Protocol of the Session on October 19, 2012

Noch eine neugierige Nachfrage an die Landesregierung zum Gesetzentwurf: Ist es denn tatsächlich möglich, den Artikel 14 des Haushaltsbegleitgesetzes 2008/2009 mit Stichtag 31.12.2012 außer Kraft treten zu lassen? Denn in diesem Artikel war bzw. ist auch die Übertragung von Personalstellen, Personal in den Aufgabenbereich des SGB IX vom Land auf die Kommunen geregelt, samt sehr genauer Verteilungsmechanismen. Was bedeutet das Außerkrafttreten der Regelung für die Wirksamkeit dieser Personalübertragung?

Zum Abschluss möchte ich noch eine Baustelle ansprechen, die sich derzeit zwar hauptsächlich auf der Bundesebene befindet, aber sehr viele Menschen mit Behinderung in Thüringen eben auch betrifft. Dem Bundestag liegt mit Datum 27.06.2012 unter der Bundestagsdrucksache 17/10146 ein Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des SGB IX vor. Diese wurde am 27. September dieses Jahres in erster Lesung beraten und in den Sozialausschuss des Bundestages überwiesen. Kernpunkt ist die Erhöhung der Eigenbeteiligung der Menschen mit Behinderung, die Anspruch auf unentgeltliche Beförderung haben. Statt jetzt 60 € sollen nun 72 € für das Jahr je Wertmarke fällig werden. Hinzu kommt auch neu, dass der Betrag zukünftig dynamisiert wird. Soll einfach heißen: Zukünftig wird die Eigenbeteiligung in bestimmten Abständen einfach automatisch erhöht. Es wundert nicht, dass dieser Vorstoß von der Länderkammer kommt. Die Länder zahlen ja für die Einnahmeausfälle der Beförderungsunternehmen wegen der Freifahrtberechtigung behinderter Menschen. Da kann ich aus eigener Erfahrung als Referent in Berlin bei mehrfachen Diskussionen im Bundesministerium für Arbeit und Soziales berichten, dass es zum Teil unsägliche Diskussionen, insbesondere auch von den Ländervertretungen, gab hinsichtlich der Wertmarke, und man hatte zum Teil den Eindruck, dass die Erhöhung von 60 € auf 72 €, also sprich diese 12 € von behinderten Menschen, die Haushaltssituation der deutschen Haushalte retten soll, was ja einfach völlig absurd ist.

Weiterhin gab es die Diskussion hinsichtlich der Änderung des Schwerbehindertenausweises, der sogenannte Lappen - also dieser große Papierausweis - soll in eine Kreditkartengröße geändert werden. Da muss ich sagen, da gab es eine Arbeitsgruppe, die hat sich wirklich sechs Jahre mit diesem Thema beschäftigt. Ich sage, wenn alles so intensiv beraten würde wie dieses Thema, ja - Pünktchen Pünktchen Pünktchen.

Mit dem Blick auf das Vorhaben um die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention mit Behinderung sind aber solche Selbstbeteiligungen sehr kritisch zu betrachten. Die Verwirklichung von Grund

rechten darf nicht von finanziellen Hürden beeinträchtigt werden. Daher sind die Erstattungsleistungen des Bundes und der Länder hier Menschenrechtsentgelte. Problematisch von der derzeitigen Freifahrtgestaltung ist auch, dass die Möglichkeiten zwar nun bundesweit gelten, dass offensichtlich nicht alle Züge und öffentlichen Verkehrsmittel wirklich kostenfrei genutzt werden können, da sie eben nicht immer barrierefrei sind und somit auch nicht zugänglich sind. Hier besteht einfach Nachbesserungsbedarf.

