Die Sachsen sind weder fremdenfeindlich noch rechtsextremistisch, noch rassistisch. Sie sind realistisch, und nichts anderes spiegeln die Ergebnisse des SachsenMonitors wider.
Das war Herr Kollege Urban, er sprach für die AfD-Fraktion. Am Ende der Rederunde haben wir noch zwei Redner; zunächst Frau Kollegin Meier für die GRÜNE-Fraktion und dann Frau Kersten für die fraktionslosen Abgeordneten.
Sehr geehrte Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir sollten jetzt wieder zum Sachsen-Monitor zurückkommen. Über die Weihnachtsmärkte wird ja gleich noch gesprochen.
Was sagt denn der Sachsen-Monitor? Den Sachsen geht es quasi gut. Sie schätzen ihre wirtschaftliche Situation gut bis sehr gut ein und schauen positiv in die Zukunft. 92 % halten die Demokratie für eine gute Regierungsform.
Es wäre schön, wenn das jetzt das Ende der Debatte zum Sachsen-Monitor wäre und das Ende einer schönen Geschichte über die Situation über die Menschen hier im Freistaat. Aber leider, leider ist es das nicht, denn unter der Oberfläche dieser Zahlen gärt es gewaltig. Die Ergebnisse legen vor allem drei Schieflagen offen.
Die Sachsen fühlen sich in ihrer Identität als Ostdeutsche ungerecht behandelt. Trotz des positiven Blicks in die Zukunft – und das ist der zweite Punkt – haben sie Angst vor sozialem Abstieg und beziehen sich daraufhin wieder positiv auf die DDR. Nur noch 36 % der Befragten meinen, dass die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei, und das sind noch einmal 8 % weniger als bei der letzten Befragung. Das lässt bei mir als Mitglied von BÜND
Ein weiterer Aspekt: Je weiter die Politik von den Menschen entfernt ist, desto weniger Vertrauen haben die Menschen in die Politik. So genießen Bürgermeister und Gemeinderäte noch zu 60 % das Vertrauen. Je weiter es weg geht, desto geringer wird es, vom Landtag über den Bundestag bis hin zum Europaparlament.
Aber welche Schlüsse ziehen wir denn aus diesen Fakten? Ja, man kann sich jetzt auf die Frage konzentrieren, wie man die angeknackste Identität der Ostdeutschen wieder aufrichten oder wie man sich besser um sie kümmern kann. Sie haben durchaus anklingen lassen, dass Sie das ähnlich sehen. Da ist auch viel Wahres dran, aber ich denke, das ist nur ein Aspekt des Ganzen. Die Lösungsvorschläge sind nur Kosmetik, da die Probleme in diesem Land tiefer liegen.
Die Ergebnisse zeigen ja: Es braucht mehr als ein bloßes Weiterverwalten mit einem Schuss paternalistischer Rhetorik. Was Sachsen braucht, ist ein politischer Neuanfang und eine neue politische Kultur. Das haben wir schon im letzten Plenum diskutiert. Und ich sehe vor allem drei Handlungsfelder.
Wer die Kommunen nahezu handlungsunfähig macht, der muss sich nicht wundern, dass in die Lücken, die sich hier auftun, undemokratische Kräfte hineinstoßen und diese Lücken füllen. Das erleben wir im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs oder, wie gestern, bei der unterbliebenen Demokratisierung der Kommunen.
Ein zweiter Punkt. Die schulische und außerschulische politische Bildung lässt Lücken aufklaffen. Eine Kommission hat viele konkrete Vorschläge gemacht. Ein zentraler Vorschlag war gewesen, den Gemeinschaftskundeunterricht wieder bei Klasse 7 beginnen zu lassen. Dieser Vorschlag ist außer Acht gelassen worden, und ich denke, das ist fatal.
Ein weiterer Punkt ist mir wichtig, den wir hier auch schon oft diskutiert haben: Bürgerinnen und Bürger wollen mitbestimmen. Aber dafür ist es notwendig, dass Politik nachvollziehbar und transparent ist. In Ihrem Koalitionsvertrag haben Sie ein Informationsfreiheitsgesetz versprochen. Ich glaube, um ehrlich zu sein, nicht, dass dieses in dieser Legislaturperiode noch das Licht der Welt erblicken wird. Wir GRÜNE haben einen konkreten Vorschlag mit unserem Transparenzgesetz gemacht, das wir demnächst hier behandeln werden.
Diese Beispiele ließen sich fortsetzen, zum Beispiel die jahrzehntelange Gängelung der Zivilgesellschaft durch die Extremismusklausel. Ja, Sie haben diese Extremismusklausel ad acta gelegt, aber vergangenes Wochenende
hat der CDU-Parteitag beschlossen, diese Extremismusklausel in diesem Land wieder einführen zu wollen.
Dazu sage ich ganz klar: Die CDU hat Zivilgesellschaft nicht verstanden. Sie haben es nicht verstanden, wenn sie ihr permanent Misstrauen aussprechen, anstatt sie zu fördern.
