Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste auf der Tribüne, der Gegenstand der Aktuellen Stunde und der Gegenstand der für Samstag geplanten Demonstration ist aller Ehren wert. Ich persönlich würde allerdings das Motto umformulieren: Freiheit und Vertrauen statt totalitärer Kontrolle.
Schon Friedrich Schiller wusste: Nur zwischen Glauben und Vertrauen wächst der Frieden. Als Aldous Huxley 1932 seinen dystopischen Roman „Schöne neue Welt“ herausbrachte, schilderte er darin eine Gesellschaft, die aus Angst vor Krieg und Terrorismus bereit war, die Kontrolle über alles und jeden zu akzeptieren. Auch George Orwell beschrieb in seinem Roman „1984“, der im Jahre 1948 herauskam, nach seinen Erfahrungen mit Nationalsozialismus und Stalinismus eine Gesellschaft im Jahre 1984, die totaler Kontrolle, Gehirnwäsche und pausenloser medialer Dauerberieselung durch Staatsfunk unterworfen war. Ein drittes Buch, nämlich „Fahrenheit 451“ beschreibt eine Gesellschaft, die weitgehend atomisiert und bindungslos jeden Einzelnen in künstliche Parallelwelten verstrickt. Der Besitz von Büchern jeder Art gilt als staatsgefährdende Straftat. Mittlerweile sind wir wieder da, dass Bücher wegen nicht korrekter Rechtschreibung und des verkehrten Gebrauchs gewisser Wörtern aus öffentlichen Bibliotheken aussortiert werden, zuletzt geschehen in Baden-Württemberg, da betraf es 3.200 Bände einer Stadtbibliothek von 8.000 Büchern. Betrachtet man nun unsere Gegenwart, so sind an verschiedenen Stellen Ansätze zu erkennen, die Menschen- und Bürgerrechte zu gefährden oder schwer einzuschränken. Dabei greifen Regierungen und Institutionen in Deutschland, Europa und weltweit auf ein breites Methodenspektrum zurück.
Vieles wird als Neuerung, Verbesserung oder Erleichterung des Alltags verkauft. Ein beliebtes Beispiel dafür ist die Ausgabe der sogenannten elektronischen Krankenkarte. Bisher waren die sensiblen Gesundheitsdaten der Versicherten in den Praxen und kassenärztlichen Vereinigungen noch einigermaßen vor dem Zugriff interessierter Dritter geschützt. Beim Umsetzen der Pläne für E-Health und elektronische Krankenakte wird das dann Geschichte sein. Aus unseren Erfahrungen der letzten Jahre mit Spionage- und Abwehrskandalen im Inund Ausland sowie der Tatsache, dass technisch und fachlich versierte Einzelpersonen und Gruppen sich auch gut geschützte Netzwerke zugänglich machen können, halten wir diese Vorhaben für das Ende der Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Wenn ein Arzt gezwungen ist, sensible und intime Daten in ein unsicheres Netzwerk einzuspeisen, wie viel erzählt ein Patient dann seinem Arzt noch? Die Freiheit, über die eigenen Daten zu verfügen und deren Verbreitung zu kennen und einzuschränken, bedarf auch eines großen Vertrauens. Vertrauen in die Sicherheit des Systems, Vertrauen in die Menschen, die dieses System installieren und betreiben, und begründetes Selbstvertrauen in die Fähigkeit einzuschätzen, welche Daten ich öffentlich machen möchte oder nicht.
Natürlich gibt es auch für Glauben und Vertrauen Grenzen. Diese Grenzen sind zum Beispiel erreicht, wo schutzwürdige Interessen der schwächsten Mitglieder unserer Gesellschaft, der Kinder, berührt werden. Angesichts einer weltweit operierenden und gut organisierten Kinderpornomafia ist es lebensfremd, berechtigte und gerichtlich angeordnete Ermittlungen, auch geheime Durchsuchungen von Enddatenträgern zu behindern, auch wenn der eine oder andere Enddatenträger auf rätselhafte Weise verschwindet, bevor der Staatsanwalt zugreifen kann. Beide Beispiele machen den Spagat zwischen selbstbestimmter, in Freiheit getroffener Entscheidung und Verwendung und Freigabe von Daten einerseits und Schutzbedürftigkeit vor übermächtigen Systemen andererseits deutlich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen – bis zu diesem Teil des Plenarsaals! Oh mein Gott, bei der AfD-Fraktion merkt man wirklich, dass die einzig kompetente Person, die sich im Bereich Datenschutz, Netzpolitik usw. auskannte, aus guten Gründen diese Fraktion verlassen hat und deswegen hier vorn auch entspre
chend nicht mehr adäquate Reden, die auch nur im Geringsten etwas mit dem Thema der heutigen Aktuellen Stunde, die von den Grünen angemeldet wurde, „Freiheit statt Angst – Bürgerrechte und Datenschutz in Thüringen stärken“, dann hier vorn vorgetragen wurden. Das war, man sagt, glaube ich, umgangssprachlich, eine Nullnummer vermischt mit rassistischen Erklärungen. Aber was anderes hätte ich zumindest auch nicht erwartet.