Ein weiterer Punkt für die Freifahrtgestaltung sind offensichtlich auch die Fahrscheinkontrollen. Immer noch muss der Ausweis vorgezeigt werden. Genau genommen ist das eine Diskriminierung. Hier sollte für die Zukunft eine andere Geltung des Verfahrens angestrebt werden. Menschen mit Behinderung sollten in Zukunft davon befreit werden, in Bussen und Bahnen und anderen Verkehrsmitteln statt eines Fahrscheins eben ihren Ausweis herzeigen zu müssen. Dazu könnte zum Beispiel eine datenschutzrechtlich optimierte elektronische Form des Schwerbehindertenausweises geschaffen werden, der es erlaubt, auch an Fahrkartenautomaten unter Nachweis der Freifahrtberechtigung einen Fahrschein zu lösen. Hier haben wir dann aber ein weiteres Problem - sind diese Fahrkartenautomaten auch wirklich barrierefrei und auch von jedem zu nutzen.

Damit möchte ich es inhaltlich belassen. Falls es aber noch die Möglichkeiten geben sollte, auf das Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene aus Thüringen Einfluss nehmen zu können, bitte ich dies durch eine Bundesratsinitiative auch zu tun.

Zum Schluss möchte ich noch einmal die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beantragen. All die benannten Problembaustellen im Zusammenhang mit der Umsetzung des SGB IX in Thüringen rechtfertigen nach Ansicht unserer Fraktion diese Überweisung. Da möchten wir dann auch Fragen klären wie: Wie steht die Landesregierung dazu? Wie hat die Landesregierung bis jetzt im Bundesrat reagiert und agiert? Wie viele behinderte Menschen in Thüringen sind von der Erhöhung letztendlich betroffen? Wie werden die Mehreinnahmen auch verwendet? Diese und andere Fragen möchten wir dort gern klären. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ich habe keine weiteren Wortmeldungen und schließe die Aussprache. Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das

Handzeichen. Das sind die Stimmen aus allen Fraktionen. Ich frage nach Gegenstimmen. Die gibt es nicht. Stimmenthaltungen gibt es auch nicht. Damit wird der Gesetzentwurf im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit beraten.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 10 und rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Thüringer Gesetz zur Entwicklung sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 5/5084 ERSTE BERATUNG

Frau Ministerin Taubert erhält das Wort zur Begründung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf macht Thüringen von einer bundesgesetzlich neu geschaffenen Ermächtigung Gebrauch. Ich möchte daran erinnern, dass wir selbst sehr intensiv da mitgewirkt haben, bevor es zu der Ermächtigungsgrundlage des Bundes gekommen war. Die Bundesländer haben einheitlich die Sorge zum Ausdruck gebracht, dass wir in einer Materie, in der wir „nur die Krankenhausplanung“ haben, nicht weiterkommen, weil natürlich die Anfragen des Ärztemangels im ländlichen Raum vor allen Dingen, aber auch zum Teil im städtischen Raum, die Frage der sektorenübergreifenden Bearbeitung von medizinischen Fragen immer wieder eine Auseinandersetzung zwischen der Selbstverwaltung bedeutet, am Ende aber wir als Freistaat, die Abgeordneten zum Teil, auch das Ministerium, die Ministerin, angefragt werden, ob wir nicht helfen können. Deswegen entstand im Jahre 2009 heftiger Streit, aber eben dann auch die Vereinbarung, dass man Kriterien aufschreibt, die zu einer Lösung dieser Thematik führen könnten, zumindest zu einer Verbesserung der Kommunikation. Eine Reihe von Maßnahmen wurden dann vom Bundesminister aufgenommen, unter anderem eben auch die Frage dieses gemeinsamen Gremiums gemäß § 90 a SGB V, der durch das Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung neu eingefügt wurde. Nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen kann für den Bereich eines Landes ein gemeinsames Gremium aus Vertretern des Landes, der kassenärztlichen Vereinigung, der Landesverbände der Krankenkassen sowie der Ersatzkassen und der Landeskrankenhausgesellschaft sowie weiteren Beteiligten gebildet werden. Mit dem vorliegenden Gesetz wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und ein entsprechendes Landes

