Protocol of the Session on October 18, 2012

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, der die wesentlichen Probleme nicht löst, der sich den wesentlichen Herausforderungen nicht stellt und der die wesentlichen Chancen, die wir gehabt hätten, mit dem Vergabegesetz etwas voranzubringen, nicht ergreift.

Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem es weiter möglich ist, dass mit Steuergeldern Beschäftigte bezahlt werden, die dann mit Krümeln in der Lohn

tüte nach Hause gehen müssen, weil wir keinen gesetzlichen Mindestlohn haben. Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem es weiterhin möglich ist, dass mit Steuergeldern umweltschädliche Produkte angeschafft werden, dass zum Beispiel billiges Industriefleisch in Kantinen an unsere Kinder verfüttert wird, weil wir die Anwendung ökologischer Standards nicht gesetzlich vorschreiben.

(Zurufe von der CDU)

Uns liegt ein Gesetzentwurf vor, mit dem es weiter keine Pflicht zur Kontrolle geben wird, sondern nur eine Kannbestimmung, mithilfe derer kontrolliert werden kann. All das ist ein Gesetzentwurf, der seinen Namen nicht verdient.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Man kann also guten Herzens sagen: Glückwünsche an die CDU! Sie haben es geschafft, erfolgreich zu verhindern, dass dieses Gesetz einen Beitrag dazu leistet, unser Bundesland sozial und ökologisch ein Stück voranzubringen. Mit diesen Glückwünschen möchte ich mich aber noch etwas zurückhalten.

Die CDU und auch die Ministerin stellen immer wieder nach vorn, dass es ihr angebliches Interesse sei, ein weniger an Bürokratie zu erreichen, also die Zahl bürokratischer Vorgänge zu reduzieren. Deshalb frage ich Sie: Was haben Sie denn mit ihrem Gesetzentwurf in diesem Zusammenhang erreicht? Was haben Sie denn an dieser Stelle vorangebracht? - Aus meiner Sicht: Fehlanzeige.

Es ist nämlich weiterhin möglich, dass jede Kommune und jede Vergabestelle unterschiedliche Eignungsanforderungen an Unternehmen stellt und die Unternehmen mit unterschiedlichen Kriterien nachweisen müssen, dass sie in der Lage sind, an diesen Ausschreibungen teilzunehmen. Das ist ein riesiger Bürokratieaufwand für Firmen und für Beratungsbüros, die an Wettbewerben um öffentliche Aufträge teilnehmen wollen. Daran haben Sie nichts verbessert.

Es ist weiterhin möglich, dass eine Vergabestelle als Umweltkriterium vorgibt - im Gesetzentwurf haben Sie die Rechtslage richtig wiedergegeben -: Beim Computer beispielsweise interessiert mich nicht der Energieverbrauch, sondern die Ummantelung des Kabels. - Deswegen konzentrieren wir uns nicht auf die wesentlichen Punkte bei den Umweltkriterien, sondern es kommen alle möglichen Kriterien zur Anwendung. Auch damit leistet der Gesetzentwurf keinen Beitrag zur Entbürokratisierung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben zu all diesen Aspekten Änderungsanträge vorgelegt. Wir haben sie auch heute noch einmal gestellt. Die Hoffnung stirbt zuletzt, dass wir

aus diesem Gesetzentwurf nicht vielleicht doch ein schlagkräftiges Gesetz machen. Deshalb appelliere ich an Sie, unseren Änderungsanträgen zuzustimmen. Wenn Sie das nicht tun, kann ich nur sagen: Freuen Sie sich über den schönen Teppich, den wir haben. Die Füße warm halten wird er aber nicht. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Erdmenger. - Für die SPD spricht jetzt der Kollege Steppuhn. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn vielleicht nicht alle in diesem Hause meiner Meinung sein werden, so glaube ich dennoch: Heute ist ein guter Tag für unser Land Sachsen-Anhalt. Heute ist ein guter Tag für den Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft unseres Landes, weil wir heute ein Vergabegesetzverabschieden werden.

Ich erinnere daran, dass wir vor über zehn Jahren schon einmal ein Vergabegesetz in diesem Land gehabt haben, das damals abgeschafft worden ist nach einer kurzen Gültigkeitsdauer von nur einem halben Jahr. Man konnte es damals noch nicht einmal richtig evaluieren. Jetzt haben wir wieder ein Vergabegesetz. Ich glaube, das ist gut für unser Land, und viele warten auf dieses Vergabegesetz.

Ich verrate auch kein Geheimnis, wenn ich sage, dass der Entwurf des Vergabegesetzes jetzt sogar noch umfangreicher geworden ist, als es im ersten Gesetzentwurf vorgesehen war, weil Verbände und Organisationen bei einer Anhörung deutlich gemacht haben, dass auch sie, wie zum Beispiel Architekten und Ingenieure, in das Vergabegesetz aufgenommen werden möchten.

