Sieglinde Heppener

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Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2007 verabschiedete der Landtag die Leitlinien zur Seniorenpolitik der Landesregierung „Alt werden im Land Brandenburg“. Ich bin Frau Ministerin Wanka sehr dankbar, dass sie heute bei der Aufzählung der Höhepunkte der Politik der letzten Jahre in Brandenburg auf die Leitlinien zu sprechen kam. In der 9. Leitlinie heißt es:
„Zwischen bisherigem Zuhause und Pflegeheim sind Wohn- und Betreuungsalternativen zu schaffen … Auch in Pflegeheimen setzt sich die Landesregierung für eine neue Kultur des Helfens ein. Ziel ist es, Lebensqualität und Würde auch in der letzten Lebensphase zu ermöglichen.“
Das Gesetz zur Neuregelung heimrechtlicher Vorschriften ist Teil der Einlösung dieses Versprechens der Landesregierung.
Ich habe einen anderen Eindruck als Sie, Frau Wolff-Molorciuc. Ich und auch die älteren Menschen, mit denen ich umgehe, haben die Intention des Gesetzes durchaus verstanden.
Dieses Gesetz steht im wahrsten Sinne des Wortes auf der Höhe unserer Zeit. Es trägt im Ganzen den Forderungen älterer und behinderter Menschen nach mehr Eigenverantwortung, Selbstbestimmung, Teilhabe und Normalität der Lebensführung Rechnung. Es schafft Klarheit und zugleich Offenheit gegenüber der Vielfalt neu entstehender Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten.
So nimmt es keine starre Typisierung von Wohnformen vor etwa nach „Heim“ oder „Nichtheim“ oder nach „stationär“ oder „ambulant“. Entscheidend für den Anwendungsbereich des Gesetzes ist allein die Frage nach dem Grad der strukturellen Abhängigkeit der Bewohnerinnen und Bewohner einer unterstützenden Wohnform vom Leistungsanbieter. Es geht darum, ob sie die Möglichkeit haben, die für ihr Leben unerlässlichen Dienstleistungen ohne Auswirkungen auf das Wohn- und Mietverhältnis frei zu wählen. Damit ist auch das Maß ihres Schutzbedarfs bestimmt.
Ausgehend vom Grad der strukturellen Abhängigkeit und damit der Selbstständigkeit des Menschen verknüpft das Gesetz
auf sinnvolle Weise Eigenverantwortung und Mitbestimmung der Menschen mit ihrem Schutz. Das Gesetz zielt auf so viel Selbstbestimmung wie möglich und so viel Schutz wie nötig.
Dieses Herangehen ist in besonderem Maße für ambulant betreute Wohngemeinschaften wichtig. Sie bieten mehr Betreuung und Hilfe, als in der eigenen Häuslichkeit möglich ist. Zugleich schaffen sie mehr Freiheit und Selbstbestimmung der Lebensführung.
In der Anhörung kamen 16 für die Pflege maßgebliche Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden, Organisationen, Beiräten, Behörden und Dienstleistern zu Wort. Bis auf eine Ausnahme fand der Gesetzentwurf volle Zustimmung. - Auch da muss ich in einer anderen Anhörung gewesen sein als Sie.
Diese Zustimmung galt dem konzeptionellen Herangehen, den im Gesetz fixierten Qualitätsanforderungen, der Auskunfts- und Meldepflicht, dem Verbraucherschutz und Prüfungsregime, dem Abbau von Überregulierungen sowie dem Umfang der gemeinschaftlichen Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner.
Im Ergebnis der Anhörung haben die Koalitionsparteien dem Ausschuss einige Änderungsvorschläge unterbreitet. Es ging um mehr Klarheit und um die Logik einiger Formulierungen, die Wahlmöglichkeiten und die Verantwortungsübertragung in § 11. Eine Eigenversorgung und Leistungsauswahl in einzelnen Bereichen ist nun eindeutiger formuliert.
Die Mitwirkung der in der jeweiligen Einrichtung lebenden Bewohnerinnen und Bewohner in Fragen ihres gemeinschaftlichen Lebens wird durch einen Bewohnerschaftsrat sichergestellt. Über Ombudspersonen haben die Bewohnerschaftsräte die Möglichkeit, auch den externen Sachverstand von Ehrenamtlern hinzuzuziehen.
Viele Seniorenbeiräte haben über Jahre feste Verbindungen zu Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen in ihrer Kommune aufgebaut. Diese Erfahrungen und menschlichen Kontakte sollen nicht verloren gehen. Deshalb bin ich sehr froh, dass in § 16 unter den ehrenamtlich engagierten Personen und Organisationen nunmehr Senioren- und Behindertenbeiräte ausdrücklich genannt werden.
Wir haben ein Gesetz zu verabschieden, das, früher oder später, aber mit Sicherheit, für jede und jeden von uns sehr wichtig sein wird. Es werden neue Wege im Heimrecht beschritten, die noch nicht selbstverständlich sind und neue Regelungen erfordern. Die Brandenburgische Krankenhaus- und Pflegeheimverordnung muss noch durch eine bauaufsichtliche Richtlinie ergänzt werden, die flexible Lösungen für alternative Wohnformen bietet.
Ich bin vom Inhalt und von der Zielstellung des Gesetzes überzeugt und stimme ihm mit meiner Fraktion aus vollem Herzen zu. Mit der Klausel, seine Wirkungen nach zwei Jahren zu evaluieren, verbinde ich weder Zögern noch Unsicherheit, sondern die Überzeugung, dass seine kluge Durchsetzung an alle hohe Ansprüche stellt. - Ich danke Ihnen.
Verehrte Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich sehr bedanken für das, was Herr Dombrowski gesagt hat. Die Beweggründe, die er dargelegt hat, sind die gleichen, die mich auch dazu bringen, für dieses Gesetz zu sein, obwohl auch ich der Meinung bin, dass wir uns die eine oder andere Frage sicherlich noch gemeinsam überlegen müssen.
Für mich sind es vor allen Dingen die Motive. Das sind die Achtung, die Verbeugung vor allen Dingen vor den Opfern und die Hilfe für sie.
Die Lindenstraße in Potsdam, das Stasigefängnis in Hohenschönhausen - wir kennen diese entsetzlichen Orte, wo Menschen einfach verschwanden, ihre Persönlichkeit und Menschenwürde zerstört, ihr Widerstandswille gebrochen werden sollte. Fassungslos registrieren wir die dazu angewandten ebenso primitiven wie perfiden Mittel.
Den Menschen, die dort Wochen und Jahre der Haft erdulden mussten, sind Verletzungen an Leib und Seele zugefügt worden. Lebenszeit und Lebenschancen wurden ihnen gestohlen. Sie leben heute mit Narben auf der Seele. Wunden, die keine Zeit wirklich heilt.
Die demokratische Gesellschaft ist auch und gerade 20 Jahre nach der friedlichen Revolution verpflichtet, diesen mutigen Menschen Ehrerbietung zu erweisen, ihnen mit sozialer und psychologischer Beratung und umfassender Hilfe beizustehen. Sie hat auch dafür zu sorgen, dass das, wofür sie Unterdrückung auf sich genommen haben, Menschenrecht, Menschenwürde, Bedingungen für die freie Entwicklung eines jeden Menschen, wirklich erhalten bleibt und dass wir dies in unserer Gesellschaft weiterentwickeln und verteidigen.
Am 01.12.2008 wurde die Außenstelle des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes in Potsdam geschlossen. Das allein sollte uns veranlassen, jetzt per Gesetz in Brandenburg einen Beauftragten zu installieren. Dabei interessiert mich weniger, weshalb wir bisher diesen Beauftragten im Land Brandenburg nicht hatten. Ich bin der Meinung, jetzt haben wir die Möglichkeiten und die Voraussetzungen sowie die Pflicht, ihn einzusetzen.
Wir wollen den Aufgabenbereich des Beauftragten über die Hilfe für unmittelbar vom Stasiterror Betroffene hinausgehend auf die Wirkungen der Unterdrückungsstrukturen und Methoden des DDR-Staates und seiner unmittelbaren Träger lenken. Auch außerhalb des unmittelbaren Einflusses der Stasi wurden Lebensschicksale beeinflusst, Lebenschancen zerstört.
Dieser weitere Blick ist heute, nach 20 Jahren, möglich und notwendig; für die Stasiopfer und im Interesse der jungen Menschen, die in demokratische Verhältnisse hineingeboren wurden. Der Beauftragte kann von seinem ureigenen Auftrag her zur Auseinandersetzung um Demokratie und Freiheit beitragen. Er kann auch dazu beitragen, ein unverstelltes Bild über die DDR zu zeichnen.
20 Jahre danach sind wir mit Meinungen und Erscheinungen konfrontiert, die nicht nur die Opfer der DDR-Diktatur mit Sorge erfüllen müssen. Das gilt für die Diskussion, ob die DDR ein Unrechtsstaat war, ob von Anfang an oder nur zeitweise im Kalten Krieg. Die Menschen, die wissend, dass sie sich und ihre Familie in Gefahr brachten, Unmündigkeit und staatliche Repression nicht mehr widerspruchslos hinnehmen wollten, haben diesen DDR-Staat sehr deutlich als Unrechtsstaat erlebt und unter ihm gelitten.
Wer einräumt „in der DDR war nicht alles schlecht“, verkennt zumindest, dass dieser Deutschen Demokratischen Republik die unabdingbaren Voraussetzungen der Demokratie und der bürgerlichen Freiheiten fehlten: geheime Wahlen, Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, Gewaltenteilung, Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Diese dringlichen Aufgaben des Beauftragten für die Stasiunterlagen in Brandenburg sind im Gesetzentwurf beschrieben und fanden Zustimmung in Diskussionen im Vorfeld.
Wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs bedürfen meiner Meinung nach jedoch noch sorgfältigen Nachdenkens. Ich sehe die Notwendigkeit, die Aufgaben des Beauftragten so zu bestimmen, dass sie den auf Diktaturfolgen gerichteten weiteren Blick ermöglichen, die ihm per Gesetz zuerkannten personellen und institutionellen Möglichkeiten aber realistisch einschätzen und der im Stasi-Unterlagen-Gesetz festgelegten allgemeinen Zielstellung seiner Arbeit Genüge tun.
Der Landesbeauftragte kann und darf die umfassende Forschung und Aufklärung über den Gegenstand, mit dem er sich unter dem Aspekt der unmittelbaren Folgen für Betroffene beschäftigt, nicht ersetzen. Er ist auf die wissenschaftlichen Ergebnisse der Forschung anderer Einrichtungen - Herr Vietze hat die Einrichtungen umfassend aufgeführt - angewiesen. Es ist noch zu klären, wie er sich in dieses Netz von Forschungen sinnvoll einordnen kann und muss.
