Protocol of the Session on June 2, 2005

Nun gibt es einen Antrag der SPD und ich sage ganz ausdrücklich: Dieser Antrag zeigt, wie Politik an Doppelzüngigkeit kaum zu überbieten ist.

(Zwischenruf Abg. Künast, SPD: Was?)

Ich möchte das... Ja, Frau Künast, das ist doppelzüngig. Gerade erst hat die rotgrüne Bundesregierung

(Unruhe bei der SPD)

über Hunderttausende von Bürgern dieser Bundesrepublik durch Änderung des Arbeitslosenhilfegesetzes in Arbeitslosengeld II gebracht und damit auf Sozialhilfeniveau gedrückt,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Das haben Sie doch gewollt.)

meine Damen und Herren, und jetzt fordern Sie in diesem Antrag,

(Unruhe bei der SPD)

wir sollen die Sozialhilfe vermeiden. Das halte ich für doppelzüngig im wahrsten Sinne des Wortes.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Ihre Zunge dreht sich ja schon im Kreis.)

(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Das ist nicht nur gespaltene Zunge, das ist gespaltenes Hirn.)

Ja aber Moment mal, Herr Matschie, wenn mehrere Hunderttausend Bürger - ich wiederhole es - in diesem Land auf Sozialhilfeniveau gedrückt worden sind durch ein Gesetz dieser rotgrünen Bundesregierung und jetzt schreiben Sie uns hier vor in diesem Antrag, wir sollen die Sozialhilfe vermeiden. Das ist doch lächerlich vor der Öffentlichkeit, wenn Sie etwas glaubwürdig darstellen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Frau Künast, eines steht auch fest und mein Kollege Panse hat darauf hingewiesen, die Pflegeversicherung steht vor der Wand. Sie ist nicht mehr finanzierbar. Deswegen hat ja Kanzler Schröder gesagt: Wir müssen die Pflegeversicherung ändern und

wir werden rechtzeitig, noch in dieser Legislaturperiode, ein Gesetz vorlegen. Aus dieser Verantwortung hat er sich nun durch seine Entscheidung, die Wahlen vorziehen zu wollen, herausgemogelt. Da hat er sich aus der notwendigen Verantwortung gemogelt, meine Damen und Herren.

(Zwischenruf Abg. Pilger, SPD: Das machen wir dann danach.)

Wir werden sehen, wer das dann danach machen muss. Eines steht fest: Wir brauchen Veränderungen auch in diesem Bereich. Es steht für uns in Thüringen natürlich die Frage: Wie lange wollen wir uns noch eine Doppelförderung oder eine Subventionierung von Bürgern leisten, die ihren Beitrag auch selbst bezahlen könnten?

Meine Damen und Herren, wer vor der Pflegesituation seine Miete in einer Mietwohnung problemlos zahlen konnte, warum soll er in der Pflegeeinrichtung gerade von diesem Betrag entlastet werden? Es steht natürlich die Frage insgesamt: Wie können wir den Sozialstaat so gestalten, dass wirklich Bedürftige - ich betone „wirklich Bedürftige“ - auch die Solidarität der Gemeinschaft erhalten können. Natürlich, Frau Künast, wird es so werden, wie Sie gesagt haben, Familien werden in Zukunft mehr Verantwortung auch für die Pflege ihrer Angehörigen haben. Ein Blick auf die demographische Situation zeigt dies unmissverständlich. Deswegen haben wir auch immer gesagt, ambulant vor stationär ist der Weg, der in der Zukunft greifen muss und der auch in Zukunft vorgegeben sein wird. Sonst wird die Pflegeversicherung einfach nicht mehr bezahlbar sein. Das ist auch von Frau Ulla Schmidt so in einem Interview deutlich zum Ausdruck gebracht worden.