Ich will noch eine Vorbemerkung machen, bevor ich zu den Details komme. Dies ist sicherlich kein einfaches Gesetzgebungsverfahren gewesen, weil wir einen Koalitionspartner gehabt haben, haben und noch haben werden

(Zuruf von Herrn Thomas, CDU)

- Herr Thomas, wir werden noch eine Weile miteinander arbeiten -, der Mühe hatte, der Aufnahme eines Vergabegesetzes in den Koalitionsvertrag zuzustimmen. Auch im Gesetzgebungsverfahren war es nicht ganz einfach mit unserem Koalitionspartner, weil es durchaus den einen oder anderen Kollegen bzw. die eine oder andere Kollegin gibt, der bzw. die vom Grundsatz her meint, man brauche gar kein Vergabegesetz.

Auf der anderen Seite haben wir eine Opposition gehabt - wir haben sie auch noch und werden sie auch noch weiterhin haben -, die mehr wollte, als im Gesetzentwurf vorgesehen war. Daher glaube ich, dass das Gesetz, das wir heute beschließen werden, in der Mitte des Parlaments steht und auch in der Mitte der Gesellschaft steht, sodass vieles - das hat auch die Anhörung deutlich gemacht - mit in das Gesetz aufgenommen worden ist.

Da dies von der Opposition sicherlich noch angesprochen wird, möchte ich deutlich machen, dass wir es als Sozialdemokraten natürlich gern gesehen hätten, einen Mindestlohn von 8,50 € in das Vergabegesetz aufzunehmen.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜ- NEN)

Das ist überhaupt kein Thema. Ich sage auch sehr deutlich: Wir Sozialdemokraten sind nach wie vor dafür, in Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € einzuführen. Wir werden in unseren Bemühungen nicht nachlassen, dies umzusetzen.

Ich will aber auch daran erinnern, dass der Begriff des Mindestlohns nicht der richtige Begriff für das Vergabegesetz ist. Wir haben vielmehr immer wieder über eine Lohnuntergrenze für die Bereiche diskutiert, in denen es keine Tarifverträge und keine tariflichen Mindestlöhne gibt. Ich sage gleich noch ein bisschen mehr dazu. Es ist also schon ein Unterschied.

Wir sind froh darüber, dass es beim Thema des Mindestlohns in Deutschland Bewegung gibt. Außerdem sind wir froh, dass wir uns gemeinsam mit unserem Koalitionspartner dazu durchgerungen haben, die Landesregierung aufzufordern, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für Mindestlöhne in Deutschland einzusetzen. Ich sage sehr deutlich: Entweder kommen die Mindestlöhne über den Bundesrat oder nach der nächsten Bundestagswahl, wenn wir eine andere Regierung haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Da das nicht mehr so lange hin ist, haben wir uns entschieden, das Vergabegesetz jetzt anzugehen und die Debatte über einen Mindestlohn von 8,50 € zumindest an dieser Stelle nicht weiter zu führen, weil wir sie an anderer Stelle platziert für viel wichtiger halten.

(Unruhe)

Meine Damen und Herren! Im Übrigen haben uns die Gewerkschaften sowie andere Verbände und Organisationen aufgefordert, endlich ein Vergabegesetz zu schaffen, weil es Bestandteile enthält, die dabei helfen, Tariftreue bei der öffentlichen Auftragsvergabe durchzusetzen.

(Unruhe)

Herr Kollege, einen kleinen Moment bitte. Ich möchte um Ruhe für Sie bitten. Ich glaube, auch diejenigen, die hier zuhören und mitschreiben müssen, brauchen etwas Ruhe. Wenn Ruhe eingekehrt ist, hören wir Ihnen wieder alle gemeinsam zu. - Bitte schön.

Wunderbar. Dann komme ich jetzt noch zu einigen Details, die auch wichtig sind.

Es wird oft darüber geredet - das war auch bei der Anhörung ein Thema -, welche Wirkung ein Vergabegesetz hat. Mittlerweile haben wir in zwölf Branchen Mindestlohntarifverträge, die nicht alle Auswirkungen auf die öffentliche Auftragsvergabe haben, aber in großen Teilbereichen ihre Wirkung entfalten, insbesondere im Baubereich. Insofern gibt es eine sehr große Bandbreite an Auswirkungen dieses Vergabegesetzes.

