Christoph Meyer
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollen heute Bilanz ziehen. Deswegen wollen wir zunächst erst mal fragen: Was bleibt von Rot-Rot?
Berlin ist Schlusslicht im Bereich Bildung. Das Land Berlin gibt pro Schülerkopf am meisten Geld aus von allen Bundesländern, der Bildungserfolg ist am geringsten. Wir haben die höchsten Arbeitslosenquoten, konstant, auch diese Woche wieder bestätigt. Wir haben einen Schuldenstand, der dazu führt, dass im Oktober ein Sanierungsplan beim Stabilitätsrat vorgelegt werden muss. Wir haben einen nicht funktionierenden öffentlichen Personennahverkehr – Stichwort S-Bahn. Wir haben durch das Land Berlin künstlich hochgetriebene Wasserpreise. Wir haben in der Stadt die höchste Grundsteuer. Sie haben es nicht geschafft, dem überalterten und schlecht bezahlten öffentlichen Dienst eine Perspektive zu geben. Eine abgestimmte Investitionsplanung in der Stadt fehlt. Das Einzige, was sicher ist, ist, dass die Investitionsleistungen in
dieser Stadt immer weiter nach unten gefahren werden und die Stadt auf Verschleiß gefahren wird.
Nirgendwo brennen so viele Autos wie in Berlin. Die Bilder von Gewalttätigkeiten auf U-Bahnhöfen sind durch das gesamte Land gegangen. Die Berlinerinnen und Berliner fühlen sich durch diesen Senat nicht mehr ausreichend geschützt.
Herr Müller! Das muss man Ihnen sagen: 23 Jahre SPDRegierung in dieser Stadt – wie lange will die SPD eigentlich noch Zeit haben, um diese Versäumnisse, um diese Entwicklungen wirksam zu bekämpfen?
In den entscheidenden Themen der Stadt – Arbeit, Bildung, Wirtschaft, Verkehr, Sicherheit – hinterlässt diese rot-rote Senat keine Lösungen, sondern lauter Baustellen. Und Sie, Herr Wowereit, haben sich in den letzten Jahren noch nicht einmal darum bemüht, diese Baustellen anzugehen. Deshalb steht in Ihrem Zeugnis: Sie sind ein Totalausfall für diese Stadt,
da können Sie sich selbst noch so viele Stofftiere ins Gesicht halten oder sich an alte Damen klammern. Es mag sein, dass Sie sich in der Mittelmäßigkeit und Perspektivlosigkeit, die diese Koalition geschaffen hat, wohlfühlen – Berlin kann mehr, und Berlin verdient mehr als rot-rote Laternen. Berlin braucht eine engagierte Politik für die Interessen und die Weiterentwicklung der Stadt, ohne ideologische Scheuklappen.
Nehmen wir den Bereich Bildung: Wir haben in den letzten fünf Jahren zahlreiche Initiativen eingebracht, die die Qualität der Schulbildung verbessert hätte. Wir sagen deutlich: Es muss Schluss sein mit der sozialistischen Nivellierung des Bildungsniveaus unserer Kinder nach unten.
Es muss Schluss sein mit dem Einheitsschul- und anderen Experimenten, die Sie mit Millionen von Euro bevorzugen, gerade zulasten der Gymnasien und der freien Schulen in dieser Stadt.
Ich sage Ihnen von Rot-Rot und Grün auch: Eine bessere Bildungsqualität kann Berlin nicht durch Abschaffung der Gymnasien oder immer weiterer Gleichmacherei erreichen. Die Schulen müssen in echte Eigenverantwortung überführt werden. Damit kann durch die Suche nach besseren und besten Konzepten für eine vielfältige und hochwertige Bildungslandschaft auch endlich Bildungsqualität in dieser Stadt geschaffen werden.
Kinder sind verschiedenen, und deshalb benötigen wir eine Bildungspolitik, die auch unterschiedliche Leistung, unterschiedliche Konzepte und unterschiedliche Ge
schwindigkeiten zulässt. Deswegen sind wir für die eigenverantwortliche Schule und Wahlfreiheit, weil vor Ort die Lehrer und Eltern am besten wissen, was besser werden muss.
Noch eines: Wir stehen für die freie Schulwahl. Los statt Leistung – das Motto der Schulstrukturreform von Herrn Zöllner – muss mit ihm zusammen in den Ruhestand geschickt werden.
Die FDP hat in den letzten fünf Jahren eingefordert, dass Berlin seine Wirtschaftspolitik neu ausrichtet. Berlin fehlt es vor allem an privaten Unternehmern genauso wie an privatem Kapital, um dauerhaft stärker zu wachsen als der Bundestrend. Das ist Rot-Rot eben nicht in den vergangenen zehn Jahren gelungen. Berlin hinkt nach zehn Jahren weiter hinterher als im Jahr 2001. Wir sind nicht bereit, uns mit einer Staatsquote von fast 60 Prozent abzufinden, die nach den Vorstellungen von Rot-Rot und Grünen mit mehr Verstaatlichungen noch weiter erhöht werden soll. Wir sind für den umgekehrten Weg: Nicht der Staat, sondern mehr Wettbewerb schafft mehr Wachstum. Wir wollen ein Verständnis, dass jeder, der hier in der Stadt Erwerbsperspektiven schafft, einen willkommenen Beitrag zu unserem Gemeinwesen leistet.
Wir wollen, dass wieder diejenigen im Vordergrund der Politik stehen, die in dieser Stadt morgens aufstehen und zur Arbeit gehen. Wir sind diejenigen, die für jene eintreten, die den Karren ziehen oder ihn mal gezogen haben, während alle anderen Parteien sich um die kümmern, die hintendrauf sitzen – aber dies reicht nicht, um dauerhaft Berlin voranzubringen.
Die Berliner Politik muss sich darauf konzentrieren, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen sich Eigenverantwortung entfalten kann. Alle Maßnahmen, die Wachstum fördern und die Arbeit und Wohlstand für Berlin schaffen, muss der Senat endlich unterstützen. Uns Liberalen ist jeder Arbeitsplatz willkommen. Wir unterscheiden nicht in gute oder schlechte Arbeit.
Es träumen – und das haben wir auch heute wieder gesehen – zu viele von Plan- und Staatswirtschaft. Diesen Traum teilen wir explizit nicht. Aufgabe des Staates ist es nicht, neue Wirtschaftsfelder herbeizureden oder auf dem Reißbrett zu bestimmen, wo Arbeit entsteht, sondern die Wachstumschancen von Berliner Unternehmern aus den bestehenden Stärken der Stadt konsequent weiterzuentwickeln. Echte Cluster setzen bestehende Unternehmen voraus, deren Aktivitäten sich ergänzen und gegenseitig befördern. Wer meint, wie die Grünen oder auch die Linken, dass 100 000 oder 120 000 oder 150 000 Arbeitsplätze aus heißer Luft entstehen, der irrt sich entweder oder belügt die Wählerinnen und Wähler.
Herr Ratzmann, dies ganz deutlich an Ihre Adresse: Sie haben sich eben wieder bemüht zu behaupten, dass Sie für eine prosperierende Wirtschaft in dieser Stadt einstehen wollen. Wer regiert denn in Friedrichshain-Kreuzberg? Wer fängt denn an, am lautesten zu schreien, wenn Mercedes dort 1 200 Arbeitsplätze erhalten und weitere ausbauen möchte? – Es sind grüne Bezirkspolitiker vor Ort. Wer hat denn in den letzten Jahren, als es um eine Investition von 450 Millionen Euro am Ku’damm-Karree ging, den Bürgerprotest angestachelt und versucht, das zu verhindern? – Es waren Ihre Fraktionskollegen. Wer will denn am Olivaer Platz mit Stellplatzbegrenzungen die Einzelhandelsstruktur vor Ort drangsalieren? – Es sind Ihre BVV-Kollegen von den Grünen zusammen mit den Roten.
Wer hat den Flughafen Tempelhof als Bonzenschleuder verunglimpft? Und wer sprach vom Flughafen Schönefeld als Regionalflughafen? – Es war Ihre Spitzenkandidatin. Deswegen: Hören Sie auf, die Bürger für dumm zu verkaufen! Sie sind die Partei, die für Staatswirtschaft und nicht für Privatwirtschaft steht!
In 18 Tagen ist Wahltag. Genau genommen ist diese Wahl eine Richtungsentscheidung zwischen zwei Positionen. Auf der einen Seite stehen unsere Mitbewerber, die sich darin überbieten, jede Veränderung in unserer Stadt als Bedrohung zu begreifen. Sie machen die Zementierung des Status quo zum Ziel ihrer Politik. Ich sage das ganz bewusst auch nach Wochen brennender Autos: In dieser Stadt wurde ein Klima der Lebensstilintoleranz und Veränderungsfeindlichkeit geschürt. Wir sehen Politiker der Linken, die zur Krawalldemos am 1. Mai aufrufen oder zu Demonstrationen gegen das Grundgesetz, Frau Baba.
Wir sehen Grünen-Politiker, die in Zukunft mit einer Art Blockwart-Baupolizei kontrollieren wollen, welche Bauprojekte willkommen sind. In Friedrichshain-Kreuzberg wollen Sie den Zuzug von mittelständischen Mietern unter dem Stichwort Milieuschutz verhindern. Da heißt es in Ihrem Wahlprogramm: Auch Nachmodernisierungen wie Parkettböden oder Vollverkachelung von Bädern können verhindert werden, allerdings unterliegen viele dieser Maßnahmen keiner Meldepflicht. Hier sind die Bewohnerinnen und Bewohner aufgerufen, dem Bezirk entsprechende Vorhaben zu melden.
Herr Ratzmann! Sie und Ihre Partei sind alles andere als liberal! Es gibt keine andere Partei, die so staatsgläubig ist wie die Grünen, die sich so in der Rolle des moralingeschwängerten Besserwissers gefällt wie Sie und Ihre Partei.
Wir haben dort eine explizit andere Meinung. Die Revitalisierung und Aufwertung von Stadtteilen gehört zu einer lebendigen Stadt Berlin dazu. Die Politik aller anderen führt zu nichts anderem als einer krampfhaften Konservierung des Status quo. Das bringt unsere Stadt nicht
voran. Denn aus Stagnation ist noch nie etwas Neues hervorgegangen. Es ist unverantwortlich, wenn sich Stadtpolitik auf die bloße Verhinderung und das Schüren von Ängsten zurückzieht.
