Protocol of the Session on January 27, 2005

(Beifall Abg. Thierbach, PDS)

Meine Damen und Herren, nun mag mancher eventuell verärgert oder schockiert sein. Solche Folgen von Untersuchungsausschüssen sind aber keine Katastrophen, die durch Einschränkung des Untersuchungsrechts verhindert werden müssten oder dürften. Ganz im Gegenteil, Untersuchungsausschüsse sind dazu da, politische Verantwortlichkeit für Regierungshandeln und -fehlverhalten festzustellen. Wenn entsprechende Feststellungen den Rücktritt eines Ministers nahe legen sollten, dann ist das zuvörderst das persönliche Problem des jeweiligen Ministers und das politische Problem einer Regierung, nicht aber das Problem eines Parlamentsausschusses und seiner Kontrollfunktionen.

Eines der wichtigsten Felder auch hier in Thüringen für Untersuchungsausschüsse ist nun einmal die Verflechtung von Wirtschaft und Politik. Leider stoßen gerade hier, und das haben die Erfahrungen gezeigt, Untersuchungsausschüsse immer wieder an verfassungsrechtliche Grenzen. Sie dürfen Firmenaktivitäten nur insoweit ausleuchten, als sie in den öffentlichen Raum staatlicher Strukturen hineinragen. In Thüringen besteht dabei zusätzlich das Problem, dass es einen sehr weit gefassten so genannten Betroffenenstatus gibt. Das sind Personen - Zitat -, "gegen die sich nach dem Sinn des Untersuchungsauftrags die Untersuchung richtet"; übrigens einer dieser typischen praktisch schier grenzenlos auslegbaren und damit auch leider ziemlich deformierbaren Begriffe des Untersuchungsausschußgesetzes. Es ist schon oft versucht worden, sich in den Schutz dieses Status zu flüchten und in nicht wenigen Fällen ist es auch geglückt. Das stellt sich dann meist - und das haben viele von uns erlebt - als eine empfindliche Beeinträchtigung der Aufklärungsarbeit im Ausschuss dar. Der Entwurf der PDS-Fraktion ignoriert nicht einen solchen rechtlichen Status. Schließlich gibt es private Personen, die mit der staatlichen Sphäre in Kontakt kommen oder Verbindungen zu ihr haben. Sie dürfen im Fall der parlamentarischen Untersuchung nicht zu bloßen Untersuchungsobjekten werden. Aber im derzeit

geltenden Gesetz genießen auch juristische Personen, also auch Unternehmen, dieses Recht - ohne jede Ausnahme. Weshalb es aber zur vollständigen Aussageverweigerung berechtigt, erschließt sich nicht wirklich. Es gibt Untersuchungsausschussgesetze anderer Länder, wie z.B. das Hamburgs, die ausdrücklich nur natürlichen Personen einen solchen Status zubilligen und Betroffene können dort auch nur die sein, für die der Ausschuss im Bericht Aussagen darüber treffen will, ob sie sich eines Vergehens schuldig gemacht haben. Diesem Modell aus Gesetzen anderer Bundesländer ist der Entwurf der PDS gefolgt.

Meine Damen und Herren, es gibt noch weitere Punkte im Gesetzentwurf, die dazu beitragen sollen, die Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung des Ausschusses zu erleichtern oder Behinderungen zu vermeiden, auf die ich hier jetzt nicht näher eingehen will.

