Mitte November letzten Jahres wurde im Rahmen der Justizministerkonferenz bekannt, dass der Bund tatsächlich nur eine Einmalzahlung von 220 Millionen Euro zur Verfügung stellen will, wenn man bedenkt, dass sich für einen Stellenaufwuchs in der angekündigten Größenordnung allein für einen mittelfristigen Zeitraum von zehn Jahren 4 Milliarden Euro ergeben. Das wäre natürlich nicht mehr als eine mickrige Geste gegenüber den Ländern.
Zudem stellt sich der Bund offensichtlich ein Verrechnungsmodell vor, das zum Teil bereits durch die Länder aus eigener Kraft geschaffene bzw. eingestellte Stellen für die Jahre 2017 bis 2021 mit verrechnet. Hier ist der Bund von vorherein darauf aus, sich mit fremden Federn zu schmücken. Dass dies alles im vergangenen Herbst den Unmut der Landesjustizminister erregt hat, verstehen wir völlig und stehen an der Seite unseres Staatsministers.
Es ist unbestritten, dass die Länder in diesem Pakt nicht nur die Nehmer sein können, sondern angesichts der Größe des Vorhabens Rechtsstaatsanierung einen angemessenen Beitrag leisten müssen. Dazu hat sich Sachsen bereits im Dezember zur Aussprache zum Justizhaushalt für 2019/2020 in diesem Hohen Hause anständig auf den Weg gemacht, wenngleich für uns auch noch Luft nach oben besteht. Der Bund will aber nun, wie letzte Woche medial berichtet wurde, auf diesen vergleichsweisen minimalen 220 Millionen Euro als Einmalzahlung für den Rechtspakt beharren und selbst dieses zumal nur in Tranchen in Abhängigkeit nachgewiesener Vorleistungen der Länder zahlen. Eine erste Tranche von 110 Millionen soll fließen, wenn die Länder in ihrer Gesamtheit die ersten 1 000 der vereinbarten 2 000 Zusatzstellen geschaffen und einen Bericht darüber vorgelegt haben. Eine zweite Tranche dann, wenn wiederum die Länder in einem zweiten Bericht dokumentieren können, dass sie bis zum 31. Dezember 2021 insgesamt 2 000 Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen und besetzt haben. Wenn das unter diesen Vorzeichen geschehen soll, droht die Sache zu einer völlig unseriösen Mogelpackung, seitens des Bundes zu verkommen.
Es ist völlig berechtigt, wenn beispielsweise der Hamburger Justizsenator, Till Steffen von den GRÜNEN, gegenüber der „Legal Tribune“ in einem journalistisch gestalteten Online-Magazin zu rechtlichen Themen, laut dessen Ausgabe vom 23. Januar 2019 anmerkt – Zitat –: „Der Bund will sich die Leistungen der Länder mit einem Verrechnungsmodell auf das eigene Konto gutschreiben und sich als Gegenleistung mit ein paar Peanuts aus seinem Versprechen freikaufen. Der Bund lässt die Länder im Stich und sie müssen sehen, wie sie die finanziellen Mittel für die weitere Stärkung des Rechtsstaates allein finanzieren können.“
Wir sind mit unserem Antrag heute absolut up to date. Morgen, am 31. Januar 2019, findet nach allem, was uns bekannt ist, eine Besprechung der Bundeskanzlerin mit
den Länderregierungschefs maßgeblich zum Pakt für den Rechtsstaat statt. Es ist eine Nachholung einer Beratung auf Spitzenebene, die ursprünglich schon am 4. Dezember letzten Jahres stattfinden sollte, aber nicht zustande kam, da Angela Merkel an diesem Tag bei einer Trauerfeierlichkeit für den verstorbenen Ex-Präsidenten der USA George Bush in Washington weilte. Morgen soll der Pakt für den Rechtsstaat als zentrales Projekt der Großen Koalition endlich besiegelt werden.
Wir gehen davon aus, dass heute – das ist auch unser Anliegen – die Staatsregierung dem Landtag über ihre Positionen in diesen Verhandlungen berichtet und dass sie uns mitteilt, welche roten Linien sie in diesen Verhandlungen verfolgt. Selbstverständlich soll der Landtag angesichts der großen Bedeutung, die diese Fragen haushalterisch und gesetzgeberisch auch für das Landesparlament haben, nach diesen morgigen Spitzengesprächen entsprechend in Kenntnis gesetzt werden, was dort herausgekommen ist.
Die erste Position der Staatsregierung ist deutlich aus der Stellungnahme zu unserem Antrag geworden, die gestern einging und bereits aus Sicht des Staatskanzleichefs andeutet, wie bisher die Verhandlungen liefen. Dazu sage ich dann noch etwas aus unserer Sicht. Es wäre jedenfalls gut und richtig, wenn Sachsen in den Grundlinien die Positionen, die das Land Nordrhein-Westfalen in seinem am 3. Juli in den Bundesrat eingebrachten Entschließungsantrag vertreten hat, unterstützt, der den Pakt für den Rechtsstaat ausdrücklich begrüßt und zugleich unter der Betonung fordert, dass die Gewährleistung eines funktionierenden Rechtsstaates in Bund und Ländern von zentraler Bedeutung für die Sicherheit, für die Freiheit und die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger ist. Er geht davon aus, dass der Bund in der Verantwortung ist mitzuhelfen, um erforderliche finanzielle Rahmenbedingungen für das weitere Funktionieren und den Ausbau des Rechtsstaates zu schaffen.