Linke Politik hat in unserer Stadt in den letzten Jahren den Nährboden für die Geister gelegt, die jetzt nachts durch die Gegend ziehen und im Abfackeln von Autos eine Form der verlängerten politischen Auseinandersetzung sehen. Das ist der politische Preis, den Sie, Herr Wowereit, bereit sind zu zahlen, weil Sie sich in dieser Stadt mit der Linken eingelassen haben. Wir wollen Berlin nicht den Chaoten überlassen. Das gilt für die Brandstifter auf den Straßen genauso wie für die moralischen Brand- und Anstifter im linken und grünen Spektrum der Politik,
die im Abgeordnetenhaus, in den BVVen und in den Parteigliederungen Ihrer Parteien sitzen. Seitdem die CDU Juniorpartner der Grünen werden will und keine klare Sprache mehr findet, ist es Aufgabe der FDP, die politische Verantwortung für diese Entwicklung klar zu benennen.
Herr Wolf! Es reichen eben gerade nicht, Lippenbekenntnisse von Fraktionsvorsitzenden oder Spitzenkandidaten einzuführen, sondern es wäre interessant, wie der Mittelbau gerade Ihrer Partei und auch der Grünen in den jeweiligen Bezirken zu diesen Brandstiftungen steht und ob sie genauso bereit sind, sich klar davon zu distanzieren wie Sie.
Diese Auseinandersetzung wollten Sie in den letzten Jahren gerade nicht.
Wir sind die Einzigen, die sich klar zu einem Leitbild der wachsenden und dynamischen Metropole Berlin bekennen. Als einzige politische Kraft sagen wir: Dieser Stadt, dieser Politik fehlt vor allem der Mut, an die Eigenverantwortung und an die Freiheit des Einzelnen zu glauben. Wir wollen eine Stadt, die in der Veränderung zunächst eine Chance sieht, und zwar eine Chance für jeden einzelnen, aber auch für unsere Stadt und für unser Gemeinwesen insgesamt. Vor allem aber stehen wir für eine Politik, die nicht glaubt, immer alles besser zu wissen als die Bürger. Wie stehen für eine Politik, die niemandem ihre Vorstellung von einem richtigen Leben aufzwingt. Wir stehen für die Menschen, die sich von der Politik mehr versprechen als Regeln, Vorschriften und Besserwisserei.
Das Allerschlimmste, Herr Wolf, was dieser Stadt, was uns hier passieren könnte, wäre eine Fortsetzung von zehn Jahren rot-roter Politik. Die Linke hat eine Parteichefin, die übrigens Mitglied Ihres Landesverbands ist, die immer noch vom Sozialismus träumt. Eine breite Basis Ihrer Parteianhänger – das haben die Umfragen in der Sommerpause gezeigt – schafft es immer noch nicht, sich klar
und unmissverständlich vom SED-Unrechtsregime und von der Berliner Mauer zu distanzieren.
Diese Partei muss endlich aus der Regierung dieser weltoffenen, liberalen Stadt verschwinden. Nur die FDP im Abgeordnetenhaus garantiert, dass die SPD und Herr Wowereit nicht aus lauter Faulheit das machen, was sie 2006 gemacht haben, nämlich mit Ihnen regieren.
Berlin braucht eine starke liberale bürgerliche Stimme im Abgeordnetenhaus. Die FDP ist die einzige Kraft, die dazu steht, dass der Staat nicht jede individuelle Verantwortung übernehmen und alle Probleme lösen kann. Die Berlinerinnen und Berliner wissen, dass es zu vier rot gefärbten Parteien in der politischen Auseinandersetzung einen Kontrast geben muss.
Doch, vier! Eins: Linke, zwei: Grüne, drei: SPD, vier: CDU!
Weil nur die FDP für Freiheit und Selbstverantwortung, Leistung und Startchancengerechtigkeit steht, braucht Berlin liberale Politik. Berlin braucht weder eine Verlängerung von Rot-Rot noch eine Renate Künast mit schwarzem Anhang. Nur mit der FDP im Abgeordnetenhaus ist klar, dass Rot-Rot und die Grünen in unserer Stadt keine Mehrheit finden. Dafür werden wir bis zum 18. September kämpfen, und dafür werden wir auch gewählt. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Esser hat ja schon ein paar Worte des Bedauerns gefunden, weswegen Herr Sarrazin hier vielleicht der bessere Finanzsenator gewesen wäre, der einen Haushalt einbringt. Ich möchte noch ergänzen: Bei Thilo Sarrazin war es so, dass er die Einbringung des Haushalts dafür genutzt hat, eine grobe Linie zu zeichnen, wie er sich die Haushaltsentwicklung für die nächsten fünf bis zehn Jahre hier in der Stadt vorstellt.
Er hat vor allem immer Rot-Rot einiges ins Stammbuch geschrieben, frei quasi von der Abhängigkeit von Koalitionsmehrheiten. Das ist leider unter Ihnen, Herr Nußbaum, komplett eingeschlafen. Sie behaupten zwar immer, unabhängig von dieser Koalition zu sein,
tatsächlich haben Sie aber nicht den Mut, sich gegenüber den Abgeordneten von Rot-Rot in irgendeiner Form durchzusetzen und auch mal unangenehme Wahrheiten zu formulieren.
Was Sie eben formuliert haben, Herr Nußbaum, dass Sie ja auf jeden Fall den Haushalt haben einbringen wollen, ich glaube, es war umgekehrt, wenn nicht die drei Oppositionsfraktionen sich hier so deutlich positioniert hätten, dann hätten Sie das eben nicht gemacht. Sie haben sich auf Ihre Art und Weise dann revanchiert, indem Sie in der Finanzplanung und teilweise auch im Haushalt – es wurde von meinen Vorrednern schon erwähnt – uns halt doch nur ein sehr dünnes Papierchen hier abgeliefert haben und einiges an Nachbesserungen noch auf uns wartet. Das glaubt ja offensichtlich sogar Frau Matuschek, wenn ich sie eben richtig verstanden habe.
Wenn wir uns das Erbe von Rot-Rot angucken, dann kann man dieses nur als desaströs bezeichnen. Frau Kolat, von 38 Milliarden Euro Schulden auf jetzt 63 Milliarden Euro Schulden, das ist die Bilanz von Rot-Rot. Wenn Sie sich jetzt hier allen Ernstes hinstellen und behaupten, dass es so hätte ja auch weitergehen können wie im Jahr 2001, dann ist das wirklich eine Lachnummer, und man fragt sich, wie Sie allen Ernstes hier seriös Haushaltspolitik für die größte Fraktion im Hause betreiben wollen.
Ich muss Sie auch daran erinnern, Frau Kolat, dass Sie die Bank nicht freiwillig verkauft haben, sondern dass Sie von Brüssel dazu gezwungen wurden, die Bank zu verkaufen.
Und wenn Sie nicht von Brüssel dazu gezwungen worden wären, dann hätten wir die Bank wahrscheinlich heute noch am Hals und würden heute über ganz andere Probleme reden.
Zur finanzpolitischen Ehrlichkeit hätte es auch dazugehört, Frau Kolat, Ihre Partei auf der Bundesebene ist ja für die Einführung von Eurobonds, die Grünen ja auch, dass Sie ein paar Sätze dazu verloren hätten, was das denn für unseren Haushalt hier in Berlin bedeutet hätte, wenn wir hier ein nachhaltig steigendes Zinsniveau in den nächsten Jahren zu verkraften hätten.
Denn – auch das ist das Ergebnis – nur das konjunkturelle Umfeld durch die gute bundespolitische konjunkturelle Lage rettet Ihren Haushalt. Die Einnahmeverbesserungen in den letzten Jahren retten Ihr Haushaltswerk. Dazu kommt noch das niedrige Zinsniveau, das Sie auch nicht zu verantworten haben, Herr Nußbaum, Sie haben zumindest ehrlicherweise darauf hingewiesen, dass das vermutlich nicht immer so sein wird. Dennoch – wenn wir uns die Statusberichte der letzten Jahre angeguckt haben, wenn das Zinsniveau sich auch nur einigermaßen so eingestellt hätte, wie Sie es immer geplant hätten, dann wären Ihre Ausgabenlinien komplett Makulatur gewesen.
Und noch ein Satz ein bisschen zu Herrn Nußbaum, aber auch zu Frau Matuschek, weil sie wieder hier erzählt haben, was ihnen durch die schwarz-gelbe Bundesregierung alles an Einnahmen verlorengegangen ist. Wenn Sie sich angucken, was das Land Berlin an Mehreinnahmen durch die Übernahme der Grundsicherung im Alter durch die schwarz-gelbe Bundesregierung bekommt, und das vergleichen mit den Mindereinnahmen auf der Einnahmeseite durch Entscheidungen von Schwarz-Gelb, dann kriegt das Land Berlin zurzeit mehr Geld, als es vor der schwarz-gelben Koalition der Fall war. Mag sein, dass da das, was die SPD zusammen mit der CDU vereinbart hat, noch eine ganze Menge mehr war, aber da müssten Sie sich mal mit Ihrem Koalitionspartner unterhalten, Frau Matuschek, und es wäre gut, wenn Sie und auch Herr Nußbaum sich bald mal ein bisschen dankbarer gegenüber der Bundesregierung verhalten werden,
dass wir hier einen mehrstelligen Millionenbetrag für das Land Berlin mit der Übernahme der Grundsicherung gesichert haben.
Wie Sie bei diesem Schuldenstand – über 19 000 Euro pro Einwohner, damit der vorletzte Wert vor Bremen – davon sprechen können, dass Sie finanzpolitisch solide aufgestellt sind, Herr Nußbaum, das versteht niemand. Es wurde bereits darauf hingewiesen, die Ausgaben steigen nach
wie vor in Ihren Haushaltsplanungen. Sie haben es versäumt, die BIH einzurechnen. Sie haben es versäumt, auch den Handlungsbedarf, den Sie in der mittelfristigen Finanzplanung nach wie vor sehen, einzurechnen. Das heißt, alles in allem sind diese Zahlen, die Sie uns hier vorlegen, nur der Versuch, die eigene Inkompetenz von Ihnen in irgendeiner Form, wirklich die selbstgesteckte Ausgabenlinie einzuhalten, zu kaschieren. Sie haben keine Lösung in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung für die drängenden, zu lösenden strukturellen Probleme im Haushalt, die Personalkosten als ein Beispiel. Frau Matuschek formuliert hier, dass sie ein Personalentwicklungskonzept einfordert. Ich frage Sie, Frau Matuschek: Warum haben Sie das nicht die letzten zehn Jahre getan? Wir als Opposition haben es seit dieser Zeit getan. Da haben Sie das immer versäumt. Jetzt sagen Sie, Sie würden es nachverhandeln. Das ist ein Armutszeugnis.