Aber, meine Damen und Herren, ein Untersuchungsausschuss erfüllt seine Kontrollaufgabe nicht nur über die Aufklärung von Sachverhalten. Es ist genauso wichtig, wie er mit der Öffentlichkeit seiner Arbeit umgeht, insbesondere mit den Ergebnissen zum Beispiel im Abschlussbericht, in dem die Sachverhaltsermittlungen und die Ergebnisse dargestellt und diese einer politischen Bewertung unterzogen werden. Auch an diesem Punkt muss deutlich die Tatsache zum Tragen kommen, dass es die Minderheit im Parlament und im Ausschuss ist, die in besonderem Maße die Aufgabe der Kontrolle der Regierung wahrnimmt. Deshalb wird nach unserem Gesetzentwurf der Entwurf des Abschlussberichts nicht mehr wie bisher vom Vorsitzenden erarbeitet, sondern von einem Unterausschuss. Schließlich stellt diese Erarbeitung des Entwurfs eine wichtige Weichenstellung für die letzte Phase der Untersuchungsarbeit dar. Darüber hinaus erhält jeder Abgeordnete, aber vor allem eine Minderheit der Ausschussmitglieder das Recht, in sehr umfassender Weise ihre Sicht auf die Dinge im Rahmen des Berichts oder auch als alternativer Abschlussbericht darzulegen und öffentlich zu machen. Auch das, meine Damen und Herren, dient der Meinungsbildung des Parlaments und der Bürgerinnen und Bürger. Es ermöglicht ihnen, über Vorgänge von öffentlichem Interesse ein umfassendes Bild zu erhalten, und um solche Vorgänge handelt es sich laut Untersuchungsausschußgesetz, wenn sie vom Landtag untersucht werden.

Meine Damen und Herren, das Untersuchungsrecht des Parlaments ist ein wichtiges demokratisches Instrument. Ein entsprechend hoher Stellenwert kommt damit dem Untersuchungsausschußgesetz und den Untersuchungsausschüssen zu. Wir unterbreiten mit diesem Gesetzentwurf Diskussions- und Regelungsvorschläge, die dazu beitragen sollen, Untersu

chungsausschüsse zu wirksamen Kontrollinstrumenten zu machen. Das tut der Demokratie in Thüringen gut und Bürgerinnen und Bürger haben darauf einen Anspruch. Wir nehmen geäußerte Bedenken, egal welcher Natur, ernst. Lassen Sie uns also anhand der Vorschläge dieses Gesetzentwurfs zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes etwas für die Stärkung eines der wichtigsten Rechte des Parlaments und der Öffentlichkeit tun. Ich beantrage namens der Fraktion die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten.

(Beifall bei der PDS)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Carius, CDU-Fraktion.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, uns liegt der Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes und des Verfassungsgerichtshofsgesetzes vor.

Vorab gestatten Sie mir eine Bemerkung, sehr geehrter Herr Dr. Hahnemann: Ich denke, Sie haben sich hier viel Mühe gemacht, zumal Ihre Anlehnung an das Bundesuntersuchungsausschussgesetz insgesamt doch mehr einer Fiktion als der Wirklichkeit entspricht und man anhand der zahlreichen Änderungen, die Sie in einzelnen Vorschriften hier vorgenommen haben, erst auf den zweiten Blick Ihren ausforschenden und in das Regierungshandeln tief eingreifenden Charakter entnehmen kann. Übel nehmen kann ich Ihnen aber eines und das ist, dass Sie hier für sich als Parlamentarier, jedenfalls wurde das aus Ihrem Vortrag so deutlich, allein den Parlamentariern der Oppositionsfraktionen hier das Recht zubilligen, die Kontrollfunktion des Parlaments voll auszuführen. Ich denke, das wird der Sache nicht gerecht. Auch die Abgeordneten der CDU-Fraktion kontrollieren die Regierung und machen das sehr gewissenhaft. Dass sie sich dabei natürlich auch anderer Methoden bedienen müssen als Sie,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das habt ihr bis jetzt geschickt verborgen.)

das ist, denke ich, selbstverständlich. Insofern verkennen Sie meines Erachtens die Parlamentswirklichkeit auch in diesem Haus. Es handelt sich auch um eine Verkennung, wenn Sie aus der Annahme, der Untersuchungsausschuss diene nur der Aufklärung politischer Verantwortlichkeit, folgern, dass deshalb auch eine flexiblere Gestaltung des Instrumen