(Abg. Nothnagel)

gremium in Thüringen gebildet. Durch das gemeinsame Landesgremium wird ermöglicht, die derzeit getrennten Sektoren der ambulanten und stationären Versorgung miteinander zu vernetzen, um dadurch eine Verbesserung der medizinischen Versorgung der Thüringer Bevölkerung zu erreichen. Durch das gemeinsame Landesgremium soll die in Thüringen bestehende ambulante und stationäre medizinische Versorgungslage untersucht und Versorgungslücken sowie Versorgungsüberangebote aufgezeigt werden. Dadurch sollen vorhandene Defizite und Ressourcen aufgedeckt und die medizinische Versorgungssituation der Thüringer Bevölkerung insgesamt verbessert werden. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird das gemeinsame Landesgremium beim Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit gebildet und es werden Festlegungen in Bezug auf die Teilnehmer sowie weitere notwendige Regelungen getroffen. Zu den sektorenübergreifenden Versorgungsfragen, die in diesem Gremium beraten werden können, gehören auch Fragen im Zusammenhang mit der neuen ambulanten spezialärztlichen Versorgung nach § 116 b SGB V. Die Beschlüsse dieses Gremiums sind zwar nicht verbindlich und haben Empfehlungscharakter, aber auch das, denken wir, ist wichtig. Für den Landesausschuss der Ärzte, für Krankenkassen und den Krankenhausplanungsausschuss können Empfehlungen abgegeben werden. Ich denke, dass wir Stück für Stück weiterkommen. Ich weiß, dass das Brett ausgesprochen dick ist, das da zu bohren ist. Schon in den vergangenen Jahren war das so gewesen. Das ist natürlich auch immer unser Manko, wenn wir als Freistaat mit allen Vertreterinnen und Vertretern angesprochen werden und eigentlich keine Handlungsmöglichkeiten haben. Deswegen wollen wir zumindest diesen Versuch wagen, mit dem Landesgremium da Verbesserungen herzustellen. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als Ersten für die Fraktion DIE LINKE Abgeordneten Kubitzki auf.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir hatten vor der Sommerpause hier schon einmal im Plenum einen Tagesordnungspunkt und die Diskussion zu Fragen der Gesundheitsstrukturen in Thüringen, wo wir schon einmal auf die Möglichkeit des Landesgremiums eingegangen sind. Eine meiner Forderungen war, dass dazu auch ein Gesetz durch die Landesregierung erarbeitet werden muss, dass das Landesgremium auf Grundlage eines Gesetzes gebildet werden und arbeiten soll. Das ist nunmehr geschehen und findet unsere Zustimmung. Wir gehen auch da in Übereinstimmung,

dass wir gerade bei der demographischen Entwicklung, die wir in Thüringen haben, und bei den Problemen, die es in der gesundheitlichen Versorgung gibt, nicht um eine Vernetzung der ganzen Angebote der gesundheitlichen Versorgung herumkommen. Ich muss sagen, es gibt in Thüringen einige gute Beispiele, wo das schon stattfindet. Ich konnte mich vor Kurzem im Klinikum in Bad Salzungen umschauen. Das ist ein kommunales Krankenhaus und dieses Krankenhaus ist geprägt durch ein ganzheitliches Konzept als regionales Gesundheitszentrum für den Wartburgkreis. Es ist gleichzeitig auch ein akademisches Lehrkrankenhaus. Es ist beispielgebend für Thüringen, nämlich neben dem eigentlichen Kerngeschäft des Krankenhauses, dem stationären Leistungsangebot, gehört zu diesem Krankenhaus auch die ambulante Patientenversorgung über medizinische Versorgungszentren in verschiedenen Standorten im Wartburgkreis, die Ausbildung für Krankenschwestern und Altenpfleger an einer eigenen Fachschule, die zum Krankenhaus gehört, die selbst also Fachkräfte ausbildet, um sie dann auch in der Region zu halten, oder die stationäre Altenpflege über Seniorenheime in Bad Salzungen, Bad Liebenstein und Vacha, aber auch ambulante Pflege wird im ländlichen Raum angeboten, auch am Klinikum selbst gibt es eine Kurzzeitpflegestelle. Also das ist ein Beispiel, wie in einer Region Strukturen vernetzt werden können. Dieses zu bildende Landesgremium ist unserer Meinung nach ein möglicher Baustein, der zu einer Vernetzung von Angeboten beitragen kann, eben nur ein möglicher Baustein. Ich warne davor, zu sagen, jetzt haben wir mit diesem Landesgremium das Allheilmittel gefunden, es ist nur eine Möglichkeit. Auf die Schwierigkeiten sind Sie schon eingegangen. Auch ich sehe dort, was abzuwarten bleibt, dieses Landesgremium kann nur Empfehlungen abgeben. Das ist die Problematik, wo wir sehen müssen, wie diese Empfehlungen dann in den entsprechenden Ausschüssen umgesetzt werden.

