Protocol of the Session on March 29, 2019

Frau Abgeordnete Stange, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Meißner?

(Zuruf Abg. Stange, DIE LINKE: Jetzt nicht mehr. Sie kann dann ans Pult kommen!)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Frau Kolle- gin, das zweite Mal heute schon!)

Als nächster Redner hat Abgeordneter Möller von der Fraktion der AfD das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, liebe Schüler, ich werde jetzt gar nicht so sehr den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes vertiefen. Dazu hat Herr Thamm schon ordentlich ausgeführt. Auch die Fachexperten haben in den Ausschüssen dazu ihre Meinung gesagt. Sie haben sich darüber hinweggesetzt, das ist nicht schön und ein Grund, sage ich einmal, hier einen Gesetzentwurf abzulehnen. Ich will mich lieber auf die inhaltlichen Fragen konzentrieren. Denn auch inhaltlich kann man diesen Gesetzentwurf als aufgeklärter Bürger und Demokrat nicht mittragen.

(Beifall AfD)

Es war, meine Damen und Herren, natürlich absehbar, dass Sie nun argumentieren, Ihnen würde das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Bundeswahlgesetz keine andere Option als die Abschaffung der Wahlrechtsausschlüsse lassen. Aber diese Darstellung ist falsch. Sie ist im Grunde genommen ein Beleg für ausgesprochene Argumentationsfaulheit.

(Beifall AfD)

Gehen wir es mal im Detail durch, diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und auch Ihre speziellen Wahlrechtsausschlüsse, die Sie jetzt abschaffen wollen: Es geht nämlich mitnichten darum, Frau Kollegin Marx, behinderten Menschen das Wahlrecht zu geben. Behinderte Menschen haben das Wahlrecht, und zwar in aller Regel haben sie das. Körperbehinderte haben das Wahlrecht, Taube, Blinde, Autisten haben das Wahlrecht, Menschen mit Belastungsstörungen haben das Wahlrecht. Hier geht es um zwei ganz konkrete Fallgruppen, bei denen sollten wir auch bleiben. Denn den

(Abg. Stange)

Behinderten im Allgemeinen will niemand das Wahlrecht streitig machen, keiner hier im Haus. Es geht um zwei Fallgruppen, und da bestehen Wahlrechtsausschlüsse durchaus zu Recht.

Es geht zum einen um den Wahlrechtsausschluss für vollbetreute Menschen, den Sie abschaffen möchten. Hier argumentiert das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom Januar durchaus zu Recht mit einem Verweis auf die Ungleichbehandlung zu den eingeschränkt einsichtsfähigen Menschen, bei denen die Vollbetreuung lediglich deshalb unterbleibt, weil sie im Familienkreis ausreichend betreut werden können. Das ist richtig. Aber das lässt sich ganz einfach ändern, indem man beispielsweise die im Familienkreis betreuten nicht einsichtsfähigen Menschen denjenigen gleichstellt, die professionell betreut werden müssen, das heißt, indem man denen eben auch das Wahlrecht nicht zubilligt. Das wäre auch durchaus sachgerecht, denn es macht keinen Unterschied, ob ein Komapatient oder beispielsweise ein geistig schwerstbehinderter Mensch durch einen professionellen Betreuer oder eben im Familienkreis betreut wird. Das macht schlicht keinen Unterschied! In beiden Fällen sind diese bedauernswerten Menschen nicht in der Lage, Wahlentscheidungen zu fällen. In beiden Fällen besteht vielmehr die erhebliche Gefahr, dass bei der Ausübung des Wahlrechts letztendlich jemand anderes faktisch entscheidet als der betroffene Mensch.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagen Sie!)