tariums möglich sei und insbesondere die enge Anlehnung an die StPO nicht mehr nötig sei. Ich denke, gerade nachdem Sie die Rechte der Betroffenen ja zurechtschneiden, müssen wir dem hier entschieden widersprechen, denn ein Untersuchungsausschuss und dessen Ergebnisse sind immer öffentlich, auch die Sondervoten der Oppositionsfraktionen, wenn sie vorliegen. Sie können daher auch staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen als Grundlage dienen und insofern ist es, denke ich, einleuchtend, dass eine Reduktion der Rechte von Betroffenen sich sehr nachteilig auf diese in einem später mitunter folgenden Strafverfahren auswirken kann, weil diese dann ihrer Rechte entledigt sind, nachdem sie im vorigen Untersuchungsausschuss diese Rechte ja nicht wahrnehmen konnten. Insofern sind Sie ausgehöhlten Rechten im Strafverfahren ausgesetzt und ich denke, gerade von Ihnen, Herr Dr. Hahnemann, da hätte ich mehr Sensibilität in diesem Punkt erwartet. Ihre Einlassung, dass die Darstellung der oppositionellen Meinungen im Abschlussbericht als ungenügend empfunden wird, lässt meines Erachtens nach zwei Schlüsse zu. Erstens scheinen Sie offensichtlich das bisher geltende Instrument der Sondervoten nur ungenügend genutzt zu haben oder aber Sie sind einfach unzufrieden, dass in der Öffentlichkeit niemand Ihren durchschaubaren Sondervoten Glauben schenkt. Meine Damen und Herren, ich denke, beide Gründe sprechen nicht dafür, ein Gesetz zu ändern, sondern man sollte stattdessen die Kontrollfunktion, deren man sich eben noch gerühmt hat, doch besser wahrnehmen. Auch Ihr Vorwurf, dass das geltende Untersuchungsausschußgesetz allein ein Schutzinstrument der Regierung ist, geht fehl, denn er basiert allein auf der Erkenntnis, dass die bisherigen Untersuchungsausschüsse, gemessen an dem öffentlichen Zirkus bei ihrer Einsetzung, so gut wie keinen Vorwurf belegen konnten.

(Beifall von der CDU)

Dass dies aber nicht Folge des Untersuchungsverfahrens, sondern auch Folge dessen sein kann, dass die Vorwürfe sich allesamt als unhaltbar darstellen, diese Folgerungen ziehen Sie mit Ihrem Gesetz hier ja ganz offensichtlich nicht. Ich denke, dieser Grundzug der Nichtanerkenntnis von Tatsachen durchzieht Ihre gesamte Argumentation, insbesondere das von der Mär, dass Beweisanträge der Opposition, die die Mehrheit nach Gutdünken weggestimmt habe, dass Beweisanträge der Opposition deshalb nach Gutdünken einfach vom Tisch gewischt werden könnten. Ich erinnere mich an die Beratung im Untersuchungsausschuss 3/3. Wir hatten dort insgesamt drei Anträge der Oppositionsfraktionen, die wir mit Verweis auf die Gründe im Untersuchungsausschußgesetz damals als nicht zulässig befunden haben und, Frau Präsidentin, Sie erlauben ein Zitat aus dem Gesetz. Ich möchte mal ganz kurz auf die Gründe

eingehen. Hier steht in § 13 Abs. 2: "Im Übrigen dürfen Beweisanträge von Ausschussmitgliedern nur abgelehnt werden, erstens, wenn eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, zweitens, wenn die Aufklärung der Tatsache, die bewiesen werden soll, vom Untersuchungsauftrag nicht gedeckt oder die Tatsache schon erwiesen ist und drittens, wenn das Beweismittel völlig ungeeignet oder wenn es unerreichbar ist." Die Liste geht natürlich noch weiter. Aber das waren auch die Entscheidungsgründe für die Kommission, die Sie im Anschluss angerufen haben. Das waren die Entscheidungsgründe für die Kommission, unser Votum zu bestätigen. Das heißt, in diesen drei Fällen wurden die Anträge wegen völliger Ungeeignetheit abgelehnt. Daraus lässt sich wiederum nur ein Schluss ziehen: Arbeiten Sie lieber an der Qualität Ihrer Ausschussarbeit, statt wegen mehrfachen Scheiterns an einer an sich niedrigen Hürde, das Gesetz zu ändern.

