Vollzugsziel der Resozialisierung Rechnung tragen müssen. Hier sollten wir an einem Strang ziehen und ich freue mich darauf, wenn wir in der Tat damit vorankommen.
Wir sind am Ende der zweiten Rederunde angekommen und die einbringende Fraktion möchte eine dritte eröffnen. Bitte, Herr Kollege Bartl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Frau Kollegin Dombois, es geht nicht darum, dass wir zufriedengestellt werden. Das Problem ist: Wer Gesetze verabschiedet, der muss auch dafür sorgen, dass die Gesetze vollzogen werden können.
Wir haben eine Situation im Strafvollzug, in der diejenigen, die dort arbeiten – im Erzgebirge sagt man, die dort rammeln –, auf Deutsch gesagt nicht mehr in der Lage sind, das Gesetz zu vollziehen.
Sie können den Behandlungsvollzug, wie wir als Parlament ihn – richtigerweise und schätzenswerterweise – vorgegeben haben, eben nicht realisieren. Das macht sie auch unzufrieden. Sie rennen wie der Hamster im Laufrad jeden Tag von Flur zu Flur. Das ist gewissermaßen der Fluch der guten Tat.
Wir haben den Gruppenvollzug eingerichtet: 24 Häftlinge – zwölf bei jugendlichen Strafgefangenen – auf der Station. Aber so sind auch die Mauern gebaut, so sind die Stationen gebaut. Ich kann nicht mehr wie früher in der JVA Chemnitz alten Stils, als es quasi einen Rondellvollzug gab, von unten schauen, wer die Tür aufmacht und ob alle brav sind. Heute müssen die Stationen bedient werden. Die Bediensteten rennen wie die Wahnsinnigen. Ein Bediensteter ist für zwei Stationen zuständig. Er schließt hier mal auf, dann schließt er dort mal auf. Im Laufe des Tages kann es aber passieren, dass eine Frau aus der JVA Chemnitz zum Frauenarzt muss. Zwei Bedienstete müssen sie begleiten. Dann sind von den sechs, die gerade Dienst haben, noch vier übrig. Damit ist die Sache gegessen. Dann braucht man über individuellen Behandlungsvollzug und Resozialisierung nicht mehr nachzudenken. Das ist nicht mehr drin.
Dass das geändert wird, dass wir die Voraussetzungen für den Vollzug des Gesetzes – das wir gemacht haben! – schaffen, ist auch unsere Verantwortung. Die Wahrnahme der Verantwortung beginnt aber im Kabinett. Das Kabinett hat auch diese Aufgabe.
Zweitens. Noch einmal zur Situation der betroffenen Beamten: Wenn ich rechtlich richtig informiert bin, dann müssen über das Jahr die geleisteten Über- bzw. Mehrarbeitsstunden ausgeglichen werden. Über das Jahr! Nicht einmal in Näherung ist das Jahrzehnt erkennbar, wann die Beamten ihre Überstunden abgebaut haben. Allein in Chemnitz sind es 10 000 – bei 121 theoretisch einsatzbe
reiten Stellen im AVD. Es ist gesetzwidrig, dass wir den Bediensteten fortwährend mehr Überstunden abverlangen.
Drittens. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten hat die gute Idee – vielleicht ist sie gut –, den Justizvollzugsanstalten mehr eigene Möglichkeiten zu geben, Personal zu gewinnen bzw. selbst auszubilden. Dadurch könnten mehr Nähe und mehr Praxiserfahrung entstehen. Aber Kleckern bringt hier nichts. Wir müssen überlegen, wie wir diesen Beruf attraktiver machen können. Wenn es um Beförderungsämter geht, war der Strafvollzug immer ganz hinten dran, obwohl die Bediensteten dort bei Weitem nicht die angenehmsten Aufgaben im Sicherheitsbereich zu erfüllen haben. Die Arbeit im Strafvollzug ist nicht angenehm. Sie haben es wirklich nicht leicht angesichts dessen, was ihnen von diesem oder jenem Gefangenen jeden Tag „eingeschenkt“ wird.