Sozialausgaben als weiteres Beispiel: Frau Matuschek, Sie sagen jetzt, Kosten der Unterkunft wollen Sie mal drauflegen. Werden Sie doch mal konkret! Was wollen Sie konkret an Millionenforderungen hier in diesem Haushalt nachverhandeln? Das sollten Sie vor der Wahl formulieren können.
Thema Investitionen: Herr Nußbaum hatte ja mal eine Phase, wo er formulierte, dass man auch die Investitionen von den Anstalten öffentlichen Rechts mit in den Investitionshaushalt einberechnen soll. Davon ist er ja mittlerweile ein bisschen abgekommen. Was bleibt, ist, dass Sie mit einer Investitionsquote von 8 Prozent nur die Hälfte ungefähr von dem ausgeben, was Deutschland, aber auch z. B. Brandenburg an Investitionsquoten ausweist.
Auch das ist ein Armutszeugnis für Herrn Nußbaum und für die rot-rote Koalition.
Sie rühmen sich damit, die Schuldenbremse bereits im Jahr 2016 einhalten zu wollen, lenken damit davon ab, dass es uns nicht gelungen ist, auf Antrag der FDP, aber auch der CDU, glaube ich, die Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern. Man kann fast froh sein, dass die Linke vermutlich nicht mehr im nächsten Senat ist, weil wir selbstverständlich ins Abgeordnetenhaus einziehen werden.
Da waren ja die meisten Skeptiker, die uns versucht haben zu berichten, dass die Schuldenbremse eine Aufgabe der Souveränität der einzelnen Bundesländer wäre und sie sie deswegen ablehnen. Deswegen ist es gut, dass man die Schuldenbremse vorher einhalten wird, aber es wird auch – und das ist gut, dass die Linke nicht mehr dabei sein wird –,
denn sonst würden wir in der Tat Gefahr laufen, dass ab dem Jahr 2016 die Schulden vermutlich wieder aus dem Ruder laufen würden.
Sie haben keine Prioritäten in diesem Haushalt gesetzt, Herr Nußbaum! Es mag ja sein, dass Sie darauf hoffen, anders als Sie es eingangs formuliert haben, dass das Parlament doch noch sein Königsrecht, nämlich das Haushaltsrecht, hier wahrnimmt und zu Änderungen kommt. Auch das ist schade und bedauerlich, dass man Ihnen das hier erklären muss, dass Sie zwar den Haushalt einbringen können, sich aber hier hinzustellen und zu sagen, dass davon nichts geändert wird, das finde ich doch schon ein wenig eine Missbilligung des Parlaments und der parlamentarischen Rechte, die da durchkommen.
Öffentlich geförderter Beschäftigungssektor, andere Klientelprojekte, wie Sie sie in diesem Haushalt ausfinanzieren, zeigen, dass Sie nach wie vor nicht die Ernsthaftigkeit der Lage erkannt haben. Wir haben ein strukturelles Defizit von 2 Milliarden Euro. Darauf hat der Stabilitätsrat Sie hingewiesen. Sie haben ja Anfang des Jahres noch behauptet, dass es eher bei 1 Milliarde Euro ist, auch da mussten Sie korrigiert werden. Deswegen sind diese ganzen Klientelprojekte unserer Auffassung nach zu überprüfen und vermutlich zu streichen, weil wir uns in den nächsten Jahren in der Tat mit anderen Bundesländern auf der Ausgabenseite messen lassen müssen. Und ich glaube, da sieht Berlin definitiv nicht so gut aus, wie Sie uns das hier suggerieren. Wenn der Solidarpakt abgeschafft ist, wenn der Länderfinanzausgleich neu verhandelt werden muss, dann werden wir sehen, was die anderen Bundesländer von dem Land Berlin als Gegenleistung für z. B. eine Fortsetzung des Länderfinanzausgleichs in anderer Form einfordern. Darauf haben Sie das Land Berlin und diesen Haushalt keineswegs vorbereitet. Das ist bedauerlich. Deswegen hoffe ich, dass man bei den Haushaltsberatungen hier noch zu Änderungen kommt.
Ganz zum Schluss möchte ich noch, ich glaube als einziger Redner, Herrn Goetze danken für die geleistete Arbeit.
Es war immer ein Vergnügen, mit Ihnen im Hauptausschuss, aber auch im Beteiligungs- oder Vermögensausschuss zusammenzuarbeiten. Ich glaube, wir werden Sie hier alle vermissen, weil Sie als Oppositionspolitiker mit Ihrer ruhigen Art, den Ausschuss Beteiligungen zu lenken, zu führen, an der einen oder anderen Stelle Rot-Rot deutlich gemacht haben, dass es so nicht geht. Deswegen Danke für Ihre Arbeit! Ich werde Sie vermissen,
und ich hoffe, dass Sie sich auch nach dem Ausscheiden aus dem Abgeordnetenhaus weiter mit der Landespolitik beschäftigen werden. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Tucholsky überspitzte einmal:
Als deutscher Tourist im Ausland steht man oft vor der Frage, ob man sich anständig benehmen muss oder ob schon deutsche Touristen da gewesen sind.
In Berlin ist es teilweise schon so weit gekommen, dass man sich zum Schämen nicht mehr ins Ausland begeben muss, der Ruf eilt uns voraus.
Ob es die Berlin-liebt-dich-nicht-Kampagne in Kreuzberg ist, die Hetzveranstaltung der Grünen mit dem Titel „Hilfe, die Touristen kommen“
oder die zunehmenden Beschwerden von Anwohnern wegen lauter Rollkoffer auf den Straßen oder nächtlichem Lärm auf bestimmten Berliner Brücken, Berlin wird – so scheint es, und auch in Teilen des politischen Spektrums – gastfeindlich.
Vielleicht erinnern Sie sich noch, gerade bei den Grünen: Vor einigen Jahren gab es einen Bezirk, der wollte die Schwaben loswerden. Nun sind es die gemeinen Touristen.
Fremdenfeindlichkeit hat viele Facetten. Dies ist sicherlich die harmloseste. Aber dennoch sollten wir heute im Abgeordnetenhaus darüber diskutieren und eine klare Haltung des Hauses, auch gerade von den Grünen, einfordern. Die FDP freut sich im Gegensatz zu den Grünen über jeden Touristen, der in die Stadt kommt.
Touristen stärken den Einzelhandel, schaffen Arbeitsplätze und machen die Stadt bunter, interessanter und vielfältiger. Das sind eigentlich alles Umschreibungen, die auch von den Grünen früher einmal geteilt worden sind. Mittlerweile sind sie aber piefig, veränderungsfeindlich und eingekiezt – gerade in Kreuzberg.
Berlin ist nach London und Paris auf Platz 3 der beliebtesten europäischen Reiseziele
und im Kongressgeschäft mittlerweile unter den Top-5Destinationen weltweit. Allein im Jahr 2010 hatten wir in Berlin über 20 Millionen Übernachtungen und dazu noch einmal 130 Millionen Tagesbesucher. Das sind knapp eine halbe Million Menschen jeden Tag. 230 000 Arbeitsplätze für Berliner und rund 9 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr allein durch den Tourismus sind eine Chance für unsere Stadt – und kein Risiko.
Anti-Touristenkampagnen richten da massiven Schaden für die Stadt als Standort an. Allein die Diskussion, die Sie von den Grünen unter dem Stichwort „Matratzenmaut“ angetrieben haben, zeigt exemplarisch, was Berlins Unternehmen unter eine Landesregierung mit grüner Beteiligung droht: mehr Bürokratie, zusätzliche Belastungen und das willkürliche Abkassieren zulasten aller, nicht nur der Berliner Wirtschaft.
Mann kann dem auch etwas Positives abgewinnen. Ein großer Teil der Berlinreisenden, die Sie aus der Stadt vertreiben wollen, liebe Kollegen von den Grünen, kommt aus anderen Bundesländern. Ich freue mich, dass
Sie es diesen Wählern dort so leicht machen, sich bei der nächsten Wahl gegen die grüne Lebensstilintoleranz zu entscheiden. Machen Sie ruhig weiter so!
Wir gehen da einen anderen Weg.
Wir wollen und müssen die touristische Anziehungskraft Berlins weiter stärken.
Berlin muss Tourismusmetropole Nummer 1 werden. Ausbau von internationalen Flugverbindungen nach Asien und Übersee
ich weiß, dass Sie das nicht wollen, Frau Kosche –, der Flughafen Berlin-Brandenburg darf kein Regionalflughafen werden, das sieht ja Herr Ratzmann anders. Frau Künast möchte es dennoch. Wir brauchen eine möglichst intakte Verkehrsinfrastruktur. – Auch dagegen wehren sich die Grünen. – Wir stehen für eine weitere Lockerung der Ladenöffnungszeiten und das Abschaffen von weiteren Reglementierungen. Wir könnten zum Beispiel auch darüber diskutieren, wie man die Außenbezirke der Stadt stärker ins Tourismuskonzept einbindet. All das könnten wir heute in der Aktuellen Stunde miteinander diskutieren.
Zum Abschluss noch folgender Hinweis: Zur FußballWM 2006 lautete das Motto: „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Es ist schade, dass heute, fünf Jahre später, ausgerechnet zur Frauenfußball-WM anscheinend einige dieses Bild in das Gegenteil verkehren wollen. Darüber wollen wir heute mit Ihnen reden. Deshalb bitte ich um die Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank!
Danke, Herr Präsident! – Herr Meng! Sie haben eben wieder von dem Eröffnungstermin gesprochen. Nun kann man sich fragen, ob Eröffnung auch gleichbedeutend ist mit kompletter Fertigstellung des Flughafens. Deshalb würde ich Sie bitten, Ihre Auskunft zur zweiten Frage noch einmal zu konkretisieren, dass Sie uns hier bestätigen, dass im Juni nächsten Jahres der Flughafen komplett fertiggestellt ist und damit quasi voll lastfähig ist.