(Beifall bei der CDU)

Auch auf die Frage des Ermittlungsbeauftragten in § 9 a Ihres Gesetzentwurfs möchte ich hier eingehen, dass er für mich meines Erachtens nach einige Diskussionspunkte birgt. Abgesehen davon, dass das Bedürfnis nach der Einsetzung des Ermittlungsbeauftragten bislang in keinem der Untersuchungsausschüsse deutlich wurde, muss man deren Arbeit, gerade, wenn man auf den Bundestagsausschuss und die Arbeit von Herrn Hirsch sieht, doch mit Skepsis begegnen. Sie stellen zusätzlich zu meiner Skepsis dieses Instrument, das Sie als unabhängig deklarieren, noch in Frage, da Ihre Einwirkungen auf die Unabhängigkeit eben doch ganz erheblich sind. So rücken Sie den Ermittlungsbeauftragten in Ihre Nähe, wenn Sie hier in Ihren Gesetzentwurf hineinschreiben, dass ein mit Zweidrittelmehrheit gewählter Ermittlungsbeauftragter durch das Votum eines Fünftels des Ausschusses abgelehnt werden könnte. Das setzt sich fort, indem Sie das Recht aus § 9 Abs. 6 festschreiben, womit Sie sich in die unabhängige Ermittlung einmischen, indem ein Fünftel der Ausschussmitglieder, die in den §§ 13 und 14 Ihres Gesetzentwurfs ohnehin schon zusammengestrichenen Rechte auf Beschluss auch noch mal aushebeln können. Ich denke, hier sind Zweifel an der Unabhängigkeit, an der so genannten, Ihres Ermittlungsbeauftragten, so wie er im Gesetz konstruiert ist, durchaus erlaubt. Und, meine Damen und Herren, die Liste der fragwürdigen Änderungen ließe sich noch fortsetzen. Aber ich denke, die völlig sachfremde Festsetzung des Zielverfahrens für die Ausschussbesetzung, indem Sie hier das Hare-Niemayer-Verfahren festschreiben und damit von unserer Tradition abweichen, dass es der Geschäftsordnung vorbehalten ist, offenbart ganz offenbar Ihren eigentlichen Zweck,

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Was Sie 1999 beschlossen haben mit der absoluten Mehrheit.)

nämlich erstens, dass Sie den Untersuchungsausschuss zu einer permanenten Einrichtung der Regierungsausforschung entwickeln möchten und zweitens, die Mehrheitsverhältnisse des Landtags zumindest doch im Untersuchungsausschuss umkehren möchten. Ich denke, da stehen wir davor, aber ich freue mich dennoch auf eine Beratung im Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten, die ich auch für meine Fraktion noch beantragen möchte. Danke.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Da stehen Sie davor.)

(Beifall von der CDU)

Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Es ist beantragt worden die Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten. Ich stelle diesen Antrag zur Abstimmung. Wer dafür ist, dass der Gesetzentwurf zur Beratung an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheit überwiesen wird, den bitte ich um das Handzeichen. Das ist die übergroße Mehrheit. Wer enthält sich der Stimme? Gibt es Gegenstimmen? Somit ist die Überweisung an den Ausschuss einstimmig angenommen.

Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf. Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 4

Zweites Thüringer Gesetz zur Neuorganisation des Kataster- und Vermessungswesens Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/530 ERSTE BERATUNG

Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Bitte, Herr Minister Trautvetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, mit dem Entwurf des Thüringer Gesetzes zur Neuorganisation des Kataster- und Vermessungswesens wurde der erste Schritt zur zukunftsorientierten Neuausrichtung des Kataster- und Vermessungswesens getan. Hiermit wird das so genannte Trennungsmodell eingeführt, wonach sich die Kataster- und die Vermessungsverwaltung aus dem hoheitlichen Vermessungsgeschäft weitestgehend zugunsten der Öffent