Ein Wort noch zur künftigen Planung von Pflegeeinrichtungen: Ich halte von den Kassandrarufen, Frau Thierbach, wir hätten in Zukunft keine optimale Pflegesituation in Thüringen mehr, nichts und diesen kann ich nicht folgen. Ich denke, gerade mit diesem Gesetz, und dies zeigt sich auch bei mir in der Praxis, hat sich die Nachfrage zum Bau von Pflegeeinrichtungen erhöht. Allein in meinem Wahlkreis sind zwei Bürger zu mir gekommen, die gefragt haben: Wie müssen wir es machen, dass wir uns auch in diesem Bereich engagieren können? Wir wollen Pflegeeinrichtungen bauen, welche Möglichkeiten gibt es? Denn erst mit diesem Gesetz haben wir eine Situation, haben wir Bedingungen, bei denen wir auf dem Markt bestehen können. Ich bin ganz sicher, Ihre Kassandrarufe werden nicht zutreffen und wir werden in diesem Bereich die Pflegelandschaft immer noch so gestalten, dass sie den Anforderungen gerecht wird.

Einige Zahlen Frau Thierbach: Wir haben zurzeit in Thüringen ein ausreichendes Angebot im ambulanten Bereich von inzwischen 375 ambulanten Pflegediensten aufgebaut. Diese Aufgabe besteht bei den Kommunen, auch bei evtl. entstehenden Versorgungslücken in Zukunft entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um diese Lücken zu schließen. Das heißt, wir haben im Gesetz nach wie vor verankert, dass die Verantwortung für pflegerische Versorgung so aufgeteilt bleibt, wie es nämlich bisher auch war, die Kommunen auf der einen Seite für die ambulanten Pflegedienste und das Land ist zuständig für die stationären Dienste.

Das bedeutet auch in Zukunft, dass die Landkreise die Verantwortung für die ambulante Pflege wahrnehmen werden. So haben es auch die kommunalen Spitzen in der Form kundgetan und auch unmissverständlich gesagt. Das Gleiche gilt natürlich auch für die stationäre Pflege. Das Land kann investive Aufwendungen bei stationären Pflegeeinrichtungen gemäß § 3 des Gesetzentwurfs fördern. Diese Regelung wird den Vorgaben des § 9 SGB XI auch gerecht. Danach haben die Länder eine ausreichende pflegerische Versorgung sicherzustellen. Ich will auch hier ausdrücklich das Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Juni 2001 noch einmal anführen: „Die staatliche Aufgabe besteht darin, den Bedarf an Pflegeeinrichtungen festzustellen und zu kontrollieren, inwieweit der Bedarf durch vorhandene Einrichtungen gedeckt wird.“ Zu weiteren staatlichen Maßnahmen insbesondere durch eine finanzielle Förderung besteht nach Auffassung des Bundessozialgerichts erst dann eine Verpflichtung, wenn sich herausstellen sollte, dass unter den Regeln des Marktwettbewerbs eine ausreichende Versorgung mit Pflegeeinrichtungen nicht gesichert ist. Somit verpflichtet das Bundesrecht die Länder nicht generell, Pflegeeinrichtungen öffentlich zu fördern.

Der Vorwurf, wie er gerade von der SPD-Landtagsfraktion erhoben wurde, das Land wolle sich mit der Vorlage seinem gesetzlichen Investitionsauftrag entziehen, geht angesichts dieser vom Bundessozialgericht gemachten Feststellung ins Leere. Ich hatte es vorhin bereits gesagt, dass im Zusammenhang mit der Förderung im Rahmen des Sonderinvestitionsprogramms gemäß Artikel 52 des Pflege-Versicherungsgesetzes bis zum Jahr 2006 über 10.000 Pflegeheimplätze vollständig saniert oder neu gebaut sein werden. Das sind weit über 60 Prozent der Pflegeplätze, die noch subventioniert sind, und ich bin der Meinung, dass dies ein ausreichendes Platzangebot ist, um ausgerechnet auch diejenigen, die es sich finanziell nicht leisten können, mit ausreichend preiswerten Pflegeheimplätzen zu versorgen.

Meine Damen und Herren, es ist richtig, die von uns ins Auge gefassten 4.700 Plätze werden in Zukunft

von den Heimbewohnern einen zusätzlichen Investitionskostenbeitrag erfordern. Aber auch das ist aus der Logik des Bundessozialgerichtsurteils entsprechend notwendig, denn - ich möchte daran erinnern -, wenn wir dieses Gesetz nicht auf den Weg bringen würden, dann bestünde das Risiko, dass die Heime, die bisher nicht gefördert worden sind, einen Rechtsanspruch auf Förderung durch das Land haben. Das würde sich auf ungefähr 13 Mio. € addieren.

