Protocol of the Session on September 9, 2015

(Unruhe CDU)

Aber irgendwann müssen die zuständigen Ministerinnen und Minister auch mal Verantwortung übernehmen und müssen das auch angehen.

(Unruhe CDU)

Das Zweite, was ich immer gehört habe: Die Eigentümer sollen es nicht bezahlen. Herr Primas, da sagen Sie uns doch einmal ehrlich, wer es denn bezahlen soll. Sollen es wieder die Steuerzahler bezahlen, wie in dem Althaus’schen Gesetz, wo wir 3 Milliarden Mehrkosten für den Steuerzahler für Thüringen erwirtschaftet haben?

(Unruhe CDU)

Da höre ich keine Antworten. Ich höre immer nur, die und die sollen es nicht bezahlen, aber keine Alternative. Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir doch, kurz darzustellen, wie die Zuständigkeiten sind, dass man auch das Verständnis für das Problem hat. Laut Thüringer Kommunalordnung sind die Gemeinden zuständig für die Wasserver- und -entsorgung. Weiterhin dürfen sie sich, wie es überall getan wird, zu Zweckverbänden zusammenschließen. Mit einem Abwasserbeseitigungskonzept entscheiden diese Zweckverbände dann darüber, welche vor Ort an zentrale Kläranlagen angeschlossen werden und welche nicht. Fachliche Unterstützung erhalten Sie von den Regionalstellen der Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie. Kurz zusammengefasst: Die Entscheidung über das, was vor Ort passiert – die CDU ist immer in erster Reihe zu sagen, die Entscheidungen müssen vor Ort passieren. Hier in dem Fall ist es so: Was dort passiert, wie das geregelt ist, wird vor Ort entschieden durch die Bürgermeister, die von ihren Bürgern gewählt sind und die hoffentlich auch zu den Entscheidungen mit ihren Bürgern ins Gespräch kommen. Dies wird dann in Verbandsversammlungen besprochen und es ist eine regionale Zuständigkeit. Mit der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie gibt es seit dem Jahr 2000 einen Ordnungsrahmen für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik. Ziel ist, und das haben Sie zum Glück auch gesagt, den guten Zustand von Oberflächengewässern und Grundwasser zu erhalten. Es muss bloß auch mal zur Handlung kommen. Nach den Analysen hat man dann festgestellt, dass besonders in den Flussgebietssystemen die Nachrüstung von Kleinkläranlagen oder von Kläranlagen insgesamt von großer Bedeutung ist. Im Übrigen ist es auch eine Schlüsselmaßnahme für das ganze Bundesgebiet.

Ausgestattet mit diesem Wissen und nach einer umfassenden Beteiligung der Öffentlichkeit wurden von der damaligen Landesregierung Bewirtschaftungsmaßnahmepläne im Jahr 2009 aufgestellt, wie man auch in Thüringen zu einem guten Zustand der Gewässer kommen will. Angepasst wurde dazu auf Bundesebene das Wasserhaushaltsgesetz. Dieses hat die EU-Anforderungen übersetzt und am 1. März 2010 ist das novellierte Wasserhaushaltsgesetz in Kraft getreten. Aber während nahezu zeitgleich zum Beispiel in Bayern dort auch das Wassergesetz an den neuen Rahmen angepasst wurde, müssen die zuständigen unteren Wasserbehörden in Thüringen seit 2010 mit einem alten Wassergesetz, was nicht angepasst ist, mit gestrichenen Paragrafen, mit 160 Seiten Handlungsempfehlung kämpfen. Damit haben Sie doch als CDU-geführte Landesregierung gerade für Verwirrung gesorgt und keine Möglichkeit gegeben, auch vielleicht Kompromisse zu schließen. Es gab Unklarheiten und die sind bis heute noch nicht ausgeräumt. Ich denke, unser gemeinsames Ziel sollte es sein, schnell zu dem guten Zustand der Flüsse, Seen, Küstengewässer und Grundwasser zu kommen. Wofür wir uns als Grüne starkmachen werden, ist eine neue, schnelle Novellierung des Thüringer Wassergesetzes. Das ist auch in Arbeit, es wird auch eingebracht werden, um den Prozess vor Ort zu beschleunigen. Hier brauchen wir mehr Flexibilität, um die Voraussetzungen für in der Regel kostengünstigere Gruppenlösungen zum Beispiel zu verbessern, damit sich auch belastete Einzelanlagen, Grundstückseigentümer zusammenschließen und eine wirtschaftliche Lösung finden können. Da können wir uns auch vorstellen, dass das zukünftig in Absprache auch die Abwasserzweckverbände mit übernehmen. Für innovative Lösungen, zum Beispiel diese Gruppenlösungen, die dem Stand der Technik entsprechen, werden wir dafür kämpfen, dass es auch weiterhin Fördermittel dazu gibt, dass diese auch ausgereicht werden, stabil, aber eine komplette Kostenübernahme, liebe CDUFraktion, der Thüringer Steuerzahler oder eine neue Lex Althaus wird es mit uns in dieser Frage nicht geben.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Wer hat denn das gefordert, Sie Träumer? Kein Mensch hat das gefordert! Unerträglich! So ein Blödsinn, was Sie erzählen!)