lich bestellten Vermessungsingenieure zurückziehen. Gleichzeitig wird im Interesse der Bürgerfreundlichkeit, den ÖbVI sowie den Städten und Gemeinden die Möglichkeit eröffnet, Auszüge aus den amtlichen Nachweisen der Katasterämter im Online-Verfahren für berechtigte Antragsteller zu erzeugen und abzugeben. Kernaufgaben der Kataster- und Vermessungsverwaltung werden die Erstellung, Führung und Bereitstellung der Geobasisdaten, z.B. das automatisierte Liegenschaftsbuch und die automatisierte Liegenschaftskarte sowie die Katastererneuerung sein. Mit dem Entwurf des Zweiten Thüringer Gesetzes zur Neuorganisation des Kataster- und Vermessungswesens wird der begonnene Weg der Reform zielgerichtet weitergeführt. Kernstück dieses zweiten Neuorganisationsgesetzes ist es, die gesetzlichen Grundlagen für einen zweistufigen Verwaltungsaufbau zu schaffen. Die erklärten Ziele der Landesregierung, gleichzeitig mehr Bürgernähe zu schaffen, die Verwaltung zu verschlanken, die Verwaltungsverfahren zu vereinfachen und neue Informationstechnologien besser zu nutzen, lassen sich für die Kataster- und Vermessungsverwaltung am besten durch einen zweistufigen Verwaltungsaufbau erreichen. Durch die Zusammenfassung der Katasterämter und des Landesvermessungsamts zu einem Landesamt für Vermessung und Geoinformation werden die Verwaltungsstrukturen gestrafft und Fachaufgaben und Fachpersonal gebündelt. Insbesondere in den Bereichen der Allgemeinen Verwaltung und der Informationstechnologie lassen sich auch Aufgaben, die bislang dezentral sowie teilweise getrennt und redundant durchgeführt wurden, an zentraler Stelle bündeln. Hierdurch kann vermessungstechnisches Fachpersonal freigesetzt werden, welches dringend für andere Fachaufgaben benötigt wird. Angesichts der umfangreichen und vielfältigen Aufgaben, vor denen die Kataster- und Vermessungsverwaltung stehen und hier ist an vorderster Stelle der Aufbau der automatisierten Liegenschaftskarte zu nennen, der bis 2009 abgeschlossen sein soll -, und vor dem Hintergrund der leeren öffentlichen Kassen ist diese Freisetzung von Bediensteten für Fachaufgaben in der Kataster- und Vermessungsverwaltung dringend notwendig. Weitere Synergieeffekte durch den zweistufigen Verwaltungsaufbau ergeben sich aus der bereits genannten Bündelung von Fachaufgaben und Fachpersonal. Die ursprünglich vorgesehene Eingliederung des Landesvermessungsamts in das Landesverwaltungsamt hätte nicht in dem Maße zum Ziel geführt. Die beschriebenen Synergieeffekte wären nicht in dem bei einer Zweistufigkeit möglichen Umfang eingetreten und zudem stand zu befürchten, dass ein Teil der Synergieeffekte durch Reibungsverluste aufgrund der vorerst gegebenen räumlichen Trennung und wegen der getrennten Fach- und Dienstaufsicht verloren gegangen wäre. Lassen Sie mich an dieser Stelle auch kurz auf einen Vorschlag der PDS eingehen, der am vergangenen Freitag in

der Presse zu lesen war. Nach Vorstellung der PDS sollen die Aufgaben der Thüringer Katasterämter zukünftig von den Kommunen wahrgenommen werden und die Landratsämter sollen für die Landesvermessung zuständig sein.