Gleiches gilt für die Einbeziehung der Folgen der Nazidiktatur in die Stasi- und DDR-Problematik. Diese Aufgabenstellung ist unter dem Aspekt legitim, dass die Nazidiktatur die Schicksale der in der DDR Lebenden auf vielfältige Weise beeinflusste. Das Erleben der mörderischen Nazidiktatur brachte viele, vor allem junge Menschen, dazu, in dem entstehenden „antifaschistisch-demokratischen Staat“ die Erfüllung ihrer Hoffnungen auf eine bessere Gesellschaft zu sehen. Die Zerstörung des „antifaschistischen Mythos“, seine Demaskierung als Deck
mantel für Diktatur und Menschenrechtsverletzung, in der Opfer der Nazidiktatur zu Tätern und Trägern eines neuen Unrechtssystems wurden, bedurfte schmerzlicher Erkenntnisse und Auseinandersetzungen, die heute noch anhalten. Aus diesen Gründen ist die im Gesetzentwurf verankerte, auf beide deutsche Diktaturen gerichtete Diktaturfolgenperspektive legitim und muss in die Beratungstätigkeit einbezogen werden.
Die weitere Arbeit am Gesetzentwurf muss alle Bedenken ausräumen, Nazidiktatur und DDR-Diktatur gleichzusetzen. Sie muss klären, worin die grundlegenden Unterschiede beider Diktaturen liegen, wie aber aus ihrem Vergleich erst die Unterschiede deutlich gemacht werden können.
Der vorliegende Gesetzentwurf umfasst einen Problemkreis, der tief in Befindlichkeiten von Menschen hineinreicht; meine Vorredner haben davon gesprochen. Da ist es verständlich, dass noch nicht alle Probleme überzeugend gelöst sind. Es gibt für sie keine einfachen Lösungen. Ich halte eine weitere Diskussion für nötig, in der Gründlichkeit vor Schnelligkeit gehen muss. In diesem Sinne sehe ich der geplanten Anhörung mit großer Erwartung entgegen.
Im Ergebnis erhoffe ich ein Gesetz, das den Opfern Hilfe und Genugtuung gibt und den Nachkommenden hilft, die Vergangenheit besser zu verstehen und sich in Gegenwart und Zukunft zurechtzufinden. - Ich danke Ihnen.
Das im Sommer letzten Jahres in Kraft getretene PflegeWeiterentwicklungsgesetz sieht ein Bestimmungsrecht der obersten Landesbehörde zur Errichtung von Pflegestützpunkten vor. Demnach haben die Pflegekassen und Krankenkassen zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten Pflegestützpunkte einzurichten, sofern die oberste Landesbehörde dies bestimmt. Um die integrierte wohnortnahe Beratung und Koordinierung sichern zu können, ist eine Bündelung der Kompetenzen der Sozialversicherungsträger mit denen der Sozialhilfeträger und der Kommunen erforderlich.
Ich frage die Landesregierung: Welche Schritte hat sie in Ausübung ihres Bestimmungsrechts bereits unternommen, um die Errichtung von Pflegestützpunkten zu ermöglichen?
Auf der einen Seite höre ich es gern, dass sich drei solcher Pflegestützpunkte in unmittelbarer Bearbeitung befinden und die Aussichten sehr zukunftsfroh stimmen. Auf der anderen Seite erreichen mich jedoch beunruhigende Nachrichten über Schwierigkeiten bei der Bildung von Pflegestützpunkten in den anderen Landkreisen und kreisfreien Städten. Bis Anfang Juli ist zwar noch etwas Zeit, dennoch möchte ich Sie gern nach den Perspektiven fragen, die Sie für die Erfüllung des Zieles in allen Landkreisen sehen, bis zu dieser Zeit einen Pflegestützpunkt zu errichten.
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Es wurde schon gesagt, dass im Rahmen der Föderalismusreform die Länder die Gesetzgebungskompetenz für das Heimrecht erhalten haben. Die Landesregierung hat diesen Umstand gut genutzt. Die Ministerin hat auch dargelegt, auf welch breiten Schultern die Diskussion geführt worden ist.
Ich bin froh, dass ich Ihnen diesen Gesetzentwurf guten Gewissens zur weiteren Debatte empfehlen kann. Er bietet Lösungsmöglichkeiten für herangereifte Probleme, deren Lösung für alle, die Pflege und Hilfe brauchen, von existenzieller Bedeutung ist.
Unsere alternde Gesellschaft und unsere Achtung vor der Würde des Alters auf der einen Seite und die wachsenden Ansprüche, die die heutige ältere Generation an die selbstbestimmte Gestaltung ihres Lebensabends stellt, auf der anderen Seite erzwingen ein konstruktiv neues Herangehen auch an das Heimrecht.
Zugleich ermöglichen die Fortschritte der Medizin und der Pflegewissenschaften sowie die Erfahrungen der Pflegekräfte, neue Wege zu beschreiten. Letztlich sollte es auch eine Frage der ökonomischen Vernunft sein, nach neuen Ansätzen zu suchen.
Unsere Altenpflegeheime sind heute längst nicht mehr das, was sie noch vor Jahren waren. Unübersehbar ist, mit welchem Erfolg versucht wird, so viel Normalität der individuellen Lebensführung wie möglich zu erhalten und auf individuelle Wünsche der Bewohnerinnen und Bewohner einzugehen.
An die Seite der stationären Einrichtungen für die Menschen Pflege- und Hilfebedarf sind vielfältige andere Wohnformen getreten. Dieser Vielfalt des Wohnens im Alter und bei Hilfeund Pflegebedarf konnte das geltende Heimgesetz nicht mehr gerecht werden.
Als Ordnungsrahmen bot sich nur die Unterscheidung „Heim oder nicht Heim“ an. War es aber ein Heim - das heißt, dort lebten zu pflegende Personen -, so galt automatisch die brandenburgische Krankenhaus- und Pflegeheimbauverordnung mit ihren strengen Auflagen insbesondere für den Brandschutz, deren Einhaltung sich für den größten Teil des betreuten Wohnens und für selbstverantwortlich geführte Wohngemeinschaften als - wenn ich es höflich sagen darf - sehr hinderlich erwiesen hat.
Der vorliegende Entwurf geht in allen mit diesem Gesetz zu regelnden ordnungsrechtlichen Fragen konsequent davon aus, wie sie die Selbstständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen, die gepflegt werden müssen und denen geholfen werden muss, möglich machen, wie sie diese Selbstständigkeit beachten und befördern. Dieses Herangehen hilft heute, die Vielfalt des Wohnens mit Pflege und Betreuung ordnungsrechtlich zu erfassen, Mindestanforderungen an die Qualität und Fachlichkeit der Pflege, Kontrollmechanismen, Personalanforderungen, Mitspracherecht und Mitwirkungsmöglichkeiten sowie den Verbraucherschutz zu bestimmen.
Bisher wurde der zu pflegende Mensch in erster Linie in seiner Schutz- und Betreuungsbedürftigkeit gesehen und wurde dem seine Selbstständigkeit und Selbstbestimmung untergeordnet. Beides wird im Gesetzentwurf nun miteinander vereint. Schutzbedürfnis und Selbstständigkeit schließen einander nicht mehr aus, sondern bedingen einander. Konsequent ist dabei, dass der Gesetzentwurf auf den Heimbegriff, der ja per se auf Betreuung festlegt, verzichtet. Über diesen neuen, vielleicht auch ungewohnten Ansatz werden wir sicher noch diskutieren und überprüfen, wie weit er für die Regelung der einzelnen konkreten Bereiche trägt.
Einzelne Momente des Gesetzes werden wir bis zu seiner endgültigen Verabschiedung noch auf den Prüfstand stellen müssen. Pflege und Betreuung liegen mir aus unterschiedlichen Gründen sehr am Herzen. Deshalb sehe ich der weiteren Diskussion mit großen Erwartungen entgegen und freue mich darauf. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Vietze, es geht heute eigentlich nicht um unsere Haltung zur Geschichte der DDR und um unsere Haltung zur Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur, mit der SED-Diktatur. Damit haben wir uns wie Sie sagten - schon im Dezember 2007 auseinandergesetzt. Ich habe damals meine Meinung - im Namen meiner Fraktion - kundgetan. Jeder, der Interesse hat und darauf zurückkommen will, der kann unsere Meinung im Protokoll nachlesen.
Ein bisschen musste ich lächeln, Herr Vietze, als ich Sie zum Podium gehen sah. Ich habe mich vor vielen Jahren lange Zeit mit der Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland beschäftigt, also auch mit der im 19. Jahrhundert. Ferdinand Lassalle war ein großer, ein bedeutender Mann und klug, aber er hat viele Witze, viel Lachen hervorgerufen, weil er immer, wenn er irgendwo auftrat, mit einem großen Bücherstapel zum Podium ging. Genauso wie die alten Sozialdemokraten über
Ferdinand Lassalle gelächelt haben, habe ich mir erlaubt, heute über Sie zu lächeln.
Der Antrag „20 Jahre friedliche Revolution“, den die Koalitionsparteien vorgelegt haben, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Es geht in diesem Antrag eben nicht um die Geschichte der DDR, um unsere Haltung dazu. Es geht um das Jahr 1989 - um nicht mehr, aber auch um nicht weniger.
1989, das Jahr, das Deutschland - nicht nur den Osten - grundlegend verändert hat, auch wenn das etliche damals noch nicht begreifen oder wahrhaben konnten oder wollten. Ich fürchte nach dem, was ich heute hier gehört habe, dass es auch heute noch solche gibt, die das nicht wahrhaben wollen.
1989 - das Jahr, in dem die Berliner Mauer fiel, die nicht nur Deutschland, sondern auch Europa teilte. Sie war der sichtbare Ausdruck von Menschenfeindlichkeit und Gewalt. Mauern, die um Städte und Länder gebaut werden, selbst die gewaltige chinesische, waren bis dahin gebaut, um vor dem Feind, der von außen kam oder kommen konnte, zu schützen. Die Berliner Mauer, echte Gefühle beleidigend als „antifaschistischer Schutzwall“ bezeichnet, richtete sich gegen die, die innerhalb dieser Mauer zu leben gezwungen waren.
Das Jahr 1989 bezeichnen wir im allgemeinen Sprachgebrauch als Jahr der Wende. Markus Meckel erinnerte uns aber daran, dass dieser Begriff der Wende von Egon Krenz geprägt worden ist.
Der hatte in einem Interview am 3. November 1989 die Stirn, zu behaupten, dass er - er sagte „wir“ und meinte damit das geringfügig personell veränderte Politbüro der SED - die Wende eingeleitet habe. Ich erinnere mich noch deutlich an die Wut, mit der die Demonstranten am 4. November 1989 auf dem Berliner Alex diese unverschämte Lüge registrierten.
1989 war eine Revolution. Die Herrschenden konnten so nicht mehr herrschen, und die Beherrschten wollten diese Herrschaft nicht mehr hinnehmen.
Mehr noch: Es war die erste erfolgreiche friedliche Revolution in Deutschland.