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat nun Abgeordneter Kummer für die Fraktion Die Linke.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Primas, leider ist Herr Mohring nicht da, ich wollte

(Abg. Kobelt)

Ihnen beiden danken für konstruktive Oppositionspolitik seit dem Jahr 2011. Konstruktive Oppositionspolitik gegen eine Ministerialbürokratie, die eben nicht den ländlichen Raum im Blick hatte, die das Solidarprinzip im Bereich der Abwasserentsorgung seit 2009 nicht mehr vorgesehen hat und die dazu führte, dass wir im Moment mit Bescheiden leben müssen, wie Sie sie dargestellt haben. Es sind Bescheide – Herr Primas, da widerspreche ich Ihnen –, die eben nicht auf grünes Regierungshandeln zurückgehen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es sind Bescheide, die auf Regierungshandeln des Jahrs 2009, als allein eine CDU regierte, zurückgehen. Damals, als im Wassergesetz das Solidarprinzip ausgehebelt wurde,

(Beifall SPD)

als festgelegt wurde, dass Zweckverbände sagen können, welcher Bürger ihnen zu teuer ist, um in Zukunft vom Zweckverband weiter entsorgt zu werden. Diese Bürger bekommen nach den damaligen Festlegungen, nachdem die Abwasserbeseitigungskonzepte erstellt wurden,

(Beifall DIE LINKE)

jetzt Bescheide und auf Basis dieser Bescheide der unteren Wasserbehörden müssen die Bürger dann anschließend eine Kläranlage bauen. Das hat auch nichts mit dem Regierungswechsel zu tun. Ich habe hier einen Bescheid, da können Sie nachher gern mal reingucken. 2014, 05.11., da war Jürgen Reinholz noch Umweltminister. Es ist die gleiche Schiene, basierend auf den Abwasserbeseitigungskonzepten, wie die Bescheide heute. Allerdings muss ich auch dazu sagen: Das Wassergesetz muss schnellstens novelliert werden, damit nicht alle einen Bescheid haben, bevor wir dann endlich das Solidarprinzip wieder einführen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Meine Damen und Herren, was wir zu verzeichnen haben, ist, dass der städtische Raum in Thüringen in der Vergangenheit bei einer hohen Einwohnerdichte und relativ geringen Kosten beim Anschluss des einzelnen Einwohners mit über 60 Prozent in der Abwasserentsorgung gefördert wurde. Im ländlichen Raum haben wir eine viel geringere Bevölkerungsdichte. Dementsprechend ist der Anschluss an die Abwasserentsorgung pro Einwohner wesentlich teurer. Die Fördermittel sind 2009 und folgend massiv zurückgefahren worden. Das war auch schon eine Tendenz, die unter Ihrer Landesregierung üblich war. Dementsprechend hatte man sich etwas einfallen lassen, wie man hier weiter vorgehen kann und kam auf diesen aus meiner Sicht sehr, sehr schlimmen Gedanken für den ländlichen Raum, dass man sagt, okay, dann sollen die Leute

ihre Probleme selber klären, was zur Folge hat, dass die Bürger eigentlich die Abwasserentsorgung schon bezahlt haben. Die bezahlen nämlich seit 25 Jahren Abwasserabgabe und diese Abwasserabgabe dürfen Zweckverbände verrechnen, aber nicht der Bürger, der aus dem Verbandsgebiet ausgeschlossen wird.