Meine Damen und Herren, bedenkt man, dass einheitliche Geobasisdaten dringend von der Wirtschaft und der Verwaltung benötigt werden, wir die ALK bis 2009 flächendeckend aufbauen wollen und derzeit in den Bundesländern, aber auch beim Bund und auf europäischer Ebene Geodateninfrastrukturen eingerichtet werden, dann kann ich diesen Vorschlag der PDS keinesfalls als zielführend bezeichnen. Was wir jetzt dringend benötigen, ist eine Kataster- und Vermessungsverwaltung, die leistungsstark und flexibel ist und nach einheitlichen Gesichtspunkten handelt. Dies gelingt am besten mit einem zweistufigen Verwaltungsaufbau, der Fach- und Dienstaufsicht vereint, kurze Verwaltungswege aufweist und somit in der Lage ist, politische Vorgaben schnell und korrekt umzusetzen. Im Einzelnen werden durch das zweite Neuorganisationsgesetz folgende Gesetze geändert: Im Thüringer Gesetz über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure sind in erster Linie die Änderungen enthalten, die aus dem zweistufigen Verwaltungsaufbau resultieren. So wird die Aufsicht über die ÖbVI zukünftig vom Ministerium für Bau und Verkehr wahrgenommen; Widerspruchsbescheide ergehen vom Landesamt für Vermessung und Geoinformation. Weiterhin wurden noch einige kleinere Änderungen vorgenommen, wie z.B. die Festlegung fester Fristen bei der Behebung von Mängeln in den Vermessungsschriften, die ganz im Sinne der Bürger sein dürften. Das Thüringer Katastergesetz und das Thüringer Landesvermessungsgesetz enthalten neben den Änderungen zum zweistufigen Verwaltungsaufbau jetzt überarbeitete Regelungen zur Nutzung der Daten des Liegenschaftskatasters und der Landesvermessung. Vor dem Hintergrund, dass diese Daten zukünftig einer umfassenden Nutzung zugeführt werden sollen, werden bislang vorhandene Einschränkungen zur Nutzung und Weitergabe gelockert. Personenbezogene Daten des Liegenschaftskatasters unterliegen jedoch weiterhin strengen Bestimmungen. Gleichzeitig wird es neben den Katasterbehörden, den ÖbVI sowie den Städten und Gemeinden auch den Landkreisen ermöglicht, im Interesse der Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe Auszüge aus den amtlichen Katasternachweisen abzugeben. Die übrigen Gesetze, also das Abmarkungs-, das Unschädlichkeitszeugnis- und das Besoldungsgesetz enthalten nur Änderungen aufgrund der zukünftigen zweistufigen Kataster- und Vermessungsverwaltung.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, dass nun mit dem Zweiten Gesetz zur Neuorganisation des Kataster- und Vermessungswesens der Grund

stein für eine flexible und leistungsfähige Katasterund Vermessungsverwaltung gelegt wird und uns die zügige Umgestaltung zu einer Dienstleistungsverwaltung für Geoinformation im Interesse von Wirtschaft und Verwaltung und zum Wohle der Bürger gelingen wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und rufe als ersten Redner auf für die PDS-Fraktion den Abgeordneten Hauboldt.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Ihnen heute vorliegende Gesetzentwurf ist nunmehr der dritte Anlauf der Landesregierung zur Neuorganisation des Kataster- und Vermessungswesens im Freistaat. Die Neuorganisation des Thüringer Kataster- und Vermessungswesens ist längst überfällig und wird grundsätzlich von der PDS-Fraktion, ich betone, nach wie vor unterstützt. Auch die beabsichtigte klare Aufgabentrennung zwischen den Katasterämtern und den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren wird von der PDS-Fraktion für sinnvoll erachtet und begrüßt. Dadurch werden tatsächlich klare Verhältnisse und Zuständigkeiten geschaffen, die gegenwärtige Doppelstruktur abgeschafft und die Aufgabenkonkurrenz beseitigt. Aber, Herr Minister Trautvetter, ich sage Ihnen und das kündige ich auch an, in der Zielstellung haben wir sicherlich etwas gemein, aber über das politische Handwerkszeug zu dieser Aufgabenstellung werden wir im Ausschuss noch streiten. Der vorliegende Gesetzentwurf konfrontiert uns mit genau denselben Problemen, wie sie bereits in der vergangenen Legislatur von uns aufgeworfen und diskutiert worden sind. Aber dazu komme ich später noch.