Die Manipulationsanfälligkeit solcher Menschen ist nämlich überragend hoch. In der Regel ist sie viel höher als bei Kindern oder Jugendlichen. Die dürren Verweise, meine Damen und Herren, des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang, es gebe verfahrensrechtliche Sicherungen und strafrechtliche Sanktionen bei der Verletzung der Integrität des Wahlvorgangs, die gehen offenbar vollkommen an der Realität vorbei – das wissen Sie auch. Denn die Manipulation findet vor der Wahl statt, vor dem eigentlichen Wahlvorgang, beispielsweise wenn eine Vielzahl der von Rot-Rot-Grün mit Millionenbeträgen finanzierten Unterstützervereine mit freundlich klingenden Namen Zugang zu den Heimen und Bildungseinrichtungen dieser Menschen bekommen und denen dann erklären, wer angeblich ihre Interessen vertritt und wer angeblich nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht verstanden, dass diese Heim- und Bildungseinrichtungen so geleitet und geführt werden, jedenfalls häufig genug, dass die Chancengleichheit

im Wettbewerb der Parteien vorsätzlich ausgeschlossen wird.

(Beifall AfD)

Das ist auch kein Wunder, meine Damen und Herren, weil die Institutionen wie Caritas, ASB, Diakonie und Co. auf das Engste mit Parteien vor allem aus dem rot-rot-grünen Lager personell und ideologisch verflochten und außerdem noch finanziell abhängig sind. Das wissen Sie ganz genau.

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, hier wacht nichts anderes als ein Machtblock über den Zugang von Informationen zu Menschen, die ohnehin für Manipulation schwer anfällig sind. Diese Realität wird in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht mal angekratzt, sondern vollständig ignoriert, weil sie den Verfassungsrichtern offenkundig gar nicht mal bekannt war.

Und Sie, meine Damen und Herren, nutzen das aus. Ich traue Ihnen, das sage ich ganz offen, bei dieser Abschaffung dieser Wahlrechtsausschlüsse nicht mal im Ansatz gute Absichten zu. Erklären Sie mal den Menschen

(Zwischenruf Abg. Henfling, DIE LINKE: Sie trauen uns nie gute Absichten zu!)

da draußen, warum Sie Komapatienten oder beispielsweise schwer geistig behinderten Menschen, denen unsere Rechtsordnung im zivilen Leben nicht mal die Buchung einer Taxifahrt vom Anger bis hier zum Landtag zutraut, warum Sie diesen Menschen plötzlich zutrauen, dass sie bei der Wahl einsichtsfähig sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Doch, mit Hilfe trauen wir ihnen das zu!)

Mit der Hilfe anderer Menschen, die Sie ihnen an die Seite stellen, genau. Und damit ist es nicht mehr die eigene Entscheidung

(Beifall AfD)

des Betroffenen. Vor allem erklären Sie mal, …

Herr Abgeordneter Möller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Adams?

Ja, gern im Anschluss.

Erklären Sie mal bitte, warum Sie diese Änderungen in einem derartigen Schweinsgalopp durchprügeln wollen

(Beifall CDU, AfD)

vor für Sie so unglaublich wichtigen, entscheidenden Wahlen, die über Ihr politisches Überleben

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ein Blödsinn!)

beziehungsweise das Ihrer Koalition mitentscheiden.

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: Sie ha- ben ein Menschenbild, das ist abartig!)

Meine Damen und Herren, Ihre Motivlage ist relativ deutlich erkennbar. Bekräftigt wird das noch durch die Umfragen, die jetzt in dieser Woche herausgekommen sind. Sie verfügen nicht über Mehrheiten bei den derzeitigen Wählern. Sie versuchen, sich weitere Wählergruppen zu erschließen, möglichst manipulationsanfällige Wählergruppen, die in der Einfluss-Sphäre von Organisationen stehen, die auch mit Ihnen verbündet sind.

(Beifall AfD)

Das vielleicht mal zu dem Thema der vollbetreuten Menschen. Wie gesagt, keiner spricht diesen Leuten ab, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind. Sie gehören unterstützt, sie brauchen Hilfe, sie brauchen auch finanzielle Unterstützung. Aber das Wahlrecht, was sie nicht ausüben können, nicht alleine ausüben können, das brauchen sie nicht.