(Beifall DIE LINKE)

Dementsprechend haben sie für eine Abwasserinfrastruktur schon mal bezahlt und müssen sich selbst jetzt um ihr Zeug kümmern. Das Allerschlimmste ist, wenn dann Leute, die 80 sind, plötzlich eine Ausbildung zum Kläranlagenwärter machen müssen und mit den Fragen völlig überfordert sind. Auch diese Probleme, meine Damen und Herren, gibt es, und das muss schleunigst beendet werden.

(Beifall SPD)

Ich bin bei Ihnen, Herr Primas, was die Frage der zeitlichen Streckung angeht. Die EU sagt, Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, sie will den guten Zustand der Gewässer erreichen. Das Wasserhaushaltsgesetz des Bundes, übrigens auch in CDU-Verantwortung mit geändert, macht was anderes daraus. Jeder Bürger hat sein Abwasser nach dem Stand der Technik aufzubereiten. Da interessiert überhaupt nicht, wie der Zustand des Gewässers ist. Dieser selben Logik folgen jetzt die Bescheide der unteren Wasserbehörden. Die schicken nämlich für jeden, der aus dem Verbandsgebiet des Wasser-Abwasser-Verbands ausgeschlossen wird, den Bescheid raus, dass er innerhalb eines Jahres oder von zwei Jahren seine Abwasseranlage zu errichten hat und da interessiert die untere Wasserbehörde auch der Gewässerzustand nicht. Die unteren Wasserbehörden könnten hier eine Priorisierung vornehmen, damit dort, wo das kommunale Abwasser wirklich noch ein Grund dafür ist, dass der Gewässerzustand nicht gut ist, zuerst die Maßnahme stattfindet. Dort könnten wir auch einen höheren Fördersatz gewähren. Während wir dort, wo die Gewässer in Ordnung sind, Zeit hätten, bis 2027 schieben könnten und sagen könnten, die angemessene Frist nach Wasserhaushaltsgesetz ist für uns 2027, nämlich die zweite Verlängerungsperiode der Wasserrahmenrichtlinie der EU, die dies definiert.

(Beifall SPD)

Damit hätten wir auch mehr Zeit. Damit könnten wir mehr Fördermittel gewähren und wir hätten eine vernünftige Lösung, meine Damen und Herren. Wir müssen es nur wollen. Das Papier der CDU 2011, so gut, wie es gemeint war, und ich sage mal eines: Es hat viele Gespräche damals auch fraktionsübergreifend gegeben, ein paar Gedanken von mir sind da auch mit eingeflossen. Ich bin dankbar, dass wir die Phosphatfällung für vollbiologische Kleinkläran

lagen damals vom Tisch gekriegt haben, aber Fakt ist eines: Es war gegenüber der Ministerialbürokratie ein zahnloser Tiger.

(Beifall SPD)

Herr Primas, wir sind damals im Ausschuss verhöhnt worden. Wollen wir doch mal ehrlich sein. Es ist eine Änderung des Wassergesetzes in dem Sinne nicht hingebracht worden und es wird allerhöchste Zeit, dass wir es angehen. Ich hoffe, dass wir hier im Landtag gemeinsam die Kraft dafür finden, um endlich für den ländlichen Raum vernünftige Wege zu gehen, damit die Menschen von der Abwasserentsorgung nicht überfordert werden, dem Umweltgedanken aber gleichzeitig Rechnung getragen wird. Das geht. Dementsprechend bitte ich uns, das gemeinsam anzupacken. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kummer. Das Wort hat nun Abgeordneter Henke für die Fraktion der AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Abgeordnete, werte Gäste, ich danke erst einmal, Herr Primas, der CDU, dass sie dieses Thema auf die Tagesordnung gebracht hat. In diesen Tagen erhalten Tausende Hausbesitzer eine Post, die sie lieber nicht öffnen sollten – eine Umrüstung auf vollbiologische Kleinkläranlagen, deren Kosten gut und gern