Insofern sind wir der Auffassung, dass wir heute an diesem Ort eine produktive Debatte darüber führen sollten, was wir von unserer Staatsregierung erwarten, und damit auch letzten Endes dem Ministerpräsidenten für das Gespräch am morgigen Tag mit der Bundeskanzlerin und den Landesregierungschefs unsere Position mitgeben.
(Beifall bei den LINKEN – Rico Gebhardt, DIE LINKE: Unsere Staatsregierung hat er gesagt! Ich bin überrascht!)
Herr Präsident! Herzlichen Dank! Pakt für den Rechtsstaat. Der Rechtsstaat ist einer der Säulen unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ein funktionierender Rechtsstaat ist keine Selbst
verständlichkeit. Das wissen wir. Dazu genügt nur ein Blick in die Geschichte. Genau deshalb müssen wir ihn vor solchen Angriffen schützen, finanziell und mit Personal ausreichend ausstatten, und wir müssen ihn zukunftsfest machen. Ja, in Zeiten von sogenannten gezielten Falschmeldungen – Fake News – bedarf es manchmal solch grundsätzlicher Klarstellungen, aber sie sind wichtig. Der Rechtsstaat ist nämlich kein Lippenbekenntnis oder ein notwendiges Übel, wie wir es schon gehört haben, er ist die Grundlage unseres Staates und auch unseres Zusammenlebens.
In diesem Jahr feiern wir den 70. Jahrestag des Grundgesetzes. Dieses Grundgesetz hat uns die Grundlagen für unseren Rechtsstaat gelegt. Mit dem im Koalitionsvertrag vorgesehenen Pakt für den Rechtsstaat – einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern – möchte die Bundesregierung die Justiz und die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern stärken. So weit gehen wir noch d‘accord, Herr Bartl.
Nach den bisherigen Planungen soll der Bund den Ländern einmalig Mittel in Höhe von 220 Millionen Euro durch Festbeträge zur Verfügung stellen. Ziel soll also sein, in den Ländern in Zuständigkeit der Justiz 2 000 Stellen zu schaffen und zu besetzen. So weit, so gut. Die Stärkung des Rechtsstaates ist auch Kernanliegen des Freistaates Sachsen. Hier wurde seit 1990 vieles auf den Weg gebracht und erreicht. Darauf können wir Sachsen stolz sein. Wir danken allen, die daran Anteil haben – vom Beamten in der Justizvollzugsanstalt bis zum leitenden Oberstaatsanwalt oder auch bis zu den Gerichtspräsidenten.
Dafür herzlichen Dank. Schauen wir uns die aktuelle Situation an. Viele Punkte des „Paktes für den Rechtsstaat“ sind im Freistaat bereits umgesetzt, Herr Lippmann. Insgesamt wurden für den Zeitraum von 2016 bis 2020 – jetzt sind wir etwas aktueller geworden, Herr Lippmann; ich weiß, 1990 war für Sie etwas zu weit ausgeholt – 100 zusätzliche Stellen für Richter und Staatsanwälte und für 300 neue Anwärter für Referendarstellen geschaffen.
Genau, der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Justiz im ausreichenden Maße auszustatten, damit sie ihren verfassungsgemäßen Auftrag erfüllen kann. Genau das tut auch Sachsen. Der Bund kann uns bei diesem Thema gern unterstützen; allerdings ist die Justiz zum überwiegenden Teil Ländersache. Es ist zu klären, ob und wie der Bund überhaupt eingreifen kann. Das sehe ich als verfassungsrechtlich problematisch an. Das hatten Sie auch angesprochen. Als Freistaat sind wir inhaltlich für diesen Markenkern des Föderalismus eigenverantwortlich. Die Rechtsprechung, soweit es sich nicht um die Bundesgerichte handelt, ist Aufgabe der Länder.
Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Modschiedler, der Bund macht den Ländern auf mehreren Gebieten Avancen, sie zu unterstützen. Justiz ist eine originäre Sache des Landes – Schule ist aber auch originäre Sache des Landes. Aber der Bund hat immer noch Wünsche, wie er sich selbst mit der Geldgabe verwirklichen kann. Welche Vorstellungen hat Sachsen, welche Spielregeln müssen eingehalten werden, wenn der Bund uns beim Thema Justiz Geld gibt?
