Viertes Gesetz zur Änderung des Thüringer Kirchensteuergesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6061 ERSTE BERATUNG
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ab dem 25. Mai 2018 ist die Europäische Datenschutz-Grundverordnung unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union geworden. Ihrem Charakter als Grundverordnung folgend enthält die EU-Datenschutz-Grundverordnung konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge sowie mehrere Öffnungsklauseln für die nationalen Gesetzgeber. Mit dem vorgelegten Gesetzentwurf wird das Kirchensteuergesetz redaktionell an die EUDatenschutz-Grundverordnung angepasst. Weiterer Anlass für die Änderung des Kirchensteuergesetzes ist die Einführung eines obligatorisch festzusetzenden Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 2 der Abgabenordnung. Da im Bereich der Kirchensteuer auf Druckmittel, Sanktionen und Strafen verzichtet wird, wird die Anwendung der Vorschrift über die Festsetzung von Verspätungszuschlägen gesetzgeberisch ausgeschlossen.
Des Weiteren erfolgt eine gesetzliche Klarstellung zur Ermittlung des Aufteilungsmaßstabs der Kirchensteuer bei glaubensverschiedener Ehe bzw. Lebenspartnerschaft.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die vorgenannten Änderungen des Thüringer Kirchensteuergesetzes sind mit den Vertretern der evangelischen und katholischen Kirchen abgestimmt. Die Kirchenvertreter haben den Änderungen zugestimmt. Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Ministerin. Damit eröffne ich die Beratung und habe zunächst eine Wortmeldung des Herrn Abgeordneten Kießling von der AfDFraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Abgeordnete! Danke für die Ausführungen, Frau Taubert. Ich höre gerade, das ist alles schon abgestimmt. Das uns vorliegende Gesetz ist in großen Teilen die Umsetzung europäischen Rechts oder – um es genau zu sagen – die Umsetzung der DSGVO in nationalem Rahmen. Sicherlich kann man über den Sinn – oder besser, den Unsinn – dieser DSGVO streiten, aber das ist nicht Gegenstand der hier vorliegenden Gesetzesänderung.
Hier wird mit der Änderung im Thüringer Kirchensteuergesetz vom 3. Februar 2000 die Einführung eines obligatorisch festzusetzenden Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 2 der Abgabenordnung vollzogen. Dieser Zuschlag soll jedoch nicht angewendet werden, da Strafen und Sanktionen im Bereich der Kirchensteuer laut aktueller Gesetzgebung nicht vorgesehen sind – hat auch gerade die Ministerin ausgeführt.
Insoweit haben wir erst einmal keine Bedenken zu diesem Gesetz und würden auch einer Überweisung an den HuFA zustimmen, wenn es so gewünscht wäre. Ganz grundsätzlich sei mir jedoch die Frage erlaubt, ob wir überhaupt noch eine Kirchensteuer in dieser Form brauchen. Warum muss der Staat Erfüllungsgehilfe der Kirche sein? Das ist die Frage. Schon in der Bibel steht geschrieben nach Lukas, Kapitel 20, Vers 25 – ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis: „Er aber sprach: So geb[e]t dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gott […] ist!“ Es ist nicht grundsätzlich Aufgabe des Staates, die Kirchensteuer einzuziehen, auch wenn dies seit Jahrzehnten schon so geregelt wurde und auch, wie man hört, wieder im Einvernehmen geregelt ist. Es ist eigentlich originäre Aufgabe der Kirche selbst und wird in Bayern auch so gehandhabt. Dies ist jedoch keine Debatte, die wir heute und hier führen möchten. Dies nur einmal als grundsätzliche Anmerkung, die diskutiert werden sollte.
Ein weiterer Punkt in diesem Gesetz ist die Klarstellung zum Aufteilungsmaßstab der Kirchensteuer bei
glaubensverschiedenen Ehen oder Lebenspartnerschaften. Hier werde ich immer wieder von meinen Mandanten angesprochen, dass sie diese Zahlung als ungerecht empfinden, denn die Zahlung von Kirchensteuer bei gemeinsam veranlagten Paaren im Rahmen der Einkommensteuer ist nämlich aktuell so geregelt, dass bei Paaren unterschiedlicher Konfession selbst dann Kirchensteuer fällig wird, wenn der Partner, der in der Kirche ist, gar kein Einkommen hat. In diesem Fall muss der Partner, der gar nicht in der Kirche ist, 50 Prozent seiner Einkommensteuer der Kirchensteuer unterwerfen und daraus einen anteiligen Satz Kirchensteuer für seinen Partner bezahlen. Dies ist aus unserer Sicht ein Punkt, den man eigentlich im HuFA besprechen können sollte, ob hier diese Kirchensteuerzahlung von Nichtkirchenmitgliedern noch zeitgemäß ist, denn in § 2 des Thüringer Kirchensteuergesetzes – der lautet wie folgt, ich zitiere: „Kirchensteuerpflichtig sind alle Mitglieder der in § 1 genannten Kirchen, die ihren Wohnsitz oder […] Aufenthalt im Sinne der Abgabenordnung in Thüringen haben.“ Hier steht also nicht, dass Eheleute entsprechend die Steuer zu zahlen haben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Thüringer Finanzministerin hat es bereits in ihrer Einbringungsrede erwähnt: Es geht hier einerseits um eine redaktionelle Anpassung durch die Datenschutz-Grundverordnung der EU, dann eben dieses Thema der Verspätungszuschläge und die Kirchensteueranwendung bei glaubensverschiedener Ehe. Ich denke, das werden wir auch im Haushalts- und Finanzausschuss noch einmal entsprechend beleuchten. Wir stimmen einer Überweisung zu.