(Zwischenruf Abg. Kummer, DIE LINKE: Da kriegen sie noch ein Ordnungswidrigkeitsver- fahren!)

zwischen 3.000 und 10.000 Euro pro neuer Kläranlage liegen können. Und warum das Ganze? Weil lebensfremde Eurokraten in Brüssel eine Wasserrahmenrichtlinie erlassen haben, die gut klingt, aber für viele Hausbesitzer böse endet.

(Beifall AfD)

Zunächst zum Inhalt: Die Wasserrahmenrichtlinie zielt auf einen guten ökologischen und guten chemischen Zustand für die Oberflächengewässer. Diese Forderung fand in das deutsche Wasserrecht Eingang. Danach waren die Bundesländer an der Reihe, diese Regelungen in ihre Gesetze zu übernehmen. Zugleich hat man die Kleinkläranlagen, die vor 1990 errichtet wurden, ins Visier genommen.

Schauen wir auf die benachbarten Bundesländer. Nach Sächsischem Wassergesetz erlischt die Erlaubnis zum Nutzen einer Kleinkläranlage, die nicht dem Stand der Technik entspricht, zum 31. Dezember 2015. In Mecklenburg-Vorpommern endete die

Anpassungsfrist im Jahr 2013, in Sachsen-Anhalt 2009.

Zurück nach Thüringen: Unser Umweltministerium verkündet, dass es zunächst keine landeseinheitliche Frist geben soll. Das Zauberwort ist „zunächst“. Denn „zunächst“ bedeutet, dass sie prinzipiell erfolgen kann und soll. Je näher das Ende der Frist rückt, desto mehr wird der Freistaat unter Druck gesetzt, eine verbindliche Regelung zur endgültigen Umstellung der Kleinkläranlagen auf den sogenannten Stand der Technik festzulegen.

Eine Verordnung oder behördliche Anweisung wird da nicht reichen, weil keine behördlichen Anweisungen in hunderttausendfacher Ausfertigung gedruckt werden können. Wie praktisch, dass gerade das Wassergesetz novelliert wird. Man wird die Erlaubnis für die Kleinkläranlagen per Gesetz entziehen. Dann stehen die Hauseigentümer da und werden gezwungen, Tausende Euro auszugeben.

Sie können jetzt sagen, es bestünde maximal eine Frist bis 2027, um dieses Ziel zu erreichen – aber das sind nur Fristverlängerungen. Die eigentliche Frist endet 2016 – das ist in vier Monaten. Auch die Umweltminister aus den benachbarten Bundesländern werden Druck aufbauen.

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um- welt, Energie und Naturschutz: Wenn ich zaubern kann!)

Ja, dazu sitzen Sie in der Regierung. Sie müssen die Lösung bringen.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum Zaubern?)

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn da die Flüsse als Flussgebietseinheit behandelt werden, sitzen bei Fragen der Wasserrahmenrichtlinie alle in einem Boot. Wie bereits gesagt, betrifft das Problem Tausende Menschen, in deren Gärten Kleinkläranlagen stehen, die nicht dem Stand der Technik entsprechen. Thüringen hat den höchsten Pro-Kopf-Anteil an Kleinkläranlagen. Das damalige Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt ging von circa 70.000 Kleinkläranlagen aus, die angepasst werden müssen. Allerdings ist das nur eine Schätzung. Der erforderliche Bedarf kann auch ein Vielfaches sein. Das, was die Thüringer Hauseigentümer im ländlichen Raum zukünftig erwartet, ist ein Paradebeispiel für den Umgang mit den Menschen hier im Land. Bürger blechen, weil die EU lebensfremde Normen erlässt.

(Beifall AfD)

Diese Normen werden wiederum vom Bund und vom Land benutzt, um die eigentlichen Politikziele durchzupeitschen. Jegliche nationale Verantwortung wird zurückgewiesen.