Protocol of the Session on October 18, 2012

Diesbezüglich sind die Regierungen in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Brandenburg, Thüringen wie auch in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg oder Bremen längst weiter. Nur in Sachsen-Anhalt gilt das nicht. Dort gilt: Koalitionstreue bei unüberbrückbaren Gegensätzen ist wichtiger als Problemlösungskompetenz, es sei denn, man will das Problem gar nicht lösen.

(Beifall bei der LINKEN)

Warum bleiben also beispielsweise soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien unberücksichtigt, obwohl der Bundesgesetzgeber mit der Änderung des § 97 Abs. 4 GWB eine Öffnung des Vergabeverfahrens für die fälschlicherweise als vergabefremd bezeichneten Kriterien angestrebt, und zwar für alle Bieter bzw. Auftragnehmer?

Bisher war es damit den Ausschreibungsstellen freigestellt, solche sozialen, umweltbezogenen und innovativen Kriterien, wie beispielsweise eine Kopplung an die Ausbildung von Arbeitnehmern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ins Vergabeverfahren einzubeziehen.

Mit der jetzt getroffenen Regelung sind solche Kriterien generell nicht auf Unternehmen mit weniger als 26 Arbeitnehmern anzuwenden. Damit wird die bundesgesetzliche Regelung eingeschränkt, und es steht die Frage, ob eine solche Regelung dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichbehandlung gerecht wird.

Zur Tarifhoheit und Entgeltdefinition. Die von den Koalitionsfraktionen getroffene Regelung stellt allein auf das Arbeitnehmerentsendegesetz ab und die Branchen, die davon erfasst werden. Eigentlich ist eine solche Formulierung ohne Effekt und überflüssig, weil sie als Bundesgesetz sowieso gilt.

Nicht ohne Grund wird immer wieder auf die mangelnde Qualität des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens hingewiesen, oftmals begründet mit der Überforderung der Angestellten der Auftraggeber, aber auch mit unklaren rechtlichen Auslegungen oder allgemein mangelnden rechtlichen Regelungen.

In der Anhörung wurde darauf verwiesen, dass der Landesgesetzgeber bei der Verabschiedung des Vergabegesetzes den Punkt „Qualifizierung der Fachkräfte“ im Ausschreibungsverfahren mitbedenken und mitregeln solle. Auch dazu gibt es im Koalitionsentwurf keine Regelung. Dies wurde auch in keinem Ausschuss thematisiert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein bekanntes Sprichwort lautet: Wenn man einen Sumpf trockenlegen will, darf man nicht die Frösche fragen. Was aber ist, wenn beim Niedriglohnsumpf ausgerechnet die Frösche die Trockenleger sein wollen? - Dann muss man klare Regeln beantragen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben versucht, das Notwendige mit den erforderlichen Regelungsmechanismen zu verbinden. Deshalb werben wir heute erneut um Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf, und zwar gerade deswegen, weil einem oft, wenn man das Stichwort Vergabegesetz ausspricht, entweder ein „ist notwendig“ oder reflexartig der Begriff Bürokratiemonster entgegengehalten wird.

Für den nicht auszuschließenden Fall der Ablehnung unseres Gesetzentwurfs haben wir Änderungsanträge zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft eingebracht. Über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/1521 kann nach unserer Auffassung in Gänze abgestimmt werden.

Da uns die Kalkulationsgrundlagen für Angebote, die nicht unwesentlich von den Lohnkosten beeinflusst werden, besonders am Herzen liegen, beantragen wir für den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/1522 eine namentliche Abstimmung.

Wir appellieren an Sie: Stimmen Sie unseren Änderungsanträgen zu, damit Sachsen-Anhalt ein Vergabegesetz bekommt, das den Ansprüchen auch gerecht wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Thiel. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt Herr Kollege Thomas. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist richtig - ich finde, das sollte man auch nicht verbergen -: Um das neue Vergabegesetz hat es durchaus umfangreiche Diskussionen gegeben. Das verdeutlicht aber auch, wie wichtig gerade die Koalitionsfraktionen dieses zentrale Vorhaben im Koalitionsvertrag genommen haben, um zu einem Ergebnis zu kommen, das wir heute verabschieden wollen.

Jeder hat seine eigenen Erwartungen an dieses Gesetz. Der eine möchte es mit Forderungen belegen. Der andere möchte möglichst ein schlankes Gesetz haben. Für uns als CDU-Fraktion bestand von Anfang an die Forderung, ein praxisgerechtes und schlankes Vergabegesetz zu schaffen, mit dem das Ziel erreicht wird, bei Aufträgen der öffentlichen Hand möglichst schnell und einfach das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, damit die hiesige regionale Wirtschaft möglichst maximal davon profitiert.

Wenn ich den Gesetzentwurf, der hier zur Debatte steht, kommentieren darf, dann möchte ich sagen, dass uns das im Großen und Ganzen gelungen ist. Nicht alle Wünsche konnten befriedigt werden. Ich

bin den Kolleginnen und Kollegen der SPD außerordentlich dankbar dafür, dass sie die hin und wieder nicht ganz leichten Gespräche doch zu einem Ergebnis geführt haben, mit dem wir alle leben können.