Vielleicht eins vorweg: Das Ziel ist uns, glaube ich, allen bekannt, und auch die Inhalte, worum es geht, und auch, was wir in Thüringen hier dafür machen müssen, was wir auch als Landtag machen können. Es gibt Dinge, auf die wir relativ wenig Einfluss haben. Aber worauf wir mit Einfluss haben, ist zum Beispiel bei der Beförderung sicherer End-to-EndKommunikation, also Bewerbung von entsprechenden verschlüsselten E-Mails, und das machen wir ja auch als Landtag schon. Da gab es auch schon einen Beschluss aus der letzten Legislatur, der jetzt mit der Koalition umgesetzt werden wird. Ansonsten kann ich nur eins empfehlen: Abgesehen davon, dass am Sonnabend hier eine Demonstration stattfindet, ist es zum einen notwendig, sich selber direkt zu informieren, und ich empfehle dazu einfach mal gar nicht an erste Stelle die entsprechenden Reden – von wem auch immer – hier im Landtag anzuhören, sondern sich an die kompetenten Vereine und Initiativen in den jeweiligen Städten zu wenden. Da wären zum einen der Hackspace in Jena oder auch der Waidspeicher hier in Erfurt. Fast alle Freifunkinitiativen bieten nebenbei auch nach Interesse und auf Bedarf entsprechende Workshops an bzw. erklären, wie kann ich denn meinen Rechner verschlüsseln, was sollte ich für Einstellungen bei Facebook machen, wenn ich schon Facebook benutze, um eben zu verhindern, dass auf meine Daten zugegriffen werden kann, was kann ich nutzen, um eben nicht über WhatsApp zu kommunizieren und damit automatisiert mein komplettes Adressbuch hochzuladen, was gibt es da für Alternativen. Und die gibt es, die gibt es zum Teil kostenfrei, die gibt es zum Teil für einen kleinen Obolus als Apps für sowohl Android als auch iPhones als auch andere Telekommunikationsinstrumente, die mobil mit herumgetragen werden, zum Herunterladen und zum Besorgen. Ich glaube, das ist mit das Entscheidende, die Eigeninitiative da verstärkt in den Vordergrund zu stellen. Ansonsten machen wir uns nichts vor: Es benötigt eigentlich eine starke europäische Datenschutzregelung, ein starkes europäisches Datenschutzgesetz. Da kann unser Datenschutzbeauftragter in Thüringen zwar sehr weit mit in Vorleistung gehen, da können wir auch sehr weit zeigen, wie wir uns das vorstellen, wie zukünftig Daten geschützt werden vor Zugriffen, von wem auch immer, aber letztlich ist es weder allein eine regionale Angelegenheit noch nur eine bun
desweite Angelegenheit, sondern mittlerweile müssen wir da auch an die Europäische Union herantreten. Und da ist es das eine, was hier aus Thüringen für Signale kommen, das andere sind die Signale aus den anderen Bundesländern, die leider noch nicht rot-rot-grün regiert werden, aber da sind wir dran. Ich denke, dass wir das auch schaffen werden. Danke schön.
Vielen Dank, Frau König. Weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor. Für die Landesregierung gibt es auch nicht den Wunsch nach Wortmeldung, sodass wir die Aussprache zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde schließen.
c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Augenmaß statt ‚Zwang‘ bei der Abwasserentsorgung“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/1029
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU-Fraktion macht die aktuelle Entwicklung in der Abwasserpolitik zum Thema im Thüringer Landtag, weil wir befürchten, dass der grüne Teil der Landesregierung in einer anderen Ecke das Land anzuzünden droht. Hintergrund sind Informationen, nach denen Tausende Bürger zu teuren Kläranlagen gezwungen werden sollen und in den meisten Fällen eine Frist bis Ende 2017 gestellt wird. Das ist genau das Gegenteil von dem, was die Vorgängerregierung von CDU und SPD aus gutem Grund meist unterlassen hat und womit sie mit Fingerspitzengefühl umgegangen ist.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ihr habt eine Erklärung abgegeben und nicht umgesetzt. Angekündigt – nicht mehr!)
Die Pflicht zur Umrüstung der Kleinkläranlagen ist völlig unstrittig. Keiner will da das Rad auf Kosten der Umwelt und auf Kosten des sauberen Wassers zurückdrehen. Aber mit Augenmaß muss das geschehen.