(Zwischenruf Abg. Thierbach, PDS: Das stimmt nicht.)

Wenn ich dann noch in Rechnung stelle, dass die Artikel-52-Heime, natürlich nachdem sie auch entsprechende Zeit benutzt worden sind, auch Investitionsaufwendungen machen würden, dann würden auch diese Heime in den Subventionstatbestand hineinwachsen und wir hätten unter dem Strich eine Kalkulation von ca. 60 Mio. € in Zukunft als Land aufzuwenden. Das sollte auch Ihnen einleuchten, Frau Thierbach, dass dieser Betrag schlichtweg nicht zu leisten ist. Wir wollen aber auch keinem, der jetzt in dem Heim wohnt, die Mehrbelastung zumuten. Das heißt, diejenigen, die bisher in den Heimen gewohnt haben, sollen von der Regelung ausgenommen werden. Sie haben Bestandsschutz. Diese Regelung ist in § 4 der Gesetzesvorlage ausdrücklich so vorgesehen. Die betroffenen Heime erhalten einen Ausgleichsbetrag in Form einer bewohnerbezogenen Aufwandsbezuschussung, so dass die Heimbewohner finanziell nicht stärker belastet werden als bisher. Sie dürfen durch die Gesetzesänderung auch nicht schlechter gestellt werden, das war der Kompromiss, der in der Fraktion auch entsprechend so gefunden worden ist, für sie darf sich in der Sache aus unserer Sicht nichts ändern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein Kompromiss. Ich halte diesen Kompromiss für tragbar und bitte Sie um Zustimmung zu diesem Gesetz. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen mehr vor. Damit schließe ich die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmung. Als Erstes stimmen wir ab über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheit in der Drucksache 4/927. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte. Danke schön. Mit einer Mehrheit ist diese Beschlussempfehlung angenommen. Ich frage trotzdem nach den Stimmenthaltungen. Die gibt es nicht.

Zum Zweiten werden wir abstimmen über den Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drucksache 4/721 nach zweiter Beratung unter Berücksichtigung der Annahme der eben angenommenen Beschlussempfehlung. Die SPD- und die PDS-Fraktion signalisieren offensichtlich, dass wir namentlich abstimmen wollen. Kann ich das so zusammenfassen?

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Dürfen Sie.)

Dann stimmen wir darüber namentlich ab. Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Ich gehe davon aus, dass jeder die Möglichkeit hatte, seine Stimmkarte abzugeben. Ich bitte nun um das Auszählen.

Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3 vor. Zum Ersten Gesetz zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Ausführung des Pflege-Versicherungsgesetzes in Drucksache 4/721 wurden 85 Stimmen abgegeben: mit Ja haben 44 gestimmt, mit Nein 41. Damit ist der Gesetzentwurf mit Mehrheit angenommen worden (namentliche Abstimmung siehe Anlage 2).

Ich bitte, das in der Schlussabstimmung zu dokumentieren. Wer für den Gesetzentwurf ist, möge sich jetzt von den Plätzen erheben. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte? Danke schön. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.

Ich stelle fest, dass sich die Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 4/935 mit diesem Ergebnis erübrigt hat.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf

Thüringer Gesetz zum Schutz der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/813 - dazu: Beschlussempfehlung des Innenausschusses - Drucksache 4/885 - ZWEITE BERATUNG