Nichtsdestotrotz habe zumindest ich eine einmalige parlamentarische Erfahrung gemacht. Herr Dr. Thiel, Sie haben - ich habe vermisst, dass Sie etwas dazu sagen -, seit wir über diesen Gesetzentwurf diskutieren - die ganze Fraktion, auch Ihr Fraktionschef, hat dazu Stellung genommen -, daran herumgemäkelt. Sie haben gesagt, es müssten mehr Kriterien hinein, es müsse eine Lohngrenze hinein etc.

Dann - das ist sehr erstaunlich - kam eine Pressemitteilung, in der Ihr Fraktionsvorsitzender sagte: Okay, wir könnten dem Gesetzentwurf der Koalition zustimmen, wenn diese ominöse Zahl 8,50 € darin steht. Das finde ich zwar konsequent, aber das führt natürlich Ihre Diskussion ein wenig ad absurdum, alles andere zu bemängeln, was in unserem Entwurf steht. Die Meinungsbildung von einer Lohngrenze abhängig zu machen, das nenne ich einen wirtschaftspolitischen Blindflug, bei dem wir nicht mitmachen. Ganz im Gegenteil: Wir respektieren die Tarifautonomie. Deswegen ist das mit uns nicht zu machen.

(Zustimmung von Frau Take, CDU)

Daher kann ich Ihre inhaltliche Kritik an dem Gesetzentwurf, unabhängig von der Lohngrenze, nicht ernst nehmen; denn Sie haben öffentlich erklärt, hierbei wären Sie beweglich.

Ein zweiter Punkt, der für uns in der Diskussion in der Tat eine zentrale Bedeutung hatte, waren die Schwellenwerte. Wenn ich heute Ihren Änderungsantrag sehe, dann stelle ich fest - das ist nichts Neues -: Erst wollten Sie gar keine Schwellenwerte; jetzt liegen sie bei 500 € bei Lieferleistungen und Dienstleistungen bzw. bei 10 000 € bei Bauleistungen.

Gehen Sie einmal in die Praxis und schauen Sie sich an, welche Leistungen dort ausgeschrieben werden müssen. Egal, ob das Malerarbeiten in einem Kindergarten sind, ob das die Pflege von Grünanlagen ist oder ob das Reparaturaufträge, zum Beispiel Dacharbeiten, sind - all diese einfachen Aufträge, die schnell erledigt werden müssen, sind in Ihrem Entwurf eines Vergabegesetzes enthalten. Damit schaffen Sie einen bürokratischen Aufwand, der zum einen die Auftragsausführung behindert und verzögert und zum anderen dafür sorgt, dass Sie wesentlich mehr Bürokratie produzieren.

Genau das haben wir in der Koalition nicht getan. Wir haben gesagt, wir wollen entbürokratisieren. Wenn wir schon ein Gesetz machen, dann möglichst eines, das rank und schlank ist. Deswegen bin ich mit diesen Schwellenwerten sehr zufrieden.

Damit bin ich noch gar nicht bei den Lieferleistungen und dem Schwellenwert von 500 €. Bei einer Papierlieferung liegt man sofort darüber. Wenn man schon solche einfachen Aufträge groß ausschreiben muss, dann frage ich mich, wohin das führen soll.

Ich sage Ihnen, mir ist ein einfaches Vergabeverfahren lieber. Ich investiere lieber in die Arbeitsplätze der hiesigen Wirtschaft, aber nicht in Arbeitsplätze in der Verwaltung, die dann genau diese Verfahren durchführen muss. Dadurch hätten wir einen Aufwuchs, der in der Region auf Dauer nicht bezahlbar sein wird. Deswegen ist es gut so, dass wir die Schwellenwerte dort haben, wo sie jetzt sind.

Der nächste wichtige Aspekt ist, so finde ich, heute ein bisschen zu kurz gekommen. Herr Dr. Thiel, Sie haben etwas angesprochen, das ich sehr wichtig finde: Wenn Sie sich mit Leuten unterhalten, die von Vergaben profitieren bzw. Vergaben durchführen müssen, dann hören Sie oft Klagen darüber, dass die fachliche Kenntnis hin und wieder nicht vorhanden ist. Das heißt, dass die qualitative Durchführung im Vergabeverfahren nicht optimal ist.

Genau das hat die Koalition zum Anlass dafür genommen, gezielt Qualifikationen, gerade auch für die Vergabestellen, aufzunehmen - dies erachten wir als besonders wichtig -, damit wir dieses Gesetz möglichst schnell und möglichst gut anwenden können. Das war auch ein Ergebnis der Anhörung, in der wir das von den Verbänden mitbekommen haben und das wir in den Gesetzentwurf aufgenommen haben. Deswegen sehe ich, auch im Namen der Koalitionsfraktionen, die Schulung und die Qualifizierung der Vergabestellen als ein zentrales Element unseres neuen Vergabegesetzes.