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Finanzsenator Nußbaum. – Herr Nußbaum! Ihnen ist bekannt, dass die Grünen im Falle eines Wahlsieges eine Reihe von Steuern erhöhen wollen, unter anderem die Gewerbesteuer, und auch eine Ausdehnung der Gewerbesteuer auf die freien Berufe planen.
Ich bin überrascht, dass der Kollege Esser von den Grünen am Montag im Zuge einer Diskussionsveranstaltung formuliert hat, dass die Grünen nach der Wahl auch gern die Grunderwerbsteuer erhöhen wollen. Wie sehen Sie das als Finanzsenator? Wäre das vor dem Hintergrund der Haushaltslage des Landes Berlin notwendig oder nicht?
Ich bin etwas überrascht, Herr Nußbaum! Dass die Grünen die Steuer erhöhen wollen, ist das eine. Haben Sie denn diese Position, die Sie gerade formuliert haben, auch wenn Sie nicht Mitglied der SPD sind, mit der Regierungsfraktion, die Sie in den Senat geschickt hat, abgestimmt, oder ist das eine Einzelmeinung von Ihnen?
Herr Senator Wolf! Vielleicht können Sie nicht nur in dem von Ihnen gerade beschriebenen Planungsrahmen 2005 bis 2010 bleiben, sondern einmal die Zahlen ab 2001 vergleichen. Vielleicht haben Sie diese auch parat.
Vielleicht können Sie uns erklären, warum nicht nur im vergangenen Jahr – darauf hatte Herr Thiel bereits hingewiesen – das Wirtschaftswachstum in Berlin unter dem bundesdeutschen Schnitt lag, sondern offensichtlich auch die Prognosen für das Jahr 2011, selbst wenn Sie jetzt auf 3 Prozent erhöht wurden, unter den bundesdeutschen Konsensprognosen liegen.
Danke Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Der Senat hat in der noch laufenden Legislaturperiode eine seiner zentralen Aufgaben nicht erfüllt, nämlich den Bedarf an Außeneinstellungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung zielorientiert festzulegen. Sie haben zwar jüngst auf ungefähr 150 Seiten dargestellt, dass der Personalbestand in Berlin in den nächsten sieben Jahren von jetzt ungefähr 106 000 Stellen auf dann 78 800 Vollzeitäquivalente abnehmen wird. Sie haben aber versäumt, kein Wort erwähnt, wie perspektivisch die Aufgaben des Landes Berlin mit diesem Personal oder mit wie viel Personal erfüllt werden sollen.
Damit wird deutlich, dass der Senat es in den gesamten letzten neun Jahren versäumt hat, eine aufgabenorientierte Personalbedarfsplanung für die Hauptverwaltung und für die Bezirke zu entwickeln. Der rot-rote Senat ist verantwortlich für eine vollständige Konzeptions- und Steuerungslosigkeit der Berliner Personalpolitik und damit auch für die Perspektivlosigkeit in der Berliner Verwaltung.
Wenn der Senat schon neun Jahre verschlafen hat, muss er zumindest jetzt die Initiative ergreifen, um junges, leistungsstarkes und hochmotiviertes Personal für die Berliner Verwaltung zu gewinnen. Hierfür ist den potenziellen Bewerbern eine klare Zukunftsperspektive innerhalb der Berliner Verwaltung und im öffentlichen Dienst aufzuzeigen. Deswegen stellen wir Ihnen heute noch mal unserer Antrag zur Abstimmung. Wir wollen für Berlin einen schlanken, gut bezahlten und wettbewerbsfähigen öffentlichen Dienst erreichen. Um eine wettbewerbsfähige Bezahlung zu gewährleisten, müssen wir perspektivisch den Personalbestand auf höchstens 93 000 Vollzeitstellen reduzieren. Das ist die Zahl, basierend auf dem Benchmarkvergleich mit Hamburg, die realistisch ist. Legt man diese dem Personalbedarf zugrunde, muss Berlin bis 2018 ca. 14 000 Vollzeitstellen gezielt aufbauen. Dazu wollen wir Ihnen Antworten hören. Wenn man sich Ihre Zahlen anguckt, Sie sind ja noch nicht ganz sicher, wo Sie als Zielgröße hinwollen mit dem öffentlichen Dienst, dann müssten Sie noch weit mehr als diese 14 000 Vollzeitstellen aufbauen.
Eine gezielte Personalbesetzung ist aber nur möglich, wenn definiert wird, wo und in welchem Umfang die neuen Stellen entstehen sollen. Dazu muss der Senat ein aufgabenorientiertes Zukunftskonzept für den öffentlichen Dienst erstellen, das die Personalplanung und -entwicklung mit den künftigen Aufgaben verknüpft. In diesem Konzept ist auch darzustellen, welche Aufgaben in Zukunft wegfallen bzw. effizienter ausgeführt werden können. Doch hier hat der rot-rote Senat in den letzten Jahren komplett versagt. Es herrscht ein Dreiklang des rot-roten Versagens an Ineffizienz, Steuerungslosigkeit und Konzeptionslosigkeit.
Sie haben es z. B. versäumt, durch die Bündelung von Querschnittsaufgaben im IT- oder Personalverwaltungsbereich Effizienz- und Effektivitätspotenziale zu heben. Bei den Finanzämtern ist Ihr Personalmanagement desaströs: Im Bereich der Vergnügungssteuer sind sie überbesetzt, in Bereichen wie Lohnsteueraußenprüfung oder Betriebsprüfung sind sie unterbesetzt. Steuerungsinstrumente der Verwaltung werden bisher unzureichend genutzt. Widerstände in einzelnen Senatsverwaltungen, in Bezirken, Doppelzuständigkeiten zwischen Bezirken und Senatsverwaltungen scheinen offensichtlich bewusst geduldet zu werden.
Eine Aufgabenkritik und Fokussierung auf staatliche Kernaufgaben vermisst man bei Ihnen seit Jahren. Mit dem von uns vorgeschlagenen Zukunftskonzept für die Verwaltung kann man endlich auch den Landesbeamten wieder eine Besoldungsperspektive geben.
Die FDP-Fraktion fordert, bis zum Jahr 2018 die Besoldung der Landesbeamten an die bundesdurchschnittliche Besoldung anzupassen, um im Wettbewerb um die besten Fachkräfte in Berlin nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten. Ferner verlangen wir von Ihnen eine klare, ver
lässliche Zukunftsperspektive auch in Bezug auf Beförderungsmöglichkeiten in Berlin. Aufgrund der knappen Zeit und der hohen Zahlen altersbedingten Ausscheidens muss der Senat so schnell wie möglich aktiv werden. Dies kann nicht auf die Zeit nach der Wahl vertagt werden. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Dann können die Innen- und die Finanzverwaltung die Sommerpause gezielt und effektiv nutzen. – Ich danke Ihnen!
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat sich der Senat immer wieder, auch hier im Plenum, mit fremden Federn geschmückt. Dies immer dann, wenn Studien über die Zukunft dieser Stadt veröffentlicht worden sind. Heute geben wir Ihnen, meine Damen und Herren vom Senat, mit unserem Antrag zur Aktuellen Stunde die Gelegenheit, sich zu der schallenden
Ohrfeige zu erklären, die die jüngste Prognos-Studie der Landesbank Ihnen gegeben hat.
Diese Studie entlarvt die vollmundigen Ankündigungen dieses Senats und stellt ihnen die düstere Realität nach zehn Jahren Rot-Rot entgegen. Berlin ist nicht nur heute Schlusslicht bei der Wirtschaftsentwicklung – Herr Klemm, ich weiß gar nicht, in welcher Welt Sie leben! –,
auch in den nächsten 20 Jahren wird unser Land den Rückstand zum Rest der Bundesrepublik nicht aufholen können. Die Berliner Wirtschaft wird nach dieser Studie bis ins Jahr 2030 pro Jahr nur um 0,8 Prozent zulegen können. Sogar Brandenburg schafft mehr, ganz zu schweigen vom Rest der Bundesrepublik. Es setzt sich damit ein Trend fort, den wir bedauerlicherweise schon in den letzten zehn Jahren erleben mussten. Das Bruttoinlandprodukt in Berlin liegt noch unter dem Stand des Jahres 2002, während der Bund trotz der Krise über 6 Prozentpunkte zulegen konnte und Brandenburg sogar 8 Prozent zugelegt hat. Das ist nicht das Ergebnis irgendwelcher widriger Umstände, sondern das Armutszeugnis Ihrer Politik.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Berlin ist das Bundesland mit der höchsten wirtschaftlichen Unfreiheit. In keinem anderen Land wurde in den letzten zehn oder auch zwanzig Jahren ein solches Netz von Verboten und Vorschriften geschaffen wie von Ihnen. Sie schaffen es noch nicht einmal, einen Handwerkerparkausweis stadtweit unbürokratisch und schnell auszustellen. Sie wollen sich heute dafür feiern, dass Sie vor einem Jahr ein Vergabegesetz aufgelegt haben, das nur Bürokratie geschaffen hat, und das im Ergebnis zu weniger Wettbewerb und zu weniger leistungsfähigen Unternehmen in der Stadt geführt hat.
Die Brachen in Tempelhof oder zum Beispiel der Stillstand bei Mediaspree sind Zeugnis für Ihr Unvermögen, Entwicklungschancen für diese Stadt zu erkennen oder zu ergreifen.
Berlin ist immer noch Hauptstadt von Armut und Arbeitslosigkeit. Die Ursache dafür ist Ihre wachstums- und veränderungsfeindliche Grundhaltung, Ihre Ideenlosigkeit in Bezug auf die Zukunft der Stadt. Sogar in Bereichen, wo alle Studien Potenzial für Berlin sehen, tun Sie nichts. Im Bereich Tourismus zum Beispiel wollen Sie mit einer neuen Abgabe das Übernachtungs- und Kongressgeschäft ausbremsen, beim Thema Gesundheitswirtschaft lassen Sie Charité und Vivantes weiter verfallen, und dies nur, weil Sie keine Kraft haben zu großen Lösungen, und vor allem, weil Sie ideologisch bedingt panische Angst vor dem haben, was Berlin am meisten braucht. Sie haben Angst vor privatem Kapital und vor privatem Unternehmertum.