Das Gesetzgebungsverfahren dauert nun schon fast zwei Jahre. In Anbetracht dieser Tatsache kann von Eilbedürftigkeit als Einwand gegen die vollständige, ich betone vollständige, Neu- und Zusammenfassung der bestehenden Gesetze im Bereich des Katasterund Vermessungswesens keine Rede mehr sein. Das jetzige Gesetzgebungsverfahren hätte zum Anlass genommen werden müssen, ein modernes, zukunftsorientiertes Gesetz zu schaffen, das die bestehenden Gesetze im Bereich des Liegenschaftskatasters und der Landesvermessung in einem vereint. Mit dem geplanten Gesetz über die Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure, dem Kataster-, dem Abmarkungs- und dem Landesvermessungsgesetz soll es künftig vier Gesetze geben, die das Kataster- und Vermessungswesen im Freistaat regeln - ein Novum, meine Damen und Herren, in der

Bundesrepublik. Mit dem Aspekt der Deregulierung und der aktuellen Überprüfung von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Verordnungen auf ihre Notwendigkeit ist dies, denke ich, schwer vereinbar. Die lange Zeitspanne ist zudem Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit und Konzeptionslosigkeit der Landesregierung und führt zu einer enormen und nicht hinnehmbaren Verunsicherung der Betroffenen. Bei Betroffenen meine ich nicht nur die Angestellten, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger. Auch der vorliegende Gesetzentwurf lässt ein schlüssiges und zu Ende gedachtes Konzept für die künftigen Strukturen im Thüringer Katasterwesen missen. Dies wird unter anderem dadurch deutlich, dass die Landesregierung zunächst übersehen hatte, dass in Thüringen gemäß der Verwaltungsgerichtsordnung das Ministerium für Bau und Verkehr als oberste Landesbehörde eben nicht Widerspruchsbehörde sein kann. Ich rechne Ihnen an, Herr Minister, auf Hinweise der Spitzenverbände reagiert zu haben, und diesbezüglich ist ja eine Korrektur im Gesetz vorgenommen worden.

Meine Damen und Herren, die momentane Struktur der Katasterämter, statt 35 nur noch acht Katasterämter mit neun Außenstellen, hat die Landesregierung selbst, also ohne Beteiligung des Landtags, im Juni 2003 bestimmt, in einer Anordnung über die Errichtung und den Sitz der Katasterämter und damit eigentlich vollendete Tatsachen geschaffen. Diese Neustrukturierung wurde und wird von meiner Fraktion erheblich kritisiert. Zum einen bestehen an dieser Verfahrensweise der Landesregierung mit Blick auf Artikel 90 Satz 2 Thüringer Verfassung, der ausdrücklich bestimmt, dass der Aufbau der Landesverwaltung nur aufgrund eines Gesetzes geregelt werden kann, verfassungsrechtliche Bedenken.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Zum anderen ist diese Struktur auch nicht sinnvoll, weil sie von der allgemeinen Verwaltungsstruktur abweicht und damit für Verwirrung bei den Bürgerinnen und Bürgern sorgt - ich hatte das schon erwähnt. Sie stärkt das Behördenchaos, anstatt Bürgernähe zu schaffen. Aufgrund der Standortkonzentration sollen bekanntlich neben den Katasterämtern auch die ÖbVIs und die Gemeinden Auskünfte aus dem Liegenschaftskataster erteilen können, um so, nach Ihrer Aussage, Herr Minister, einen flächendeckenden Service für die Bürgerinnen und Bürger anzubieten. Die Auswahl der Standorte, Herr Minister, bleibt ein ungelöstes Rätsel Ihres Hauses. Gleichmäßige Verteilung der Fläche nach Einwohnerzahl an bestehenden Kreisstrukturen als Ausgleichsmaßnahmen aus der Gebietsreform und die Stärkung strukturschwacher Gebiete waren da mit von Ihnen vorgebrachte Argumente. Danach haben Sie Ihre Festlegung getroffen. Nachdem in nahezu allen ostdeutschen Bun

desländern die Diskussion über eine künftige Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform im Gang ist, haben Sie hier Strukturen nach einer Gebietsreform aus dem Jahr 1994 konstruiert. Was daran modern oder effektiv ist, bleibt hier die Frage. Bei der Standortfrage Schmalkalden - ich unterstelle das aber nicht - kann ich ja noch Ihr eigenes Interesse diesbezüglich verstehen.