Eine weitere Frage bleibt auch, wie werden diese Empfehlungen bei den einzelnen Verbänden und Kammern, die die Form der Selbstverwaltung haben, anerkannt.

Richtig finde ich auch, dass der Gemeinde- und Städtebund und der Landkreistag mit eingebunden werden, denn ohne die kommunalen Vertreter ist es nicht möglich, vernetzte Versorgungsstrukturen anzubieten, weil die Kommunen und die Landkreise auch Sozialhilfeträger sind. Allerdings sehen wir auch noch im Ausschuss - ich gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf an den Ausschuss überwiesen wird - Gesprächsbedarf. Unverständlich ist für uns, warum zum Beispiel die Landesärztekammer Thüringen als ständiges Mitglied mit Stimmrecht im Landesgremium vertreten sein soll, im Gegensatz dazu aber zum Beispiel die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer, aber auch die Landes

(Ministerin Taubert)

apothekerkammer zwar mit Mitspracherecht, aber ohne Stimmrecht im Gremium teilnehmen sollen. Ich sage dazu, da müsste man sich entscheiden. Darüber sollten wir im Ausschuss diskutieren. Entweder sind alle Kammern drin mit Stimmrecht oder die Kammern sind nur mit Mitspracherecht drin. Denn bei dieser Sache sollten wir schon den Gleichheitsgrundsatz wahren.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fragen ergeben sich für uns auch noch, was das Stimmenverhältnis der stimmberechtigten Mitglieder im Landesgremium betrifft. So müssen wir sagen, dass die Kostenträger im Prinzip mit drei Stimmen vertreten sind und die Leistungserbringer mit sechs Stimmen. Da habe ich noch nicht einmal die zwei Stimmen der Landesregierung berücksichtigt. Ich weiß nicht, ob das zu einem Ausgleich führt, wenn die Leistungserbringerseite mehr Stimmen hat als die Kostenträgerseite. Vielleicht sollten wir da an die Erfahrungen anknüpfen, wie es zum Beispiel im Krankenhausplanungsausschuss ist, dass wir dort eine gewisse Parität der Stimmengewichtung haben. Ich hoffe, dass wir das im Ausschuss diskutieren werden. Ich danke.

(Beifall DIE LINKE)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordneter Gumprecht das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, immer wieder wird im deutschen Gesundheitswesen über die scharfe Trennung in einzelne Sektoren geklagt. Die drei Sektoren ambulant, stationär und Reha agieren oft nicht nur nebeneinander, sondern gegeneinander. Wir erleben, dass die einzelnen Finanzbereiche oft wie Burgen verteidigt werden, und eigentlich ist es schade. Deshalb begrüßen wir, dass das GKV-Versorgungsgesetz einen Schritt zur Überwindung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung ermöglicht. Es schafft die Grundlage für eine sektorübergreifende Bedarfsplanung. Das ist noch nicht alles, aber ein Schritt dazu. Ich denke, damit kann in Zukunft eine bessere Versorgungssteuerung auf Landesebene gewährleistet werden. Dieser § 90 a gibt den Ländern die Möglichkeit, ein Gremium mit allen wichtigen Akteuren des Gesundheitswesens zu bilden, das Empfehlungen abgeben darf, die dann zu berücksichtigen sind in der Form des Sollens. Ich werde noch darauf eingehen, weil gerade die Diskussion dahin kam.