(Beifall AfD)

Kommen wir mal zur zweiten Fallgruppe. Wir sprechen hier bei der zweiten Fallgruppe über Wahlrechtsausschlüsse für Menschen, die eine Straftat begangen haben – in der Regel eine schwere Straftat – und nur deshalb nicht bestraft werden, weil sie schuldunfähig sind, weil sie – mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts – „wegen einer krankhaften seelischen Störung, einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unfähig sind, das Unrecht ihrer Tat einzusehen“.

(Unruhe DIE LINKE)

Das ist ein Originalzitat aus der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung, das ist nicht meine Wortwahl. Zusätzlich geht bei diesen betroffenen Menschen eine gutachterliche Prognose davon aus, dass diese schwere Beeinträchtigung ihrer geistigen oder seelischen Gesundheit derart manifestiert fortwirkt, dass man weiterhin von solchen Straftaten ausgehen muss. Genau deswegen sind diese schuldunfähigen Menschen nicht im Gefängnis, sondern im Maßregelvollzug und auch nicht in der Freiheit. Um es noch mal deutlicher zu machen, es geht unter anderem um Menschen mit sehr

schweren Persönlichkeitsstörungen, zu denen das Bundesverfassungsgericht unter Verweis auf wissenschaftliche Quellen unter anderem ausführt – ich darf zitieren –, „dass sie gegenüber der Mehrheit der betreffenden Bevölkerung deutliche Abweichung im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und in der Beziehung zu anderen Menschen haben und dies häufig einhergeht mit einem unterschiedlichen Ausmaß gestörter sozialer Funktionsfähigkeit.“ – Originalzitat des Bundesverfassungsgerichts. Und für die im Maßregelvollzug besonders relevante dissoziale Persönlichkeitsstörung ist laut Bundesverfassungsgericht die Missachtung sozialer Verpflichtungen und herzloses Unbeteiligtsein an Gefühlen für andere Menschen kennzeichnend. Und bei der relevanten emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung – die ist auch sehr, sehr relevant für den Maßregelvollzug – geht es um Menschen, bei denen die deutliche Tendenz besteht, Impulse ohne Berücksichtigung von Konsequenzen auszuagieren, verbunden mit unvorhersehbarer und launenhafter Stimmung.

Meine Damen und Herren vom rot-rot-grünen Lager, solche Menschen wollen Sie jetzt wählen lassen. Sie wollen sie mitentscheiden lassen, wie unser Land regiert wird. Sie wollen diese Menschen politische Schwerpunkte mit setzen lassen, und das, meine Damen und Herren, kann doch nicht Ihr Ernst sein.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Ha- ben Sie Angst vor diesen 1.000 Personen?)

Erklären Sie bitte mal den Menschen da draußen, den vollgeschäftsfähigen Menschen, den Bürgern unseres Landes, denen Sie alle die direkte Demokratie nach wie vor in erheblichen Teilen verweigern, weil Sie denen nicht die richtigen Entscheidungen zutrauen, erklären Sie denen mal, warum Sie jetzt solche Menschen, denen unsere zivile Rechtsordnung eben keine unbetreute Entscheidung zutraut, wählen lassen wollen. Das werden Sie nicht erklären können, deswegen werden wir es den Leuten erklären müssen und wir werden auch erklären, dass der Verweis auf das Bundesverfassungsgericht nicht ziehen kann, weil es seine Kompetenzen weit überschritten hat. Es hat sich hier zu einem schlecht informierten Ersatzgesetzgeber aufgespielt – das ist ein Vorwurf, den das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit relativ häufig einfängt – und es hat sich hier zu einem Stichwortgeber einer Gleichmacherideologie gemacht.

(Beifall AfD)

Und jeder selbstbewusste und demokratisch geleitete Gesetzgeber hätte diese Kompetenzüber

schreitung des Bundesverfassungsgerichts und die Irrung mit einem klugen Gesetzesentwurf in seine Schranken verwiesen. Dazu wären auch Möglichkeiten und Optionen da gewesen, aber die wollten Sie gar nicht hören. Sie wollten den Impuls aufgreifen. Das können wir natürlich nicht teilen. Insofern werden wir Ihren Gesetzentwurf ablehnen.

Jetzt stehe ich gern für die Frage von Herrn Adams zur Verfügung.