Ich darf den Präsidenten zitieren. Ein „zivilgesellschaftlicher Urknall“, hat er kürzlich gesagt. Es war eine gewaltfreie Umsetzung ohne Blutvergießen und in den Zeiten von Terror und Bürgerkriegen fast ein Wunder, eine gewaltfreie Umwälzung, die demokratische Prinzipien von Anfang an möglich und die Einübung und Handhabung ihrer Regeln nötig machte, eine gewaltfreie Umwälzung, die von vielen unterschiedlicher Herkunft, Lebensauffassung und auch mit unterschiedlicher Zielstellung getragen wurde - darunter waren auch Mitglieder der SED -, ihr Mittun forderte und auch darauf angewiesen war.
Um handhabbar zu sein, ist der Antrag gezwungen - es ist ihm leider auch gelungen -, den heißen Atem der Umwälzung in die Aufzählung einzelner historischer Ereignisse des Jahres 1989 zu fassen; Herr Schrey hat sie auch schon genannt. Ausgehend vom Fall der Mauer wird der Bogen gespannt von den letzten Todesopfern an der Mauer über die Ereignisse in Polen und in Ungarn, die ersten Montagsdemonstrationen bis zum ersten Runden Tisch am 7. Dezember 1989.
Die Nennung dieser historischen Fakten erzeugt bei uns Heutigen, der sogenannten Erlebnisgeneration, zwanzig Jahre danach unterschiedliche Reaktionen. Wir haben sie gerade auch gespürt. Es ist schon ein Unterschied, ob man in Leipzig, in Berlin, in Ungarn oder in der Prager Botschaft mittendrin im Geschehen war oder Geschichte am Fernseher erlebte. Da war es auch noch ein gewaltiger Unterschied, ob man es im Westoder im Ostfernsehen sah. In jedem Fall kann die Erlebnisgeneration Bilanz ziehen, sich an die eigene Haltung erinnern, an die Beweggründe eigenen Handelns, an die Momente des Mutes und der Verzagtheit, an die Hoffnungen und Visionen, auch wenn sie sich als illusionär erwiesen.
Und dann sind da die, für die 1989 nur Geschichte ist, nur zu lernende historische Fakten und Daten. Die heute Zwanzigjährigen wurden gerade geboren. Ihnen liegt das Jahr 1989 so fern wie denen, die bei der Gründung der Bundesrepublik und der DDR 20 Jahre alt waren, die Jahre 1928/29, also die Weimarer Republik, die Weltwirtschaftskrise, wobei - aktuell - 1929 Herbert Hoover amerikanischer Präsident war.
Selbstverständlich, Geschichtskenntnisse können und müssen erworben werden. Fakten müssen gelernt werden. Schulen und andere Bildungseinrichtungen werden und müssen sich dessen annehmen. Aber das kann, wenn wir an das Jahr 1989 denken, nicht alles sein. Das wunderbare Lebensgefühl, im Mittelpunkt der Geschichte zu stehen und selbst an den gesellschaftlichen Veränderungen beteiligt zu sein, der sogenannte zivilgesellschaftliche Urknall, der Mut, die Wut, die Hoffnungen und auch der Humor der vielen Menschen, die mit dem Ruf „Wir sind das Volk!“ und „Keine Gewalt!“ auf die Straße gingen und die die versteinerten Zustände zum Tanzen gebracht haben, dürfen nicht vergessen sein. Es darf nicht vergessen werden, wie wir Demokratie lernten, freie und geheime Wahlen erlebten. Wie kompliziert das oft war bei der Vorbereitung solcher Versammlungen, daran können wir uns alle noch gut erinnern.
Das Hochgefühl dieses Jahres 1989 darf nicht verlorengehen. Wir - die Alten, aber auch die Jungen - brauchen dieses Hochgefühl, um die heutigen Herausforderungen zu bestehen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben die Ministerin gehört; die Landesregierung verfolgt mit dem Entwurf des Brandenburger Altenpflegehilfegesetzes das Anliegen, sich mit der Aus- und Weiterbildung von Pflegekräften zu beschäftigen. Ich denke, sie verfolgt damit aber auch ein Anliegen, das weit über die Gewinnung und Qualifizierung von in der Altenpflege Tätigen hinausgeht: Es geht vor allem auch um die Alten, also uns Alte.
Die Ausbildung und demzufolge auch die Tätigkeit in der Pflege, die bisher auf den beiden Pfeilern Pflegeassistentin als Hilfskraft und Altenpflegerin als Fachkraft beruhte, erhält mit diesem Gesetz ein drittes Standbein: die Altenpflegerhelferin oder den Altenpflegehelfer, die in einem ansteigenden Qualifikationsniveau zwischen Assistenten und Altenpfleger angesiedelt sind. Die Praxis zeigt, Frau Wolff-Molorciuc, dass wir gerade mit dieser Zwischenstufe sehr gut werden umgehen können und die Möglichkeit, qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen, damit vergrößern.
Die Bundesrepublik musste in den letzten Jahren alarmierend rückläufige Zahlen in der Altenpflegeausbildung hinnehmen. Gab es im Ausbildungsjahr 2003/2004 noch knapp 45 600 Auszubildende, so waren es 2006/2007 nur noch 42 400. In Brandenburg ist die Lage weniger alarmierend. An den 13 anerkannten Fachseminaren wurden im Jahr 2007 225 Schülerinnen und Schüler und 64 Umschüler, im Jahr 2008 271 Schülerinnen und Schüler und 84 Umschüler zu Altenpflegefachkräften ausgebildet, wobei die Platzkapazität nicht voll ausgeschöpft wurde. Auch in Brandenburg wird es schwerer werden, Schulabgängerinnen und -abgänger für diese dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft zu gewinnen. Bis zum Jahr 2011 sinkt die Zahl der Schulabgänger auf ca. 40 % des heutigen Wertes.
Das vorliegende Gesetz ermöglicht es, in einer einjährigen Ausbildung an einer staatlich anerkannten Altenpflegeschule einen landesrechtlich geregelten Abschluss als Altenpflegehelferin oder Altenpflegehelfer nach Ablegen einer staatlichen Prüfung zu erreichen. Zugangsbedingung ist die Berufsbildungsreife oder ein der Berufsbildungsreife gleichgestellter Abschluss.
Vizepräsidenten Stobrawa:
Frau Prof. Dr. Heppener, würden Sie eine Zwischenfrage zulassen?
Ich möchte weiterreden; das ist vielleicht besser.
- Ach so. Na ja!
Die Ausbildung besteht aus theoretischem Unterricht im Umfang von mindestens 700 Stunden und der praktischen Ausbildung im Umfang von mindestens 900 Stunden.
In unseren Altenpflegeheimen arbeiten schon jetzt Pflegefachkräfte und Hilfskräfte Seite an Seite. Die Proportion zwischen ausgebildeten Pflegefachkräften und Hilfskräften ist gesetzlich
fixiert. Das eine kann durch das andere nicht ersetzt werden. In den Heimen, die ich besuche - Sie können mir glauben, Frau Wolff-Molorciuc, ich bin oft in Heimen unterschiedlicher Träger und Größe unterwegs, ist man stolz, dass die Zahl der Fachkräfte höher ist, als sie vom Gesetz her vorgeschrieben ist.
Die Menschen, die dort arbeiten, haben eine Verantwortung. Zu dieser Verantwortung gehört auch, dass man dem Menschen, um den es geht, mit der höchstmöglichen Qualifikation entgegentritt. Altenpflegehelferinnen, um die es hier in diesem Gesetz geht, erhalten Kenntnisse und Fertigkeiten, die sie befähigen, alte Menschen bei ihrer Lebensführung zu unterstützen, eine fachkundige Grundpflege zu leisten, bei der Haushaltsführung zu helfen, alte Menschen zu unterstützen, ihre Fähigkeiten und sozialen Kontakte zu erhalten, und Familien und Nachbarschaftshilfe zu begleiten.
Die Ministerin hat dazu ausgeführt, dass dafür nicht immer nur Pflegefachkräfte mit einer dreijährigen Ausbildung nötig sind. Die Durchlässigkeit dieser dreistufigen Ausbildungsstruktur eröffnet den in der Pflege Tätigen Aufstiegschancen, eine wichtige Voraussetzung für Motivation und Arbeitszufriedenheit. Ich unterstütze Ihre Meinung, dass zu dieser Motivation auch entsprechende Arbeitsbedingungen und ein ausreichender Lohn gehören. Dazu gehört sicherlich auch ein Mindestlohn für Pflegekräfte. Dazu gehört aber auch die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln und Aufstiegschancen in seinem Beruf zu haben.
Pflegeassistenten ohne einen staatlich anerkannten Abschluss wird es ermöglicht, durch eine verkürzte Ausbildung zur Altenpflegehelferin diesen Abschluss zu erwerben. Altenpflegehelferinnen können weiterhin in einer verkürzten Altenpflegeausbildung - in der Regel wird es sich dabei um zwei Jahre handeln den Abschluss als Altenpfleger nachholen und als Pflegefachkraft tätig werden.
Die Regionaldirektionen der Arbeitsagentur bieten schon jetzt Basiskurse in der Altenpflege als Altenbegleiter und Sozialassistenten an. Diese Kurse umfassen zwischen 200 und 600 Ausbildungsstunden. Für die Absolventen dieser geförderten Ausbildung bietet das Gesetz die Möglichkeit, mit der verkürzten Ausbildung als Altenpflegehelferin oder Altenpflegehelfer ihre Chancen auf einen Arbeitsplatz in der Altenpflege zu erhöhen.
Oh, ich dachte, dieses Mal schaffe ich es in fünf Minuten.
Ich bin aber tatsächlich schon am Schluss. - Die Zahl der Älteren steigt, das weiß jeder. Die Zahl der Gesamtbevölkerung sinkt. Wir leben länger und bleiben länger fit. Meine Pflegewahrscheinlichkeit zum Beispiel liegt noch bei 5 %, aber bei einem Menschen, der das 90. Lebensjahr überschritten hat, liegt sie schon bei 60 %. Also der Fall der Fälle, dass man Pflege und Hilfe braucht, kann bei jedem und jeder eintreten. Dann sind wir auf qualifizierte Pflegekräfte angewiesen. Die Gewissheit, dass sie dann auch vorhanden sind, nimmt uns die Furcht, den Schrecken vor dieser letzten Zeit des Alterns, in der wir auf Pflege angewiesen sind.
Das Altenpflegehilfegesetz kann dazu einen Beitrag leisten. Ich empfehle die Überweisung des Entwurfs an den Ausschuss. Schönen Dank.