Die Umrüstung von vollbiologischen Kleinkläranlagen und die nachfolgende Unterhaltung stellen eine gravierende Belastung für die allermeisten Grundstückseigentümer dar. Wer nun auch noch die Frist für die Investitionen setzt und per Zwang einfordert, überfordert zahlreiche Menschen im ländlichen Raum. Ganz schlimm wird es, wenn – wie in vielen Fällen – außerdem ein späterer Anschluss an die zentrale Abwasserentsorgung vorgesehen ist. Dadurch werden viele Eigentürmer doppelt zur Kasse gebeten. Erst bauen Sie für mehr als 5.000 Euro die Kleinkläranlage und dann zahlen sie auch noch die Beiträge für den Anschluss an die zentrale Kläranlage. Solche Fallkonstellationen dürfen schlicht nicht auftreten. Das muss verhindert werden.
Meine Damen und Herren, die Infrastruktur für die Abwasserentsorgung muss ausgebaut werden – völlig unstrittig –, aber sie muss im Einklang mit der Leistungsfähigkeit der Hauseigentümer, Mieter und Steuerzahler ausgebaut werden.
Die in Zukunft noch erforderlichen Investitionen im Abwasserbereich dürfen nicht per Zwang mit einem zeitlichen Limit versehen werden. Vielmehr müssen die Investitionen auf das unbedingt Notwendige beschränkt und zeitlich gestreckt werden.
Die Eigentümer haben ab 1990 enorme Summen für die Erneuerung einer über Jahrzehnte verschlissenen Infrastruktur aufgebracht. Deshalb ist es wichtig, weitere Belastungen gering zu halten und über einen längeren Zeitraum zu strecken. Genau das hat die CDU-Fraktion mit ihren Ansatzpunkten für eine umweltgerechte, wirtschaftliche und bezahlbare Abwasserentsorgung in Thüringen bereits 2011 vorgeschlagen. Seither war Ruhe bei den Grundstückseigentümern eingetreten. Die Investitionsvorhaben wurden noch einmal auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft,
zeitlich gestreckt und auf das für sauberes Wasser unbedingt Erforderliche begrenzt. Das haben wir gemeinsam gemacht, Herr Vizepräsident.
Und ich bin ganz stolz darauf, dass wir das gemeinsam hinbekommen haben. Da müssen wir heute nicht jammern. Der jetzige rot-rot-grüne Aktionismus verursacht erhebliche Verunsicherung bei den Bürgern. Aufgrund von aktuell erstellten Angeboten belaufen sich die Kosten für die Errichtung einer vollbiologischen Kleinkläranlage auf 6.000 bis 6.500 Euro und manchmal noch viel mehr. Zieht man die 1.500 Euro mögliche Fördermittel ab, verbleiben dem Grundstückseigentümer immerhin um die 5.000 Euro. Das entspricht dem Betrag des Beitragsbescheids in den meisten Fällen. Und in jedem
Fall stellt die Summe eine gravierende Belastung für die allermeisten Grundstückseigentümer dar. Hinzu kommt, dass die aktuell verfügbaren Fördermittel nicht sehr weit reichen, meine Damen und Herren.
Bereits in unserem Positionspapier zur Abwasserentsorgung von 2011 hatten wir vorgesehen, alle möglichen Fristen auszunutzen und die notwendigen Investitionen zeitlich zu strecken. Daneben brauchen wir Ausnahmeregelungen für kleine Haushalte, auch für ältere Bürger oder finanzielle Härtefälle. Die Wasserbehörden sollten eine Handlungsempfehlung für Härtefälle erhalten, die bestimmte Gruppen von der Sanierungspflicht ausnimmt, zum Beispiel ältere Bewohner, wo es absehbar ist,
das fordern wir von der Landesregierung – eine zeitliche Streckung der Anforderungen zu prüfen, Fingerspitzengefühl bei den behördlichen Entscheidungen. Zu prüfen, ob die Anforderungen der EUWasserrahmenrichtlinie nicht anders erreicht werden können, und keine Sanierungsanordnung bei finanziellen Härtefällen, bei zu kleinen Haushalten oder bei einem im hohen Alter befindlichen Bewohner. Und schon gar keine Verpflichtung zur Kläranlagensanierung zu erteilen, wenn in absehbarer Zeit
(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wer hat denn in den letzten zehn Jahren Abwas- serpolitik gemacht? Die CDU war es!)
ein zentraler Anschluss vorgesehen ist, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das möchten Sie doch wohl auch hinkriegen und nicht die Bürger immer quälen. Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Primas. Das Wort hat nun Abgeordneter Kobelt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Primas, ich höre in Ihrer Rede im Grunde zwei Worte, zwei Verben, was Sie möchten: Strecken der Gebühren. Wie lan
ge wollen Sie das denn strecken? Der gute Zustand der Gewässer sollte 2015 hergestellt werden. Wenn Sie das jetzt noch immer weiter strecken wollen, dann ist es ein Strecken bis zur Arbeitsverweigerung. Das hat in der letzten Legislatur vielleicht noch funktioniert.