Wir haben selbst mit unserem Landtagsantrag, den CDU und SPD zur Verbesserung der medizinischen Versorgung eingebracht haben, im Mai beschlossen und die Landesregierung gebeten, ein solches

Gremium zu bilden. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kommt die Landesregierung unserer Bitte zur Schaffung dieses gemeinsamen Landesausschusses nach. Wir sind damit eines der ersten Länder, das diese Möglichkeit konkret umsetzt. Frau Ministerin, vielen Dank dafür.

Es gibt ja eigentlich schon zahlreiche andere Gremien und runde Tische, wo die unterschiedlichen Akteure aus dem Gesundheitsbereich miteinander ins Gespräch kommen. Diese sind entweder nur sektoral gestaltet oder sie haben eine Unverbindlichkeit eines runden Tisches. Hier ist ein Gremium, das jetzt auf gesetzlicher Basis handeln kann. Denn wir haben die Situation, dass immer mehr und mehr Leistungen, die ehemals stationär erbracht wurden, nun von der ambulanten Seite erbracht werden können. Wir verzeichnen, dass es andererseits mehr und mehr Schnittstellen gibt, bei denen man miteinander ins Gespräch kommen kann. Ich nenne als Beispiele das Belegarztwesen, die ambulante Behandlung durch Krankenhausärzte und ich nenne auch die medizinische Versorgung in Pflegeeinrichtungen.

Vor allem im ländlichen Raum müssen die Leistungen der Krankenhäuser und der niedergelassenen Mediziner stärker miteinander verzahnt werden. Das Ziel ist die Sicherung einer flächendeckenden, bedarfsgerechten medizinischen Versorgung unserer Bevölkerung. Alle wichtigen Akteure - und so sieht das unser Gesetz vor - sollen, es steht nicht mehr drin „können“, sondern „sollen“, an einen Tisch gebracht werden. Sollen ist eine gesetzliche Bestimmung, die ein Tun oder Unterlassen für den Regelfall vorschreibt. Der Regelfall ermöglicht Ausnahmen, und zwar diese Ausnahmen nach Prüfung eines pflichtgemäßen Ermessens. Deshalb hat auch die Berücksichtigung der Beschlüsse, die in diesem Gremium gefasst werden, einen hohen Stellenwert. Es ist nicht nur eine, wir können uns das ja einmal anhören, in der Beziehung, sage ich, ist das eine gute Lösung, die aber gerade auch die andere berücksichtigt. Es ist kein „müssen“ und ist andererseits kein „können“. Ich finde diese gewählte Form des „sollen“ ist sehr sinnvoll.

Ich meine auch, der Begriff sektorübergreifende Versorgung ist sicherlich sehr sperrig, aber das stört mich weniger, denn letzten Endes geht es um die Versorgung unserer Patienten aus einem Guss - von der Diagnose bis zur Nachbehandlung.

Meine Damen und Herren, auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in diesem Jahr im Juni in einem Sondergutachten eine verstärkte Kooperation und Koordination zwischen den Sektoren angemahnt. Nur so kann nämlich verhindert werden, dass Verteilungskonflikte und Reibungsverluste zwischen den Sektoren zulasten der Patienten gehen. Der Sachverständigenrat plädiert schon seit

(Abg. Kubitzki)

geraumer Zeit für ein Modell des Gesundheitswesens, das regional angelegt ist und alle Sektorengrenzen überspringt. Diese Forderung kann ich an vielen Stellen wirklich unterstützen, denn es trägt zur Verbesserung der Situation bei.