Durch das Pflegeweiterentwicklungsgesetz wird festgelegt, dass Pflegekassen und Krankenkassen zur wohnortnahen Beratung, Versorgung und Betreuung der Versicherten Pflegestützpunkte einrichten, sofern die zuständige oberste Landesbehörde dies bestimmt. Das Land Brandenburg hat in diesem Sinne seine Absicht zur Ausübung des Bestimmungsrechts erklärt. Im Rahmen einer ersten Errichtungsphase soll bis Mitte 2009 in jedem Landkreis bzw. jeder kreisfreien Stadt ein Pflegestützpunkt errichtet werden. Vor zwei Monaten wurde im Sozialausschuss durch das zuständige Fachressort berichtet, dass sich die Verhandlungen für etwa die Hälfte der Landkreise bzw. kreisfreien Städte auf einem guten Weg befinden.
Da mich in letzter Zeit nicht so gute Signale erreichen, frage ich die Landesregierung: Wie weit sind die Verhandlungen zur
Einrichtung von Pflegestützpunkten zwischen den beteiligten Partnern zwischenzeitlich vorangeschritten?
Es klingt so, dass alles gut werden wird, für den Worst Case aber hätte ich die Nachfrage, ob es Überlegungen gibt, in Ihrem Ressort dieses Bestimmungsrecht auch dann und auf welche Art auszuüben, wenn es nicht so klappt?
Am 18.09.2008 hat der Landtag einen Beschluss zur Überwindung der Unterschiede bei der Rentenberechnung in Ost und West gefasst. Dies war mit der Erwartung verbunden, dass eine Bundesratsinitiative der ostdeutschen Länder kurz bevorsteht, zu der die Landesregierung sich ebenfalls im September per Kabinettsbeschluss bekannt hat. Aktuelle Presseberichte haben zu erheblichen Irritationen - insbesondere unter älteren Menschen - geführt, wie weit die Befassung mit dem Thema auf Bundesebene inzwischen gediehen ist.
Ich frage die Landesregierung: Wie stellt sich der Stand der Umsetzung der Beschlüsse von Landtag und Landesregierung für ein Ende der getrennten Rentenberechnung in Ost und West aus ihrer Sicht dar?
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Um noch einmal das Bild des Auf-den-Zug-Aufspringens aufzugreifen, möchte ich sagen: Wer mich kennt, wird mir sicherlich abnehmen, dass es mir große Freude und Genugtuung bereitet, hier und heute einen Antrag begründen zu können, der darauf zielt, die Unterschiede bei der Rentenberechnung in Ost und West zu überwinden und einen realistischen Weg in einem angemessenen Zeitraum zu beginnen, um zu einem einheitlichen Rentenwert für die Rentnerinnen und Rentner in den alten und neuen Bundesländern zu kommen.
Fast 20 Jahre nach der deutschen Einheit ist Deutschland durch getrennte Rentenberechnungssysteme noch immer in zwei Rentenvölker geteilt. Die Differenz zwischen dem Rentenwert Ost und dem Rentenwert West empfinden die Renterinnen und Rentner im Osten seit langem als ungerecht. Die Lebensleistung von Menschen, die unter gewiss nicht rosigen Bedingungen fleißig gelernt, gearbeitet und Kinder großgezogen haben, erscheint als zweitrangig. Demgegenüber ist ein einheitlicher Rentenwert für die Rentnerinnen und Rentner im Osten eine Sache der Würde und der Selbstachtung.
Die Tatsache, dass die Forderung der Rentenangleichung eine besondere Brisanz dadurch erhält, dass sich die soziale Lage der Rentnergeneration im Osten und im Westen verschlechtert hat, macht die Sache noch wichtiger. Es ist verständlich, dass die Rentner im Osten angesichts der für die Rentner in Ost und West gleichermaßen ungünstigen Entwicklungen große Hoffnungen auf die Angleichung der unterschiedlichen aktuellen Rentenwerte in Ost und West setzen.
Aber es hat sich noch etwas geändert. Stießen unsere Forderungen nach einer Rentenangleichung lange Zeit bei unseren westlichen Altersgenossinnen und -genossen auf wenig Akzeptanz und viel Unverständnis, so hat sich dies im letzten Jahr sehr gewandelt. So unterstützt die Bundesvereinigung der Seniorenorganisationen, die BAGSO, mit ihren mehr als 100 Mitgliedsorganisationen die Forderung nach Überwindung der getrennten Rentensysteme. Frau Merkel hat allerdings erklärt, dass sie in den nächsten zehn Jahren nicht an diese Frage herangehen will. Sie sollte, so wie es meine Partei getan hat, auf ihre Alten hören. Die CDU sollte auf ihre Seniorenunion hören, die seit langem die Forderung nach Rentenangeleichung erhoben hat.
Die Landesregierung wird sich mit den anderen neuen Ländern im Bundesrat für die Vorlage einer einheitlichen Rentenberechnung einsetzen. Sie hat ihren politischen Willen zur Vollendung der Einheit Deutschlands auch für die Rentnerinnen und Rentner erklärt. Dieses seit langem erwartete politische Signal darf auch angesichts der noch ungelösten Probleme - die Ministerin hat darüber ausführlich gesprochen - nicht kleingeredet werden. Getrennte Rentensysteme führten und führen zu keiner Angleichung der Renten.
Die Hoffnung am Anfang der 90er Jahre, das Wirtschaftswachstum in den neuen Ländern so zu stärken, dass über einen schnelleren Lohnanstieg auch die jährliche Rentenanpassung kontinuierlich deutlich höher als in den alten Ländern ausfallen könnte, hat sich nicht erfüllt. Die Schere in der Einkommensentwicklung der Beschäftigten in Ost und West bedingt die Differenz beim Rentenwert. Tatsache aber bleibt, dass ein angemessener Lohn der beste Weg zur Angleichung des Rentenwerts ist. Wer Mindestlöhne durchsetzt, tut letztlich auch etwas für höhere Renten. Wir haben heute früh genügend darüber debattiert.
Des Weiteren ist zu beachten, dass, obwohl bei Männern und Frauen im Osten dank der längeren und kontinuierlichen Erwerbsbiografien ihre Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung höher ist als die ihrer westlichen Altersgenossinnen und -genossen, das Haushaltsbruttoeinkommen der Rentnerinnen und Rentner im Osten aber erheblich niedriger ist. Die Rentner im Osten beziehen 90 % ihres Einkommens aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Bei den Rentnern im Westen sind das 40 %. Deutliche Unterschiede gibt es ebenso bei der Verfügung über Wohneigentum.
Spätestens jetzt möchte ich aber doch eines bemerken: Diese Gegenüberstellung von Ost und West bezieht sich auf das Allgemeine, auf Tendenzen, auf den sogenannten Durchschnittsrentner, den es in der Realität eigentlich nicht gibt. Wir wollen nicht vergessen: Wie in den alten Ländern auch Alte von kleinen Renten leben müssen, so erfreuen sich in den neuen etliche Alte einer recht guten Rente. - Im Alter sozial gesichert zu leben ist mehr als eine auskömmliche Rente. Auch darüber haben wir heute früh schon debattiert.
Eigentlich wollte ich Ihnen noch erklären, wie das mit der Höherbewertung ist, aber das muss ich mir aus Zeitgründen leider sparen. Aber ich möchte hier geltend machen, dass diese Höherbewertung immer noch gilt. Beides gehört zu diesen unterschiedlichen Rentensystemen: sowohl die Unterschiede im Rentenwert, der für einen Entgeltpunkt gilt, als auch die Höherbewertung, die dort einsetzt, wo man überhaupt erst zu den Entgeltpunkten kommt. Wenn wir eine Angleichung der Renten in Ost und West haben wollen, müssen wir beides ändern. Es geht einfach nicht, dass man das eine tut, aber das andere nicht.
Außerdem muss man, wenn man einen Blick auf den angesprochenen Bundeshaushalt wirft, feststellen, dass schon jetzt 80 Milliarden Euro aus Steuermitteln in die Rentenkassen fließen. Wie wollen Sie da eine allgemeine Höherbewertung der aktuellen Ostrenten aus Steuermitteln realisieren? Ich finde es einfach unredlich, jetzt diese Diskussion so zu führen, als würden die Rentnerinnen und Rentner im Osten morgen eine höhere Rente bekommen. Das ist unredlich. Die Achtung vor der Würde des Alters sollte es Ihnen verbieten, so etwas zu tun.
Ich möchte noch etwas im Hinblick auf die Diskussion von heute morgen sagen: Ich kann es nicht mehr ertragen, dass uns Alten eingeredet wird, wir seien so arm und würden immer ärmer.
Das macht Angst, demotiviert und züchtet Selbstmitleid. Was ich für noch schlimmer halte, ist die Tatsache, dass die Alten, die in unserem Land wirklich arm sind, damit zugedeckt werden. Auf die wird nicht mehr geachtet.
Bitte seien Sie redlich, auch in Ihren politischen Forderungen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab, und ich bitte sehr darum, dass unserem Antrag zugestimmt wird. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich sehe in der Pflegeversicherung, im Pflegeleistungsergänzungsgesetz und im Pflegeweiterentwicklungsgesetz gute Chancen für alle, die Hilfe und Betreuung bedürfen.
Frau Fechner, können Sie im Ernst den zahlreicher werdenden alten, hilfe- und pflegebedürftigen Menschen ins Gesicht sagen, ihre Probleme, Sorgen und Nöte seien nicht so wichtig, dass sie Gegenstand einer Aktuellen Stunde hier in diesem Hause sein könnten? Ich finde das empörend.
Ich danke meinen Vorrednerinnen Lehmann und Schier, dass sie umfänglich dargestellt haben, was neu in der Pflege ist, welche neuen Anforderungen an die Pflege gestellt werden und wie all das in den Gesetzesgrundlagen zutage tritt. Sie haben auch Zahlen genannt, das heißt auf die Summen hingewiesen, die jetzt in die Pflege gebracht werden. Ich hätte das auch darlegen können, kann mich aber nunmehr auf einen anderen Aspekt beschränken, der wohl mit meinem Alter zusammenhängt.
Ich freue mich über das, was jetzt in der Pflege passiert. Vor gar nicht so langer Zeit habe ich erleben müssen, wie man sich fühlt, wenn man aus heiterem Himmel seine einfachsten Lebensnotwendigkeiten nicht mehr ohne fremde Hilfe bewältigen kann.
Ich spüre es in den Seniorenbeiräten und allgemein in Diskussionen mit Seniorinnen und Senioren immer wieder: Niemand hat Angst davor, alt zu werden, aber wir fürchten uns doch sehr vor der Hilfebedürftigkeit, die irgendwann kommen kann. Wir fürchten uns vor einem Zustand, in dem wir nicht mehr selbst für uns einstehen können. Am schlimmsten ist es für uns, wenn zu dem Gefühl des „Wir werden nicht mehr gebraucht“ noch das Gefühl „Wir fallen anderen Menschen zur Last“ kommt. Angesichts dessen denke ich, dass die heute vorhandenen Gesetze zur Pflege, insbesondere das Pflegeweiterentwicklungsgesetz, neue Wege der Finanzierung der Bedürfnisse in der Pflege eröffnen. Insgesamt können wir mit mehr Zuversicht auf unseren Lebensabend schauen. Dass wir alt und im Alter auf Pflege angewiesen sind, muss eben nicht bedeuten, dass wir unsere Selbstständigkeit und Individualität verlieren. Viele Züge der jetzigen Weiterentwicklung der Pflege gehen gerade in die Richtung, Selbstständigkeit und Selbstverantwortung der Pflegebedürftigen zu stützen.
