Protocol of the Session on October 18, 2012

Mit dem Konjunkturpaket II und mit dem Programm Stark III wird das Ziel verfolgt - an dieser Stelle konnten damit schon Erfahrungen gesammelt werden -, Energie einzusparen. Deshalb muss das bei der öffentlichen Auftragsvergabe auch berücksichtigt werden.

Wenn zum Beispiel jemand kommt und sagt, der Bau des Verwaltungsgebäudes ist zwar teurer, aber am Ende werden mit einer neuen Idee 20 % der Energiekosten eingespart, dann muss es erlaubt sein, dass man solche Vergaben mit Nebenangeboten macht. Oder wenn zum Beispiel ein kommunales Krankenhaus eine neue Waschmaschine kauft, die 20 % weniger Energie verbraucht, aber ein wenig mehr kostet, dann wird der Kauf zukünftig möglich sein, meine Damen und Herren. Aber ich sage auch: Das Thema ist noch ausbaufähig.

Sie sehen, wir haben im Land Sachsen-Anhalt ein modernes Vergabegesetz auf den Weg gebracht. Wir können stolz darauf sein. In diesem Sinne bitte ich Sie nachher um die Zustimmung zu den entsprechenden Anträgen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Steppuhn, Sie haben schon die Hand des Kollegen Gallert gesehen. Jetzt hat er das Wort.

Er freut sich schon.

Herr Steppuhn, ich will zu der politischen Kontroverse nichts sagen, das wird der Kollege Thiel machen. Nach Ihrer euphorischen Rede möchte ich Ihnen einen Fall schildern, den es wirklich gibt, und zwar in meinem unmittelbaren Umfeld. Sie sagen mir dann, ob sich mit diesem Vergabegesetz daran etwas ändern wird.

Mein Sohn hat eine geistige Behinderung, deswegen wird er jeden Morgen von einem Fahrzeug zur Schule gefahren und nach der Schule wieder nach Hause gebracht. Diesen Auftrag hat eine Kommune an einen freien Wohlfahrtsträger vergeben. Ich weiß, dass die Pauschalkräfte, die den Fahrdienst übernehmen, miserabel bezahlt werden. Ich weiß von einem freien Wohlfahrtsverband, der 0,50 € mehr haben wollte und den Auftrag daraufhin sofort losgeworden ist, weil andere Wohlfahrtsverbände unter dem Angebot geblieben sind.

Der Mensch klingelt morgen bei mir. Kann ich ihm sagen, Sie werden, wenn dieses Vergabegesetz in Kraft getreten ist, einen Tariflohn bekommen, der in Ihrer Branche üblich ist?

Ich kenne die genaue Konstellation nicht, Herr Gallert.

Es handelt sich um eine öffentliche Auftragsvergabe der Stadt Magdeburg an einen freien Träger der Wohlfahrt.

Wir werden zwei Dinge erleben. Wir werden zum einen ein Vergabegesetz mit Leben erfüllen müssen. Ich hoffe, dass wir das gemeinsam begleiten; es ist auch eine Evaluierung vorgesehen.

Zum anderen stellt sich die Frage, wie wir in Bereichen, die wir nicht durch das Vergabegesetz erfassen, zukünftig zu guter Arbeit kommen. Das wird sicherlich auch außerhalb des Vergabegesetzes sein. Ihr Kollege Thiel wird sicherlich bestätigen, dass wir gerade im Bereich der Verkehrsdienstleistungen das maximal Mögliche formuliert haben, sodass DIE LINKE an der Stelle, also im Bereich der Verkehrsdienstleistungen, keine weitergehenden Änderungsvorschläge mehr hatte.

Ich habe eine Nachfrage. Wäre diese Geschichte aus Ihrer Perspektive eine Verkehrsleistung? - Das ist der einzige Bereich, der wirklich neu geregelt wird, alles andere ist durch Bundesgesetze geregelt. Ich könnte dem Fahrer also sagen: Nach unserem geltenden Vergabegesetz müsste sich Ihre Bezahlung demnächst an den Tarifen aus dem Verkehrsgewerbe orientieren.

Wenn dies eine Vergabe im Sinne des Vergabegesetzes ist und es sich um eine öffentliche Auftragsvergabe handelt, dann müsste das so sein.

Dann gucken wir einmal.

