigung. Wir haben für sie kein Angebot, was Richtung Wiedereingliederung geht, was auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse aufsetzt. Es ist immer ein Spagat, wenn man arbeitsmarktpolitisch ein Angebot macht, das tatsächlich auch auf die Kenntnisse aufsetzt und eine Wiedereingliederung möglich macht, aber eine Verdrängung nicht stattfinden lässt. Aber beim ÖBS brauchen Sie keine Sorge zu haben, da ist dieser Spagat nicht einmal versucht worden, weil überhaupt keine handwerklichen oder ähnlichen Tätigkeiten dort ausgeübt werden.
Es gibt erste Diskussionen, den ersten Ansatz – gemeinsam mit Kammern, Gewerkschaften und der Bundesagentur für Arbeit –, das vorsichtig zu öffnen, was ich sehr begrüßen würde. Den Ansatz zu sagen, in bestimmten Projekten, in bestimmten abgegrenzten Bereichen sollte diese Positivliste auch für den handwerklichen Bereich geöffnet werden. Das finde ich richtig. Wenn alle mitziehen würden, wäre das auch der richtige Weg, um Arbeitslose, die zurzeit davon ausgeschlossen sind, weil man einen Maler schlecht in den Kulturbereich schicken kann, arbeitsmarktnah beschäftigen und qualifizieren zu können.
Wenn ich mir Ihren Antrag weiter anschaue: Das Verfahren, das Sie hier vorschlagen, mit fünf Punkten, die alle lang und breit ausgeführt sind – also bitte: Wie ist das mit der Bürokratie bei der FDP? Ich dachte, Sie hielten nichts davon. Was Sie vorschlagen, was für Verfahren auf den Weg gebracht werden, um ganz sicher zu gehen, dass kein einziger Arbeitsplatz jemals verdrängt wird, das halte ich für höchst bürokratisch. Wir werden den Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Menschen in der Stadt beschäftigt das Thema Gewalt, die Gewaltvorfälle der letzten Wochen. Wir wollten letztes Mal darüber diskutieren. Sie erinnern sich daran. Heute ist das Thema durch die aktuellen Vorfälle leider genauso aktuell geblieben. Ich möchte Anschlag am Ostkreuz, den Kabelbrand erwähnen, den wir scharf verurteilen: Er war ein krimineller Anschlag. Ihn für einen schnellen Atomausstieg in Anspruch zu nehmen, ist schlichtweg eine Unverschämtheit.
Es gibt auch andere aktuelle Themen in dieser Stadt. Seit Anfang des Jahres haben Kinder und Familien durch das Bildungspaket Anspruch auf Nachhilfe, Mittagessen in Kita und Schule, Unterstützung für Schulausflüge und andere soziale, kulturelle und sportliche Aktivitäten.
Jetzt, Ende Mai, haben gerade zehn Prozent der Familien einen Antrag gestellt. Das heißt umgekehrt, dass 90 Prozent keinen Antrag gestellt haben, geschweige denn, dass die Kinder und Familien die Unterstützung bekommen, die sie dringend benötigen. Die Frage, wie viele Bildungspakete bewilligt wurden, beantworten Sie nicht. Ich frage mich, ob der Senat gar kein Interesse daran hat, dass die Kinder in unsere Stadt zu ihrem Recht kommen. Bis heute fehlt eine breite Informationskampagne, wie sie andere Städte machen.
Falls Sie sich richtig daran erinnern, Herr Gaebler: Der Senat hat dagegen gestimmt.
Sie setzen das nicht um und bekommen das nicht hin, weil Sie dagegen sind. Woanders werden Eltern von den Jobcentern angeschrieben und darüber informiert, was sie für ihre Kinder tun können. Nur in Berlin weigert man sich. Das ist ein Unding.
Stattdessen setzt man auf die Werbeplakate der Bundesregierung. Man soll sich im Internet irgendwo etwas herunterladen. Das kann nicht Ihr Ernst sei. Das erreicht die Eltern gar nicht.
Hören Sie vielleicht mal auf herumzuschreien, Herr Gaebler! Schonen Sie Ihre Stimme und meinen Ohren noch dazu!
Die wenigen, die den Elternbrief bekommen oder auf der Seite der Bildungsverwaltung herunterladen, kämpfen mit Sätzen wie beispielsweise bei der Schülerbeförderung:
Ein Ticket wird benötigt, wenn die besuchte Schule mehr als drei Kilometer von der Hortwohnung entfernt ist.
Sollen die Eltern die Schulwege nachmessen? Was denken Sie sich dabei? Sie erreichen mit dieser Informationspolitik nur die Abschreckung der Eltern. Das scheint ja auch Ihr Ziel zu sein. Sie verschicken keine verständlichen Informationen, und Sie bekommen die Umsetzung nicht hin, weil Sie das offensichtlich gar nicht wollen, meine Damen und Herren von Rot-Rot.
Denn wenn man sich überhaupt erst einmal getraut hat, einen Antrag zu stellen, bekommt man immer noch keine Nachhilfe, kein Mittagessen, keine Unterstützung.
Sie haben an der Umsetzung zu lange herumgeschustert. Das Ausführungsgesetz ist irgendwo hier im Parlament, aber noch lange nicht beschlossen. Die datenschutzrechtlichen Aspekte sind ungeklärt. Die Verwaltungsvorschriften fehlen. Kurzum: Die Kinder und ihre Familien bekommen bis heute keine Unterstützung, weil die rechtlichen Grundlagen fehlen, weil Sie das bis heute nicht hinbekommen.
Die Umsetzung des Bildungspakets droht, zu einem bürokratischen Spießrutenlauf zu werden. Sie erhöhen die Bürokratie und die Intransparenz und wälzen die Verantwortung und Arbeit auf andere Beteiligte ab. Das ist ein Unding, Herr Gaebler.
Hören Sie auf herumzuschreien, und hören Sie einfach einmal zu, Herr Gaebler!
Ich nenne nur zwei Beispiele: Bei der Nachhilfe gibt es ein zweistufiges Verfahren. Die Eltern rennen zum Jobcenter und lassen sich ihren Antrag bewilligen. Dann gehen sie zur Schule, die ebenfalls die Nachhilfe bewilligen muss.
Dann müssen die Lehrer wiederum den Eltern erklären, warum ihr Kind Nachhilfe bekommt bzw. nicht bekommt. So ist das ja wohl nicht gedacht. Wer soll das an den Schulen überhaupt schaffen?
Beim Mittagessen müssen die Caterer jedes einzelne Essen mit dem Bezirksamt abrechnen. Wie sollen die das schaffen? Und wenn man ein Kind zur Musikschule oder zu einem Verein schicken möchte, muss man zum Sportverein gehen, zurück zum Jobcenter, und hinterher muss der Verein mit dem Jobcenter abrechnen.
Dieses Chaos passiert hier in Berlin. Andere Städte schaffen zentrale Anlaufstellen, Frau Hiller. Sie aber zersplittern alles über die gesamte Stadt, damit Sie nicht schuld sind, wenn es schief geht. Aber auf diesen Leim wird Ihnen hier keiner gehen. Sie blicken doch selbst nicht mehr durch bei diesem Chaos.
Sie müssen aber die Fragen beantworten, Herr Gaebler. Weil Sie hier regieren! Und Verantwortung tragen. Wo beantragt man den Bildungspass? Welche Leistungen bekommt man dafür? Wo beantragt man die anderen Leistungen? Zwischen welchen Ämtern muss man hin- und herrennen? Sie müssen diese Fragen beantworten. Das sollen Sie auch schleunigst tun. Ansonsten wird das Bildungspaket zum Leidwesen der Berliner Familien zum Bildungsverhinderungspaket. Glauben Sie mir: Sie bleiben dafür in der Verantwortung.