Es ist heute schon oft gesagt worden - ich kann das aus dem Gefühl der Angst vor Pflege- und Hilfebedürftigkeit heraus nur unterstützen -: Wir möchten so lange wie möglich unabhängig leben. Wir möchten in den eigenen vier Wänden und in der gewohnten Umgebung alt werden.
Diesen Wunsch können wir uns nur erfüllen, wenn wir auf wohnortnahe ambulante Pflegedienste, eine angemessene me
Gesundheit und Pflege sind Themen, die die Menschen in unserem Lande beschäftigen. Damit hat jeder zu tun, und zwar unabhängig davon, ob jung oder alt. Wir haben unserer diesbezüglichen Verantwortung gerecht zu werden.
Wir wären wohl eine schlechte Opposition, wenn wir hier nur Gemeinsamkeiten fänden. Deswegen sage ich Ihnen auch jetzt gleich, wo wir uns sehr viel mehr gewünscht hätten und wo wir Zweifel daran haben, dass das, was angekündigt wird, auch tatsächlich zutrifft.
Es heißt ja immer so schön, die Pflegeversicherung sei die kleine Schwester der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein sehr schönes Bild, weil es zeigt, dass die Familie - das große Versicherungssystem -, die sich um die Gesundheit und das sonstige Wohl von Menschen kümmert, immer größer wird. Vor diesem Hintergrund finde ich es sehr schade, dass wir das Prinzip der Bürgerversicherung nicht konsequent angewendet haben.
Das wäre eine Möglichkeit gewesen, auch für die große Schwester Erfahrungen zu sammeln und das dann richtig anzuwenden.
Noch etwas, was ich etwas bedenklich finde: Notwendig ist natürlich eine Anpassung der Mittel an das, was in der Pflege tatsächlich gebraucht wird. Darüber sind wir uns sicherlich einig. Eine Dynamisierung ist hier also angesagt. Das ist aber nun bis in die übernächste Wahlperiode gestreckt. Ich erinnere dazu an die große Schwester gesetzliche Krankenversicherung. Dafür wurde eine Tabaksteuer erhoben, die mehr als 4,2 Milliarden Euro einbrachte. Das Aufkommen aus dieser Versicherung wurde aber nur in einem Jahr tatsächlich in die gesetzliche Krankenversicherung überführt, weil das durch die Politik zwischendurch schon lange wieder geändert worden war.
Als zweites Beispiel nenne ich in diesem Zusammenhang den hier schon diskutierten sogenannten Morbi-RSA, der 2007 wirksam werden sollte, obwohl wir alle wollten, dass er schon im Jahre 2006 in Kraft tritt. Das hat man nicht geschafft. Nun gibt es das gar nicht mehr. Vielleicht kommt er ja in diesen ominösen Gesundheitsfonds. Jedenfalls zeigt das, wie verlässlich auf diesem Gebiet langfristig angelegte politische Entscheidungen sind. Hier wünsche ich mir von Politik viel mehr Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass tatsächlich konsequent finanziert wird.
Zum Schluss noch etwas Versöhnliches, Frau Ministerin. Ich fand die Veranstaltung am 5. November bei BlauArt, die gemeinsam mit der Senatsverwaltung von Berlin durchgeführt wurde und bei der es um die Ausgestaltung des Heimrechts ging, sehr anregend. Ich stehe voll hinter dem, was Sie dort gesagt haben, nämlich sinngemäß, dass wir ein politisches Konzept brauchen, in dem die Würde und Teilhabe der Menschen im Mittelpunkt stehen, Pflege als gesellschaftliche Aufgabe begriffen wird, wobei Sie in diesen Rahmen auch die Arbeit eines guten Heims gestellt haben. Lassen Sie uns bei allem, was wir landesrechtlich hier zu regeln haben, gemeinsam dafür sorgen, dass die Würde des Menschen dabei immer im Mittelpunkt steht!
dizinische Versorgung und hauswirtschaftliche Dienstleistungen bauen können, und das überall in Brandenburg, in den Städten und in den Dörfern.
Die Ministerin hat vom Vorrang der ambulanten vor der stationären Pflege gesprochen und darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, gerade die ambulante Pflege zu unterstützen. Das hängt mit dem Ziel der selbstständigen Lebensführung zusammen.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch betonen, dass unsere Heime nicht mehr das sind, was sie bis vor kurzem waren. Es ist viel Neues entstanden - natürlich durch die hervorragende Arbeit der in der Pflege Beschäftigten. Ihre Tätigkeit ist geprägt vom Bemühen um eine individuelle Betreuung der Menschen in den Heimen.
Viele Wege, um Aktivität so weit wie möglich zu erhalten, werden jetzt schon beschritten. Ich habe an Veranstaltungen von Gruppen teilgenommen, in denen die Sinne der Menschen Fühlen, Riechen und Schmecken - angeregt werden. Mit anderen Ansätzen sollen Erinnerungen geweckt werden. Durch den Einsatz der Pflegeassistenten eröffnen sich insoweit viel mehr Möglichkeiten zu einer individuellen Beschäftigung - in kleinen Gruppen - mit pflegebedürftigen Menschen.
Es soll nicht vergessen werden, dass es betreute Wohngruppen nicht nur außerhalb der Heime, sondern auch in den Heimen selbst gibt. Wie in den ambulanten betreuten Wohngruppen wird das Leben der Menschen hier nicht auf deren Krankheit bzw. Beeinträchtigung reduziert. Ihr Alltag ist nicht mehr in erster Linie durch die Arbeitsabläufe des Heimes bestimmt, sondern mehr an der Normalität des alltäglichen Lebens orientiert. In diesen Gruppen soll nicht betont werden, was die Menschen nicht mehr können, sondern das, was sie noch oder wieder können. Ihnen wird so viel Eigenständigkeit wie möglich und so viel pflegerische Hilfe wie nötig gegeben. Dadurch wird das Selbstwertgefühl der Hilfe- und Pflegebedürftigen gestärkt und ihre Lebensqualität erhöht.
Angesichts dieser Umstände habe ich die dringende Bitte - die Ministerin hat ihre grundlegende Position dazu schon dargelegt -, dass wir uns beeilen, was die Klärung des Verhältnisses von stationären Heimen und ambulanten Wohngruppen angeht, und dass wir die Schutzverantwortung des Staates gegenüber den Hilfebedürftigen mit ihrem Bedürfnis nach eigenständiger Lebensführung in Übereinstimmung bringen.
Die Ministerin hat im Einzelnen zu den Pflegestützpunkten Stellung genommen. Sylvia Lehmann hat zu ihrem Zustandekommen, zu ihren Tätigkeitsschwerpunkten, zu ihren Schwierigkeiten und zu den begleitenden Diskussionen gesprochen. Für mich bleibt eigentlich gar nichts mehr zu sagen. Aber ich habe gerade in der Familie wieder erlebt, wie schwierig es ist, in einer aktuellen Situation schnell Pflege und Hilfe zu organisieren. Die Menschen müssen jetzt noch verschiedene Stellen aufsuchen und meist nicht von vornherein bekannte Wege gehen. Wenn wir den Menschen helfen wollen, brauchen wir dringend eine umfassende, kompetente, wohnortnahe Beratung unter einem Dach; sie soll auch objektiv sein.
Für die Vorsitzende des Seniorenrates spielt hier noch ein Umstand eine Rolle. Schon jetzt sind viele Ehrenamtler in den Heimen unterstützend tätig, zum Beispiel durch ihre Tätigkeit
in den Heimbeiräten, durch Übernahme von Besucherdiensten usw. usf. Aber diese Ehrenamtler, die wir dringend brauchen, um die Pflege zu verbessern, vermissen noch Anerkennung, Weiterbildungsangebote und einen angemessenen Ersatz ihrer Auslagen. Auch für diese ehrenamtlichen Helfer in der Pflege bietet meiner Meinung nach das Gesetz mit den Pflegestützpunkten Lösungen an, die wir entwickeln und nutzen müssen.
Ich bitte darum, gemeinsam alles dafür zu tun, dass diese Orte der Organisierung von Hilfe, Beratung und Sicherheit in komplizierten Lebenssituationen nicht im Gerangel um Kosten und Kompetenzen Schaden erleiden. Es ist heute eine Selbstverständlichkeit, dass wir länger leben und länger leistungsfähig bleiben. Dass mit uns hilfe- und pflegebedürftige Menschen leben, sollte genauso selbstverständlich sein. Auch ihnen gegenüber müssen wir das Hinschauen lernen.
Die Pflegeinitiative hat die schöne Losung: „Später beginnt jetzt“. Dieses „Später beginnt jetzt“ gilt für jede und jeden und überall. - Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich muss nicht viel sagen; ich denke, es hat sich gezeigt, dass diese Abgeordnete keine Ahnung vom parlamentarischen Leben in diesem Lande hat.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen - junge und alte! Die Beschwörung des demografischen Wandels ist Allgemeingut der öffentlichen Diskussion und der Medien. Leider bedeutet dies nicht immer auch die solide Analyse der diesem Wandel entsprechenden demografischen Fakten. Wer ernsthaft vom demografischen Wandel sprechen will, muss die Risiken einer alternden Gesellschaft wohl kennen. Er muss aber auch wissen, welche Möglichkeiten das Alter bietet und welche Kräfte alte Menschen mobilisieren können.
Wer den demografischen Wandel ernst nimmt, muss eine Seniorenpolitik entwickeln, die dem wachsenden Anteil der Älteren in der Gesellschaft und den Ansprüchen von Jungen und Alten an diese Politik gerecht wird. Sie muss Politik für die Alten und mit den Alten sein. Sie muss respektieren, dass die Alten über ihr Leben selbst bestimmen.
Dass wir alle alt werden, kann, solange wir leben, niemand verhindern. Wie wir alt werden, hängt doch sehr von uns selbst ab, von unseren Möglichkeiten, an der sozialen Entwicklung, an Wirtschaft und Kultur nach eigenen Kräften und in eigener Verantwortung teilzuhaben.
Vor einem Jahr wurde die Landesregierung von uns beauftragt, seniorenpolitische Grundsätze und Leitlinien zu erarbeiten sowie Zielorientierungen für die Handlungsfelder, die das Leben alter Menschen maßgeblich beeinflussen, zu bestimmen. Dies sollte auf der Grundlage eines modernen Altersbildes und ausgehend von den Lebensbedingungen älterer Menschen im Land Brandenburg geschehen.
Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Gegenüber den immer noch und immer wieder verbreiteten Schreckensbildern einer alternden Gesellschaft und dem Horrorszenario eines Krieges der Generationen fragen die Leitlinien realitätsnah, illusionsund vorurteilslos nach den in der demografischen Entwicklung liegenden Chancen. Es ist doch klar: Die Fernsehbilder, die wir in der ARD über die „Stadt der Greise“ - es wurden Straßenbilder gezeigt, die von sichtbar hilfebedürftigen alten Frauen und Männern in zerrissener oder schlechter Kleidung beherrscht
wurden - oder in der dreiteiligen ZDF-Dokumentation „Aufstand der Alten“ sehen konnten, machen nicht wirklich auf die sich abzeichnenden und mit der wachsenden Zahl hochaltriger Menschen verbundenen Risiken, vor allem für unser Pflegesystem, aufmerksam. Es ist sehr zu bezweifeln, ob solche Panikmache auch nur einen jüngeren Menschen veranlasst hat, sich rechtzeitig auf seine alten Tage - ungefähr im Jahr 2030 - vorzubereiten. Bedient wurden höchstens Ängste vor dem Altern und vor den Alten.
Wer den Pflegenotstand beschwört, beweist, wie weit sich Teile der Gesellschaft von der Selbstverständlichkeit, für Hilfebedürftige zu sorgen, entfernt haben, wie wenig den pflegenden Angehörigen und den professionellen Pflegekräften gesellschaftliche Beachtung und Anerkennung zugewandt wird. Frau Ministerin hat nicht von unserem schönen Plan gesprochen: Wir werden nämlich eine Pflegeoffensive starten, die sich über ein ganzes Jahr erstreckt. Ich glaube, dort werden wir Gelegenheit haben, einen Schritt voranzukommen und bei der Lösung von Problemen, die wir heute noch nicht bewältigen können, ein Stück weiterzukommen.
Nicht mit dem öffentlichen Erscheinungsbild und schon gar nicht mit dem Lebensgefühl der Alten von heute stimmt das, was in den Medien zu sehen und zu hören war, wirklich überein. Die Alten empfinden diese Fernsehbilder als tiefe Beleidigung. Gerade angesichts der wirklichen Probleme eines bis ins hohe Alter würdevollen Lebens dürfen wir eine Stigmatisierung des Alters und der Alten nicht zulassen - ganz zu schweigen davon, dass die so genannten jungen Alten von heute, also die Menschen, die zwischen 60 und 80 Jahre alt sind, fit, vital und gesund sind. Sie wollen die ihnen verbleibenden Lebensjahre sinnvoll verbringen, den Jahren Leben geben. Sie wollen sich mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten nützlich machen. Sie nutzen die vielfältigen Freizeit- und Bildungsmöglichkeiten, reisen um die Welt, engagieren sich im Ehrenamt, kümmern sich um ihre Nachbarn und haben Zeit und Geduld für ihre Enkel. Im alltäglichen Zusammenleben von Jungen und Alten löst sich der Kampf der Generationen in die ganz normalen Unterschiede zwischen Jungen und Alten auf, nämlich in die Tatsache, dass die Alten nicht mehr jung und die Jungen noch nicht alt sind.
Aber die Alten haben den Jungen etwas voraus: Sie waren einmal jung und können sich noch gut daran erinnern - ich hoffe jedenfalls, dass sie es noch nicht vergessen haben -, wie in ihren jungen Jahren die Alten nicht immer großes Verständnis für sie hatten. Unsere Erfahrungen in der Seniorenarbeit beweisen: Dort, wo Alte und Junge einander wirklich begegnen und das Gespräch suchen, zum Beispiel in Schulen, beim geselligen Beisammensein oder beim gemeinsamen Lernen am Computer, gehen sie vertrauensvoll und mit viel gegenseitigem Respekt miteinander um. Die Zahl der Generationentreffs, also der Häuser, die Jugendklub und Seniorentreff unter einem Dach vereinigen, nimmt immer mehr zu.
Zu diesen Erfahrungen gehört nicht zuletzt die Erkenntnis, dass die meisten Dinge, die das Leben der Alten erleichtern, ebenso den Jungen und ihren Familien dienen. Ich nenne hier unter anderem die Fahrstühle, die auch für Eltern mit Kinderwagen oder für diejenigen, die eine volle Einkaufstasche tragen müssen, wichtig sind. Zudem nenne ich die abgesenkten Bordsteine und eindeutige, lesbare Hinweise in der Öffentlichkeit und auf Ämtern.
Neuerdings wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Alten viele Schwierigkeiten mit Verpackungen, mit zu kleingedruckten Gebrauchsanweisungen, Beipackzetteln usw. haben. Aber gilt das nur für die Alten? - Ich denke, das gilt auch für die Jungen.
Das weite Feld der Seniorenwirtschaft und ihre bereits heute merkbare und wachsende Bedeutung - die ältere Generation als Wirtschaftsfaktor, als Konsumenten, als Touristen, als Nutzer von Wellness, Gesundheitswirtschaft sowie von Dienstleistungen und nicht zuletzt auch als treue Mieter - zeigen: Wer die Chancen des demografischen Wandels ergreift, macht das Leben aller ein Stück weit angenehmer.
Alt werden im Land Brandenburg zielt im Kern auf eine aktivierende, auf die Potenzen der Alten bauende Seniorenpolitik. Diese Politik des aktiven Alterns öffnet den Blick der Alten und Jungen für die Möglichkeiten, die eigenen Kräfte zu mobilisieren und Hilfe erst dann einzufordern, wenn sie unausweichlich ist. Diese Politik des aktiven Alterns ist verbindender Gedanke und bestimmt den Gestaltungsrahmen für alle in den Leitlinien erfassten Bereiche der Seniorenpolitik.
Aktives Altern und Ehrenamt gehören zusammen. Die Leitlinien beschreiben und würdigen die vielfältigen Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements alter Menschen. Ohne die große Leistung der Landesregierung am vorliegenden Dokument geringschätzen zu wollen, möchte ich darauf hinweisen, dass es selbst Teil dieses bürgerschaftlichen Engagements ist. Es gibt wohl wenige Dokumente, die in dem Maße Gegenstand der Mitwirkung derjenigen waren, um deren Belange es geht.
Die Forderung des Landtagsbeschlusses, zur Seniorenwoche im Juni 2006 einen ersten Entwurf der Leitlinien vorzulegen und in den Veranstaltungen der Seniorenwoche zu diskutieren, wurde erfüllt. Unter dem Motto der 13. Seniorenwoche „Sozial gesichert, würdevoll leben - heute und morgen“ organisierten die Seniorenbeiräte diese Diskussion und fassten die Beschlüsse dieser Diskussion in Stellungnahmen zusammen. Darüber hinaus arbeitete eine Arbeitsgruppe des Seniorenrats eng mit dem federführenden MASGF zusammen.
Ein Vergleich des ersten Entwurfs mit der Endfassung zeigt, dass die vielen Vorschläge, Bemerkungen und Hinweise Aufnahme fanden; bis auf einen. Es ging den Diskutanten um die Handhabbarkeit, Lesbarkeit und Länge dieses Dokuments. Nun sind die Leitlinien gut lesbar und verständlich. Dennoch blieben es 40 Seiten. Die Brandenburger Seniorenbeiräte bewiesen hierbei ihre Existenzberechtigung und Arbeitsfähigkeit. Ihr Gewicht für eine aktive Seniorenpolitik im Land Brandenburg ist gewachsen.
Lassen Sie mich aus einer Einschätzung des Vorsitzenden des Seniorenbeirats des Landkreises Oder-Spree zitieren. Dort heißt es:
„Der Kreisseniorenbeirat brachte sich aktiv in die Debatte über die Leitlinien der Seniorenpolitik im Land Brandenburg ein. Die Leitliniendebatte hat dafür gesorgt, Probleme und Anliegen der älteren Generation zum Gegenstand der öffentlichen Diskussion zu machen. Mit der Diskussion der seniorenpolitischen Leitlinien ist das Gewicht der Seniorenbeiräte sichtbar gewachsen. Sie ist auch ein Beleg dafür, wie engagiert sich der Seniorenbeirat für ge
samtgesellschaftliche Belange einsetzt. Der Seniorenbeirat erwartet, dass mit der anstehenden Novellierung der Kommunalverfassung auch hinsichtlich der Legitimierung der Seniorenbeiräte eine Lösung gefunden wird.“
Dem möchte ich nichts hinzufügen. Ich bitte Sie, all dies bei der Novellierung der Kommunalverfassung zu beachten.
Die Diskussion in der Seniorenwoche zeigt, dass die Seniorenbeiräte die Leitlinien von Anfang an als ein lebendiges Dokument handhabten und mit Initiativen zur Gestaltung der eigenen Lebensbedingungen verknüpften. Sie messen seine Feststellungen, Einschätzungen und Handlungsorientierungen nicht nur an ihren konkreten Lebensbedingungen, sondern fühlen sich auch für sie verantwortlich.
Eigentlich begann die Arbeit mit den Leitlinien bereits mit der Seniorenwoche und der Abgabe der Stellungnahmen. Die Seniorenbeiräte sind dazu übergegangen, gemeinsam mit den in den Landkreisen Verantwortlichen die konkreten Bedingungen und Anforderungen an die Seniorenpolitik vor Ort zu bestimmen und eigene Leitlinien zu erarbeiten.
Ich möchte mit einem Wort des ehemaligen Bremer Bürgermeisters Henning Scherf schließen. Er hat kürzlich ein Buch unter dem optimistischen Titel „Grau ist bunt - Was im Alter möglich ist“ herausgegeben. Dort beschreibt er ein sehr schönes Bild für unser Altern. Ich zitiere:
„Wer an einem Zaun entlanggeht, wird die einzelnen Latten kaum unterscheiden können. Doch wer sich umblickt, erkennt, wie lang die Strecke ist, die hinter ihm liegt. Vielleicht muss man deswegen auch so aufpassen, dass man etwas aus seinem Alter macht, bevor es etwas aus einem macht.“
Ich danke für die Aufmerksamkeit und die Geduld.
Im Februar dieses Jahres beschloss der Landtag, die Landesregierung aufzufordern, seniorenpolitische Leitlinien vorzulegen. Termingemäß wurde dem Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie im April ein Rohentwurf unter dem Titel „Alt werden im Land Brandenburg - Leitlinien zur Seniorenpolitik“ vorgelegt. Über den Entwurf wurde dann in den Seniorenbeiräten diskutiert. Der Seniorenrat des Landes Brandenburg e. V. legte ebenso wie die kommunalen Spitzenverbände und die Liga der Freien Wohlfahrt eine Stellungnahme vor.
Ich frage die Landesregierung: Wann kann mit der Verabschiedung der seniorenpolitischen Leitlinien gerechnet werden?