Sogar der Landesrechnungshof hat Ihnen in diesen Tagen verdeutlicht, dass Ihre teuren Rekommunalisierungsfantasien für Berlin einfach nicht bezahlbar sind. Den Bürgern bringen sie nichts außer neuen Schulden, und das sollten Sie beherzigen und die Rekommunalisierung deshalb lieber sein lassen. Nehmen Sie heute dazu Stellung, ob Sie unser Land mit noch mehr Schulden überziehen und die Staatsquote in Berlin am liebsten noch auf über 60 Prozent erhöhen wollen!
Wir haben in dieser Woche ebenfalls erfahren, dass der Stabilitätsrat festgestellt hat, dass Berlin eine Haushaltsnotlage droht. Der Senat wurde verpflichtet, ein Sanierungsprogramm aufzulegen, und anders als zum Beispiel im schwarz-gelb regierten Schleswig-Holstein, dessen Konsolidierungsbemühungen ausdrücklich vom Stabilitätsrat anerkannt worden sind, hat der Berliner Senat in der gesamten Legislaturperiode noch nichts Greifbares, noch nichts von Substanz vorgelegt.
Lesen Sie doch einmal unseren Antrag zur Aktuellen Stunde! Es geht um die Verschuldung der Stadt. Aber das interessiert Sie ja offensichtlich nicht mehr von der Linken!
Ich fordere Sie auf, Herr Nußbaum: Legen Sie Ihr Sanierungsprogramm zusammen mit der mittelfristigen Finanzplanung noch in dieser Legislaturperiode vor dem Wahltag vor!
Dann kann sich das Haus, dann kann sich die Öffentlichkeit ein Bild machen, ob Sie endlich verstanden haben, dass Berlin seine Ausgabenseite in den Griff bekommen muss,
ob Sie endlich verstanden haben, dass der Senat nicht dauerhaft als eine Art schmarotzender Bittsteller auf der Tasche der übrigen Länder und des Bundes liegen darf.
Düstere Zukunftsprognosen, nicht bezahlbare Verstaatlichungen und die Entscheidung des Stabilitätsrats sind Themen, die heute dringend besprochen werden müssen. Ich bitte Sie deshalb um Zustimmung zu unserem Thema für die Aktuelle Stunde!
Danke, Herr Präsident! – Ich habe eine Frage an den Ankündigungs- und Finanzsenator Nußbaum: Herr Nußbaum! Es ist ja leider so, dass Sie sich häufiger außerhalb des Parlaments zu politischen Fragestellungen äußern als im Parlament – so auch heute früh beim IHK-Frühstück zu der Frage der Wirtschaftsförderung. Deswegen würde ich gern von Ihnen wissen, wie wir Ihre Formulierung verstehen sollen, dass man Ihrer Meinung nach eine kritische Bestandsaufnahme der aktuellen Wirtschaftsförderungsinstrumente des Landes Berlin benötige.
Herr Nußbaum! Es ist eine für einen Oppositionspolitiker sicher nicht überraschende Erkenntnis, dass die Wirtschaftsförderungsinstrumente des Landes Berlin kritisch überprüft werden müssen. Ich frage Sie aber, was Sie in den letzten zweieinhalb oder drei Jahren im Senat eigentlich gemacht haben, wenn Sie diese Erkenntnis haben. Haben Sie im Senat mit Ihrem Kollegen Wolf über Missstände, die Sie entdeckt haben, gesprochen? Haben Sie das in irgendeiner Form angesprochen, oder ist Ihnen das erst zum Ende der Legislatur aufgefallen, als Sie offensichtlich im Kreise der IHK vielleicht ein bisschen Ihren Koalitionspartner triezen wollten?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Wachstums- und Arbeitsmarktzahlen der Bundesrepublik sind seit dem Herbst 2009 durchweg positiv. Erstmals seit langer Zeit hat Deutschland wieder weniger als drei Millionen Arbeitslose, und das trotz der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008.
Deutschland hat sich schneller von der Krise erholt und darüber hinaus noch weitere Potenziale aktiviert als die meisten Länder. Das liegt auch an der guten Arbeit der schwarz-gelben Bundesregierung. Vor allem zeigt es eindrucksvoll, wie stark und solide unsere marktwirtschaftliche Ordnung in Deutschland ist. Wir wollen, dass das auch so bleibt und Unternehmen weiterhin selbst entscheiden, wo und wie sie ihre jeweiligen Marktchancen setzen, und sich im Wettbewerb die besten Geschäftsmodelle durchsetzen.
Leider gibt es politische Kräfte ohne wirtschaftspolitischen Kompass, die glauben, selbst am besten zu wissen, welche Branchen sich in Deutschland wie zu entwickeln haben. Ein Beispiel für diese Art von Politiker ist die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast, die unlängst gegenüber dem „Spiegel“ gesagt hat, sie wolle politisch bestimmen, welche Bereiche wachsen müssten und welche schrumpfen.
Die Grünen sind der Überzeugung zu wissen, was gut und schlecht für die Menschen ist. Ihre Erkenntnisse münzen sie dann in Bevormundung durch politische Entscheidungen um. Das zieht sich wie ein roter Faden auch durch die Anträge der Grünen hier vor Ort. Das haben wie in ihrer „Priorität“ auch schon gesehen.
Dabei ist das keine neue Erscheinung bei den Grünen, sondern traditionelles Besserwissertum. Ein prominenter Grüner – ich glaube, er war es – schrieb einmal in einem Aufsatz, dass von dieser Technologie enorme ökologische, technische und soziale Risiken ausgehen würden. Das war der Baden-Württemberger Fritz Kuhn im Jahr 1984.
Mit den enormen ökologische, technische und soziale Risiken meinte er nicht etwa die Atomkraft, sondern er schrieb über den Videotext im Fernsehen und über ISDNTelefone.
Wir können von Glück sagen, dass die Grünen damals die wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land nicht politisch steuern konnten. Hätten die Grünen das gekonnt, hätten wir heute kein Internet und kein Mobilfunk. Weil die Grünen damals wie heute aus einer Position der moralischen Selbsterhöhung immer wieder für sich in Anspruch nehmen zu wissen, was das Beste ist, kommt es immer wieder zu solchen entlarvenden Fehlurteilen.
Aber die Grünen von heute haben dazugelernt. Sie verstecken ihre unverändert guten Absichten heute im Nebulösen, im Ungefähren. Wo einer vorprescht, relativiert der nächste. In Berlin haben wir zum Beispiel Frau Künast mit ihrem Plan, die Gymnasien abzuschaffen oder die flächendeckende Tempo 30-Zone einzuführen, oder aber Herrn Ratzmann, der die Erhöhung der Gewerbesteuer und ihre Ausdehnung auf die freien Berufe fordert. Das dürfen wir den Grünen gemeinsam hier im Haus nicht durchgehen lassen.
Ihre wahren Absichten verstecken die Grünen, deren Programm ansonsten zu 80 bis 90 Prozent mit dem der Linken übereinstimmt, heute hinter blumigen Worthülsen. Das grüne Wirtschaftsmodell soll zum Beispiel „Demokratische Marktwirtschaft“ heißen. Das bedeutet nichts anders, als dass der Staat, dass grüne Politiker entscheiden sollen, in welche Richtung sich Unternehmen und die gesamte Volkswirtschaft entwickeln sollen. Berlin kennt dieses Prinzip bereits als Planwirtschaft. Wohin sie führt, ist uns allen bekannt.
Diese Entwicklung ist für uns nicht hinnehmbar. Wir wollen auch in Zukunft neue Technologien, die sich am Markt entwickeln und bewähren.
Nun haben in Baden-Württemberg die Grünen die Landtagswahl gewonnen. Dies ist anzuerkennen. Herr Kretschmann hat, noch bevor er zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, seine Vorstellung, was das Beste für die ansässige Automobilindustrie sei, kundgetan. Er relativierte das zwar sofort wieder – wie auch die Grünen
hier –, auch aufgehalten durch den Koalitionspartner SPD, dennoch wird sich in den nächsten Jahren die Möglichkeit für Berlin bieten, sich als unternehmens- und wirtschaftsfreundlicher Standort zu profilieren, wenn Baden-Württemberg seine Industrie abwickeln möchte. Diese Chance sollten wir gemeinsam für Berlin nutzen. Wir haben in Berlin zusammen mit dem Land Brandenburg ein großes Flächenpotenzial und einen geeigneten Wirtschaftscluster. Daher brauchen wir eine gezielte Ansiedlungspolitik, die die Chancen nutzt, die uns grüne Irrtümer anderswo bieten. Ich bitte deshalb um Ihre Unterstützung.
Danke, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Herren! Zum Jahresende 2001 belief sich der Schuldenstand des Landes Berlin auf 39 Milliarden Euro. Jetzt, im Jahr 2011, sind wir bei 63 Milliarden Euro. Diese 24 Milliarden Euro sind die Bilanz von zehn Jahren rot-roter Schuldenpolitik.
Wenn wir uns die mittelfristige Finanzplanung von Herrn Nußbaum angucken, dann werden wir im Jahr 2014 vermutlich an die 70-Milliarden-Euro-Grenze stoßen,
es sei denn, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum deutschlandweit weiter so gut ist wie bisher. Wir werden im Jahr eine Pro-Kopf-Verschuldung von ungefähr 20 000 Euro erreichen und liegen damit ungefähr um 25 Prozent über dem Länderdurchschnitt.
Diese nackten Zahlen veranschaulichen sehr gut, weswegen wir eine Schuldenbremse benötigen, weswegen die Entscheidung auf der Bundesebene richtig war, eine Schuldenbremse einzuführen. Ich glaube, es stände uns gut an, wenn das Bundesland Berlin den Beispielen von Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz – alles Bundesländer, die mit einer unterschiedlichen politischen Ausrichtung regiert werden – folgen und auch eine landesspezifische Schuldenbremse einführen würde.
Dies gerade deswegen, weil wir in den letzten Jahren immer wieder gesehen haben, dass der rot-rote Senat oder einzelne Akteure des rot-roten Senats auf der Ausgabenseite nicht die Disziplin an den Tag legen wollen, die notwendig ist, um in Berlin dauerhaft zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kommen. Es ist nicht verwunderlich, dass auch der Rechnungshof dem Land Berlin empfiehlt, zu einer zügigen Aufnahme der Schuldenregelung in die Landesverfassung zu kommen.
