Bündnis 90/Die Grünen steht zur Verteidigung unserer Institutionen und auch zum Bundesverfassungsgericht und seinen Entscheidungen. So, bitte ich, meine folgende Nachfrage zu verstehen.
Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie den Betreuerinnen und Betreuern, Caritas und Diakonie, vorwerfen, die ihnen anvertrauten Menschen, denen sie helfend zur Seite stehen sollen, zu manipulieren und zu Wahlentscheidungen zu nötigen, die diese Menschen gar nicht treffen wollen würden? Habe ich Sie da richtig verstanden?
Aber Fakt ist eines, dass wir auch schon entsprechende Erfahrungen gemacht haben, dass der Zugang zu entsprechenden Einrichtungen für einige Parteien offensteht, für andere Parteien nicht. Da können Sie sich mal überlegen, worin das begründet liegt.
Sicherlich nicht in der Auffassung, dass man das verfassungsrechtliche Gebot auf Chancengleichheit dort besonders groß wertschätzt, sondern weil man tendenziell einer bestimmten politischen Überzeugung eher den Zugang öffnet als anderen. Da sind wir doch schon bei der Frage der Manipulationsanfälligkeit. Ich brauche gar nicht klären, wer am Ende
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Sehr geehrter Herr Möller, es hat mich sehr gegruselt bei dem, was Sie hier jetzt vorgetragen haben.
Wenn Sie eine Nachfrage gestatten an dieser Stelle: Die AfD hat ein Familienwahlrecht – also das wollen Sie initiieren, wie auch immer. Ich verstehe das so: Das Familienoberhaupt – ich nehme mal an, der Mann – entscheidet, wie sich die Familie zu entscheiden hat, was zu wählen ist. Also zurück in die 50er-Jahre. Also, Herr Möller, Ihr Vortrag hier, das ist wirklich fremdschämen.
Deshalb: Das Bundesverfassungsgericht hat am 21. Februar 2019 einen Beschluss veröffentlicht, aus dem hervorgeht: Wahlrechtsausschlüsse sind verfassungswidrig.
Der Titel unseres Gesetzentwurfs, den wir heute in diesem Hohen Haus beraten, lautet: „Gesetz zur Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen“. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs bezieht sich auf die Bundestagswahlen und hält die bislang angewandten Regeln für unanwendbar, da sie in die Gleichheit der in Deutschland Wahlberechtigten eingreifen. Am vergangenen Donnerstag haben in Berlin Bündnis 90/Die Grünen gemeinsam mit den Fraktionen von Die Linke und der FDP direkt darauf reagiert und eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht beantragt, damit Menschen mit Behinderungen in Vollbetreuung nicht mehr von der stattfindenden Europawahl ausgeschlossen werden. Der Europäische Gerichtshof und die EUMenschenrechtskonvention halten den Wahlrechtsausschluss behinderter Menschen für eine unzulässige Stigmatisierung. Und das darf nicht mehr so sein.
Unser Thüringer Gesetzentwurf zielt auf eine Änderung des Landeswahlgesetzes ab und will, dass der Weg zur Teilnahme an den Kommunal- und Landtagswahlen endlich auch für Menschen mit Behinderungen und Personen in gesetzlicher Betreuung frei ist. Damit machen wir nicht nur Schluss mit dieser diskriminierenden Regelung, sondern setzen in Thüringen ein weiteres Stück der Vorgaben der UNBehindertenrechtskonvention verbindlich um. Das ist das, was wir auf Thüringer Ebene tun können und tun müssen. Auf der Bundes- und Europawahlebene kümmern sich unsere Kolleginnen und Kollegen in Berlin darum, dass diese Wahlrechtsregelungen, die gegen das Diskriminierungsverbot und gegen die Menschenrechte verstoßen, endlich auch in Deutschland ein Ende haben. Das finde ich eine prima Arbeitsteilung, die geradewegs zum richtigen Ziel führt.
Viele volljährige Menschen mit Behinderungen, die wegen einer Betreuung in allen Angelegenheiten von den grundlegenden demokratischen Rechten der Beteiligung an Wahlen ausgeschlossen waren, durften bislang in Deutschland nicht wählen. Außerdem waren bislang Menschen von der Wahl ausgeschlossen, die im Maßregelvollzug in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Es darf aber nicht sein, dass volljährigen Staatsbürgern ein so zentrales Bürgerrecht vorenthalten wird. Denn Betreuung bedeutet doch nicht, dass Menschen nicht entscheidungsfähig sind. Diese Auffassung ist absolut überholt und gehört aus den Köpfen verbannt.
Bestehende Barrieren, die sich gerade für Menschen mit geistiger Behinderung bei der Ausübung ihres Wahlrechts ergeben, können und müssen beseitigt werden. Hierzu hat sich Deutschland durch die Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention in Artikel 29 verpflichtet.
Ja, es gibt noch einiges mehr zu tun, um Menschen mit Behinderungen gleichberechtigte Teilnahme in allen Bereichen zu ermöglichen. Aber auch da hat die rot-rot-grüne Regierung in Thüringen vieles auf den Weg gebracht. Gerade laufen die letzten Beratungen der Novelle des Thüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen und wir haben heute früh nach heftiger Debatte den Maßnahmenplan beschlossen. So wollen wir auch das Landeswahlgesetz im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention verändern.