Es gibt auch Städte wie Potsdam, denen es durchaus ab morgen schon gelingt. – Ich frage warum und wieso es nicht gelungen ist, im Sinne der Hilfe aus einer Hand die Bildungsgutscheine zentral in einem Amt, beispielsweise im Jugendamt – das liegt ja nahe –, auszureichen. Wann werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überhaupt eingestellt und so weit sein, dass sie diese Anträge bearbeiten können, sodass die Anträge nicht in irgendeinem Keller gelagert werden, bis sie bearbeitet werden? Sie sagten gerade eben, es dauere Wochen, bis die Einstellungen und Qualifizierungen erfolgen, sodass es zur Bearbeitung offensichtlich sehr verspätet kommen wird. Wie lange werden die Eltern noch auf die Hilfe warten müssen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hier ist ja etwas los. Der Finanzsenator soll gefälligst nachsitzen, vermutlich mit sozialpädagogischer Betreuung aus dem ÖBS,
bis er der Meinung der Linkspartei ist. Das ist eine Superstimmung in der Koalition. Ob man so die Stadt voranbringt, bezweifle ich nicht nur ich.
Dieses Rumgepöbel, Herr Albers,
ist offensichtlich die Reaktion und die Verunsicherung der Linkspartei auf sinkende Umfragewerte. Wer schriller wird, gewinnt nicht gerade an Sympathie, Herr Albers.
Auch diese Sitzung hat es einmal wieder gezeigt: Überall nur noch Gräben in der Koalition.
In der Frage der Wasserbetriebe schiebt man sich den Schwarzen Peter hin und her, beim Straßenausbaubeitragsgesetz schlägt sich die Linkspartei in die Büsche
und nun beim ÖBS der nächste Streit. Seit Wochen wird hier ein peinliches Schauspiel abgeliefert, seit Wochen wird gestritten über die Fortführung des öffentlichen Beschäftigungssektors. Der Regierende Bürgermeister, der sich das hier lieber alles erspart, ansonsten würde er vermutlich auch noch sein Fett abbekommen vom Koalitionspartner – wunderbar, da hinten sitzt er, der Abgeordnete Wowereit –, er lässt die Arbeitssenatorin
wochenlang auf ein Spitzengespräch warten, und das platzt dann so nebenbei. Man hatte irgendwie keine Zeit mehr füreinander.
Das sagt, glaube ich, alles über die Stimmung in der Koalition. Wenn man nicht einmal mehr miteinander reden will, dann ist man ziemlich am Ende.
Was allerdings untergeht in so einem Dauerstreit, der ja auch unterhaltsam für die Medien ist, ist, dass Tausende von Arbeitslosen auf Förderung warten und die soziale Infrastruktur nicht nur im Kulturbereich langsam, aber sicher wegbröselt. Das liegt daran, dass Sie am ÖBS mit allen Mitteln festgehalten haben, selbst als der Bund den längst abgeschafft hatte, weil es Ihr Symbolprojekt gewesen ist. Die Kritik daran ist bekannt.
Ich zitiere den Regierenden Bürgermeister aus einem „Morgenpost“-Interview:
Die Kritik am ÖBS ist ja, dass das Programm einige wenige privilegiert, viele andere aber ausschließt.
Das sagt der Regierende Bürgermeister.
Aber den nehmen Sie offensichtlich nicht mehr ernst.
Nein, ich habe keine Zeit!
Sie haben jetzt die ganze Zeit geredet. Jetzt kann auch ich meine fünf Minuten hier ausschöpfen. – Würden Sie den Regierenden Bürgermeister ernst nehmen, würden Sie sich bemühen, eine Lösung zu finden.
Jetzt rächt es sich, Frau Bluhm, dass man voll auf den Bund gesetzt hat, auf den man sonst so gern schimpft. Das BEZ läuft als Instrument aus, und jetzt sind Sie völlig kopflos und zerstritten, wie es weitergehen soll.
Sie könnten die Bürgerarbeit nutzen. Sie haben zweistellige Millionenbeträge im Haushalt stehen, die Sie nicht ausschöpfen. Sie streiten und sind offensichtlich zu keiner Einigung fähig. In der Folge gibt es keine Bürgerarbeit, weil die Jobcenter auf Sie warten, das Geld in den Jobcentern verfällt, das Geld in unserem Haushalt bleibt liegen, und in einer Situation, in der der Bund ohnehin schon massiv in der Arbeitsmarktpolitik kürzt, wird dieser ideologischer Streit auf dem Rücken der Arbeitslosen ausgetragen. Prost Mahlzeit! Das ist wahrlich keine soziale Politik.
Wir sagen Ihnen ganz pragmatisch: Lassen Sie die Jobcenter doch die Bürgerarbeitsplätze besetzen! 1 080 Euro brutto für 130 Stunden im Monat – das sind 8,30 Euro pro Stunde. Das habe ich ausgerechnet.
Ich bin mir nicht so ganz sicher, wo hier das Problem liegt. Schaffen Sie doch lieber die Voraussetzungen in Berlin! Einigen Sie sich doch einfach darauf, die Bürgerarbeit umzusetzen! Beteiligen Sie sich an der Qualifizierung und an der Stärkung der Infrastruktur, und beenden Sie diese unsägliche Blockade!
Das Geld bleibt nicht nur liegen, sondern es wird im nächsten Jahr nicht mehr nach Berlin kommen, weil Sie sich nicht einigen können. Sie riskieren das komplette Wegbrechen der Arbeitsmarktpolitik, weil Sie in diesem Streit ineinander verkeilt sind, nur noch streiten und nichts mehr entscheiden.
Und wenn der Regierende Bürgermeister sagt – ich zitiere ihn wieder –:
Das teurere Berliner System wird von der Bundesregierung nicht mehr finanziert. Also müssen wir eine andere Lösung finden.
so kann ich nur sagen: Machen Sie doch! Finden Sie doch eine andere Lösung! Aber dafür haben Sie keine Idee und erst recht keine Kraft mehr. Und den Regierenden Bürgermeister nimmt offenbar auch keiner mehr richtig ernst.
Da kann man nur sagen: Diese Regierung hat wahrlich fertig. Gut, dass das bald vorbei ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ach, Herr Juhnke – na ja! – Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass auch meine Fraktion mit Sorge die Übergriffe in der BVG gesehen hat. Wir sind angesichts der Brutalität dieser Übergriffe fassungslos. Wir teilen auch die Meinung derjenigen, die sagen, dass darüber hier politisch diskutiert werden müsse. Aber gleichzeitig appellieren wir auch an alle, keinen populistischen Reflexen nachzugeben und ihnen zu erliegen, sondern tatsächlich ernsthaft und sachorientiert mit der BVG und der Polizei in den Ausschüssen dieses Hauses über das Thema zu diskutieren. Das würde uns, glaube ich, allen gut anstehen.
Ende Januar traf sich die SPD-Fraktion zur Klausur in Dresden. Dort wurde über das Thema Familie diskutiert, und man hat vor allem sich selbst und den eigenen Senat über den grünen Klee gelobt. Angesichts der Situation an Kitas und Schulen kann man nur sagen, dass das Selbstlob der SPD wie Hohn klingt. Angesichts Tausender fehlender Kitaplätze riecht Ihr Selbstlob ziemlich streng, meine Damen und Herren von der SPD!
Seit Jahren ignorieren Sie alle Warnungen und Hilferufe aus den Bezirken, dass ein eklatanter Mangel an Kitaplätzen drohe. Seit Jahren erfreuen wir uns an steigenden Kinderzahlen, keine Frage. Aber den Handlungsbedarf haben Sie völlig verschlafen. Noch im letzten Jahr wurde meine Frage nach Wartelisten in Kitas, die es gibt und von denen jeder in der Stadt weiß, von Herrn Zöllner abgebügelt. Die vielen Briefe, die insbesondere die Ju
gendstadträtin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, immer wieder geschrieben hat – alles abgewiegelt.