Ich weiß, dass es an der einen oder anderen Stelle in der Koalition rechtspolitische Bedenken darüber gibt, ob eine Schuldenbremse überhaupt verfassungsrechtlich zulässig ist. Ich kann nur sagen, auch da wäre eine landesspezifische Regelung sinnvoll. Eine ganz ähnliche Diskussion wurde in Schleswig Holstein geführt. Man ist dort zwar zu dem Ergebnis gekommen, dass man auf der einen Seite das Bundesverfassungsgericht anrufen und prüfen möchte, ob dieser Eingriff vom Bundesgesetzgeber über das Grundgesetz in die jeweiligen Landesverfassungen wirklich möglich ist, hat aber zeitgleich mit den Stimmen aller Koalitionen – außer der Linken, glaube ich; ich weiß gar nicht, ob sie dort im Landtag vertreten sind – beschlossen, diese Schuldenbremse landesgesetzlich zu verankern. Ich glaube, das wäre ein Weg, um auch in Berlin zu einer sauberen Lösung zu kommen, wenn alle hier im Hause der Auffassung sind, dass wir eine Schuldenbremse benötigen und diese Schuldenbremse auch im Jahr 2020 einhalten wollen.
Der Stabilitätsrat hat die drohende Haushaltsnotlage im Land Berlin festgestellt. Das ist ein weiteres Argument, weswegen wir zu einer Schuldenbremse hier im Land kommen sollten. Das gilt auch für Rekommunalisierungsfantasien, die in den letzten Wochen und Monaten immer wieder von Rot-Rot bemüht wurden. Wenn man es mit der Haushaltskonsolidierung ehrlich meint, gibt es, glaube ich, eigentlich keine Argumentation gegen eine Schuldenbremse.
Dem Ansatz der CDU, das durch einen einfachen Satz mit sehr vielen unbestimmten Rechtsbegriffen in die Verfassung aufzunehmen, werden wir nicht folgen können. Das ist zu unbestimmt und auch der Materie und der Ernsthaftigkeit dieser Frage nicht gerecht geworden. Deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen. Ich hoffe aber, dass wir in diesem Rahmen noch zu einer gemeinsamen Lö
sung kommen. – Ich bitte um Unterstützung für unseren Antrag. – Ich danke Ihnen!
Danke, Herr Präsident! – Meine Damen und Herren! Am Wochenende haben wir wieder interessante Einblicke in das Innenleben dieser Koalition bekommen. Wir haben über Fischfabriken und das Führen von Fischfabriken einiges gehört,
Wir haben ein nochmaliges Eingeständnis von Teilen des Senats gehört, dass ein anderer Teil des Senats offensichtlich zumindest eine Mitverantwortung an den überhöhten Wasserpreisen in der Stadt trägt – offensichtlich vor allem der Senator, der in den letzten Monaten am lautesten dagegen krakeelt hat. Es kam zu Kandidatenaufstellungen, und ein Wahlprogramm wurde verkündet.
Leider ist an diesem Wochenende der faule Kompromiss, den SPD und Linke in Bezug auf das wohl asozialste Förderprogramm dieses Senats geschlossen haben, etwas untergegangen. Deshalb wollen wir heute mit Ihnen über den ÖBS reden.
Wir hatten den Eindruck, dass zumindest Teile der SPD in den letzten Wochen verstanden haben: Selbst der Regierende Bürgermeister und der Finanzsenator gestehen ein, dass das Instrument des ÖBS zu teuer und nicht effektiv ist. Die Forderung nach einer Evaluation, wie sie von Teilen der SPD in den letzten zwei Wochen gestellt wurde, geht deswegen auch genau in die richtige Richtung. Wenn man dreistellige Millionenbeträge in den Haushalt einstellt, ist die Frage, ob das Geld im Ergebnis zu einer dauerhaften Verbesserung der Perspektiven der Empfänger führt, eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Das gilt allerdings nicht für die Linken und Teile der SPD.
Frau Senatorin Bluhm! Sie haben Kenntnis davon, dass der ÖBS nicht zu einer besseren Vermittlungsfähigkeit der Teilnehmer führt. Sie wissen, dass der ÖBS nicht nachhaltig vor Armut schützt. Aber das ist Ihnen scheinbar egal. Es geht Ihnen eher um ein Klientelprojekt, das verteidigt werden soll, als dass es um die Menschen geht und darum, dass Sie etwas für die Menschen in dieser Stadt tun.
Der ÖBS ist mittlerweile eine Art „Hartz-IV de luxe“ für einen kleinen Teil – für 5 000 von 240 000 Erwerbs
losen –, die für drei Jahre bevorzugt werden. Für allerhöchstens drei Jahre geht es ihnen besser, aber nachhaltig werden die Perspektiven nicht verbessert. Selbst vor Armut schützt der ÖBS nicht. Spätestens in einer Mehrpersonenbedarfsgemeinschaft werden ergänzende Sozialleistungen fällig. Das ist die erbärmliche Bilanz Ihrer Sozialpolitik.
Es ist bedauerlich, dass die SPD nicht die Kraft hatte, hier ihre Position durchzuhalten. Es sollen nun offensichtlich weiterhin 44 Millionen Euro an Landesmitteln pro Jahr – das sind insgesamt ungefähr 24 000 Euro pro Stelle – für dieses unnütze Programm ausgegeben werden. Der ÖBS wirkt nur in negativer Weise. Bei mindestens 20 Prozent dieser Stellen – das ist eine sehr vorsichtige Schätzung – werden Stellen des ersten Arbeitsmarktes gefährdet. Die Mitarbeiterin einer Wäscherei, die eine Ausschreibung gegen eine ÖBS-subventionierte Wäscherei verliert, wird arbeitslos und darf sich danach in einer ÖBS-Schlange anstellen, damit sie irgendwann, wenn sie Glück hat, gegebenenfalls in einer ÖBS-Wäscherei arbeiten darf. Das ist die gesamte arbeitsmarktpolitische Perversion dieses Programm, das Sie immer noch aufrechterhalten und verteidigen.
Zu den Projekten, die hier gefördert werden, ein Beispiel: In der Programmbeschreibung zu einem Projekt, das das Erstellen von Metallskulpturen vorsieht, heißt es, 13 vorher langzeitarbeitslose Menschen bauen Objekte aus unbrauchbaren Elektroschrottteilen. Dabei beschäftigen sie sich erstmalig ernsthaft mit dem Thema Kunst und Kunsthandwerk. – Das ist der Inhalt Ihres ÖBS. Das muss abgeschafft und gestrichen werden.
Statt sich um rot-rote Klientelprojekte zu kümmern, sollte gerade die Linke dafür sorgen, dass Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Chance haben. Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst. Es ist schon erstaunlich, dass wir in dieser Woche erfahren mussten, dass 12 Millionen Euro an Ausbildungsmitteln in der Berliner Verwaltung einfach verfallen. Es ist umso erstaunlicher, dass ausgerechnet in der Senatsverwaltung, die für Arbeitsmarktpolitik zuständig ist, am meisten Mittel verfallen. Das liegt offensichtlich daran, dass Sie sich dort eher um Ihre Klientelprojekte kümmern, statt Ihre eigentlichen Aufgaben zu erledigen. Über dieses Unvermögen möchten wir heute mit Ihnen reden. Deswegen werben wir um Zustimmung für unser Thema für die Aktuelle Stunde. – Ich danke Ihnen!
Noch nicht Doktor, Herr Präsident!
Ich habe eine Frage an den Finanzsenator Nußbaum. – Herr Nußbaum! Was ist denn Ihrer Erfahrung nach der Unterschied zwischen dem Leiten und Führen einer Fischfabrik
und der verantwortlichen Leitung aus der Eigentümerstellung des Landes Berlin von Beteiligungen, die im Eigentum des Landes Berlin sind?
Wie können Sie sich erklären, dass offensichtlich Ihr Senatskollege Wolf in der vergangenen Woche quasi das Leiten einer Fischfabrik
abfällig formuliert als Kritik an Ihrer Rolle hinsichtlich der Kontrolle von landeseigenen Unternehmen in die öffentliche Debatte eingebracht hat?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie erleben mich einigermaßen ratlos. Ich muss Herrn Lederer und Frau Kolat zu fast hundert Prozent recht geben, was die Einschätzung dieses Antrags angeht.
Das ist mir, glaube ich, auch noch nicht passiert. Wir als FDP haben sicherlich ein anderes Verständnis, wie mit den Wasserbetrieben umgegangen werden soll. Wir sind der Auffassung, dass es zunächst einmal darum geht, den Wasserpreis für die Berlinerinnen und Berliner zu senken. Wir sollten uns also zunächst nicht über die Rekommunalisierungsphantasien von Ihnen allen hier unterhalten, sondern schauen, was wir konkret für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt tun können.
Aber – und da hat Herr Lederer recht – wir sollten zu diesem Antrag reden. Frau Kosche hat in ihrer Rede versucht, diesen Antrag ein wenig zu relativieren, indem sie sagte, es gehe darum, Öffentlichkeit herzustellen, indem man die Unterlagen in Ausschüsse bringe und zu sinnvollen Zeitpunkten – so sagten Sie, glaube ich – dann hier im Parlament berichte. Das steht in dem Antrag aber leider nicht drin. Hier steht, dass Sie alle Verkaufsverhandlungen und alle Abreden veröffentlichen wollen. Dann müssten Sie aber schon den Mut haben, uns zu sagen, wie das gehen soll. Wie wollen Sie Verkaufsverhandlungen in einer Dreierkonstellation – wenn man sie denn schon so führen möchte – in der Öffentlichkeit debattieren?
Wir bekamen am Wochenende den Vorgeschmack auf so etwas: Als in einigen Medien das Stichwort – nachdem Herr Nußbaum es, glaube ich, aufgegriffen hatte – „800 Millionen Euro Kaufpreis für den RWE-Anteil“ auftauchte, haben wir erlebt, wie das dann läuft. Das kann doch keineswegs ein sinnvoller Veräußerungsprozess sein. Das kann nicht im Interessen auch nur eines der Beteiligten sein – außer, man möchte sich in der Öffentlichkeit als eine Form von Gutmensch profilieren. Und ich glaube, das ist genau das, was hinter Ihrem Antrag steht.