Lassen Sie uns in Thüringen gemeinsam mit einer guten Entscheidung zur Durchsetzung demokratischer Grundrechte vorangehen und stimmen Sie bitte diesem Gesetz zu. Vielen Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, ich habe die engagierten Reden von allen Seiten gehört, die zu dem Gesetzentwurf „Beseitigung von Wahlrechtsausschlüssen“ gehalten wurden, und ich kann sehr viele Dinge davon teilen. Keiner will, dass hier – entgegen einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts – Menschen ausgeschlossen werden von Wahlen. Keiner will das hier. Ich glaube es jedenfalls nicht. Vielleicht in der AfD – weiß ich nicht. Aber das habe ich auch nicht so verstanden. Deswegen, man kann sich hier heftigst ereifern, wir sind aber Gesetzgeber. Und das Bundesverfassungsgericht hat gesprochen, ja, aber es gibt auch einige Dinge zu bedenken, die mein Kollege Thamm schon vorgetragen hat. Ich will es nur noch mal versuchen zu verstärken, dass es vielleicht bei dem einen oder anderen greift. Es geht überhaupt nicht darum, dass wir in irgendeiner Form dagegen sind, sondern was wir zu machen haben: Wir müssen ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das auch dem Verfassungsgericht hier in Thüringen am Ende standhält. Denn es muss ja auch klar sein. Deswegen ist das alles nicht so einfach, man kann das ideologisch alles sagen, man kann sagen, wir wollen das und ganz schnell, es gibt dazu Bundestagsdrucksachen. Jemand hat – Frau Pfefferlein, glaube ich – auf die drei Fraktionen hingewiesen, die vor das Verfassungsgericht sind – richtig. Aber es gibt auch Bundestagsdrucksachen, wo es Antworten dazu gibt, dass man gerade bei Wahlrechtsänderungen mindestens ein Jahr Zeit haben sollte – es geht gar nicht darum, irgendwas wegzuschieben –, damit es ordnungsgemäß durchläuft. Wir haben das auch im Innenausschuss ausdrücklich gehört und ich konnte nicht erkennen – Frau Stange, Sie rufen jetzt immer in Richtung Innenministerium, Ihr Innenministerium würde es richten. Aus gutem Grund hatte die Landesregierung das Datum 26. Mai nicht drin, sondern es ist nachträglich von Ihnen eingefügt worden, dass das vorgezogen wird. Es ist ausdrücklich nicht drin gewesen, weil sich natürlich die Juristen, die sich alle damit befassen, schon mal Gedanken
gemacht haben, dass es eben hier wirklich problematisch wird, weil wir mitten in den Wahlaufstellungen sind. Wir sind mitten in den Wahlaufstellungen.
Wir sind verpflichtet, wenn wir Gesetze vorlegen, nach bestem Wissen und Gewissen das vorzulegen, dass es am Ende vor dem Verfassungsgericht Bestand hat. Ich will Sie daran erinnern, die ganzen ideologischen Dinge können wir alle beiseite lassen, wie Sie mit Ihrer Zwangsgebietsreform versucht haben – es geht nur um den Fakt –, Dinge durchzupeitschen und Sie an Formalien und anderen Dingen gescheitert sind. – Darauf habe ich gewartet, Herr Kollege Dittes. –
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Oder Ihr Landtagspräsident! Der hätte die Bedin- gungen prüfen müssen!)
Manche meinen, wenn sie dann fast fünf Jahre am Ruder sind, ihnen gehört alles; das, was uns immer vorgeworfen wurde, dass man alles beschließen kann, ob das nun rechtens ist oder nicht. Es wird Ihnen nicht bekommen.
Ich will nur daran erinnern – deswegen bin ich noch mal hier vor –, in der letzten Innenausschusssitzung ist von Herrn Kollegen Dittes versucht worden, so eine Art interne Anhörung der Spitzenverbände zu machen mit weniger als einer Woche Zeit. Dann haben wir darauf gedrungen, wir wollen eine ordentliche Antwort von den Spitzenverbänden haben. Was haben die Spitzenverbände klar und deutlich geschrieben – beide Spitzenverbände unisono? – Das sollte man nicht so einfach abhaken. Das sind nämlich die Kommunalvertreter, die vor Ort das alles mit umsetzen müssen. – Da haben die Spitzenverbände gesagt: Erstens Anhörung viel zu kurz – Nummer 1. Das kann man ja alles ignorieren, aber es gibt schon Urteile, wie ein Parlament bestimmte Dinge zu bewerten hat.
Noch eine Volljuristin, die jetzt gegen die Spitzenverbände sprechen will? Frau Marx, willkommen gegen die Spitzenverbände, das sind auch keine Dummen...
Herr Kollege Fiedler, verstehe ich Sie richtig, dass Sie als CDU-Fraktion eine Klage in Erwägung ziehen, falls wir dieses Gesetz heute hier verabschieden?