Noch vor einigen Tagen sagte die Bildungsverwaltung im „Tagesspiegel“, dass man damit nichts zu tun hätte. Jetzt können Sie den Kopf aber nicht mehr in den Sand stecken, lieber Herr Gaebler! Tausende Eltern suchen in den Stadtbezirken verzweifelt einen Kitaplatz. Eine Modellrechnung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands spricht sogar von 15 000 fehlenden Plätzen im nächsten Jahr.
Da hilft Krakeelen überhaupt gar nichts, Herr Gaebler! Machen Sie sich einfach doch einmal an die Arbeit!
Der Dachverband der Kinder- und Schülerläden bezeichnet bereits einige Bezirke als Notstandsgebiete, was Kitaplätze angeht. Viel Freude im Sommerwahlkampf kann ich Ihnen da nur wünschen.
Eine gute Kinderbetreuung ist das A und O einer kinderfreundlichen Stadt, und Familienfreundlichkeit ist sogar ein Standortfaktor, Herr Gaebler. Aber das scheint Ihnen ja nicht mehr so wichtig zu sein.
Besonders absurd ist das Beispiel einer Erzieherin, die angesichts des Fachkräftemangels bei den Erzieherinnen einen Vollzeitjob bekommen würde. Doch sie kann nicht wieder arbeiten, weil ihr Kind nicht betreut werden kann. Das ist an Absurdität kaum zu überbieten – genauso wie Ihre Zwischenrufe, Herr Gaebler!
Es hilft den Eltern überhaupt nichts, wenn sie Wahlkampfbriefe des Regierenden Bürgermeisters im schicken Wahlkampflayout bekommen, in denen die Abschaffung der Kitagebühren gefeiert wird. Diese Eltern hätten nämlich gern einen Kitaplatz für ihre Kinder und, wenn es geht, auch noch einen guten Kitaplatz.
Doch anstatt an einer guten Platzausstattung, an einer guten Bildungsqualität zu arbeiten, dachten Sie von RotRot, die Kitapolitik hätte sich mit der Abschaffung der Gebühren erledigt. Aber der erhoffte Wahlkampfschlager Beitragsfreiheit löst nur Kopfschütteln in der Stadt aus, wenn Tausende von Kitaplätzen fehlen, wenn händeringend überall Erzieherinnen gesucht werden und die Bezirke keinerlei Möglichkeiten haben, Räume für die Kinderbetreuung zu organisieren. Unserer Initiative für eine andere Liegenschaftspolitik – dass Bezirke nicht alle gerade nicht benötigten Kitagebäude sofort an den Liegenschaftsfonds abgeben müssen, sondern diese Gebäude auf Vorrat behalten dürfen – haben Sie nach längerer
Diskussion fast zugestimmt, aber passiert ist bis heute gar nichts.
Ab dem Jahr 2013 gilt ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für alle unter Dreijährigen. Darauf scheint Berlin überhaupt nicht vorbereitet zu sein. – Sie lassen die Bezirke und die freien Träger damit absolut allein, Herr Zöllner! Das schaffen Sie nicht allein. Sie sind zuständig. Sie müssen eine landesweite Kitaplanung vorlegen. Die Zahlen, die Sie bis heute vorgelegt haben, stimmen hinten und vorne nicht. Das war die ganzen letzten Jahre der Fall, und deswegen haben wir jetzt diese Malaise.
Es macht den Eindruck, dass Sie sich vom Regieren verabschiedet haben, Herr Zöllner! So geht es aber nicht. Das Problem der fehlenden Kitaplätze werden Sie nicht bis zur Wahl aussitzen und der nächsten Regierung vor die Füße kippen können. Sie müssen jetzt mit einem Notprogramm für die Bezirke reagieren. Sie müssen Räumlichkeiten für die Kitas bereitstellen. Es kann nicht sein, dass Bezirke jahrelang darauf warten, dass Kitagebäude, die man dringend braucht, rückübertragen werden. Wenn Sie im Sommer nicht plakatieren wollen „Sei schwanger, sei auf Kitaplatzsuche, sei Berlin“, machen Sie sich jetzt schleunigst an die Arbeit und legen Sie das Notprogramm für die Bezirke und die freien Träger endlich einmal vor!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man die Überschrift Ihres Antrags liest, wäre man fast versucht zu sagen, ja, das muss man machen, denn das Bildungspaket jetzt zügig umzusetzen, ist ja richtig, keine Frage!
Sie verschweigen allerdings, dass es natürlich nicht nur darum geht. Es geht natürlich auch und insbesondere um die Regelsätze für Menschen, die vom Arbeitslosengeld II leben.
Und die Überschrift verschleiert, dass es im Kern natürlich darum geht, einem nicht verfassungsfesten und intransparenten Gesetz zuzustimmen, und das werden wir an dieser Stelle nicht tun. Es ist schon ausgeführt worden, die Referenzgruppe, auf deren Grundlage sich die Regelsätze berechnen, ist mehr als fragwürdig, denn das Arbeitslosengeld II berechnet sich sozusagen auf Grundlage von Arbeitslosengeld-II-Bezieherinnen und -Beziehern. Das ist, glaube ich, ein Zirkelschluss, der nicht zugelassen ist. Die willkürliche Streichung diverser Ausgabengruppen wie Eisdiele, Mobilität, öffentlicher Nahverkehr ist auch fragwürdig, ob das überhaupt machbar ist. – Das mit der Zwischenfrage lassen wir mal um diese Uhrzeit lieber sein.
Den Widerspruch, dass die SPD dem Kompromiss zustimmt, obwohl sie, um Kurt Becks Worte zu zitieren, noch letzte Sorgen um die Verfassungsmäßigkeit hat, das muss die SPD mit sich selber ausmachen, finde ich.
Sie von CDU und FDP werden aufpassen müssen, damit nicht wieder vor dem Verfassungsgericht zu scheitern.
Die SPD wird sich dann sicherlich in die Büsche schlagen. Sie wird dann nämlich nicht dabei gewesen sein wollen. Ob die 5-Euro- und dann die 3-Euro-Regelsatzerhöhung die angemessene Antwort auf die Frage des Existenzminimums ist, das wird vermutlich das Verfassungsgericht wieder klären. Wir werden uns demnächst sicherlich im neuen Vermittlungsausschuss wiedersehen.
Beim Bildungspaket sind in der zweiten Verhandlungsrunde tatsächlich Verbesserungen erzielt worden. Der Kreis der Bezieherinnen und Bezieher ist vergrößert worden. Es gibt jetzt zumindest die Hoffnung, dass das Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird, nämlich bei Eltern, Kindern und den Familien. Allerdings war die Bundesregierung nicht bereit, in die soziale Infrastruktur zu investieren. Es bleibt dabei, dass über ein kompliziertes Abrechnungssystem irgendwie individuelle Leistungen ausgezahlt werden sollen. Besser ist natürlich, dass die Kommunen jetzt die Möglichkeit haben, das Bildungspaket umzusetzen, weil die Jobcenter bei allem Respekt darin keine Kompetenz haben, die Jobcenter das nicht
auch noch übernehmen müssen. Wir können jetzt in Berlin selber entscheiden, wie die konkreten Angebote umgesetzt werden. Da habe ich bei Frau Breitenbach schon gemerkt, da gibt es wieder mal die eine oder andere Zaghaftigkeit. Diese Chance, finde ich allerdings, sollten wir ergreifen.
