Protocol of the Session on March 13, 2019

Gestatten Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte.

Herr Kollege, ist Ihnen bekannt, dass in der Regel auch bei Verfahren, die eingestellt werden, vorher der Beschuldigte von dem Verfahren Kenntnis erlangt und dann mehr oder weniger damit schon die erzieherische Wirkung des Verfahrens kalkuliert wird,

(Unmutsäußerungen bei der AfD)

auch wenn eingestellt wird?

Herr Bartl, da müssen wir uns darüber unterhalten, ob die Kenntnis vom Verfahren die Wirkung schon hat oder ob nicht möglicherweise auch das Verfahren vor Gericht selbst – also die Förmlichkeit, das Erscheinen vor Gericht und vor dem Richter – eine deutliche erzieherische Wirkung besitzt. Ich denke, da ist etwas dran, aber darüber können wir gern diskutieren. Ich glaube, das hat durchaus schon Wirkung, von der meines Erachtens zu wenig Gebrauch gemacht wird.

Ich möchte es in der ersten Runde dabei belassen, Herr Präsident, und werde es nachher fortsetzen.

(Beifall der Abg. Holger Mann und Henning Homann, SPD)

Danke, Sie haben die Redezeit maximal ausgeschöpft, Herr Kollege. Als Nächster spricht für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wendt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Glückwunsch an das Justizministerium und den Generalstaatsanwalt, dass rechtzeitig im Wahljahr harte Kante gegen Kriminelle gezeigt werden soll. Wir hoffen im Interesse der sächsischen Bürger, dass Staatsanwaltschaften und Gerichten nicht nach dem 1. September 2019 plötzlich die Luft ausgeht. Immerhin hat die Luft der Regierungskoalition bisher auch nicht gereicht, um sich in der Justizministerkonferenz mit der Abschaffung des konkreten Weisungsrechts der Justizverwaltung gegenüber den Staatsanwaltschaften durchzusetzen. Aber egal, im Wahljahr möchte man Durchsetzungswillen und Durchsetzungskraft demonstrieren.

Aber tatsächlich ist fraglich, wie nun, wo tatsächlich einmal hart durchgegriffen werden soll, angesichts einer desaströsen CDU-Personalpolitik all die zusätzlichen Verfahren bewältigt werden sollen.

Eines ist Fakt: Der Vertrauensverlust, den die Justiz in den letzten Jahren erlitten hat, ist immens. Auf der einen Seite wurden Strafverfahren insbesondere aus dem Bereich der Kleinkriminalität massenweise eingestellt, Täter trotz erheblicher Vorstrafen auf freien Fuß gesetzt oder zu lächerlichen Strafen verdonnert. Auf der anderen Seite aber bekamen Bürger bei Geschwindigkeits- und Rotlichtverstößen die ganze Härte des Rechtsstaates zu spüren.

(Martin Modschiedler, CDU: Aha, das ist Ihre Wahrnehmung!)

Da ist in der Vergangenheit gewaltig etwas aus dem Lot geraten. Der Linkspartei fällt heute nichts anderes ein, als die Versuche, hier wieder alles geradezurücken, als Lawand-Order-Gehabe und als Gift für den Rechtsstaat zu brandmarken. Da greift man sich doch wirklich an den Kopf.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Machen Sie mal!)

Wenn ein Täter zum x-ten Male beim Ladendiebstahl erwischt wird und wieder einmal mit einem blauen Auge davonkommt, in verschiedenen Fällen überhaupt nicht mehr ermittelt wird oder von der Polizei die Fälle überhaupt nicht mehr aufgenommen werden, dann lässt das erahnen, wie viele Bürger in dieser Situation ratlos zurückgelassen werden

(Beifall bei der AfD)

Wenn, wie das Justizministerium kürzlich verlauten ließ, pro Jahr circa 45 000 Verfahren ohne Urteil zu den Akten gelegt werden, dann verliert man natürlich zu Recht das Vertrauen in den Rechtsstaat.

Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Staatsregierung hat versagt, aber die Versuche der Linkspartei, den Generalstaatsanwalt quasi als wild gewordenen Sheriff darzustellen, sind absurd und unangemessen.

(Beifall bei der AfD – Luise Neuhaus-Wartenberg, DIE LINKE: Wir sind hier in Deutschland!)

Ihr Gerede von Entkriminalisierung setzt falsche Signale. Inkonsequenz ist Gift für einen Rechtsstaat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Kollege Wendt von der AfD-Fraktion. Jetzt spricht Frau Kollegin Meier für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gebe zu, auch ich empfinde den Titel der Aktuellen Debatte als etwas zwiespältig; denn dass die Rechtsprechung vor der Einflussnahme des Justizministers und des Generalstaatsanwalts geschützt werden muss, das sehe ich nicht ganz so. Ich traue unseren Richterinnen und Richtern und Staatsanwältinnen und Staatsanwälten bei aller Überlastung durchaus zu, dass sie ihr Amt bewusst ausführen und ihrer Verantwortung verantwortungsbewusst nachkommen.

Der Justizminister hat in den letzten Monaten und Jahren immer wieder betont, wenn neue Stellen bei den Staatsanwaltschaften besetzt wurden, dass dort hoch qualifizierte Kräfte eingestellt worden sind. Allein der neu eingesetzte Generalstaatsanwalt scheint das nicht so zu glauben; denn seit seinem Amtsantritt musste man den Eindruck gewinnen, dass er erst einmal durchfegen und aufräumen muss mit einem Crashkurs in Prozessrecht oder mit einem Seminar in Law and Order, was er mit Seminarunterlagen in Form der entsprechenden Rundverfügungen garniert hat. Von daher ist der Titel der Aktuellen Debatte vielleicht nicht gut formuliert, aber in der Aussage nicht ganz falsch.

Was erleben wir gerade? – Wir erleben ein Law-andOrder-Gehabe des Generalstaatsanwalts. Vor allem aber erleben wir Wahlkampf auf Kosten des Rechtsstaats. Es werden leichtfertig Ängste geschürt, um medial irgendwelche angeblichen Lösungen zu präsentieren, aber damit, meine sehr verehrten Damen und Herren, stärken Sie nicht den Rechtsstaat, sondern Sie stärken die Leute, die den Rechtsstaat schwächen wollen. Das dürfen wir hier nicht zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das dumpfe Unwohlsein in der Bevölkerung aufgrund der verschiedenen Entwicklungen befeuern Sie mit einer Mär von rechtsfreien Räumen, von denen Sie sprechen, und mit dem Bild von marodierenden Horden von Kriminellen, das Sie hier an die Wand malen. Das ist schlicht falsch, vor allem wenn wir uns die Statistiken zu den Kriminalitätszahlen anschauen. Die Kriminalitätszahlen sinken seit Jahren. Deutschland, Sachsen waren noch nie so sicher wie aktuell. Dann wundern Sie sich, dass die Bevölkerung den Rechtsstaat bedroht sieht.

Wenn Staatsanwaltschaften und Gerichte von den ausgewogenen Instrumenten der Strafprozessordnung Gebrauch machen und geltendes Recht anwenden, dann sehe ich den Rechtsstaat schlicht und einfach nicht bedroht.

Das deutsche Strafverfahrensrecht kennt offensichtlich im Gegensatz zur Staatsregierung und zum Generalstaatsanwalt nicht nur Schwarz und Weiß und Gut und Böse. Es hält nämlich eine Vielzahl von Regelungen und Maßnahmen vor, damit der Rechtsstaat auf die Sachverhalte und den Unrechtsgehalt der vorgeworfenen Tat angemessen reagieren kann.