Dann noch einmal kurz zu den Ausführungen der Kollegen von der AfD: Ich sage mal, eine grundsätzliche Debatte über die Kirchensteuer sollte dann an anderer Stelle geführt werden. Hier geht es wirklich nur um diese Änderung und wir werden das auch weiterhin ganz sachlich im Haushaltsund Finanzausschuss diskutieren. Danke schön für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, zunächst zur Frage von Herrn Kießling, ob das originäre Aufgabe des Staats wäre, Kirchensteuer einzuziehen: Das ist es sicher nicht, aber es ist eine lohnende Aufgabe, weil wir für diese Dienstleistung, die der Staat für die Kirche bringt, eine Verwaltungsgebühr erzielen. Deshalb sage ich erst mal: Das ist schon so in Ordnung.
Was das Gesetz selbst angeht, hat die Finanzministerin alles erläutert. Darauf will ich jetzt nicht weiter eingehen. Die Detailfragen können wir sicher noch im Haushalts- und Finanzausschuss besprechen. Ich beantrage hiermit die Überweisung an diesen Ausschuss. Danke schön.
Danke schön. Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit schließe ich die Aussprache. Beantragt wurde die Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aller Fraktionen. Danke schön. Gegenstimmen? Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit wurde der Gesetzentwurf einstimmig an den Haushaltsund Finanzausschuss überwiesen. Somit können wir diesen Punkt schließen.
Thüringer Schulen als Lernund Lebensorte für Demokratie stärken Antrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/5689
Wenn ich das richtig sehe, wünscht Herr Abgeordneter Schaft das Wort zur Begründung. Bitte, Herr Abgeordneter Schaft.
Vielen Dank, Herr Präsident. Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne, werte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Nicht erst Chemnitz, sondern auch die letzten Jahre haben bundesweit und auch in Thüringen gezeigt, dass menschenverachtende und antidemokratische Haltungen und auch Taten keine Phänomene sind, die sich als Einzelfall abtun lassen können.
Ezra – die Beratungsstelle für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen – hat im März eine Jahresstatistik dafür vorge
legt. Danach hat ezra insgesamt 149 Angriffe registriert; das ist im Vergleich zum Vorjahr zwar ein Rückgang von 7 Prozent, aber immer noch ein Rekordhoch. Die Projektkoordination konstatiert: „Längst gehören Diffamierungen bis hin zu Gewaltandrohungen zum politischen Alltag und sind auch im Umfeld [von] […] Parteien wie der AfD kein Einzelfall mehr“. Diese Angriffe und der gesellschaftliche und politische Rechtsdruck haben unmittelbare Folgen auf den Alltag der von Rassismus und Diskriminierung Betroffenen. So stellt eine Studie des IDZ in Jena fest: Mit zunehmenden Diskriminierungserfahrungen sinkt das Vertrauen in demokratische Institutionen und das Sicherheitsgefühl im Bundesland. Dass wir also nicht erst seit Kurzem einen dringenden Handlungsbedarf in Sachen demokratiestärkender Politik haben, zeigt auch der jährlich erscheinende Thüringen-Monitor. Wenn über 53 Prozent der befragten Thüringerinnen und Thüringer der Aussage zustimmen, die Bundesrepublik sei in gefährlichem Maße überfremdet, über 21 Prozent Aussagen mit Merkmalen eines sekundären Antisemitismus zustimmen oder 66 Prozent der Befragten der Aussage zustimmen, es bräuchte in der aktuellen Zeit wieder eine starke Hand, dann ist das besorgniserregend.
Dies verdeutlicht, dass immer mehr Menschen bereit sind, der aggressiven Stimmungsmache gegen andere Menschen nachzugeben – bis hin zur Drohung mit Gewalt und, wie dargelegt, auch mit Angriffen – und damit die Gesundheit und das Leben anderer zu beeinträchtigen.