Insofern muss das Amt des Strafvollzugsbediensteten auf ein anderes Niveau gehoben werden; das betrifft insbesondere die Eingangsämter. Die Besoldung ist zu verbessern. Darum kommen wir nicht herum. Das lege ich auch dem Herrn Finanzminister ans Herz.
Jede Unterstützung für Herrn Staatsminister Gemkow, wenn er für sein Konzept Unterstützung aus dem Parlament braucht! Das ist die Verantwortung aller hier Sitzenden, nicht nur die der Opposition.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Seit vielen Jahren ist der demografische Wandel in Sachsen Gewissheit. Auch für die frühere Planung im Justizvollzug war dieser Aspekt von Bedeutung. Wir sind damals davon ausgegangen, dass eine älter werdende Bevölkerung zu einer geringeren Delinquenz in der Gesellschaft führt und dass weniger Bürger in unserem Land auch weniger Straftaten – und damit weniger Strafgefangene – bedeuten. Auf dieser damaligen Prognose beruhten letzten Endes sämtliche Planungen, sowohl für das Personal als auch für Haftplatzkapazitäten.
Die Realität hat sich anders entwickelt; das ist ganz klar feststellbar. Auf der einen Seite verzeichnen wir eine steigende Anzahl an Straftaten – trotz des Rückgangs der Bevölkerung. Gerade in den Ballungszentren Leipzig und Chemnitz ist die Zahl der Straftaten angestiegen, seit
In den vergangenen Jahren ist der Anteil der ausländischen Gefangenen stark nach oben gegangen; Herr Kollege Bartl, Sie haben es angesprochen. Der Umgang mit diesen Gefangenen ist mit besonderen Herausforderungen verbunden. Bedienstete haben Schwierigkeiten, sich auf die kulturellen Hintergründe der Gefangenen einzustellen. Einige Gefangene akzeptieren keine weiblichen Bediensteten. Andere treten höchst aggressiv gegenüber Bediensteten auf. Oder sie verletzen sich selbst, um quasi erpresserisch tätig zu werden, das heißt, Vergünstigungen im Haftalltag zu erreichen.
Zum Dritten haben wir ein großes Problem – Frau Abg. Meier hat es angesprochen – mit Gefangenen, die auf langjährige Drogenkarrieren zurückblicken können. Crystal ist ein sehr großes Problem. Im Gegensatz zu herkömmlichen Drogen führt Crystal zu hirnorganischen Schäden und sonstigen Veränderungen, die mit herkömmlichen Therapien nicht mehr beeinflussbar sind.
Mit all dem ist der Vollzug konfrontiert. Insgesamt ist dadurch die Arbeit der Bediensteten anstrengender und letzten Endes auch gefährlicher geworden. Trotzdem leisten sie unter Anspannung aller Kräfte jeden Tag hervorragende Arbeit, bis hin – das muss man mittlerweile sagen – zum Einsatz ihrer eigenen Gesundheit. Dafür bin ich außerordentlich dankbar. Das will ich an dieser Stelle unbedingt sagen.
Sie gewährleisten in dieser schwierigen – für sie schwierigen – Situation die Sicherheit und die Ordnung in den Strafvollzugsanstalten. Sie tun darüber hinaus, gewissermaßen überobligatorisch, Dinge, die von ihnen eigentlich nicht gefordert sind. Dazu gehört die Durchführung der Drogen- bzw. Suchttherapie von Gefangenen. Das ist eine Aufgabe, die der Justizvollzug überobligatorisch durchführt. Das wird gemacht, weil auch wir es für sinnvoll halten, weil wir es als Ausdruck unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft empfinden, diese Menschen nach Verbüßung ihrer Haftstrafe nicht in eine Gesellschaft zu entlassen, in der sie in ihre alten Verhaltensmuster zurückfallen und letzten Endes wieder straffällig werden.