Der Rechtsstaat ist eher dann bedroht, wenn Verfahrensrechte der Beteiligten beschnitten werden. Das sieht übrigens nicht nur die Europäische Menschenrechtskonvention so. Sie verlangt, dass Beschuldigte ausreichend Zeit und Gelegenheit zur Vorbereitung der Verteidigung haben müssen.

Das A und O ist eine effektive rechtsstaatliche Strafverfolgung. Dazu bedarf es einer guten Zusammenarbeit zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten. Dafür braucht es natürlich unabhängig von der Art des Strafverfahrens genügend Personal und natürlich eine zeitgemäße technische Ausstattung. Der Minister scheint – Herr Bartl hat gesagt, es sei sein Minister; mein Minister ist es nicht – etwas zu verwechseln, nämlich Ursache und Wirkung. Die Ursache für ein fehlendes Sicherheitsgefühl sind nicht irgendwelche Cannabis-Konsumentinnen und -Konsumenten, Ladendiebe oder Schwarzfahrer(innen). Verantwortlich hierfür ist die Sparpolitik der letzten Jahre und Jahrzehnte bei Polizei und Justiz.

Es wirkt sich bei den Staatsanwaltschaften dann auch so aus, dass das Opportunitätsprinzip bei Bagatelldelikten weit ausgelegt wird, um die Aktenberge überhaupt bewältigen zu können. Die Auswirkungen bei den Gerichten sind außerdem, dass die Anklagen jahrelang herumliegen, bis das Hauptverfahren terminiert und eröffnet worden ist. Die Wirkung ist außerdem, dass U-Häftlinge, die dringend tatverdächtig sind, schwere Verbrechen begangen zu haben, entlassen werden müssen, weil schlicht das Personal fehlt. Also ganz klar die Forderung an den Generalstaatsanwalt und den Justizminister, die Ursachen zu behandeln und nicht weiter mit fragwürdigen Mitteln an den Wirkungen herumzudoktern.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Als Nächstes spricht zu uns Herr Kollege Wurlitzer. Dann ist das Ende der ersten Rederunde erreicht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Mitglieder – Sternchen „innen“ – der Linksfraktion.

(Oh-Rufe von den LINKEN)

Ihre Debatte ist verlogen. Sie regen sich darüber auf, dass die Generalstaatsanwaltschaft juristisch in Vorgänge hier in Sachsen eingreift oder eingreifen will. Sie messen allerdings mit zweierlei Maß.

Als sich die Generalstaatsanwaltschaft vor drei Jahren in das Meineidverfahren von Frau Dr. Petry eingemischt und es wenige Tage nach der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft in Dresden wieder eröffnet hat, hat Ihr Fraktionsmitglied, Herr Schollbach, gleich noch einen draufgesetzt und die Staatsanwältin angezeigt, die das Verfahren eingestellt hat.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: In einem Rechtsstaat ist das nun einmal so!)

Wo war Ihr Aufschrei? Den kann ich nicht sehen. Wie passt das mit der Großen Anfrage zusammen, die Sie morgen haben, und mit Ihrem Entschließungsantrag?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Es geht um Bagatelldelikte und nicht um schwere Kriminalität!)

Es geht Ihnen nicht um Recht und Gesetz, sondern nur um Ideologie, Wahlkampf und Schutz Ihrer eigenen Wählerschaft.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie labern hier ein Zeug zusammen! Hallo! – Weitere Zurufe von den LINKEN)

Sie schaden mit dieser Debatte und mit den Signalen, die Sie damit in die Öffentlichkeit aussenden, dem Rechtsstaat.

Auch der Verlauf des Wahlprüfungsverfahrens und das Agieren Ihrer Vertreter, auch von Herrn Bartl, in diesem Ausschuss zeigen,

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Ja!)

dass es Ihnen nicht um rechtsstaatliche Standards geht. Sie haben diesen Ausschuss politisch missbraucht und Recht und Gesetz aus diesem Haus gejagt wie einen geprügelten Hund.

(Widerspruch von den LINKEN)

Thema, Herr Kollege, bitte. Thema!