Angesichts dieser Situation, aber auch vor dem Hintergrund unserer historischen Verantwortung hat der Bildungsminister und Vorsitzende der Kultusministerkonferenz Helmut Holter beim Antritt des Vorsitzes zu Recht darauf hingewiesen, dass ein demokratisches Selbstverständnis eine wichtige Säule unserer Gesellschaft ist. Er hat den Schwerpunkt seiner Präsidentschaft unter anderem auf den Themenbereich „Demokratiebildung“ gelegt, denn, so sagte er, wir merken heute, dass Demokratie von jeder Generation neu gelernt werden muss. Die heutigen Schülerinnen und Schüler sind schließlich die Stützen und Verteidiger der Demokratie von morgen.
Dieses Ansinnen wollen wir mit dem vorliegenden Antrag unterstützen, der eine Vielzahl von Maßnahmen vorsieht. Uns ist dabei wichtig, deutlich zu machen, dass es nicht ausreicht, einfach nur die Funktionsweisen von demokratisch legitimierten Institutionen in der Schule oder auch in außerschulischen Bildungseinrichtungen zu vermitteln. Demokratiebildung ist aus unserer Sicht mehr. Es ist zu verstehen als ein menschenrechtsorientiertes, ganzheitliches Konzept, das Bildungsinhalte, Demokratiepädagogik und Didaktik miteinander verbindet. Aus diesem Grund gilt es, alle Prozesse zur Aneignung demokratischer Wissens-, Urteils-, Handlungs- und
Vermittlungskompetenz selbst partizipativ zu gestalten und vielfältige Perspektiven und diskriminierungsfreie Beteiligungsformen zu ermöglichen. Daraus ergibt sich für uns, dass eine Stärkung der Thüringer Schulen als Demokratieorte, als Orte des Erlernens und Erfahrens von Beteiligung und Mitbestimmung und eben auch als Lern- und Lebensorte für Demokratie unerlässlich ist.
Deshalb bitten wir mit diesem Antrag die Landesregierung unter anderem, der demokratischen Schulentwicklung einen zentralen Stellenwert einzuräumen, bei der Ausbildung von Lehrkräften von Beginn an auch das Thema demokratiestärkender Bildungsinhalte zu berücksichtigen und zu unterstützen, Mitsprache und Beteiligungsrechte von Schülerinnen und Schülern zu stärken und weitere Punkte, die sicherlich in der Debatte dann noch mal genauer betrachtet werden. Denn damit wollen wir, dass Schülerinnen und Schüler, Kinder und Jugendliche eben nicht nur Demokratie erlernen, sondern auch erfahren können
und dass deren Mitsprache und Mitwirkung gestärkt wird. Denn unsere Demokratie braucht eine aktive Beteiligung und Engagement. Nur wenn sich die Menschen auch als aktive politische Personen begreifen, werden sie sich für das Gemeinwesen einsetzen
und unsere demokratischen Werte verteidigen und gegen antidemokratische Werte aufstehen. Vielen Dank.
Vielen Dank. Ich eröffne die Beratung und das Wort hat zunächst Abgeordneter Tischner für die CDUFraktion.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielen Dank, Herr Kollege Schaft, für die Einbringung. Eigentlich hätte ich mich auch gerne für den Antrag bedankt, jedenfalls als ich den Titel gelesen habe. Aber man hat es ja jetzt auch in der Einbringung geschafft: Um Schule geht es dann am Ende doch relativ wenig.
Die Geschichte der Bundesrepublik ist eine Erfolgsgeschichte unseres deutschen Grundgesetzes, dessen 69. Jahrestag wir in diesem Jahr feiern konnten, und die Geschichte der Bundesrepublik ist auch eine Erfolgsgeschichte der parlamentarischen Demokratie. Und Basis unserer parlamentarischen
Demokratie sind die vielen Millionen Menschen in der Bundesrepublik, die bewusst und reflektiert ihre aktive Bürgerrolle wahrnehmen, ohne tatsächlich täglich der Aktivbürger sein zu müssen. Und in der Tat: Die Wahrnehmung der aktiven Bürgerrolle auf der Grundlage eines entwickelten, demokratischen Bewusstseins ist das Ziel der politischen Bildung.
Der Begriff der politischen Bildung hat in den vergangenen Jahrzehnten eine umfassende Ausdifferenzierung erfahren. In den zurückliegenden zehn Jahren wird er aber zudem immer mehr zum Gegenstand politischer Kontroversen. Und ich finde: Zu Unrecht! Denn fehlende schulische politische Bildung ist angeblich Ursache für Populismus, Extremismus und Terrorismus. Fehlende schulische politische Bildung ist angeblich verantwortlich für mangelnde Wahlbeteiligung und fehlende schulische politische Bildung ist angeblich die Ursache für Demokratiedefizite. Ich glaube dies alles nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Ein auf Schülerorientierung und Aktualität ausgerichteter Politikunterricht ist sogar die Ursache dafür, dass die Menschen im Sinne des lebenslang politischen Lernens in der Lage sind, ihre Bürgerrolle reflektiert und kompetent einzunehmen und selbstbestimmt auszufüllen.