Angesichts all dieser Herausforderungen bin ich dankbar, dass der Haushaltsgesetzgeber – Sie alle, meine sehr geehrten Damen und Herren – mit dem vergangenen Haushalt dem Strafvollzug 105 zusätzliche Stellen zur Verfügung gestellt haben: 90 für den Allgemeinen Vollzugsdienst, 15 für die Fachdienste. Diese Stellen sind mittlerweile zum allergrößten Teil besetzt. Dass dies nicht sofort mit fertig ausgebildeten Bediensteten möglich gewesen ist, liegt in der Natur der Sache; einige Vorredner haben es bereits erwähnt. Wir haben uns in dieser Situation mit Tarifangestellten beholfen, damit das System sofort entlastet wird. Die Bediensteten berichten, dass sie mit der Mitarbeit dieser Tarifangestellten sehr zufrieden sind. Für sie gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, später in das reguläre System übernommen zu werden. Insofern ist das, was wir alle uns gewünscht haben, nämlich eine Erleichterung im Justizvollzug herbeizuführen, tatsächlich gelungen. Wir haben seit 2016 die Ausbildungskapazitäten verdreifacht.
All das sind gute erste Schritte. Dabei darf es nicht bleiben; das sage ich an dieser Stelle ebenso offen. Wir müssen den Weg, den wir gemeinsam begonnen haben, konsequent zu Ende gehen. Das betrifft das Personal und dessen Ausstattung sowie möglicherweise auch die Haftplatzkapazitäten.
Aus diesen Gründen bitte ich Sie ganz herzlich weiterhin um Ihre Unterstützung. Ich tue das in dem Wissen, dass es in diesem Haus breite Unterstützung für den sächsischen Justizvollzug gibt. Dafür möchte ich Ihnen im Namen der Bediensteten danken, und ich möchte Ihnen auch ganz persönlich meinen Dank aussprechen.
Wir sind am Ende dieser Rederunde angekommen. Die zweite Aktuelle Debatte ist abgeschlossen. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Den Fraktionen wird das Wort zur allgemeinen Aussprache erteilt. Die Reihenfolge in der ersten Runde ist: DIE LINKE, CDU, SPD, AfD, GRÜNE, Staatsregierung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihnen liegt heute zur Schlussberatung der Gesetzentwurf – Herr Präsident, Sie haben es vorgetragen – zur Errichtung der Unabhängigen Ombudsstelle der sächsischen Polizei und zur Änderung weiterer Gesetze vor.
Zu dem Gesetzentwurf. Wie Sie wissen, befasst sich meine Fraktion gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei und anderen zivilgesellschaftlichen Vereinigungen seit Jahren mit der Frage, wie in dem Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zur Polizei und umgekehrt sowie im Verhältnis der Polizeibediensteten zu Dienstvorgesetzten im Streit- und Auseinandersetzungsfall die Verfahrensweise so gesichert werden kann, dass die berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten geschützt und dennoch auf vernünftige und rechtssichere Weise Anliegen einer sinnvollen Klärung zugeführt werden können. Dass insbesondere ein auf diese Weise gesetzlich gesichertes Verfahren durch eine unabhängige Ombudsstelle eine der wichtigsten vertrauensbildenden Maßnahmen des Staates im Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern zu einem zentralen Akteur bei der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung sein muss, liegt nicht nur auf der Hand, sondern ist auch auf der regierungstragenden Seite des Hohen Hauses Erkenntnis.
Ich zitiere: „Wir wollen das Vertrauensverhältnis zwischen der sächsischen Polizei und den Bürgerinnen und Bürgern weiter stärken und Hinweise, Anregungen und Beschwerden ernst nehmen. Zu diesem Zweck wird eine unabhängige zentrale Beschwerdestelle der sächsischen Polizei im Staatsministerium des Innern eingerichtet. Sie dient als Ansprechpartner für die Bürger und die Beschäftigten der Polizei. Ein solches Beschwerdemanagement bietet der Polizei die Chance, fehlerhaftes Verhalten zu erkennen und abzustellen, und eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, Notwendigkeiten des polizeilichen Handelns