Aber auch die Ausführungen von Herrn Dr. Zöllner heute Mittag haben mich etwas ratlos zurückgelassen. Es wurden jetzt etliche Arbeitsgruppen gebildet. Ich möchte daran erinnern, 180 000 Kinder haben seit Anfang des Jahres Anspruch auf diese Leistungen. Da frage ich schon mit Verlaub, wann diese Arbeitsgruppen, die sich, glaube ich, gestern zum ersten Mal getroffen haben, eine von der Vielzahl dieser Arbeitsgruppen, wann die überhaupt ein Ergebnis vorlegen werden. Nichts Genaues weiß man. Vielleicht sollen doch die Jobcenter die Aufgabe übernehmen. Das würde allerdings alles ad absurdum führen, finde ich zumindest.
Es droht ein Bürokratiemonster. Bislang weiß noch niemand, wann und wo über welche Anträge beschieden wird. Die Jobcenter haben Anträge da liegen, von denen niemand weiß, wer sie zu entscheiden hat. Das wird sich in der nächsten Woche hoffentlich alles schnell zeigen.
Am deutlichsten stellt sich natürlich die Frage bei dem Mittagessen. Hier finanziert das Land Berlin das Mittagessen mit 17 Euro im Monat. Die Eltern zahlen 23 Euro. Gibt es überhaupt noch Bundesmittel für dieses Mittagessen? Kümmern Sie sich darum? Oder streicht das Land Berlin dann einfach seinen eigenen Zuschuss und sagt, der Bund finanziert ja jetzt mit? Das ist, glaube ich, eine der zentralen Fragen, die sich hier stellen wird, ob in mehr Qualität mit dem Bildungspaket investiert wird oder ob das Land Berlin sich aus der Verantwortung für Jugend- und Kinderarbeit ziehen wird und das alles dem Bund und der komplizierten und bürokratischen Frage Bildungspaket überlässt. Daran werden wir Sie messen, ob Sie mehr Qualität oder ob Sie sich als Land Berlin selber einen schlanken Fuß machen werden. Darauf werden wir achten.
Ich frage den Regierenden Bürgermeister: Wie bewertet der Senat den geplanten Streik der Lokführer bei der in Berlin ohnehin schon kaum fahrenden S-Bahn?
Da die Streikfrage entschieden zu sein scheint, frage ich, mit welchen Ersatzmaßnahmen der Senat den Streik in
Berlin und die daraus folgenden Zugausfälle kompensieren und für die Fahrgäste in Berlin einigermaßen erträglich machen will.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zukunft des rot-roten Vorzeigeprojekts ÖBS steht auf der Kippe. Und just in diesem Augenblick will die rot-rote Koalition eine Bundesratsinitiative zur Kapitalisierung – nicht Kapitulation, Frau Grosse – des Arbeitslosengeldes II auf den Weg bringen. Das klingt so ein bisschen nach einem Ablenkungsmanöver, nach dem üblichen Ablenkungsmanöver von Rot-Rot: Wenn es nicht klappt, ist die Bundesregierung schuld, und wir haben mit all dem nichts zu tun.
Allerdings kann ich auch sagen, ich hoffe, dass die Regierungskoalition diese Initiative mit so viel Nachdruck vorantreibt, wie sie den ÖBS vorangetrieben hat, denn das würde tatsächlich was bringen. Die Idee ist ja nicht neu, bereits im Jahr 2005 hat meine Fraktion die Kapitalisierung beantragt, also die Gelder zu bündeln, im Rahmen einer Bundesratsinitiative ebenfalls das komplette Einkommen von Arbeitslosengeld II, die Wohnkosten, die Hilfe zum Lebensunterhalt und die etwaige Mehraufwandsentschädigung zusammenzufassen und als Einkommen zu zahlen, wenn jemand einer öffentlich geförderten Beschäftigung nachgeht, einfach unbürokratisch gemäß dem alten Grundsatz, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Nein, jetzt erst mal nicht! Ich würde gerne weitermachen. – Wir haben damals gefordert, dass diese Ergänzung ins Sozialgesetzbuch II hineinkommt und Rot-Rot sich dafür einsetzt. Rot-Rot hat diesen Antrag abgelehnt, daraus einen schwammigen Prüfauftrag gemacht, und der ist irgendwie im Bundesrat in irgendeinem dieser Ausschüsse versenkt worden. Ich frage jetzt schon in Richtung Rot-Rot: Warum jetzt diese Initiative? Das finde ich erklärungsbedürftig, nachdem Sie unsere vor einigen
Jahren mehr oder minder versenkt haben, dafür wenig Interesse aufgebracht haben. Es gab kein Modellprojekt. Es gab keine Sondierungen mit dem Bund dafür. Warum jetzt an dieser Stelle? Das erinnert dann doch etwas sehr an Wahlkampf, Frau Breitenbach, muss man an der Stelle schon sagen.
Ich hoffe ja, dass Sie sich dafür richtig einsetzen werden. Vor vier Jahren ist es offensichtlich an Ihrer Halbherzigkeit gescheitert. Ich finde das nach wie vor gut und richtig, das so zu tun, Frau Breitenbach. Es ist der einfachste Weg, finde ich tatsächlich, für Menschen, die einen langen Weg noch vor sich haben, auf dem ersten Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Es ist der einfachste und unbürokratischste Weg, öffentlich geförderte Beschäftigung voranzubringen. Jetzt hätte man auch politisch die Chance, wo die Ein-Euro-Jobs im Fokus der Kritik von Bundesrechnungshof und des IAB stehen, weil sie arbeitsmarktpolitisch weitgehend wirkungslos sind und die Aufgabe eben nicht erfüllen, Menschen langfristig wieder in Arbeit zu bringen. Jetzt muss man Alternativen zu den Ein-Euro-Jobs tatsächlich politisch auf den Weg bringen, diese entwickeln, dafür auch politische Mehrheiten in der Bundesrepublik suchen. Aber bei allem Respekt, der Öffentliche Beschäftigungssektor wird es eben nicht als Alternative zu den Ein-Euro-Jobs sein. Das muss man, glaube ich, hier auch mal so deutlich sagen. Er ist zu teuer und erreicht viel zu wenig Menschen.
Da kann man auch ruhig mal klatschen. – Wir brauchen kluge und neue Instrumente. Und sollte es Ihnen diesmal tatsächlich mit dieser Forderung nach einer Zusammenlegung der aktiven und der passiven Leistungen ernst sein, dann sollten Sie mal in dieser Frage so hart mit dem Bund verhandeln, wie Sie bislang in Sachen ÖBS hart verhandelt haben, Frau Breitenbach, Frau Bluhm, das würde dann mehr als ein paar Tausend Erwerbslosen zugute kommen, würde uns in der Sache voranbringen und wäre etwas mehr als das Wenige, das Sie bisher zustande gebracht haben.
Nein, Zwischenfragen nehme ich nicht mehr entgegen! – Danke!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das ist nicht das erste Mal, dass wir zu dem Thema reden. Das wird, fürchte ich, auch nicht das letzte Mal sein. Das gab es republikweit noch nie: Ein, zwei Wochen lang lief in Berlin bei der S-Bahn fast nichts. Tagelang waren einige Berliner Bezirke wie Wartenberg, Hennigsdorf und Spandau sogar komplett abgehängt. Jetzt fährt die S-Bahn zumindest wieder Notfahrplan, aber auch nicht mehr, und man hat den Eindruck, man sollte als Fahrgast dafür auch noch dankbar sein. Als S-Bahnkundin kann ich nur sagen: Meine Monatskarte ist zurzeit allerhöchstens die Hälfte wert, und zumindest eine Entschädigung müsste drin sein. Das gebietet – für die Fahrgäste – der Anstand.
Was haben wir die letzten Wochen hier für eine Posse erlebt! Der Senat schiebt die Probleme auf die Bahn und wäscht seine Hände in Unschuld. Die Bahn schiebt die Probleme auf den Hersteller. Dieser spielt den Ball wiederum an die Bahn zurück. Diese organisierte Verantwortungslosigkeit der letzten Wochen haben die Berlinerinnen und Berliner satt.