Das Gesetz gilt aber erst ab 1. Januar 2013. Zudem müssen bei solchen Dingen Neuausschreibungen berücksichtigt werden.

Vielen Dank an die Diskutanten. - Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Steppuhn, ja, Sie haben Recht, heute ist ein guter Tag für Sachsen-Anhalt. Das hängt aber damit zusammen, dass die Sonne scheint, und mehr nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Borgwardt, CDU: Der ist nicht zu toppen!)

Ich habe mich in Vorbereitung auf meine Rede gefragt, wie ich meine Rede gestalten werde und welche Gesichtspunkte ich einbringe. Meine erste Überlegung ging dahin, die Rede zu nehmen, die ich im Dezember vorigen Jahres zur Einbringung des Gesetzentwurfes gehalten habe.

Es hat eine Reihe von Aktivitäten gegeben. Wir haben eine große Anhörung durchgeführt. Wir haben in den Fachausschüssen beraten. Gleichwohl müssen wir im Ergebnis nüchtern feststellen, außer ein paar Nuancen hat sich trotz dieser Aktivitäten am Gesetzentwurf nichts geändert.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Anhörung am 1. März 2012 wurde immer wieder darauf verwiesen, wie sinnvoll es wäre, aus den beiden Gesetzentwürfen etwas Gemeinsames zu machen, ein Gesetz zu erarbeiten, das den hohen Ansprüchen von Gesetzestexten entspricht: Übersichtlichkeit, Klarheit in den Formulierungen und Regelungen, Allgemeingültigkeit und Nachhaltigkeit.

Leider konnten sich die Koalitionsfraktionen nicht dazu durchringen. Selbst in den beteiligten Fachausschüssen - Kollege Tögel hat es benannt - wurde oftmals nur halbherzig oder nicht über inhaltliche Bewertungen der Gesetzentwürfe gestritten. Das hat aus dem bekannten Grund nicht stattgefunden, nämlich in ordentlicher Koalitionsgläubigkeit ja kein Zugeständnis zu Vorschlägen der Opposition zu machen.

Der Tiefpunkt der parlamentarischen Diskussion war für mich im Finanzausschuss erreicht, der es mit einer politischen Mehrheit abgelehnt hat, sich überhaupt mit den Gesetzentwürfen zu beschäftigen. Dies ist damit begründet worden, dass das alles mit den Aufgaben des Finanzausschusses nichts zu tun habe. Das ist eine interessante Selbstreflexion zu den Prinzipien der Vergabe öffentlicher Mittel.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber es gab auch einen Höhepunkt: Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Landesentwicklung und Verkehr, zum Beispiel die Kontrollen zur Umsetzung des Gesetzes für verbindlich zu erklären, und weitere Anregungen an den federführenden Ausschuss, darunter auch die, das Nachsitzen zur Umsetzung des Konnexitätsprin

zips voranzutreiben. Das war ein Beispiel dafür, dass die mitberatenden Ausschüsse versucht haben, sich konstruktiv einzubringen. Zumindest das wurde berücksichtigt, weil ansonsten das Gesetz wahrscheinlich bei der ersten Klage vor dem Landesverfassungsgericht in der Versenkung verschwunden wäre.

Daher der guten Vollständigkeit halber nochmals zur Erinnerung unsere Ansprüche an ein modernes Vergabegesetz im 21. Jahrhundert: Nicht der Wettbewerb um Dumpingangebote soll öffentliche Auftragsvergabe charakterisieren, sondern der Wettbewerb um Qualität der angebotenen Leistung. Diese Intentionen haben wir aufgegriffen und mit unserem Vergabegesetz umzusetzen versucht.

Sie haben Recht, Frau Professor Wolff: Preis- und Leistungsverhältnisse sind hierbei die markantesten Punkte. Herr Schröder hat auch Recht, wenn er sagt, wir wollen nicht unehrlich sein. Wir sagen ehrlich unsere Meinung. Auch Frau Budde hat gesagt, wir sollen nicht nur den Zeigefinger heben, sondern dies mit einer konkreten Initiative umsetzen.