Herr Abgeordneter Kölbel aus dem Innenausschuss ist zum Berichterstatter ernannt worden und ich bitte um die Berichterstattung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Gäste, mit Beschluss vom 21. April 2005 wurde dem Innenausschuss die Drucksache 4/813 „Thüringer Gesetz zum Schutz

der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora“ überwiesen. In seiner 14. Sitzung hat der Innenausschuss am 13. Mai 2005 den Gesetzentwurf der Landesregierung umfänglich beraten und er hat mehrheitlich seine Zustimmung gegeben. Es gab - wie schon von der Präsidentin erwähnt - eine Änderung des ursprünglichen Gesetzentwurfs. Diese ist in der Drucksache 4/885 enthalten. Hier geht es darum, dass die Grundlage für die geschützten Grundstücke - ich erinnere dabei an die Anlage 1 des bestehenden Gesetzentwurfs - dahin gehend präzisiert wurde, dass die einschlägigen Liegenschaftskarten, die dabei vorliegen, sich im Maßstab 1 : 1000 bis 1 : 5000 im Original befinden. Hintergrund der Gesetzesinitiative war ja der Schutz von bestimmten würdigen historischen Orten in Thüringen vor extremistischen Veranstaltungen - siehe auch dazu die Änderung des Versammlungsgesetzes der Bundesrepublik vom März 2005.

Werte Abgeordnete, ich darf Sie um die Zustimmung für die Drucksachen 4/885 und 4/813 ersuchen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache in der zweiten Beratung und rufe als Ersten für die SPD-Fraktion den Abgeordneten Gentzel auf.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, insbesondere die Gedenkstätte Buchenwald, aber auch die Gedenkstätte Mittelbau-Dora ist verstärktes Ziel von Demonstrationen von rechtsextremen Parteien und Vereinigungen in Thüringen und wir müssen davon ausgehen, dass sie dieses Ziel auch zukünftig verfolgen wollen. Sie wollen dort nicht nur ihre angebliche Macht demonstrieren, sie wollen ganz bewusst mit den entstehenden Bildern die Opfer verhöhnen und das Andenken an sie schänden. Wir, die Thüringer SPD, sind froh, dass wir eine feste juristische Grundlage haben nach dieser Abstimmung, um dieses zukünftig nicht nur zu verbieten, sondern mit diesem Verbot das auch verhindern zu können. Grundlage dafür war die Änderung des Versammlungsrechts am 14. Mai 2005 im Bundestag. Dieses Thüringer Ausführungsgesetz heute ist die konkrete Umsetzung dieser damaligen Gesetzesänderung. Ich bitte um Ihre Zustimmung hier im Haus und möchte mich für die Beratung im Ausschuss bedanken.

(Beifall bei der SPD)

Für die PDS-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Hahnemann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir hatten bereits in der ersten Beratung darauf hingewiesen: Gegen die in Rede stehenden Einschränkungen des Versammlungsrechts waren im Gesetzgebungsverfahren des Bundestags erhebliche rechtliche und auch politische Bedenken ins Feld geführt worden. Auch Sachverständige außerhalb der Politik hatten die Gesetzesänderung deutlich kritisiert. Sie sprachen die Empfehlung aus, statt des geplanten Gesetzgebungsaktionismus doch eher den Weg einer politischen Entschließung zu gehen, verbunden mit der Aufforderung an alle Bürgerinnen und Bürger zu einem deutlichen zivilgesellschaftlichen Engagement gegen rechtsextremistische Entwicklungen. Alles das und die daraus resultierende ablehnende Haltung der PDS-Fraktion zur Landesgesetzgebung habe ich in der ersten Beratung bereits ausführlich dargestellt. Diese ernst zu nehmenden Einwände aus vielen Richtungen gegen die Einschränkungen des Versammlungsrechts wären es Wert gewesen, dass man die Gesetzgebung noch einmal überdenkt. Aber leider hat sich die Ausschussberatung auf kein existenzielles Problem dieser Gesetzgebung beschränkt. Eine Veränderung des Darstellungsmaßstabes für die Karten im Anhang, damit man auf den Lageplänen die Grundstücksgrenzen des verbotenen Bezirks besser erkennen kann, das kommentiert sich meines Erachtens selbst, so dass ich Ihnen und mir weitere Ausführungen dazu ersparen kann.

Die PDS-Fraktion wurde schon in der ersten Beratung für ihre Ablehnung eines Landesgesetzes über Demonstrationsverbote an Gedenkstätten viel gescholten. Insbesondere der Herr Kollege Gentzel malte sehr eindrucksvolle Bilder von benebelten Neonazis, die sich zu spontanen Chaostouren gegen Gedenkstätten entschließen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Pseudophilosophie.)