Sachsen wird Lösungen für die ungelösten Probleme nur dann finden, wenn Sie die Ergebnisse des SachsenMonitors ganzheitlich betrachten, anstatt sich einzelne Punkte, einzelne Aspekte, wie die erfahrene oder gefühlte Benachteiligung der Nachwendezeit, herauszugreifen. Was Sachsen braucht, ist ein Umdenken.
Nur, wenn Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe diskutieren können, wenn Hürden für Beteiligung gesenkt werden, wenn Verfahren und Prozesse transparenter sind, wenn die Entwicklung einer aktiven demokratischen Bürgergesellschaft zugelassen wird und vor allem, wenn die Bürgerinnen und Bürger mehr Eigenverantwortung erhalten und diese ihnen zugestanden wird, wenn ihnen auch vertraut wird, dann kann sich im Freistaat etwas zum Positiven verändern. Nur so kann es gelingen, dass es bei der Geschichte über die gesellschaftliche Einstellung eben kein Aber mehr gibt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen! Ja, was die Sachsen so denken, dazu haben meine Vorredner jetzt zur Genüge ausgeführt. Ich selbst glaube, dass der Sachsen-Monitor einfach ein wenig überbewertet wird.
1 006 Personen wurden in Sachsen befragt. Bei 13 Landkreisen und kreisfreien Städten sind das gerade einmal 77 Einwohner je Verwaltungsstruktureinheit.
Auf meinen Landkreis Mittelsachsen heruntergerechnet – wir haben 54 Kommunen –, wurden gerade einmal 1,4 Einwohner je Kommune befragt. Ist das repräsentativ?
Punkt 2: Die Interpretation der Ergebnisse des SachsenMonitors ist so unterschiedlich, dass sinnvolle Schlussfolgerungen überhaupt nicht erwartet werden können. Ein
Beispiel der Staatsregierung: In der Pressemitteilung der Sächsischen Staatskanzlei wird Herr Staatsminister Dr. Jaeckel zitiert: „Die teilweise hohe Zustimmung zu Ressentiments geben jedoch keinen Grund zur Entwarnung.“ Auf der Webseite der Staatsregierung ist dagegen zu lesen: „Die Mehrheit der Sachsen weist jedoch nur einen niedrigen Grad an gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit auf. Sie stimmt also den überwiegenden Aussagen zur Messung von Ressentiments nicht zu.“
Meine Damen und Herren! Sie sehen, es ist ganz nett, dass wir hier einmal darüber gesprochen haben, aber dabei sollten wir es dann auch belassen. Eine gute Politik, die sich am Bürger orientiert und die den Bürger einbezieht, ist viel, viel wichtiger.
Das war Frau Kollegin Kersten. Wir sind jetzt am Ende der ersten Runde und wir eröffnen eine zweite. Die einbringende CDU-Fraktion kommt jetzt zu Wort durch Herrn Kollegen Schreiber.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Debatte macht es deshalb schwierig, Herr Urban – – Ach, dort ist er.
Ja, daran muss ich mich erst mal gewöhnen. – Herr Urban, genau das passiert, was Sie hier gerade gemacht haben. Eine Litanei hier vorzutragen über das, was an Verbrechen, an Kriminalität, an inakzeptablen Dingen in unserem Land passiert, aber was eben nicht erst seit 2015, sondern schon wesentlich länger passiert, bringt uns in dieser Frage kein Stück weiter.
Das hat auch nichts damit zu tun, dass Sie daraus den Schluss ziehen, dass hier irgendwer Realist und nicht rechtsextrem oder rechtsgesinnt sei, sondern einfach nur realistisch. Herr Urban, Sie wissen ganz genau, dass ein Verbrechen an sich erst einmal ein Verbrechen ist. Es ist völlig egal, ob ein Verbrechen an einem Deutschen, an einem Ausländer oder an sonst jemandem begangen wird. Ein Verbrechen ist ein Verbrechen, und diejenigen, die Verbrechen begehen, gehören mit aller Härte des Gesetzes bestraft.
Ich denke, es ist auch ein Konsens, den wir alle miteinander tragen sollten, dass wir einen Rechtsstaat brauchen, der genau diesem Prinzip folgt, und dass es an den Stellen, wo der Rechtsstaat Probleme hat, dies umzusetzen – aus welchen Gründen auch immer –, einer Nachjustierung bedarf.
Aber was machen Sie? Sie tun so, als würde es in dieser Gesellschaft – egal, ob es um sexuelle Belästigung, um Raub oder um Drogendelikte geht – das alles ohne die Flüchtlingsfrage seit 2015 in diesem Land nicht geben, und das ist einfach schoflig. Herr Urban, da stellen Sie sich, ehrlich gesagt, hier ganz schön in die Reihe derer, die vorher genau dort gesessen haben, wo Sie jetzt sitzen, nämlich die NPD. Wir können gottlob froh sein, dass diese Truppenteile seit 2014 nicht mehr hier im Landtag sind.