Die Folge davon ist Politikverdrossenheit, schlimmer noch, das Gefühl, dass Politik die Probleme der Menschen gar nicht mehr lösen kann. Dabei wollen sie nur eines, und das ist wohl nicht zu viel verlangt: einen verlässlichen öffentlichen Nahverkehr für die Stadt, der uns alle täglich zur Arbeit, zur Schule, zu Freunden und Verwandten oder sonstigen Terminen bringt.
Die S-Bahn war mal das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin. Inzwischen ist ihr Image bundesweit dramatisch ramponiert. Gerne gibt sich die Bahn als Global Player im Logistikgeschäft, aber versagt seit zwei Jahren jämmerlich bei der Organisation des Nahverkehrs in der deutschen Hauptstadt.
Berlin ist zum Gespött der Republik geworden, Herr Wowereit. Weil der S-Bahnverkehr in der Hauptstadt für Wochen zum Stillstand kommt, und das nicht zum ersten Mal – wir erinnern uns an den Sommer, als die Ost-WestTrasse geschlossen wurde –, und der Berliner Senat seit zwei Jahren hilflos jammernd daneben steht. Der Regierende Bürgermeister weilte im Urlaub, während wir alle frierend auf den Bahnsteigen herumstanden oder auf den kaum geräumten Straßen ausrutschten.
Urlaub hat ja jeder verdient, und ich gönne ihn tatsächlich auch jedem,
Herr Wowereit, aber vorher muss man seine Arbeit erledigen, nicht wahr?
Im Oktober noch versicherte die S-Bahn, sie sei bestens für den Winter gerüstet.
Haben Sie sich persönlich davon überzeugt, Herr Wowereit?
Wann genau haben Sie eigentlich erfahren, dass die S-Bahn mal wieder fast komplett versagen würde, und was haben Sie unternommen? – Offensichtlich haben Sie gar nichts unternommen, sonst wäre ja etwas passiert, Herr Wowereit!
Sie haben die Verkehrssenatorin allein gelassen, die zu all den Fragen Rede und Antwort stehen musste.
Auch in diesem Winter war nichts davon zu merken, dass die Lösung der S-Bahnkrise zur Chefsache ausgerufen worden ist. Hören Sie endlich auf, die S-Bahnkrise auszusitzen, Herr Wowereit, Berlin braucht einen Krisenmanager, keinen Aussitzer!
In der Analyse sind wir uns alle einig: Was wir hier erleben, sind die Folgen der gescheiterten Unternehmenspolitik eines Herrn Mehdorn, die Bahn zu einem weltweit agierenden Logistikkonzern zu machen.
Dabei wurde das Brot- und Buttergeschäft, die heimische Bahn, an den Rand gedrängt – unsere S-Bahn sollte noch mehr Gewinn für diesen Expansionskurs abliefern. Mit diesem Expansionskurs der Bahn wurde sie über Jahre von sozialdemokratischen Verkehrsministern von Klimt über Bodewig bis Tiefensee – erinnert sich überhaupt noch irgendjemand an die? – mit ihrem Bahnmanager Mehdorn heruntergewirtschaftet.
Auch wenn der Börsengang inzwischen auf Eis liegt, der Expansionskurs wird weitergetrieben, und die Leidtragenden sind nicht nur die Fahrgäste,
sondern auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der S-Bahn hier in Berlin.
Da sollten Sie wenigstens mitklatschen, finde ich, eine Anerkennung haben sie verdient!
Keine Frage, die Bahn und ihre Unternehmenspolitik tragen die Hauptverantwortung für dieses Desaster der Berliner S-Bahn. Man muss aber feststellen – Herr Henkel hat es auch schon angesprochen –, dass nur in Berlin ein solch dramatisches Versagen vorliegt. In München und Hamburg fährt die S-Bahn nahezu geräuschlos, und im Fernverkehr hat sich nach einigen Tagen die Lage schnell wieder entspannt. Nur wir in Berlin müssen seit zwei Jahren den Ausnahmezustand ertragen. Herr Grube hat die Katze aus dem Sack gelassen: Eine Besserung ist auf lange Zeit nicht in Sicht für die Stadt.
Warum funktioniert die S-Bahn in anderen Städten, nur in Berlin nicht? Diese Frage muss man sich schon stellen, Herr Gaebler. – Die Antwort lautet, weil der rot-rote Berliner Senat sich seit Jahren von der Bahn an der Nase herumführen lässt.
Sie haben 2002 den S-Bahnvertrag in vollem Wissen um die renditeorientierte Unternehmenspolitik, die Sie selbst jetzt am lautesten kritisieren, unterschrieben. Warum wird dieser Vertrag der Öffentlichkeit eigentlich vorenthalten? Das könnte man ja auch fragen, wo wir doch inzwischen Verträge en masse veröffentlichen. –Vermutlich weil Sie sich dafür schämen, was Sie damals unterschrieben haben.
Sie wussten damals bereits, dass das Werkstattpersonal drastisch abgebaut werden sollte, und trotzdem wurde die Wartungsfrage in dem Vertrag nicht geregelt – entgegen unserer Forderung. Es gab auch offensichtlich keine Sorge bei Ihnen, dass die Wartungen nicht mehr funktionieren würden. Frau Junge-Reyer! Warum haben Sie da eigentlich nicht nachgehakt?
Im Jahr 2008 haben Sie die Chance vertan, eine Strecke auszuschreiben und damit der Bahn mittels Konkurrenz etwas abzuverlangen.
Weil man sich von der Bahn mal wieder etwas versprechen ließ, nämlich die bessere Anbindung des Flughafens Schönefeld, die Geschichte kennen wir ja. Es war ein klassischer Kuhhandel: Der Wettbewerb wird von der Bahn ferngehalten, dafür sollte es eine gute Anbindung des Flughafens Schönefeld geben. Auch hier hat man sich über den Tisch ziehen lassen, weil die bessere Anbindung des Flughafens mittels S-Bahn so bald nicht kommen wird. Das ist Glaube und Hoffnung – so verfahren Sie als Senat in Sachen S-Bahn!
Herr Wowereit! Ich kann es Ihnen nicht ersparen, die Chronologie Ihrer leeren Worte sieht folgendermaßen aus: Am 13. Juli 2009 verkündete die Landespressestelle: „Grube und Wowereit sehen einen Neuanfang.“ – Am
11. September 2009 – wieder ist etwas bei der S-Bahn schiefgegangen, Zitat Wowereit aus der „Berliner Zeitung“: „Jetzt die letzte Chance für die S-Bahn!“ – Am 13. Januar 2010 in der „Bild“-Zeitung, Zitat des Regierenden Bürgermeisters: „Wir können uns nicht mehr mit unverbindlichen Erklärungen vertrösten lassen!“ – Via „Tagesspiegel“ wurde verkündet: „S-Bahnchaos wird jetzt Chefsache!“ – Am 13. Januar 2010! Dann ist ein Jahr lang nichts mehr passiert. Man hörte nichts mehr von der Chefsache.
Anfang dieses Jahres – da tauchte die Chefsache als Problem wieder auf. Die „dapd“-Meldung vom 7. Januar 2011 lautete, Zitat Wowereit: „Daher müssen wir darauf vertrauen, dass die S-Bahn ihre Probleme endlich in den Griff bekommt.“ – Das ist die ewige alte Leier, das ist eine Chronologie der leeren Worte, passiert ist bis heute gar nichts.
Das Prinzip Hoffnung hilft den Berlinerinnen und Berlinern herzlich wenig, wenn die S-Bahn nicht fährt. Sie wird auf lange Sicht – da hat sich Herr Grube ja endlich mal ehrlich gemacht – keinen vernünftigen Betrieb in der Stadt organisieren können.