Mit der Begründung notwendiger Sparmaßnahmen beabsichtigt die Landesregierung, bis zum 31. Dezember 2007 die Polizeiwachen Potsdam-Nord, Jüterbog, Beeskow und Cottbus-City zu schließen. Bis Ende des Jahres 2009 soll auch die Schließung der Polizeiwachen Nauen und Zossen eingeleitet werden.
Ich frage die Landesregierung: Anhand welcher Kriterien wurden die zu schließenden Polizeiwachen im Einzelnen ausgewählt?
Herr Innenminister, vielen Dank für die Beantwortung meiner Frage. Ich habe eine Nachfrage. Sie haben an die Abgeordneten der entsprechenden Wahlkreise einen Brief geschrieben, in dem Sie den Fakt der Schließung einer Polizeiwache in unserem Wahlkreis mitteilten. Leider haben Sie uns darin die Gründe bzw. die Kriterien für die Schließung, nach denen ich fragte, nicht kenntlich gemacht. Nun sprechen Sie von einem Bericht, auf dessen Grundlage Sie diese Entscheidung getroffen haben. Wäre es möglich, dass die entsprechenden Abgeordneten diesen Bericht zur Kenntnis bekommen?
Mit dem Erlass des damaligen Ministeriums für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr zur Förderung der behindertengerechten Anpassung von Mietwohnungen - Wohnraumanpassungserlass - vom 2. Juli 2002 wurde für schwerstmobilitätsbehinderte Menschen eine nachträgliche behindertengerechte Anpassung ihrer vorhandenen Mietwohnung mit dem Ziel gefördert, durch Nach- und Umbauten Barrierefreiheit herzustellen. Die Geltungsdauer dieses Erlasses wurde wiederholt verlängert. Sie läuft zum Jahresende 2006 ab.
Ich frage die Landesregierung: Wie soll - auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse der bisherigen Fördermöglichkeiten - dem wachsenden Bedarf an behindertengerechtem barrierefreien Wohnraum vor allem alter Menschen, die so lange wie möglich in ihrer Wohnung bleiben wollen, ab 2007 entsprochen werden?
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als nun schon langjährige Vorsitzende des Seniorenrates des Landes Brandenburg wäre ich wohl die Letzte, die die Gelegenheit nicht mit beiden Händen ergreifen würde, über Existenzfragen der älteren Generation in Brandenburg, also Menschen meines Alters, zu sprechen. Es bereitet uns Alten Genugtuung und Freude, dass sich in letzter Zeit so viele um uns kümmern wol
len. Deshalb möchte ich mich auch im Namen meiner Mitstreiterinnen und Mitstreiter bei den Initiatoren dieser Aktuellen Stunde bedanken.
Über Seniorinnen und Senioren, ihre Leistungen für Familie und Gesellschaft und ihre Forderungen an die Gesellschaft kann, wenn es nur nach uns ginge, nicht oft genug geredet werden. Trotzdem kann ich nicht verhehlen, dass wir diesen Zeitpunkt, im Landtag so umfassend über Seniorenpolitik zu debattieren, was ja nicht so oft vorkommt, nicht für den allergünstigsten halten.
Die Koalitionsparteien werden Sie im weiteren Verlauf der heutigen Sitzung um Ihre Zustimmung zu ihrem Antrag „Brandenburger Seniorenpolitik aktivieren“ bitten. Ohne der Begründung dieses Antrags vorgreifen zu wollen, möchte ich schon jetzt auf seinen Kern hinweisen. Er umreißt ein der demografischen Entwicklung, der wissenschaftlichen Erkenntnis und unserer Lebenserfahrung entsprechendes Bild vom alten Menschen und einer Gesellschaft des langen Lebens. Ausgehend davon soll die Landesregierung ihre Position zur Seniorenpolitik in Form von Leitlinien darlegen sowie die Handlungsfelder engagierter Seniorenpolitik bestimmen und beschreiben. Ein solches Dokument, das, wenn auch unterschiedlich in Herangehensweise und Umfang, in Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in den letzten Jahren vorgelegt wurde, fordern die Brandenburger Seniorenbeiräte auch für Brandenburg.
In den Gesprächen des Ministerpräsidenten mit dem Vorstand des Seniorenrates und mit einer Anhörung des Seniorenrates vor dem Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie kamen wir diesem Ziel jetzt schon sehr nahe. Wir wollen, dass ein diskussionswürdiger Entwurf dieses Dokuments Anfang Juni zur 13. Brandenburgischen Seniorenwoche vorliegt und auf ihren Veranstaltungen diskutiert wird. Wir werden uns über unsere Lebensbedingungen unterhalten, darüber, was wir nach einem langen, arbeitsreichen Leben von der Gesellschaft verlangen und was die Gesellschaft von uns erwarten kann. Es sollen die Menschen gefragt werden, die Seniorenpolitik direkt und am meisten angeht und die folglich hierbei die sachkundigsten Berater sind. Wir Alten mögen es nicht so sehr, wenn so viel über uns und so wenig mit uns geredet wird.
Deshalb hätten sich die 2 000 in den mehr als 180 Brandenburger Seniorenbeiräten engagierten Frauen und Männer auch die heutige Debatte besser nach und im Ergebnis der Seniorenwoche gewünscht.
Für besonders wenig hilfreich halte ich es, wenn die seniorenpolitische Sprecherin der Linkspartei, wie aus der Presse zu erfahren war, schon jetzt weiß, dass diese erst zu formulierende Seniorenpolitik der Landesregierung nebulös ist. Seniorenpolitik muss die demografische Entwicklung sowohl als gesellschaftliche Herausforderung begreifen als auch in einem harmonischen Miteinander der Generationen gestalten.
Um deutlich zu machen, worum es geht, einige Zahlen, die in der Debatte sicher noch oft genannt werden. Von 1990 bis 2002 wuchs in Brandenburg die Zahl der Menschen, die 65 Jahre
und älter sind, um 50 %. Im Jahre 2020 werden 25 % der Brandenburger Gesamtbevölkerung zu denjenigen zählen, die älter als 65 Jahre sind. Seniorinnen und Senioren sind also keine kleine Randgruppe, und wenn man genau hinhört, auch keine Gruppe mit partiellen Interessen. Sie sind gleichberechtigter und gleichverpflichteter Teil der Gesellschaft. Politik, die ältere Menschen mit ihren Kenntnissen und Lebenserfahrungen mit anderen Generationen gleichberechtigt beteiligt, stärkt die ganze Gesellschaft.
Wir sind eine Gesellschaft des langen Lebens. Gemessen an unseren Großeltern werden uns Alten Lebensjahre geschenkt, die wir gut nutzen wollen. Nach 1990 stieg innerhalb von 15 Jahren die Lebenserwartung der alten Frauen von 81 auf 84 Jahre und der alten Männer von 78 auf 81 Jahre. Schon 2003 gab es in Brandenburg 622 Frauen und 210 Männer, die ihren 100. Geburtstag gefeiert haben. Im Vergleich mit der Zeit von vor 100 Jahren hat sich die Lebenserwartung der Menschen verdoppelt.
Die unter den Bedingungen einer geringeren Lebenserwartung zwangsläufig das Bild vom alten Menschen prägende Hilfeund Pflegebedürftigkeit kennzeichnet heute weitgehend nur die letzten Lebensjahre - die Lebensphase der Hochaltrigkeit. Während von den über 85-Jährigen 20 % in Pflegeheimen leben, sind es bei den über 75-jährigen 5 % und bei den über 65-Jährigen ist es nur 1 %.
Gesellschaftliche Veränderungen und medizinischer Fortschritt haben in den Industrieländern nicht nur zu einer längeren Lebenszeit, sondern auch zu einer längeren Gesundheit, Fitness und Leistungsfähigkeit der Menschen geführt. Die so genannten jungen Alten möchten aktiv sein, mitwirken und sich einmischen. Seniorenwochen mit je 1 000 Veranstaltungen und jeweils etwa 100 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zeigen beispielhaft die Vorstellung der Alten über ihre aktive Einmischung. Ihre Mottos in den letzten Jahren hießen 1998 „Den Jahren Leben geben - älter werden in Brandenburg lohnt sich“, 1999 „Eine Gesellschaft für alle Lebensalter“, 2002 „Angepackt und mitgemacht im Lande, wo der Adler lacht“, 2003 und 2004 „Aktiv und selbstbewusst mitten im Leben“ sowie 2005 „Jung und Alt gestalten gemeinsam die Zukunft“.
Die von den Alten mitgebrachten Voraussetzungen für ihre Aktivität konnte in diesem Maße keine Seniorengeneration vor ihnen vorweisen. In der Mehrheit sind sie materiell gesichert, ökonomisch unabhängig und gut ausgebildet.
Es bereitet uns große Sorge, dass dies angesichts von Vorruhestand und Arbeitslosigkeit auf die folgende Rentnergeneration nicht mehr zutreffen wird. Das Einkommen der gegenwärtigen Brandenburger Rentnergeneration basiert auf der vorwiegend aus der Sozialversicherung gezahlten Rente.
Obwohl jeder einzelne Fall bereits heute ein Fall zu viel ist sowie fehlender Inflationsausgleich und steigende Abgaben in den letzten Jahren eine reale Kürzung der Renten für alle Rentnerinnen und Rentner mit sich brachten, ist Altersarmut in Brandenburg gegenwärtig noch selten. Lediglich 1 % der 460 011 Rentner über 65 Jahre erhalten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Alarmierend sind dabei - bezogen auf die Rente - die ungleichen Lebensbedingungen von Frauen und Männern. Männer erhalten höhere Renten. Der Anteil der Rentnerinnen, die weniger als 500 Euro im Monat an Rente
ohne Witwenrente - beziehen, ist mit 13,7 % wesentlich höher als der entsprechende Anteil der Rentner mit 4,6 %. Nahezu bei der Hälfte der Frauen liegt der Rentenzahlbetrag zwischen 500 und 900 Euro; die Hälfte der Männer liegt dagegen mit 900 bis 1 300 Euro im Monat deutlich darüber.
Gute Lebensbedingungen alter Menschen sind jedoch mehr als ein auskömmliches Einkommen. Sie fürchten in der Regel nicht, alt zu werden, sondern im Alter nicht mehr gebraucht zu werden. Wir wollen ein sinnerfülltes Leben führen und sicher sein, dass für uns gesorgt wird, wenn wir nicht mehr für uns selbst sorgen können.
Der Seniorenrat hat die diesjährige Seniorenwoche unter das Motto „Sozial gesichert, würdevoll leben - heute und morgen“ gestellt. Ein sozial gesichertes Leben muss für die ältere Generation einschließen, dass ihre Lebensleistung anerkannt wird und sie ihre Kenntnisse und Erfahrungen in der gesellschaftlichen Mitwirkung und politischen Teilhabe nutzen kann. Die Seniorinnen und Senioren wollen im Zusammenwirken mit den Schulen und als Großeltern ihren besonderen Beitrag für die Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen leisten.