Es ist auch interessant, dass in Ihrer Antragsbegründung mehr Substanz ist als in Ihrem Antrag selbst, indem Sie hier klar sagen, dass Sie eine Rekommunalisierung wollen. Das hätten sie auch in den Antragstext selbst hineinschreiben können.
Was sich allerdings hinter dem letzten Halbsatz – eine Rekommunalisierung, die Investitionen ermöglicht und Wasserpreise sinken lässt – genau versteckt, konnten Sie
uns leider bisher auch noch nicht mitteilen, Frau Kosche! Deswegen sollten Sie versuchen, etwas mehr Substanz in Ihre Anträge hineinzubringen, wenn wir hier über die Wasserbetriebe sprechen. Sie müssen mal darstellen, was Sie wollen. Ist Ihre Priorität – ähnlich vielleicht wie bei den Linken –, dass es nur darum geht, zu rekommunalisieren und mehr Eigentum im Landesbesitz zu haben, oder geht es Ihnen um Investitionen, oder geht es Ihnen um eine Senkung des Wasserpreises? Diese Frage müssen Sie uns mal beantworten, aber das tun Sie nicht. Frau Kosche! Solange Sie das nicht tun, kann man diese Anträge leider auch nicht ernst nehmen.
So offen, wie das Ganze hier formuliert ist, hätten Sie auch noch ein paar Sätze dazu sagen können, ob das jetzt grundsätzlich das Vorgehen ist, welches Sie im Umgang mit öffentlichem Eigentum in Berlin anstreben. Wollen Sie grundsätzlich, dass alle Verhandlungen zwischen dem Land Berlin und Privaten in Bezug auf irgendwelche Beteiligungen des Landes Berlin veröffentlicht werden – in genau der Art und Weise, wie Sie es hier in der Weite formuliert haben? – Wenn das Ihr Ansatz ist, dann bitte ich Sie das auch in einer entsprechenden Deutlichkeit zu sagen. Dann wissen wir auch alle – und vielleicht auch Verbandsvertreter etc. in der Stadt –, welche Wirtschaftskompetenz und Beteiligungskompetenz tatsächlich hinter der grünen Fraktion und der grünen Partei steht, nämlich gar keine Kompetenz.
Deswegen kann man diesen Antrag nur ablehnen. Wir haben jetzt leider schon 20 bis 25 Minuten Zeit verschwendet, indem wir uns mit diesem Antrag beschäftigt haben.
Aber ich hoffe, dass wir uns in den nächsten Monaten nicht weiter damit beschäftigen müssen, was diese Ansätze von Ihnen angeht. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Beim letzten Mal habe ich mich eingedrückt, das half auch nicht!
Frau Breitenbach! Was sagen Sie dazu, dass der Finanzsenator, der immerhin von Ihrer Koalition getragen wird, offensichtlich auch der Auffassung ist, dass diese Studien, die Sie hier anführen, offensichtlich nicht ausreichend sind, um die Sinnhaftigkeit Ihres ÖBS nachzuweisen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Japan ist von einer beispiellosen Naturkatastrophe heimgesucht worden, die ein fassungsloses Ausmaß erreicht und ein tiefes Gefühl der weltweiten Sprach- und Hilflosigkeit erzeugt hat. Wir trauern um die Opfer, unser Mitgefühl gilt den Angehörigen und den Hunderttausenden von Obdachlosen, die noch im Katastrophengebiet ausharren. Wir zollen aber auch all den Menschen in Japan Respekt, die in dieser Katastrophe bislang mit bemerkenswerter Ruhe und Zusammenhalt darauf reagieren und vor Ort versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.
Die tatsächlichen Ausmaße dieser Katastrophe sind auch jetzt, sechs Tage nach dem Unglück, immer noch nicht abschätzbar, und wir werden sicherlich noch Wochen brauchen, um dies abschließend bewerten zu können. Angesichts dieses unermesslichen Leids ist es dringend notwendig, dass aus Deutschland umfassende Unterstützung bei der Bewältigung der akuten Krisenfolgen und beim längerfristigen Wiederaufbau geleistet wird. Ich denke, da sind wir uns alle einig, und ich möchte denjenigen, die bereits für Japan, für die Menschen dort, gespendet haben oder sich ehrenamtlich engagieren, einen ganz ausdrücklichen Dank aussprechen.
Hilfsbereitschaft und Solidarität fernab von parteipolitischen Debatten sollten angesichts der aktuellen Situation im Vordergrund aller Bemühungen und Diskussionen stehen. Leider ist dies in den letzten Tagen nicht allen gelungen, und auch heute konnten wir wieder feststellen, dass nicht alle Redner das beherzigen konnten. Ordinäre Eitelkeiten einzelner Gruppen und plumper Wahlkampfpopulismus sind beschämend und pietätlos gegenüber den Opfern
und schaden der notwendigen Sachdebatte in Deutschland.
Der Außenminister spricht vollkommen zu Recht davon, sich in der aktuellen Ausnahmesituation primär auf die Hilfe für die befreundete Nation Japan zu konzentrieren. Der tagtägliche Kampf der japanischen Bevölkerung und die Ängste aller, nicht nur in Japan, vor dem Unvorstellbaren, rechtfertigt keinerlei Besserwisserkampagnen oder primitive Instrumentalisierung der Katastrophe für eigene politische Ziele.
Politik muss die Ängste der Menschen ernst nehmen und sie nicht schüren oder mit ihnen spielen. Herr Wolf! Wenn Sie hier von Milliardengewinnen von Atomkonzernen sprechen und das in Kontext setzen, dass Abermillionen Menschen verlieren würden, wenn Atomkraftwerke länger laufen würden, dann ist das genau die Form von Angst, die wir in der Debatte nicht gebrauchen können.
Das gilt auch für Herrn Ratzmann, der zwei Mal davon fabuliert, dass Tokio evakuiert werden muss. Kein Mensch hat in den letzten Tagen darüber gesprochen, dass der Großraum Tokio evakuiert werden muss. Das ist genau die Art und Weise, wie Sie versuchen, mit den Ängsten der Menschen durch das Erzeugen von Bildern zu spielen. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie gestern noch versucht haben zu erklären, indem Sie sag
ten, man dürfe die aktuelle Debatte nicht für den Wahlkampf instrumentalisieren.
Nein! – Politik muss konsequent reagieren, Herr Mutlu, und zwar dann, wenn sachliche Grundlagen sich offensichtlich geändert haben. Die beiden Naturkatastrophen in Japan und die Vorfälle im Atomkraftwerk in Fukushima stellen eine solche Änderung der Sachlage dar. Es haben sich Risiken materialisiert, die von vielen für unmöglich gehalten wurden. Genau deswegen müssen wir auch über die Kernenergie in Deutschland reden, aber nicht in der Art und Weise, wie es hier gemacht wurde: schwarz-weiß zu malen und abgehoben moralisch zu argumentieren.
Es war – und das vergessen Sie immer wieder – allgemeiner Konsens aller Parteien in unserem Land, aus der Kernenergie auszusteigen. Kernenergie wurde als Brückentechnologie definiert, und das haben auch Sie von Rot-Grün mit Ihrem Ausstiegsbeschluss gemacht. Auch Sie haben gesagt, die Atomkraftwerke müssten bis zum Jahr 2020, 2021 weiterlaufen. Auch Sie wollten die Atomkraft weiter als Brückentechnologie verwenden. Das müssen Sie zunächst einmal akzeptieren. Wenn die Diskussion nun nicht darum geht, ob, sondern wie ausgestiegen wird, dann geht es in der Tat um den Zeitplan. Da bin ich schon verwundert, wie man fünf, sechs Tage nach der Katastrophe in Japan hier in einer Art Basta-Politik sagt, wir müssen noch in dieser Woche etwas beschließen, ohne die genauen Ursachen in Japan gekannt und analysiert zu haben. Wir müssen erst auf Grundlage der Erfahrungen in Japan eine Sicherheitsanalyse machen, und erst dann können wir weiterentscheiden.
Zur Ehrlichkeit der Debatte gehört auch – und das haben Sie leider vergessen –, dass die Themen Energiesicherheit, Klimaschutzziele und Kosten für eine Energieversorgung ohne Atomkraft ebenfalls diskutiert werden müssen. Wenn das nicht passiert, bleibt die Forderung „Abschalten“, die hier von zwei Rednern aufgestellt wurde, nichts als purer Populismus, der mit den Ängsten der Bürger spielt.
So einfach macht sich das die schwarz-gelbe Bundesregierung nicht. Deswegen ist es richtig, dass man den Ansatz eines Moratoriums gewählt hat. In diesen drei Monaten muss die Bundesregierung in der Tat ihre Zeit nutzen, um über ihr Energiekonzept nachzudenken und es nach dem Auslaufen des Moratoriums neu zu ordnen. Wenn man die Aufgeregtheit, auch hier im Saal, hört, hat man schon den Eindruck, dass einige politische Akteure Angst haben, dass gegebenenfalls das Thema der weiteren Nut
zung der Atomkraft durch die Entscheidungen der schwarz-gelben Koalition jetzt in eine geregelte Bahn gelenkt werden, die dazu führt, dass deutlich früher Atomkraftwerke abgeschaltet werden, als nach Ihrem eigentlichen Energiekonsens 2001/2002 geplant.
Nach Ihrem Energiekonsens aus dem Jahr 2001 würden in diesem Jahr noch 15 Atomkraftwerke laufen. Nach den Entscheidungen der letzten Tage der schwarz-gelben Bundesregierung werden es deutlich weniger sein. Auch das gehört zur Ehrlichkeit der Debatte.
Zu den erneuerbaren Energien: Ihr Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland steigt, und das ist gut so. Mittlerweile sind es über 45 Prozent. Das ist eindrucksvolles Indiz dafür, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung keinesfalls den Einstieg in die erneuerbaren Energien bremst oder die Bundesregierungen davor ihn gebremst haben.
Zu Zeiten von Rot-Grün gab es noch einen Anteil der erneuerbaren Energien von 18 Prozent an der Stromversorgung. Am Ende von Rot-Grün waren es fast 30 Prozent. Mittlerweile sind es 46 Prozent. Aber zum Thema erneuerbare Energien – und das hat Herr Henkel zu Recht gesagt – gehört auch immer die Frage: Wie schafft man Speichermöglichkeiten, wie schafft man Trassen? Dazu fehlen die Antworten. Dazu haben auch Sie, vor allem von den Grünen, heute wieder nichts gesagt. Aber das gehört auch zu einer ehrlichen Debatte.