Schaut man sich die aktuellen Meldungen an, dass die Bahn Milliarden Euro in neue Züge investieren will, kommt Berlin und die Anschaffung neuer S-Bahnzüge mal wieder nicht vor. Wieder einmal konnten weder Frau Junge-Reyer noch der Regierende Bürgermeister bei der Bahn etwas für die Stadt erreichen. Die Bahn investiert Milliarden, Berlin bekommt davon nichts ab, weil der Senat sich nicht durchsetzen kann – traurig ist das!
Da ist es auch kein Wunder, dass über 80 Prozent der Berlinerinnen und Berliner mit Ihrem Umgang mit der S-Bahnkrise hoch unzufrieden sind. Frau Junge-Reyer! Man hat ja Mitleid, Sie agieren hilflos, Ultimaten werden gestellt ohne Ende, und ja, Sie haben auch die richtige Idee für die Zukunft der S-Bahn, Sie wollen sich nicht länger auf Gedeih und Verderb der Bahn ausliefern. Sie wollen einen neuen Betreiber suchen, aber auch da verweigert Ihnen die Koalition, gar die eigene Fraktion, die Gefolgschaft. Frau Junge-Reyer! So werden Sie die S-Bahnkrise nicht lösen können, eigentlich müssten Sie Platz für jemand Neues machen, der vielleicht bessere, mehrheitsfähigere Ideen in der eigenen Koalition hat. Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie das alles bis zur nächsten Wahl aussitzen! Die Berlinerinnen und Berliner erwarten, dass der Senat endlich die Zügel in die Hand nimmt und keine konsequenzlosen Ultimaten mehr stellt.
Auch wenn die S-Bahn davon nicht besser fährt, ich habe es schon gesagt: Wir brauchen Entschädigungen für die Kunden, weil das der Anstand einfach gebietet. Man fragt
sich schon, warum Sie sich nicht mit anderen Anbietern treffen, die sitzen doch hier in der Stadt, damit wenigstens diese Nothilfe leisten können. Viel zu lange haben Sie sich von Rot-Rot auf die Bahn verlassen, und wir sind allesamt verlassen, nicht einmal ein ordentlicher Ersatzverkehr ist organisiert worden, als die Bezirke abgehängt worden sind. Das kann es ja nicht sein, andere Anbieter müssen da angesprochen werden!
Sie behalten Geld ein aus dem S-Bahnvertrag – kaufen Sie bei anderen Anbietern Leistungen ein, oder was passiert mit dem Geld? – Das sind immerhin Millionenbeträge, die für den öffentlichen Nahverkehr vorgesehen sind und diesem auch zugute kommen sollen, auch wenn die S-Bahn den nicht organisieren kann.
Berlin muss in Zukunft die Verantwortung für den Fuhrpark und die Züge übernehmen, wir müssen heraus aus der Abhängigkeit von der Bahn. Deswegen muss die Anschaffung neuer Züge und die Ausschreibung der Leistungen vorbereitet werden. Wir dürfen uns nicht länger von der Bahn erpressen lassen, Herr Henkel, Frau JungeReyer! Sie hat in den letzten zwei Jahren zur Genüge gezeigt, dass sie kein Interesse an einem zuverlässigen S-Bahnbetrieb in Berlin hat, weder heute noch in Zukunft. Dazu können wir nur sagen: Wer uns Berliner nicht will, der hat uns auch nicht verdient!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man kann es kaum glauben, aber wir stehen kurz vor dem zweiten Jahrestag des S-Bahndesasters in Berlin. Die Menschen in der Stadt müssen leidvoll erfahren, dass das Chaos mit jeder Schneeflocke größer wird. Gucken Sie nur hinaus! Dann wissen Sie, was uns heute Abend erwarten wird.
Selbst auf dem Ring fährt die S-Bahn nur gefühlte drei Mal die Stunde, und das alles mit kürzeren Zügen. Man kommt kaum noch in die S-Bahn hinein. Es ist wie ein böses Déjà-vu vom letzten Winter. Der Senat steht empört, aber handlungsunfähig vor diesem ganzen Chaos.
Aber wir finden, dass es nicht ausreicht, sich zu empören, Herr Wowereit und Frau Junge-Reyer. Als Regierung muss man gelegentlich schon etwas tun. Sie haben in den letzten zwei Jahren einiges in Sachen S-Bahn versprochen. Sogar einen Neuanfang versprach der Regierende Bürgermeister Mitte Juli 2009. Alles sollte besser werden mit der S-Bahn. Doch es half nichts: Bereits im September musste der Regierende Bürgermeister hier im Plenum zu markigen Worten greifen, als er sagte, einen weiteren Ausfall der S-Bahn werde er nicht tolerieren. Das war vor dem letzten Winter, an den wir uns alle gut erinnern, weil er besonders kalt war, die S-Bahn sehr selten fuhr und die Menschen in der Stadt in der Kälte herumstanden. Wo waren Sie da eigentlich, Herr Wowereit, mit Ihren markigen Worten? – Sie waren nicht da.
Dann kam Ihr Bahngipfel Ende Januar, der es tatsächlich bringen sollte. Aber er war nicht mehr als eine reine Showveranstaltung und brachte gar nichts. Die Berlinerinnen und Berliner wollen aber eine S-Bahn, die funktioniert, und keine Showveranstaltungen.
Im Oktober versicherte die S-Bahn, sie sei für diesen Winter gut gerüstet. Wieder drohte der Regierende Bürgermeister mit Konsequenzen, falls es diesmal wieder nicht klappen sollte. Man kann sagen: The same procedure as every year. Uns droht in diesem Winter ein SBahn-Desaster wie im letzten oder sogar noch ein schlimmeres. Warum lassen Sie sich eigentlich von der S-Bahn so auf der Nase herumtanzen, Herr Wowereit? Sie haben Ultimaten gestellt, Sie haben gedroht, Sie haben
mit einer Verlängerung des Vertrags gelockt – Zuckerbrot und Peitsche –, Sie haben die S-Bahn zur Chefsache erklärt und Bahngipfel ohne Ende veranstaltet. Was haben Sie damit erreicht? – Gar nichts haben Sie damit erreicht. Sie lassen sich von der S-Bahn an der Nase herumführen, und die Leidtragenden sind die Menschen in der Stadt. – Herr Wowereit, ich fürchte, Sie sind ein Ankündigungsweltmeister, aber ein Macher und Entscheider sind Sie in dieser Frage offensichtlich nicht.
Sie lassen die Berlinerinnen und Berliner nicht nur mit dem S-Bahn-Chaos alleine. Dieser Winter wird kalt, und die Energiepreise steigen wieder. Steigende Energiepreise bedeuten steigende Heizkosten. Das wird ein riesiges soziales Problem. Da müssen die Sozialdemokraten aufhorchen. Der Senat muss erklären, wie er diese Heizkostenexplosion in den Griff bekommen will. Allein die Gaspreise werden um 13 Prozent in diesem Winter steigen. Die Mieterinnen und Mieter, um die Sie sich ja immer angeblich so sorgen, wird es teuer zu stehen kommen, dass der Senat kein Konzept für Wärmedämmung und Energieeffizienz hat. Erst kürzlich haben Sie ein Klimaschutzgesetz, gemeinsam entwickelt von IHK, Handwerkskammer und BUND, abgelehnt. Einen eigenen Entwurf haben Sie aber auch nicht. Wer heute, wie Sie es ja tun, Klimaschutz und Mieterschutz gegeneinander ausspielt, hat nicht begriffen, dass die Heizkosten so dramatisch steigen werden, dass für viele Menschen die Nebenkosten teurer als die Kaltmiete werden. Auf diese Mietsteigerungen haben Sie keine Antwort. Dabei hätten Sie es in der Hand, es mit einem Klimaschutzgesetz zu verändern.