Der Bund möchte uns Geld geben für Justiz. Justiz ist die originäre Aufgabe des Landes. Im Zweifel hat der Bund immer noch ein paar Spielregeln parat, die man beachten muss, wenn man das Geld bekommt. Welche Spielregeln hat Sachsen dem entgegenzusetzen bzw. welche Spielregeln müssen beachtet werden? Bei der Schule haben wir gesehen: Es sollte zunächst eine Verfassungsänderung und eine 50-%Gegenfinanzierung des Landes sein.
Ich beantworte den zweiten Teil zuerst. Die Spielregeln müssen noch festgelegt werden. Das haben Sie gesagt. Das ist richtig. Bezüglich der Frage, welche Rolle das Bundesjustizministerium spielt, verweise ich auf die morgige Verhandlung. Sie wird in den Verhandlungen seitens des Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin und den anderen Ministerpräsidenten sowie der Bundesministerin für Justiz erörtert werden.
Teil 1 der Frage, welche Alternativen wir entgegensetzen können, möchte ich mit der Fortsetzung meines Redebeitrags beantworten. Sind Sie damit einverstanden?
Vielen Dank. – Ich komme jetzt zu dem, was Herr Bartl angesprochen hat. Wir sollten die Mittel in die Bereiche wie Digitalisierung, Weiterbildung, Verfahrensbeschleunigung und Opferschutz investieren. Das können wir nämlich, und das können wir auch selbst. Deshalb können wir auch eine einmalige finanzielle Unterstützung problemlos einsetzen.
Wir müssen aber auch einen Konsens über eine nachhaltige Möglichkeit der Finanzierung finden. Diese Kernfrage kann – ich komme zu den Fragen der Interna, die geklärt werden müssen – Ministerpräsident Kretschmer am 31. Januar mit seinen Amtskollegen und der Bundesregierung thematisieren. Er geht da nämlich hin.
Dass er das mit Leidenschaft und mit hoffentlich großem Erfolg tun wird und sich dafür einsetzt, das kennen wir aus dem Kohlekompromiss. Da ist mir keineswegs bange.
Insofern ist der Antrag, den Sie gestellt haben, ein Schaufensterantrag. Warum wollen wir heute über etwas debattieren, wenn es schon morgen inhaltliche Diskussionen gibt?
Die Fragen, die Frau Dr. Muster heute gestellt hat, wird der Ministerpräsident morgen auf dieser Ebene diskutieren.
Das kann er. Wir sind mit unserem Ministerpräsidenten, Herr Bartl, dort bestens vertreten – mit oder ohne Ihren Antrag.
Bis die Verhandlungen zu diesem Antrag abgeschlossen sind, sollten wir uns mit voreiligen Bemerkungen und Bewertungen zurückhalten.
Fassen wir zusammen: Wir stehen zu dem Pakt für den Rechtsstaat. Wir leisten dazu unseren Beitrag, auch als Freistaat Sachsen. Wir verhandeln zielgerichtet jetzt, heute und morgen und ergebnisorientiert mit dem Bund.
Lassen Sie uns bitte die notwendige Energie der Exekutive mitgeben, dass sie ordnungsgemäß verhandeln, bevor wir hier anfangen, über irgendwelche Dinge zu diskutieren, die jetzt erst im Fluss, in der Verhandlung sind.
Danke schön. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist erfreulich, dass DIE LINKE nach dem Pakt für den Rechtsstaat fragt und die Gelegenheit wahrnimmt, über einige Erfolge zu sprechen, die wir im vergangenen Jahr erzielt haben. Der Pakt für den Rechtsstaat soll laut Bundeskoalitionsvertrag das Vertrauen in die rechtsstaatliche Demokratie stärken. Zum Pakt für den Rechtsstaat zählt nicht nur die Frage, ob wir in Bund und Ländern 2 000 neue Stellen und eventuelle weitere Stellen schaffen, sondern es zählen nach Koalitionsvertrag auch die Aufstockung von Sicherheitspersonal, die Beschleunigung von Strafverfahren, ohne die Rechte der Angeklagten zu beschneiden, Reformen des Verfahrensrechts im Übrigen, die Musterfeststellungsklage, Stärkung des Verbraucherschutzes, Cybersicherheit, Datenschutz, Kampf gegen organisierte Kriminalität, Sanktionen gegen Unternehmen, die vom Fehlver
halten ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren, europäische Sicherheitskooperation, verbesserte Kontrolle der Geheimdienste dazu. Das alles steht unter der Überschrift Pakt für den Rechtsstaat.
Bei der Musterfeststellungsklage kann man bereits den Vollzug des Gesetzgebers melden und feststellen, dass es in der Angelegenheit Klagen wegen falscher Angaben über Dieselmotoren gegen VW gibt, und zwar eine Musterfeststellungsklage mit – inzwischen – über 300 000 Klägern. Es bleibt abzuwarten, ob die Klage erfolgreich sein wird. Allein die Höhe der Beteiligung spricht dafür, dass hier ein wirksames Instrument des Verbraucherschutzes geschaffen worden ist, Stichwort: Pakt für den Rechtsstaat. Wir schaffen Instrumente, damit Bürgerinnen und Bürger zu ihrem Recht kommen.