Deswegen sagen wir - ich sage es ganz deutlich -: Bei dem Thema gesetzlicher Mindestlohn kommen wir nicht durch die Hintertür. Wir kommen durch die Vordertür.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen sollte mit unseren Vorschlägen geregelt werden, dass ein Unternehmen, das sich an einer öffentlichen Ausschreibung in Sachsen-Anhalt beteiligt und den Zuschlag für diesen öffentlichen Auftrag erhält, nicht nur bei der Entlohnung seiner Beschäftigten an die im Arbeitnehmerentsendegesetz fixierten Löhne gebunden ist. Sofern es für die Branche keinen Tarifvertrag gibt oder die bestehenden Tarifverträge unter dem Stundenlohn von 8,50 € liegen, soll dieses Mindestentgelt gezahlt werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! So wird es dem zweiten Versuch, ein Vergabegesetz in Sachsen-Anhalt zu etablieren, gehen wie vor zehn Jahren dem ersten. Das Gesetz wird in den Mühlen der Nichtakzeptanz und der Unhandlichkeit zerrieben werden. Meine Einschätzung ist, dass Vergabegesetze nicht der Glücksbringer für SPDFraktionen zu sein scheinen.

Die CDU bestätigt nach Abschluss der Debatten in den Fachausschüssen in dankenswerter Weise, dass sie eigentlich gar kein Vergabegesetz wünscht. Der Schwellenwert für dessen Geltung sei hoch angelegt worden, heißt es nach der abschließenden Ausschusssitzung. Das bedeutet nichts anderes als die Tatsache, dass viele unter der Latte durchschlüpfen werden, was das Gesetz an sich schon infrage stellt.

Sogenannte vergaberechtsfremde Aspekte seien auf ein Minimum reduziert worden, hieß es aus

CDU-Kreisen. Es sagt mehr über das Gesellschaftsbild der Fraktion als über den missratenen Gesetzesentwurf, wenn soziale oder ökologische Aspekte oder gar die Einziehung einer Lohnuntergrenze in allen Fällen, wo öffentliche Mittel eingesetzt werden, als vergaberechtsfremd denunziert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

So werden viele kleine Unternehmen benachteiligt, die öffentliche Angebote mit ordentlichen Preisen und Löhnen für ihre Mitarbeiter kalkulieren wollen. Aufgrund der abgelehnten Lohnuntergrenze müssen sie sich weiter dem Dumpingwettbewerb stellen.

Es sei erneut betont: DIE LINKE wird nicht von ihren Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn und nach verbindlichen Standards bei der Vergabe öffentlicher Aufträge lassen. Das Thema bleibt auf der Tagesordnung.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn, meine Damen und Herren, die Beschäftigten interessiert die Befindlichkeit einer Koalition herzlich wenig, sie erwarten die Lösung von Problemen.

(Beifall bei der LINKEN)

Diese Lösungen liegen auf dem Tisch und sie sind auch benannt worden. Verhindert werden sie offenbar nur durch die Zusammensetzung der Damen und Herren, die im Augenblick links und rechts von mir sitzen. Nimmt man die Beteiligten beim Wort, so sind von den 105 Abgeordneten in diesem Landtag eigentlich nur 42 gegen ein Vergabegesetz mit Mindestlohn sowie sozialen und ökologischen Kriterien.

Deswegen, lieber Kollege Steppuhn, ist das Plädoyer für einen Mindestlohn keine Grußadresse, die man verschicken kann. Vielmehr muss man Tatsachen schaffen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist schizophren, dass am gleichen Tag der SPD-Bundesvorsitzende und einheimische Sozialdemokrat in Halle für einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 8,50 € auf der Straße aufgetreten ist und dieser Mindestlohn nahezu zeitgleich im Wirtschaftsausschuss des Landtages mit den Stimmen der Sozialdemokraten abgelehnt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Genauso schizophren ist es, die Tatsache, als Land das geringste durchschnittliche Bruttoeinkommen im bundesdeutschen Vergleich zu haben, als Schwäche zu bewerten, und demgegenüber als Stärke die niedrigsten Lohnstückkosten anzugeben - so geschehen in den Ergebnissen der jüngsten Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft für Sachsen-Anhalt.

Diesbezüglich sind die Regierungen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Thüringen wie auch in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Bremen längst weiter. Nur in Sachsen-Anhalt gilt das nicht. Dort gilt: Koalitionstreue bei unüberbrückbaren Gegensätzen ist wichtiger als Problemlösungskompetenz, es sei denn, man will das Problem gar nicht lösen.