Meine Damen und Herren! Wir wollen auch versuchen, die Lose so klein zu stricken, dass die Aufträge möglichst schnell an den Mann gebracht werden können. Ich glaube, es liegt im Geschick einer jeden Vergabestelle vor Ort, ob in der Gemeinde oder im Landkreis, die Vergaben entsprechend aufzuschlüsseln.

Wir haben deswegen einen großen Anteil von Kann-Regelungen und keine verbindlichen Vorschriften in den Gesetzentwurf aufgenommen, weil wir die kommunale Selbstbestimmung vor Ort respektieren wollen. Wir wollen es den Leuten vor Ort überlassen, was für sie im Vergabeverfahren wichtig ist. Wir wissen, dass es die Vergabeausschüsse in den Kommunalparlamenten gibt, die sich hiermit beschäftigen. Das, was dort entschieden wird, sollten wir respektieren. Wir sollten nicht von Magdeburg aus Vorgaben machen, die vor Ort nur für Kopfschütteln sorgen.

Wir haben heute bereits gehört, dass wir schon einmal ein Vergabegesetz hatten, dessen Wir

kungszeitraum relativ kurz war. Ich denke schon, dass das Gesetz, das wir heute verabschieden, länger wirken wird.

Wir haben selbstverständlich auch eine Evaluierung vorgesehen; denn wir müssen sehen, wie das Gesetz wirkt und wo eventuell nachjustiert werden muss.

Ich möchte noch auf einen letzten Punkt hinweisen, der mir persönlich wichtig ist. Das ist das Thema Konnexität. Es gibt durchaus kritische Hinweise aus der kommunalen Landschaft: Wenn ihr in Magdeburg ein Gesetz macht, das bei uns vor Ort zusätzliche Kosten verursacht, dann sorgt bitte auch für die Ausfinanzierung.

Wir haben in das Gesetz hineingeschrieben: Wir stellen zunächst Mittel in Höhe von 1 Million € zur Verfügung. Nach einem Jahr oder nach anderthalb Jahren, wenn wir die ersten Zahlen bekommen, müssen wir einmal prüfen, was dieses Gesetz an Kosten verursacht hat. Reicht die Million? Ist die Million zu reichlich oder haben wir zu gering kalkuliert?

Ich habe die herzliche Bitte, dass wir dann - Kollege Steppuhn, Sie haben das angesprochen - mit dem Finanzminister darüber sprechen, nicht mit unserer Wirtschaftsministerin, woher dieses Geld dann kommt. Denn ich möchte nicht, dass wir Geld aus der Wirtschaftsförderung abziehen und damit die Bürokratie finanzieren. Ich glaube, wir werden auch in unseren Kreisen noch einmal darüber zu reden haben, aus welchem Finanztopf dieses Geld kommt.

Nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir heute ein Gesetz verabschieden werden, mit dem wir uns zeigen können. Ich danke dem Koalitionspartner für das faire Verhandeln und bitte um Ihre Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomas. Der Kollege Gallert hatte sich gemeldet; dazu steht er noch. - Herr Thomas, möchten Sie eine Frage von Herrn Gallert beantworten? Es könnte aber auch sein, dass Herr Gallert intervenieren möchte.

Ja, ich interveniere. Ich glaube, alles andere macht jetzt auch wenig Sinn.

Herr Thomas, ich versuche es heute ein zweites Mal. Sie haben etwa zwei Drittel Ihrer Rede darauf verwendet zu begründen, was Ihnen bei diesem Vergabegesetz gelungen ist, wo es nicht gilt und wo man durch Schwellenwerte möglicherweise die Wirkung aushebelt. Zudem haben Sie erklärt, wie Sie in der Koalition Kompromisse geschlossen haben.

Dann verstehen Sie nicht, dass wir ein Kompromissangebot unterbreitet haben, in dem wir ausdrücklich gesagt haben: Natürlich haben wir eine Reihe von Bedenken zu dem Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen. Frank Thiel hat diese auch genannt. Aber für eine einzige Sache würden wir alle Bedenken zurückstellen, und zwar dafür, dass wir endlich einen gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 € festschreiben, zumindest im Bereich der Vergabe. Das ist nicht absurd, Herr Thomas.

(Herr Thomas, CDU: Doch!)

Das ist ein Kompromissangebot und so läuft Politik normalerweise. Das versuchte ich Ihnen jetzt zu erklären. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank. - Die Debatte ist damit beendet. Wir treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft empfiehlt unter Abschnitt II der Beschlussempfehlung in der Drs. 6/1499, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 6/626 abzulehnen. Darüber stimmen wir als Erstes ab. Wer folgt der Empfehlung, den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE abzulehnen? - Das sind die Regierungsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist dieser Gesetzentwurf abgelehnt worden.

Wir kommen jetzt zum Abschnitt I der Beschlussempfehlung. Es wird empfohlen, den Gesetzentwurf in der Drs. 6/644 in der geänderten Fassung anzunehmen. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion DIE LINKE in den Drs. 6/1521 und 6/1522 sowie ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1523 vor.