Junge und Alte sollen die gleichen Chancen der individuellen Entwicklung haben. Lasten und Chancen des demografischen Wandels müssen solidarisch auf alle Generationen verteilt werden.
Wir müssen uns um die künftige Gestaltung der Lebensbedingungen in den ländlichen Gebieten sorgen. Die Bewohnerzahl in den berlinfernen Gebieten Brandenburgs nimmt sichtbar ab und in den Dörfern bleiben die Alten übrig.
Wie werden sich deren Lebensbedingungen in Zukunft gestalten? - Auch hier haben wir den politischen Anspruch der Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen, die den Alten ein selbstbestimmtes Leben garantieren und die natürlichen altersbedingten Nachteile kompensieren. Unser humanistisches Anliegen ist die Wahrung und Erleichterung des Zugangs zu sozialen Einrichtungen und Dienstleistungen für ältere Menschen.
Kluge Lösungen für die Versorgung mit Konsumgütern sowie erreichbare und bezahlbare Transportmittel müssen gefunden werden und die medizinische Betreuung muss gesichert sein.
Frauen und Männer, die ihr Leben aktiv gestaltet haben, wollen auch im Alter selbstbestimmt leben und über ihre Lebensführung selbst entscheiden. In der Diskussion über die beiden Demografieberichte der Landesregierung ist vieles in Bewegung gekommen. Nennenswert sind vor allem die Bemühungen der Gemeinden und der Wirtschaft um altersgerechten Wohnraum und Pflegeeinrichtungen, die eine angemessene ambulante und stationäre medizinische und pflegerische Betreuung garantieren.
Die demografische Entwicklung zwingt uns, gemeinsam mit den Alten nach neuen Lösungen zu suchen. Die vielen regionalen Erfahrungen mit vorhandenen unkonventionellen Angeboten für Wohnen und Pflege müssen verbreitet und miteinander besser vernetzt und ein Beratungssystem muss ausgebaut werden. Mobile Pflegedienste und Angebote des Hauswirtschaftsservice sowie Nachbarschaftshilfe und andere ehrenamtliche Initiativen schaffen die Voraussetzungen für ein langes Verweilen alter Menschen in ihrer eigenen Wohnung.
In Brandenburg entstanden Projekte, in denen Junge und Alte neben der abgeschlossenen eigenen Wohnung - Gemeinschaftseinrichtungen gemeinsam nutzen und einander helfen. Eines dieser Projekte trägt den wunderbaren Titel „Glücksmomente“. Ich denke, das wird sich auch hier entwickeln.
Einig sollten wir uns darüber sein, dass eine - aufgrund des zu erwartenden wachsenden Pflegebedarfs - wachsende Zahl von Pflegeheimen weder ökonomisch möglich noch sozial wünschenswert ist. Für die Lebensbedingungen der steigenden Zahl alter Menschen gibt es weder schnelle Lösungen noch eine Formel für die sofortige Lösung aller Probleme. Wollen wir künftig im umfassenden Sinn barrierefrei leben, sollten wir vor allem mit barrierefreiem Denken beginnen und dabei auf den Rat, die Lebenserfahrung und Aktivität der Alten vertrauen. - Ich danke Ihnen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie im Namen meiner Fraktion um Ihre Zustimmung zu unserem gemeinsam mit der CDU eingebrachten Antrag „Brandenburger Seniorenpolitik aktivieren“ bitten. Ein solcher Antrag und Landtagsbeschluss ist längst fällig. Dieser Antrag lässt deshalb bei all jenen, die sich in der Arbeit mit den Alten und für die Alten engagieren, vor allem bei den vielen ehrenamtlich Tätigen, das Herz höher schlagen.
Die Landesregierung wird mit diesem Antrag aufgefordert, seniorenpolitische Grundsätze und Leitlinien zu erarbeiten und dem Ausschuss für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie bis Ende Mai dieses Jahres einen ersten Entwurf vorzulegen. Diese Leitlinien sollen durch die Ausführung von für die Altenarbeit wichtigen Handlungsfeldern und die Bestimmung der hier zu erreichenden Ziele konkretisiert werden.
Bedeutsam ist, dass mit Annahme dieses Antrags des Landtags die Landesregierung aufgefordert wird, den Seniorenrat des Landes Brandenburg in angemessener Form in diese Arbeit einzubeziehen. Erste Verständigungsrunden zwischen dem Vorstand des Seniorenrates und dem Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie haben bereits stattgefunden.
Wie wir die Diskussion über die Leitlinien mit den im Seniorenrat vertretenen Organisationen und Verbänden und den Seniorenbeiräten in den Landkreisen, Städten und Gemeinden organisieren wollen, habe ich schon heute Vormittag dargestellt. Dann wäre eine allgemeine Aussprache über Seniorenpolitik sicherlich sehr wichtig und sehr günstig.
Brauchen wir überhaupt diesen Antrag und seine Beschlussfassung? Um es vorwegzunehmen: Ja, die Alten und auch die Jungen, die Landesregierung, die Verantwortlichen in den Landkreisen, Städten und Gemeinden, die Wirtschaftsunternehmen, die auf sozialem Gebiet, in Bildung, Kultur und Sport Tätigen, alle brauchen diesen Landtagsbeschluss.
Vieles ließe sich hier sagen, ich möchte jedoch nur vier Gründe nennen.
Erstens: Die Landesregierung Brandenburg hat 1998 erstmalig und leider letztmalig eine umfassende Sozialberichterstattung „Altenpolitik in Brandenburg“ - Landesaltenbericht - vorgenommen und dabei wichtige Aspekte der Politik für und mit älteren Menschen formuliert. Die sozialpolitischen Konzepte, Grundsätze, Programme und Leitlinien anderer Bundesländer sind jüngeren Datums. In zwei Demografieberichten zu der neuen Förderpolitik und dem Schwerpunkt Familienpolitik, hat die Landesregierung die Weichen für eine Politik gestellt, die den Herausforderungen des demografischen Wandels begegnet und seine Chancen zu erschließen hilft. Die Grundsätze und Leitlinien „Alt werden in Brandenburg“ runden diese politischen Weichenstellungen ab. Brandenburg kann sich aus eigener Kraft nur erneuern, wenn alle Brandenburger, auch die älteren, ihre Kräfte aktiv einsetzen.
Zweitens: Entscheidende Veränderungen in der Politik können nur vollzogen werden, wenn sie mit einem gesellschaftlichen Mentalitätswandel verbunden sind. Das gilt für Familien- und Kinderfreundlichkeit und mit Blick auf die ältere Generation gleichermaßen.
Der demografische Wandel verlangt ein Bild vom Alter, das die Alten in die Gesellschaft integriert. Das Alter ist eine aktive Lebensphase. Wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter zusammengehören, sind die Alten und Älteren Teil der Gesellschaft. Ein Altenbild, das die Alten schlechthin als kranke, hilflose und pflegebedürftige Betreuungsobjekte auffasst und behandelt, geht an der Realität vorbei und schließt - ob gewollt oder nicht - die Alten aus dem gesellschaftlichen Ganzen aus,
ganz zu schweigen von menschenfeindlichen Auffassungen über die Alten als Kostenfaktor und gesellschaftlichen Ballast. 90 % der Älteren führen einen eigenen Haushalt, leben in der eigenen Wohnung. Eine im Landkreis Oder-Spree durchgeführte Befragung hatte das bemerkenswerte Ergebnis, dass nur 6,6 % der Befragten in ein Heim gehen würden, wenn sie Hilfe brauchten.
Die Alten bringen sich auf vielfältige Weise in die Gemeinschaft ein. Die Beteiligung der Alten an der ehrenamtlichen Arbeit in den Sport- und Kulturvereinen, der Feuerwehr, an Schulen, in der Ausländerintegration, in der Nachbarschaftshilfe, im Umweltschutz, in Heimbeiräten und als Zeitzeugen ist in Brandenburg überdurchschnittlich hoch. Ein Drittel der 60- bis 70-Jährigen engagiert sich im Ehrenamt. Von den über 70-Jährigen leistet fast ein Drittel ehrenamtliche Arbeit.
So wichtig wie die Großeltern für die Familie sind, so wenig kann zivilgesellschaftliches Engagement auf die Alten verzichten. Angesichts des demografischen Wandels wird dieses Engagement der Alten unverzichtbar.
Drittens: Unsere familienpolitischen Leitlinien blieben unvollständig, wenn wir die Großeltern außen vor ließen. Auch wenn die Generationen immer seltener gemeinsam unter einem Dach leben, gehören die meisten Großeltern doch zur Familie. Eine repräsentative Umfrage unter den 40- bis 90-Jährigen ergab, dass ein Viertel der 55- bis 69-Jährigen regelmäßig die Enkelkinder betreut. Die Summen, die Großeltern ihren Enkeln zukommen lassen, sind enorm.
Im Zusammenleben der Familien funktioniert die Beziehung von Großeltern und Enkeln oft besser als die zwischen Eltern und Kindern. Die Alten verfügen über mehr Gelassenheit, die aus der Lebenserfahrung resultiert. Ein lange gelebtes Leben hilft dazu, die Sorgen, Nöte und Wünsche der Enkel richtig einzuordnen, sie nach Gebühr ernst zu nehmen, aber auch Schwierigkeiten zu überwinden. Das Vorbild der Großeltern wirkt oft mehr als das der Eltern. Dass es nicht immer nur die leiblichen Großeltern sein müssen, beweisen die vielen guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit von vielen Seniorenbeiräten mit den Schulen etwa im Rahmen des gemeinsamen Projekts von Ministerium für Bildung, Jugend und Sport und Seniorenrat „Senioren für Junioren“.
Viertens: Die wirtschaftlichen Folgen von Seniorenpolitik sind nicht nur steigende Kosten. Die ältere Generation wird zunehmend zu einem Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung. Frau Schier hat vorhin bereits sehr ausführlich dazu gesprochen.
In der Literatur wird mehr oder weniger exakt von Seniorenwirtschaft gesprochen. Werbung und Unternehmen haben die Alten als potente Konsumenten entdeckt. Seniorengerechte Produkte und Dienstleistungen zielen nicht nur auf die Wirtschaftskraft der älteren Generation, sondern bieten auch mehr Komfort und erhöhen die Lebensqualität auch einer generationsübergreifenden Kundschaft. Zudem haben sie arbeitsmarktpolitische Effekte. Der Fachkräftemangel zwingt die Unternehmen, in zunehmendem Maße wieder auf die fachlich gut ausgebildeten, erfahrenen älteren Arbeitnehmer zurückzugreifen. Die IHK Potsdam zählt zu den verschiedenen Wegen, auf denen Unternehmen versuchen, dem Fachkräftemangel zu begegnen, zu 8 % auch die Einstellung älterer Arbeitnehmer. Nach meiner Einschätzung wird sich dieser Anteil noch erhöhen.