Ja, Herr Lederer! Nicht nur Ihre Energiepolitik, auch Ihre Sozialpolitik ist ganz offensichtlich aus der Steinkohlezeit! – Klimaschutz sei Chefsache, hieß es. Aber dem Klima hat es geschadet, dass Klimaschutz in Berlin zur Chefsache erklärt wurde.
Sie haben den Klimaschutz zu den Akten gelegt. Sie bekommen die S-Bahnprobleme nicht in den Griff. Schwierige Fragen wie Haushaltsfragen bekommen Sie gar nicht mehr gelöst. Wo bleibt der Nachtragshaushalt für 2011, könnte man fragen. Alle Bundesländer machen einen, weil sie alle mit der Schuldenbremse in eine andere Lage geraten sind.
Oder haben Sie vielleicht Angst vor einem Kassensturz? Es macht den Eindruck, als hätten Sie Angst vor dem Kassensturz, und die schwierige Frage Haushalt bleibt liegen. Stattdessen wird gegen die Charité gepoltert, die seit Jahren von Ihnen hängen gelassen wird. So kann man mit einer der bedeutendsten Institutionen in der Stadt nicht umgehen. So löst man nicht die Probleme, die die Charité zweifelsohne hat. Auch hier wird angekündigt
und nicht gehandelt, und dazu noch mit einem Umgangston nach Gutsherrenart. Das ist die Methode Wowereit.
Herr Lederer! Sie haben noch ein Jahr zu regieren. Sie haben sich mit Ihrem Parteitag bereits als Opposition definiert. Sie haben noch einen Arbeitsvertrag bis zum Herbst nächstes Jahres, und bis dahin erwarten wir und erwartet die Stadt, dass Sie die Probleme anpacken und nicht nur Ankündigungspolitik betreiben, denn das reicht nicht aus.
Am 1. Januar 2011 stehen wieder einmal große Veränderungen für die Jobcenter an. Ob diese Änderungen auch mit Verbesserungen für die betroffenen Menschen einhergehen werden, bezweifle ich sehr stark.
Zum einen kommt die Neuordnung der Jobcenter. Dazu werden heute die Regierungsfraktionen ein Gesetz verabschieden. Damit wird allerdings nur ein müdes „Weiter so!“ verfolgt, anstatt echte Verbesserungen vorzunehmen. Stattdessen greifen Sie stark in die Zuständigkeit der Bezirke ein, obwohl weiterhin in jedem Bezirk ein Jobcenter sein wird und es nicht ein zentrales Jobcenter berlinweit geben soll, das wohl als Riesenbehörde dramatisch überfordert wäre.
Trotzdem wird die Arbeit der Jobcenter zukünftig stärker zentralistisch ausgerichtet. Auch wir Grüne haben mehr Steuerung der Landesebene gefordert und dass die Sozialsenatorin jenseits ihres Lieblingsprojektes ÖBS endlich Einfluss auf die Arbeitsmarktpolitik in Berlin nimmt und nicht weiter den Kopf in den Sand steckt. Es ist richtig, gesamtstädtische Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für die Arbeit der Jobcenter zu übernehmen, Verantwortung, vor der Sie sich, meine Damen und Herren von der Linkspartei, so lange gedrückt haben.
Es macht Sinn, dass berlinweit die Jobcenter eine einheitliche Struktur haben und dass der Einkauf bestimmter Dienstleistungen, die die Jobcenter nicht erbringen können, einheitlich geregelt werden muss. Aber dann grundsätzlich zu meinen, dass Sie immer eingreifen können, wenn mehr Servicequalität, eine größere Transparenz oder mehr Effizienz gefordert werden, das ist ein Freifahrtschein für die dauernde Einmischung in die Arbeit der Jobcenter vor Ort. Das können wir nicht gut finden, das lehnen wir ab.
Ebenso wenig gut finden wir die Entsendung und Abberufung von Mitgliedern der Trägerversammlung durch den Senat ohne Beteiligung der betroffenen Bezirke. Da werden Sie nachbessern müssen, das wird so nicht gehen. Ebenso wird nicht gehen, dass Sie in diesem einen speziellen Fall die alte Fachaufsicht wieder einführen, die es in Berlin nicht mehr gibt. Es gibt die Rechtsaufsicht über die Bezirke bei der Innenverwaltung, dabei soll es auch bleiben. Es ist sowieso fraglich, ob diese Regelung, die Sie vorhaben, mit dem Allgemeinen Zuständigkeitsgesetz überhaupt vereinbar ist.
Und was von der Bundesebene auf die Jobcenter zukommt, macht die Lage auch nicht besser: massive Kürzungen im Eingliederungstitel, rund ein Drittel der Mittel werden gestrichen. Ganze Gruppen Arbeitsloser drohen abgehängt zu werden, weil für ihre notwendige Förderung und Qualifizierung nicht ausreichend Mittel zur Verfügung stehen werden. Die umfassenden Mittelkürzungen gehen zulasten der Menschen, die nicht von der besseren Situation auf dem Arbeitsmarkt profitieren. Personen mit besonderen Vermittlungshemmnissen wie beispielsweise fehlenden Abschlüssen werden die Verlierer dieser Kürzungen sein. Gerade diese Gruppe braucht individuell angepasste Eingliederungskonzepte, um langfristig wieder in Arbeit zu kommen. Es geht um Menschen, die nicht vom Aufschwung profitieren, Erwerbslose, die mehr Unterstützung brauchen als eine Hopplahopp-Dreimonats
maßnahme. Wenn wir langfristig erreichen wollen, dass Menschen in verfestigter Arbeitslosigkeit wieder am Arbeitsleben teilhaben, brauchen wir eher mehr Investitionen in Weiterbildung und Qualifikation, aber auch in sinnvolle Beschäftigung.
Mit einher gehen massive Einbrüche in der sozialen Infrastruktur, denn der Senat hat viele Angebote wie z. B. Mobilitätshilfsdienste für Menschen mit Behinderungen durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie Ein-EuroJobs ersetzt. Die Folge: Viele Angebote werden wegfallen. Da nützt es nichts, auf den Bund zu schimpfen, denn dieses Szenario hat allein Rot-Rot zu verantworten.
Und dann soll ab dem 1. Januar auch noch das so genannte Bildungspaket für Kinder und Jugendliche kommen – in welcher Form auch immer. Das Bildungspaket der Bundesregierung ist eine große Seifenblase. Sie droht zu platzen, bevor sich ein einziges Kind daran erfreuen konnte. Der Gesetzentwurf zum so genannten Bildungspaket hält nicht das, was vollmundig versprochen wurde. Statt die Infrastruktur für bessere Bildung und Teilhabe auszubauen, sieht er ein teures und nicht praxistaugliches Gutscheinsystem vor. Vielmehr wird mit dem Bildungspaket ein bürokratisches Monster aufgebaut. Fraglich ist, ob alle 175 000 Kinder und Jugendliche, die in Berlin im SGB-II-Bezug leben, vom Bildungspaket profitieren werden. Denn gemeinsam mit der Bundesregierung sorgt der rot-rote Senat dafür, dass von den geplanten ergänzenden Sachleistungen in den Bereichen Schulessen, Nachhilfe und Freizeitgestaltung möglichst wenig Kinder und Jugendliche Gebrauch machen können.
Einen Ausweg aus diesem bundesseitig eingebrockten Dilemma versuchen nun Senat und Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit zu finden, indem sie bei zusätzlichen Leistungen vor allem die Essensversorgung in den Kitas und Schulen in den Blick nehmen. Was dabei ignoriert wird, ist, dass auf sämtliche Leistungen des Bildungspakets ein individueller Rechtsanspruch besteht, der ab dem 1. Januar 2011 vor dem Sozialgericht einklagbar ist. Das Teilhabeproblem in Berlin ist nicht die Essensversorgung, sondern der Zugang und die Teilhabe an Bildungsleistungen in ihrem ureigentlichen Sinne: Bildungseinrichtungen, Musikschulen etc.