Wenn wir zum Beispiel wissen, dass es zahlreiche bundesweit gültige allgemeinverbindliche Tarifverträge gibt und dass wir in vielen Unternehmen trotz mangelnder Tarifbindung - aber weniger im Baubereich und in anderen Bereichen - einen Wirkungsgrad des Vergabegesetzes, der sicherlich oftmals unterschiedlich interpretiert wird, erreichen, dann können wir davon ausgehen, dass dieses Vergabegesetz - zumindest sind dies seriöse Berechnungen - für 85 % aller öffentlichen Auftragsvergaben Gültigkeit besitzt, wobei wir jetzt schon einen Deckungsgrad haben über Branchenmindestlohnverträge oder über allgemeinverbindliche Tarifverträge.

Auch über Schwellenwerte ist ausgiebig diskutiert worden. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir bei Bauaufträgen bei 50 000 € ansetzen und bei Verträgen, die eine Lieferung bzw. Leistungen betreffen, bei 25 000 €. Ich gehe davon aus, dass wir mit diesem Schwellenwert im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe nach VOB fast 90 % der öffentlichen Bauaufträge abdecken. Bauaufträge werden in der Regel zu einem Wert von mehr als 50 000 € vergeben, es sei denn, man flickt nur einmal eine Straße. Alle größeren Aufträge werden aber abgedeckt.

Bei Lieferungen und Leistungen haben wir einen Schwellenwert von 25 000 € festgelegt. Dabei haben wir uns natürlich von der Diskussion leiten lassen, dass nicht die Vergabe von Bettwäsche für ein öffentliches Krankenhaus unter das Vergabegesetz fallen sollte; denn das würde zu viel Bürokratie mit sich bringen. In diesem Fall erreichen wir einen Deckungsgrad von 85 %, sodass wir also zukünftig 85 % dieser Leistungen mit diesem Vergabegesetz abdecken.

Ich glaube, wir sind uns einig darüber, dass wir bei Kleinstaufträgen zu einer nicht allzu großen Bürokratie kommen sollten.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Ein ganz wichtiger Punkt ist die Frage der Verkehrsdienstleistungen, insbesondere was den schienengebundenen Verkehr angeht. Hier haben wir eine andere Situation als im Bereich der Bauleistungen. Hierzu gibt es noch keine europarechtliche Ausurteilung.

Wenn wir den vorliegenden Gesetzentwurf so beschließen, besteht die Möglichkeit, dass Verkehrsdienstleistungen auf der Grundlage des in Sachsen-Anhalt repräsentativen Tarifvertrags vergeben werden. Was ein repräsentativer Tarifvertrag ist, kann vom zuständigen Ministerium festgelegt werden. Auch die Eisenbahnergewerkschaften halten diese Regelung für eine gute Regelung.

Deshalb glaube ich, dass wir sowohl bezüglich der Personalübernahme im Falle eines Betreiberwechsels als auch bezüglich der Einhaltung von Tarifverträgen Klarheit haben werden. Ich habe mitbekommen - Herr Verkehrsminister Webel ist gerade nicht im Haus -, dass gerade ein Auftrag vergeben worden ist an eine Firma aus NordrheinWestfalen mit niederländischem Hintergrund, was nicht schlimm ist. Solche Aufträge werden zukünftig auf der Grundlage des Vergabegesetzes vergeben werden müssen. Dann wird einiges anders sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen. Wir haben mit der kommunalen Familie sehr häufig über das Thema Konnexität und über die Frage, ob den Kommunen durch dieses Vergabegesetz Mehrkosten entstehen, gesprochen.

Die Häuser haben entsprechende Berechnungen angestellt. Vieles von dem, was aufgeschrieben worden ist, müssen die Kommunen eigentlich sowieso machen. Beispielhaft sind die Kontrolle der Mindestlöhne oder mit Blick auf die Kinderarbeit die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen zu nennen. All diese Dinge müssen sowieso eingehalten werden. Trotzdem ist bei den Berechnungen herausgekommen, dass den Kommunen Mehrkosten in Höhe von 1 Million € entstehen.

Ich bin dem Finanzminister Jens Bullerjahn außerordentlich dankbar, dass wir uns auch in dieser Frage haben einigen können, sodass es nicht am Geld gescheitert ist. Auch der Kollege Barthel und die Kollegin Krimhild Niestädt haben dabei geholfen, diesen Kompromiss zu finden.

Lassen Sie mich, auch wenn die Zeit zu Ende geht, einen weiteren Punkt ansprechen, weil er wichtig ist und weil wir zu diesem Thema sicherlich

auch Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Tribüne haben, nämlich die Frage der Umweltkriterien. Ich glaube, mit der Verankerung von Umweltkriterien haben wir Neuland beschritten, auch wenn wir diesbezüglich sehr vorsichtige Formulierungen gewählt haben.

Mit dem Konjunkturpaket II und mit dem Programm Stark III wird das Ziel verfolgt - an dieser Stelle konnten damit schon Erfahrungen gesammelt werden -, Energie einzusparen. Deshalb muss das bei der öffentlichen Auftragsvergabe auch berücksichtigt werden.