(Beifall bei der PDS)

Durch das Zweite Gesetz zur Neuorganisation - obwohl ja kein Erstes existiert, das will ich an der Stelle auch mal betonen - des Kataster- und Vermessungswesens versucht die Landesregierung nun, den Verfassungsverstoß ein Stück weit zu heilen. Dieser Gesetzentwurf enthält nach der Begründung der Landesregierung Regelungen, die notwendig sind, um die Kataster- und Vermessungsverwaltung zu einer zweistufigen Verwaltung zu straffen und die Geobasisdaten der Kataster- und Vermessungsverwaltung einer umfassenden Verwendung - Sie haben es angeführt - zuzuführen. Die Landesregierung beabsichtigt nunmehr, die Katasterämter und das Landesvermessungsamt zu einem Landesamt für Vermessung und Geobasisdaten mit Außenstellen zusammenzuführen. Zunächst ist auch hier festzustellen, dass die Standortfrage durch das vorliegende Gesetz wieder nicht geregelt wird. Es ist nur die Rede von Außenstellen, wie viele das sein werden und nach welchen Kriterien die Standortauswahl erfolgt, soll wieder der Entscheidung des Gesetzgebers entzogen werden. Wir halten es nach wie vor für geboten, dass die Struktur der Katasterämter und ihre Standortfrage im Gesetz geregelt werden. Eine diesbezügliche Entscheidung wieder einmal ohne Beteiligung des Landtags, meine Damen und Herren, lehnen wir ausdrücklich ab.

(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie mir noch einen weiteren Aspekt. Die Landesregierung spricht von einem Übergang der Dreistufigkeit zur Zweistufigkeit. Von der Begrifflichkeit her, Herr Minister, finden Sie damit unsere jegliche Unterstützung, aber ich denke, tatsächlich handelt es sich bei dieser Variante um den Übergang von der vierstufigen zur dreistufigen Kataster- und Vermessungsverwaltung.

(Beifall bei der PDS)

Hinterfragenswert halten wir vor allem die Tatsache, dass es nach dem Entwurf der Landesregierung im Bereich der Kataster- und Vermessungsverwaltung in Thüringen nur noch eine oberste und eine obere Behörde mit einer Anzahl von unselbstständigen Außenstellen gibt, die untere Verwaltungsstufe folglich völlig wegfällt. Mit der beabsichtigten

Zusammenführung der Katasterämter und des Landesvermessungsamts zu einem Landesamt schafft die Landesregierung eine - die Begrifflichkeit stammt nicht von uns - Mammutbehörde, die den in der Regierungserklärung benannten Zielen der Bürgernähe, der Verschlankung und Vereinfachung der Verwaltung nicht gerecht wird. Solche großen Verwaltungseinheiten, wie sie die Landesregierung hier plant, sind nur schwer lenkbar und nicht sehr effizient. Sie blähen eine oberste Behörde auf, von deren Effektivität auch die Fachverbände nicht überzeugt sind. Sie schweißen nun die Katasterämter mit dem Landesvermessungsamt zusammen, eine Managementzentrale mit 17 unselbstständigen Außenstellen soll geschaffen werden. Zur Diskussion stehen 250 Personalstellen, um die wird weiter gestritten. Ich erwähne auch, 37 Immobilien müssen geklärt werden. Diese Fragen sind nach wie vor offen und auch diese verursachen Kosten, wie Sie mit Sicherheit dem Landeshaushalt entnehmen konnten. Ich betone auch, der konsequentere Weg der Zweistufigkeit ist die Kommunalisierung der Katasterämter, das haben Sie ja in Abrede gestellt, Herr Minister. Ich sage aber auch, unter Beachtung der Konnexität, von uns ein immer gefordertes politisches Instrument, da sollen nach Auffassung meiner Fraktion die Katasterämter in die Landratsämter und Stadtverwaltungen der kreisfreien Städte integriert werden. Dieser Vorschlag trägt der Dezentralisierung und dem Prinzip der Einräumigkeit von Verwaltungsstrukturen Rechnung, dessen stärkere Beachtung zu Recht auch von den Bürgerinnen und Bürgern und der Wirtschaft gefordert wird.

(Beifall bei der PDS)