Besser und sinnvoller wäre es, die Mittel des Bildungspakets zu bündeln und für eine Stärkung der bewährten kommunalen Strukturen – Musikschulen, Jugendkunstschulen, Gartenarbeitsschulen, kulturelle Bildungsangebote des Landes etc. – zu verwenden. Unbürokratischer wäre es, wenn die Schulen ihren Bedarf für zusätzliche Lernförderung von Kindern mit Lernmittelbefreiung selbst ermitteln, entsprechende Angebote z. B. mithilfe von Hausaufgabenhilfen durch Lehramtsstudenten und -studentinnen organisieren und die erforderlichen Mittel dafür direkt erhalten. Stattdessen drohen hier auch Chaos und Überforderung. Es gibt bis zum 1. Januar noch viel zu tun, Frau Bluhm, packen Sie es endlich an!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute als Priorität – zugegebenermaßen zu ungewohnt später Stunde – über einen Vorgang diskutieren, den wir für unglaublich halten. Im Jahr 21 nach der friedlichen Revolution stoßen die einstigen Opfer des DDR-Regimes immer noch auf Widerstände in dieser Stadt, und besonders empörend finde ich, dass sie von der Linkspartei kommen, die eigentlich als Partei in besonderer Verantwortung für die Geschichte stehen müsste.
Schön, dass einige noch wach sind!
Wir haben mit unserer Initiative erreichen wollen, dass diejenigen den Berlin-Pass erhalten, die Ausgleichszahlungen nach dem Gesetz über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet erhalten, sowie Personen, die Anspruch auf die sogenannte Opferrente haben. Für die Betroffenen würde dies konkret eine bessere Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, am öffentlichen Nahverkehr, Museen, Theater usw. durch den Sozialpass bedeuten. Denn eine aktuelle Studie zur sozialen Lage der Opfer des DDRRegimes macht noch einmal deutlich – ich zitiere –:
Die einstige Verfolgung bedeutet eine Benachteiligung bis heute. Die beruflichen Brüche zu DDRZeiten wirken nach beim Einkommen, sie werden sich auch bei den Renten niederschlagen.
Es geht also um Menschen, die in ihrer wirtschaftlichen Lage besonders beeinträchtigt sind – häufig als Folge von Inhaftierung und Verfolgung in der DDR.
Die Gruppe derer, die unter dem DDR-Regime gelitten haben, ist groß. Es sind die Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet, aber auch diejenigen, die Anspruch auf die Opferrente haben, die zu Zwangsarbeit in die damalige UdSSR Verschleppten und die SED-Haftopfer. Es sind all diejenigen, die gesundheitliche Schädigungen davongetragen haben. Zum 21. Jahrestag des Mauerfalls wäre es also höchste Zeit, mit einer politischen Geste denjenigen in dieser Stadt zu danken, die wegen ihres Widerstandes gegen das SED-Regime und ihres Engagements für die Freiheit politisch verfolgt und unterdrückt wurden.
Doch selbst diese kleine Geste der Anerkennung ist RotRot offensichtlich zu viel. Dass unser Antrag von Rot-Rot abgelehnt wird, hätten wir nicht für möglich gehalten. Nicht nur, dass diese rot-rote Regierung ganz offensichtlich den Blick für die sozialen Gerechtigkeitsprobleme in unserer Stadt verloren hat, mit dieser nicht nachvollziehbaren Ablehnung brüskieren SPD und Linke die Opfer des DDR-Regimes heute noch. Es wäre eine wegweisende Geste gewesen, den Antrag zu unterstützen und so den überschaubaren Kreis der einst politisch Verfolgten für ihren Widerstand gegen das DDR-Regime zu würdigen.
Die Begründung der Änderung ist ebenso fadenscheinig wie peinlich. Die sozialpolitische Sprecherin der Linkspartei, Elke Breitenbach, erklärte dazu im Hauptausschuss – ich zitiere aus dem Protokoll dieser Sitzung –:
Der symbolische Akt würde 600 000 Euro kosten insbesondere für das mit dem Berlin-Pass verbundene Sozialticket. Diese Summe könne in der gegenwärtigen Situation nicht einfach quasi aus der Portokasse aufgebracht werden.
Es ist ein Unding, dass die Linke hier nun plötzlich die Haushaltslage als Begründung anführt, zumal die Summe
von 600 000 Euro, die Frau Breitenbach offensichtlich erfunden hat, von der Koalition oder vom Senat bis heute nicht unterlegt werden konnte und unverhältnismäßig hoch angesetzt ist. Es geht nämlich nur um einige wenige Tausend Menschen, die zusätzlich den Sozialpass erhalten sollen. Zurzeit sind durch die Beschlüsse des Senats mehr als 600 000 Menschen berechtigt, den Sozialpass zu beantragen. Da soll mir einer erklären, warum ein oder zwei Tausend zusätzliche Berechtigte diesen Kreis von 600 000 Menschen so dramatisch erhöhen sollen, dass die Haushaltslage unübersichtlich zu werden droht. Das finde ich mehr als fadenscheinig. Das sage ich Ihnen auch als Haushälterin. Rechnen können Sie nicht, es ist nur ein Hilfsargument.
Es geht um einen symbolischen Mini-Betrag, aber noch nicht einmal das wollen Sie von der Linkspartei den Opfern gönnen. Sie sind offensichtlich bis heute nicht in der Lage, ein Zeichen der Anerkennung für diejenigen Menschen zu setzen, die wegen ihres Wunsches nach Freiheit gelitten haben. Das ist ein Armutszeugnis und zeigt, wer bei der Linkspartei heute noch das Sagen hat. Die SPD schweigt zu dem Vorgang. In keinem Ausschuss haben Sie sich dazu auch nur mit einem Buchstaben geäußert. Ich bin gespannt, was Sie heute erzählen werden. Das beredte Schweigen wird aber durchaus in der Stadt wahrgenommen. Ich glaube, so einfach kommen Sie hier nicht davon. Sie lassen lediglich Herrn Gaebler erklären – ich zitiere –:
Die Anbieter müssten eine Ausweitung des Personenkreises akzeptieren, und andernfalls könne der Berlin-Pass nicht mehr genutzt werden.
Ich frage nur, ob die SPD jetzt meint, dass alle Anbieter bei einer Öffnung des Berlin-Passes für die Opfer des DDR-Regimes einen Rückzieher machen würden. Oder was meint Herr Gaebler damit? Das finde ich erklärungsbedürftig.
Ich meine allerdings, dass es noch nicht zu spät ist, Ihren Fehler zu korrigieren. Sie können für unseren Antrag stimmen, den Berlin-Pass für Opfer des DDR-Regimes zu öffnen. Es wäre ein wichtiger Schritt, gerade in einer Zeit, wo das DDR-Regime zunehmend verharmlost und dadurch das Leid der Opfer bagatellisiert wird. Und das ist wahrlich nicht zum Gähnen, Herr Müller!
Frau Radziwill! Es wäre vielleicht besser gewesen, einfach nichts dazu zu sagen, wie in den Ausschüssen! Was Sie von sich gegeben haben, finde ich infam.
Ich empöre mich wirklich selten, das wissen Sie. Aber es ist ein Unding, Menschen, die aufgrund ihres Widerstands in der DDR berufliche Benachteiligung erlitten haben, was heute zu wirtschaftlicher, sozialer und Einkommensschwäche führt, weiter dafür zu bestrafen. Dass Sie das mitmachen und so begründen, finde ich beschämend, Frau Radziwill!