Nun noch ein Teil zu unserem konkreten Gesetz. Stimmberechtigt sind in diesem gemeinsamen Gremium neben dem Gesundheitsministerium, der KV, den Landesverbänden der Kassen, der Landeskrankenhausgesellschaft und der Landesärztekammer eine Reihe wichtiger Vertretungen. Es sind also diejenigen, die eigentlich für die Finanzen und die Umsetzungsverantwortung zuständig sind. Denkbar wäre auch für mich zum Beispiel eine Stärkung des medizinischen Sachverstands, der hier in Thüringen ganz konkret mit der Ärztekammer schon vertreten ist, durch den Verband der Leitenden Chefärzte vorzunehmen. Ich denke, darüber werden wir im Ausschuss noch weiterdiskutieren.

Ich finde, die Thüringer Lösung ist gerade an der Stelle beispielsweise gegenüber der rheinland-pfälzischen Lösung wesentlich vernünftiger. Dort hat man nämlich gerade die Ärzteschaft komplett rausgelassen; das halte ich für einen Fehler. Ich finde, dass die Thüringer Lösung sehr vernünftig hier gewählt wird.

Meine Damen und Herren, wir werden uns noch sehr ausführlich über die einzelnen Inhalte des Gesetzes im Ausschuss unterhalten können. Es wird uns die Möglichkeit geben, uns auch selber als Land aktiv mit einzubringen. Das Gremium hat - auf die Beschlüsse hatte ich schon hingewiesen - für uns einen recht hohen Stellenwert, das begrüße ich. Wir werden uns über verschiedene andere Schwerpunkte noch unterhalten, ob das Besetzung ist, an welchen Stellen, wie die Empfehlungen aussehen können. Ich bitte Sie um Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Für die FDP hat Abgeordneter Koppe das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach fast zehn Monaten, nachdem das Versorgungsstrukturgesetz der Bundesregierung in Kraft getreten ist, nämlich seit dem 1. Januar - und es ist deswegen in Kraft getreten, weil bis vor Kurzem noch durch verschiedene Seiten ein Ärztemangel bestritten worden ist -, haben wir nunmehr den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung der durch den § 90 a SGB V geschaffenen Möglichkeit zur Errichtung eines Landesgremiums in Thüringen vorliegen.

Ich habe in den drei Jahren im Landtag gelernt, man soll erst mit dem Positiven anfangen, das will ich auch machen. Ich stelle also fest, das TMSFG hat einen Gesetzentwurf in die Debatte eingebracht. Das war es aus meiner Sicht dann aber auch schon. Wenn ich ehrlich bin, hat mich der Entwurf schon ziemlich ratlos zurückgelassen. Dieser Entwurf wird aus unserer Sicht hoffentlich niemals so in die Praxis umgesetzt.

(Beifall FDP)

Ich kann mir auch - es tut mir leid, ich habe das hier nicht reingeschrieben ins Gesetz, das war Ihr Haus, Frau Taubert - ziemlich deutlich vorstellen, wie die Akteure der Selbstverwaltung reagieren, wenn das Ministerium versucht, quasi durch die Hintertür die Selbstverwaltung auszuhebeln.

(Beifall FDP)

Bei den angedachten Kompetenzen des Landesgremiums entwickeln Sie aus unserer Sicht ein Obergremium, das auf alle relevanten Fragen der Selbstverwaltung plötzlich Einfluss nehmen und zu allen Fragen der Selbstverwaltung plötzlich Stellung beziehen darf. Dies mag ja für den einen oder anderen Akteur, der bis daher relativ wenig Zugriff auf die Fragen der ambulanten Versorgung hatte, wie beispielsweise Ihr Ministerium, schon verlockend sein, aber ich kann Ihnen versichern, Frau Ministerin, dass meine Fraktion für den Erhalt der bewährten Unabhängigkeit, der Selbstverwaltung, kämpfen wird.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Taubert, Ministerin für Soziales, Familie und Gesundheit: Da haben Sie sich aber nicht so sehr mit der Materie beschäf- tigt.)