Erneuerbare Energien sind noch nicht grundlastfähig. Der Strom muss irgendwo herkommen, und wenn der Wind nicht weht oder die Sonne nicht scheint, gilt das auch. Es nutzt uns nichts, wenn wir an einem Tag doppelt so viel Strom haben, wie die Gesellschaft braucht, und am nächsten Tag gegebenenfalls entsprechend weniger.
Genau deswegen liefert die Kernenergie immer noch 50 Prozent der Grundlast in Deutschland.
Das hat sich in den letzten zehn Jahren nicht verringert, eben deswegen, weil wir die Probleme mit der Speichermöglichkeit und der Trassenführung haben. Auch hierzu hätte Rot-Grün – wenn man ehrlich miteinander hätte debattieren wollen – etwas sagen müssen. Sie hätten auch etwas zu der Frage der Nutzung von fossilen Energieträgern sagen müssen – und auch etwas zu den Kosten. Der „Spiegel“ – nicht unbedingt ein Magazin, das die schwarz-gelbe Bundesregierung und die Frage des Umgangs mit der Atomenergie vonseiten Schwarz-Gelbs in den letzten Monaten positiv begleitet hat – titelt heute in seiner Onlineausgabe, dass ein schneller Ausstieg aus der Atomenergie 230 Milliarden Euro kosten würde.
Wenn man das möchte – und darüber kann man diskutieren –, dann müssten Sie zumindest sagen, wer das Geld bezahlen soll. Das tun Sie nicht, und das ist das Unredliche an der Debatte.
Am Ende noch ein Satz zu Herrn Müller: In der Tat, Sie können lange und viel darüber diskutieren, welcher Energiemix in Deutschland oder in Berlin wichtig ist. Aber wenn Sie es seit Jahren nicht schaffen, ein energiepolitisches Profil und Konzept für das Land Berlin hier zu beraten und zu verabschieden, dann müssen Sie sich zunächst einmal fragen, ob Sie Ihre eigenen Hausaufgaben gemacht haben. Die Antwort darauf ist ganz klar: Nein. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gerade nach der Rede des Kollegen Lederer möchte ich doch noch einmal festhalten, dass der erfolgreiche Volksentscheid ein klares Misstrauensvotum gegen die Politik des rotroten Senats ist,
vor allem deswegen, weil – wenn man sich die Summe der Menschen ansieht, die für eine Offenlegung gestimmt haben – das mehr Menschen waren, als im Jahr 2006 diese Koalition gewählt haben!
Wenn es um Wasser geht, erleben wir seit Jahren – und auch heute wieder – ein politisches Schmierentheater, und zwar auf Kosten der Berlinerinnen und Berliner.
Man fragt sich, wenn man Herrn Lederer und Herrn Müller hört, ob es sich um eine Tragödie oder um eine Komödie handelt. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Dreistigkeit gerade Sie von den Linken die politische Verantwortung für die Wasserpreise zu verschleiern suchen – ein Versagen der Politik hat uns die Struktur der Wasserbetriebe gebracht, ein Versagen der Politik hat uns aber auch die Preise gebracht, die politisch gewollt oder zumindest billigend in Kauf genommen wurden.
Es ist unbestritten, dass der CDU-geführte Senat 1999 mit dem Abschluss der Verträge erheblichen Schaden für das
Land Berlin verursacht hat. Ein überhöhter Verkaufspreis führte zu überhöhten Gewinngarantien und daraus resultierenden Steigerungen des Wasserpreises. Rückholoptionen, Gestaltungsmöglichkeiten wurden ausgeschlossen. Im Ergebnis haben wir statt eines staatlichen Wassermonopols nun ein halb privates Wassermonopol. Ich glaube, Herr Henkel, die Fehler, die 1999 gemacht wurden, hätten Sie heute auch eingestehen können.
Es ist ein bisschen zu einfach zu sagen, dass die 20 Prozent, die das Land Berlin jährlich vom Umsatz aus den Wasserbetrieben abzieht, alle in eine Kostensenkung der Wasserpreise fließen könnten. Natürlich wird man das eingesetzte Kapital weiterhin verzinsen müssen, eine Verzinsung auf null wird es nicht geben, und es wäre unredlich, dies zu behaupten.
Der eigentliche Skandal ist aber das, was der rot-rote Senat und insbesondere der zuständige Wirtschaftssenator Wolf in den letzten Jahren an Möglichkeiten hat verstreichen lassen, um Korrekturen am Konsortialvertrag vorzunehmen und dadurch weiteren Schaden für das Land Berlin abzuwenden.
Ich glaube, Herr Lederer war es, der die Begrifflichkeit von der Raub- und Beutegemeinschaft in den letzten Jahren geprägt hat. Man muss festhalten, dass Sie von den Linken in den letzten Jahren zum Anstifter und zum treibenden Mittäter dieser Gemeinschaft geworden sind,
in der Verantwortung von Herrn Wolf.
In Ihrer Verantwortung unterblieb im Jahr 2004 nach dem Verfassungsgerichtsurteil die Neuverhandlung der Verträge. Stattdessen missachteten Sie das Urteil des Verfassungsgerichts und hielten trotz rechtswidriger Berechnung an den vereinbarten Gewinnabführungen fest. Bereits im Jahr 2004 hätte der rot-rote Senat die Höhe der Belastungen in verschiedenen Szenarien prüfen und den für Berlin günstigsten Weg zum Ausgleich wählen müssen. Wenn ich sage, „den für Berlin günstigsten Weg“, dann meine ich nicht den Landeshaushalt, den Sie offensichtlich in den letzten Jahren nur in den Augen hatten, sondern den für die Berlinerinnen und Berliner günstigsten Weg.
Entgegen seiner öffentlichen Bekundung für niedrige Wasserpreise hat sich der Senat in den letzten Jahren als eigentlicher Preistreiber bei den Wasserpreisen betätigt, etwa durch die Festsetzung der überhöhten Kapitalverzinsung – über 80 Millionen Euro mehr als die Mindestverzinsung – und durch über 50 Millionen Euro Grundwasserentnahmeentgelt. Das Ganze zementieren Sie noch durch den Anschluss- und Benutzerzwang.
Und, Herr Henkel, das ist an Sie gerichtet: Die FDP hat vor zwei Jahren als einzige Fraktion die Absenkung des Grundwasserentnahmeentgelts hier im Parlament beantragt. Damals haben Sie nicht zugestimmt. Schon damals hätten Sie dokumentieren können, dass Sie unabhängig vom Volksentscheid für niedrige Wasserpreise eintreten wollen.
Was wir hier von Rot-Rot erleben, ist ein staatlich organisierter Raubtierkapitalismus.
Dazu kommt eine offensichtliche Interessenverschränkung bei Wirtschaftsenator Wolf – Sie haben es schon von Herrn Henkel gehört: In seiner Zuständigkeit liegen die Kartellaufsicht, die Gebührengenehmigung und die Festsetzung der Verzinsung, und er hat gleichzeitig einen Sitz im Aufsichtsrat der Wasserbetriebe.
Allein im Jahr 2009 wurden Gewinne in Höhe von 125 Millionen Euro an das Land Berlin abgeführt. Diese überhöhten Ausschüttungen gehen zu Lasten der Berlinerinnen und Berliner. Soziale Wassertarife, das ist das, was Sie gerade wieder predigen, Herr Lederer. Aber überteuerte Wasserpreise genehmigen und selbst kräftig abkassieren – das ist Ihr Prinzip.
Die Offenlegung der Verträge wurde sicherlich durch den Volksentscheid erzwungen. Aber auch ohne die Vertragsveröffentlichung war lange klar, wie sich die Wasserpreise zusammensetzen und an wen die Gewinne und Abführungen geleistet werden. Für uns von der FDP war immer klar, dass es zunächst darum gehen muss, niedrigere Wasserpreise zu erreichen. Deswegen sollten Sie von den Linken, von den Grünen und von der SPD aufhören, über Rekommunalisierung zu schwadronieren.
Doch! Man hat es ja bei Herrn Ratzmann, wenn auch verklausuliert, herausgehört. Sie haben aber sicherlich recht, Herr Lederer – und ich gebe Ihnen selten recht –, mit dem, was wieder an heißer Luft in dem Antrag der Grünen heute produziert wird, was die Offenlegung von allen Vertragsverhandlungen angeht. Da fragt mich sich schon, wie seriös die Grünen Wirtschafts- und Beteiligungspolitik betreiben können.
Verstaatlichung führt nicht zu sinkenden Wasserpreisen. In Potsdam sieht man das wahre Gesicht der Rekommunalisierung. Sie steht nämlich gerade nicht für Bürgernähe, Transparenz und günstige Preise, sondern im Gegenteil für teure Abzocke und verfilzte Strukturen.
Der einzige, der dies im November offen ausgesprochen hat – und das muss man hier einmal lobend erwähnen –, war der Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Müller. Sie haben im letzten Jahr zurecht darauf hinge
wiesen, dass es mit einer höheren Landesbeteiligung nicht günstiger werden würde. So viel Ehrlichkeit würde ich mir auch von Herrn Wolf und der Linken wünschen.
Da wir gerade beim Thema Ehrlichkeit sind: Der Kern Ihrer Argumentation – auch gerade Ihrer, Herr Lederer –, warum Sie keine Maßnahmen zur Senkung der Wasserpreise ergreifen wollen, ist, dass eine einseitige Reduzierung von Seiten des Landes Berlin letztlich zunächst einmal den Privaten nutze. Das aber stimmt gerade nicht. Sie könnten über die Steuerungselemente Grundwasserentnahmeentgelt und Konzessionsabgabe einseitig natürlich dazu kommen, dass sich die Wasserpreise entsprechend reduzieren. Das wollen Sie nicht, aber das ist das wahre Votum vom Sonntag: Dass die Berlinerinnen und Berliner es Ihnen nicht mehr durchgehen lassen, dass Sie durch Verzögerung und Verschleierung davon ablenken, dass Sie der wahre Preistreiber bei den Wasserpreisen in Berlin sind. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man noch einen weiteren Grund brauchte, weswegen wir einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der HOWOGEAffäre brauchen, dann waren es die Wortbeiträge sowohl von Herrn Doering als auch von Herrn Gaebler.