Protocol of the Session on November 15, 2017

Ansonsten nützt es uns überhaupt nichts, wenn wir die Sache kleinreden.

Es ist völlig unstrittig, dass wir nach der Wende in Sachsen einen modernen Strafvollzug aufgebaut haben. Das ist völlig unstrittig. Wir haben in der Regel baulich und ausstattungsseitig gut ausgerüstete Justizvollzugsanstalten mit für modernen Gruppenvollzug ausgerüsteten und eingerichteten Stationen, in denen – bis hin zur Farbgebung der Wände – darüber nachgedacht worden ist, wie man sie harmonisieren kann. Lindgrün kommt zum Beispiel gut.

Wir haben durchaus auch ein modernes Strafvollzugsgesetz, in dem der Resozialisierungsanspruch eines jeden Gefangenen verankert ist. Gott sei Dank, Frau Petry! Das Gesetz gestaltet es auch in detaillierten Bestimmungen aus.

Aber was nützt uns das alles, wenn die meisten Justizvollzugsanstalten keine Leute haben, um daraus etwas zu machen? Das ist doch das Dilemma, in dem wir uns jetzt befinden. Die Bediensteten empfinden dies schlicht und ergreifend als eine Situation, in der sie gnadenlos verschlissen werden. Es ist völlig unstrittig, dass eine riesige Einsatzbereitschaft und eine große Motivation vorhanden sind. Sie lamentieren auch wenig. Das ist völlig richtig. Aber manche reden dort von Endzeitstimmung, weil keiner ein Konzept erkennt, wie in überschaubaren Zeiträumen die Situation verändert werden kann. Das ist das Dilemma.

Die im jetzigen Doppelhaushalt eingestellten 50 Stellen erweisen sich als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Die Fachgewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten, der BSBD, hatte bekanntermaßen in der Haushaltsdebatte minimal 100 Stellen, die sie mehr brauchen, gefordert. Das ist auch kein Wunder! Sie haben durch den Sparkurs, bei dem Tanz um die schwarze Null, von 2003 bis 2014 fast 250 Personalstellen im Strafvollzug eingespart. Die wurden einfach gestrichen, wenn die Älteren in Rente gegangen sind, und nicht mehr besetzt. Von 2 200 sind wir jetzt bei insgesamt 1 810. Das ist aber nicht verträglich gewesen, wie sich zeigt, auch aufgrund gewachsener Gefangenenzahlen.

Das ist auch bei Weitem nicht das Versagen des Ministers. Sebastian Gemkow hat daran am wenigsten Schuld. Seitdem er im Amt ist, spricht er die Sache spitz auf Knopf an. Er macht mit seiner Crew das Beste, was er machen kann, um die Situation zu retten. Rette, was gerettet werden kann!

Aber jetzt muss die Sache ins Kabinett. Es muss in die Köpfe rein, dass wir durch die verfehlte Personalpolitik respektive Sparpolitik der vergangenen Jahre jetzt die Situation haben, in der es Kabinettsbeschlüsse braucht. Man muss sich vorrangig mit dem Strafvollzug befassen, auch wenn es kein Thema ist, das allgemein sonderlich im Blick der Öffentlichkeit steht.

Um diese Frage geht es uns, dass letztendlich ausgehend von der Aktuellen Debatte die Verantwortung des Kabinetts wahrgenommen wird: Was können wir, unter Nutzung aller vorhandenen Möglichkeiten, tun? Darin stimme ich Frau Kollegin Meier zu: Es gibt viele Möglichkeiten. Es ist zum Beispiel ein Unding, dass wir nur ein Drittel der offenen Vollzugsplätze auslasten. Wenn wir mehr Gefangene aus dem geschlossenen Vollzug in den offenen Vollzug bringen, wo es einen wesentlich geringeren Betreuungsaufwand gibt, haben wir von vornherein eine erhebliche Entlastung. Wir müssen endlich damit Schluss machen, Ersatzfreiheitsstrafen, weil jemand drei Mal schwarzgefahren ist, im geschlossenen Vollzug zu vollziehen. Warum können nicht wenigstens diese in den

offenen Vollzug? Damit hätten wir sofort eine erhebliche Entlastung.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Dass uns keine Auszubildenden vom Himmel fallen und dass sie nicht von heute auf morgen alle ausgebildet sind, ist völlig klar. Das kann kein Mensch in diesem Parlament, in keiner Regierung bewirken. Das ist völlig richtig. Aber es gibt so viele kleinere Maßnahmen, die sofort gängig sind und bei denen auch die Strafvollzugsbediensteten fragen: Warum haben wir nicht die rechtlichen Voraussetzungen? Warum hindern uns daran Vorschriften, mit einer Flexibilität vorzugehen?

Es ist ein Unding, dass eine Gefangene 14 Tage vor der Entlassung, wenn sie eine Wohnung in Leipzig suchen soll, mit zwei Bediensteten und mit Fuß- oder Handfesseln zugeführt werden muss. Zwei Bedienstete fahren mit einer Gefangenen, die zwei Wochen später entlassen werden soll, in das Haus nach Leipzig, um die Wohnung zu bekommen.

(Martin Modschiedler, CDU: Das ist kein gesetzliches Problem!)

Abgesehen davon, wie gut das bei den Einwohnern ankommt – aber das ist noch eine andere Frage. Das alles, weil es die Vorschrift sagt. Das ist doch alles Unfug. Es muss hier zu mehr Flexibilität kommen.

Dass wir die Sicherheiten der Anstalten gewährleisten müssen und dass die Gefangenen und die Bediensteten sicher sein müssen, das ist doch völlig unstrittig, Das Problem ist letztendlich nicht mit allgemeinen Reden zu lösen. In der Sache erwarten wir, dass eine Kabinettsentscheidung in der nächsten Zeit kommt, die bis zum Nachtragshaushalt gehen kann.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN)

Die einbringende Fraktion war vertreten durch Herrn Kollegen Bartl. Jetzt spricht Frau Kollegin Dombois für die CDU-Fraktion.

Ich möchte für die CDUFraktion noch einmal ganz klar sagen: Wir wollen hier überhaupt nichts kleinreden. Wir wissen über die Personalsituation in den Strafvollzugsanstalten sehr genau Bescheid.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass man verschiedene Anstalten vielleicht auch einmal einzeln bewerten müsste. Es gibt Vollzugsanstalten, in denen es relativ gut funktioniert, auch mit dem Personalbestand. Es gibt aber auch das, was Sie angesprochen haben – Chemnitz –, wo es zu solchen Situationen kommt, was man natürlich nicht gutheißen kann.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, gern, Herr Präsident.

Bitte, Frau Meier.

Danke, Herr Präsident. Danke, Frau Dombois. Sie haben ja gerade gesagt, eigentlich müsste man sich die Justizvollzugsanstalten, was die Personalsituation angeht, einzeln anschauen. Können Sie sich erinnern, dass die GRÜNE-Fraktion dazu dieses Jahr einen Antrag gestellt hat, in dem sie ebendieses gefordert hat, nämlich eine Personalevaluation zu machen und ein Personalkonzept nach Haftanstalten gesondert? Haben Sie das zur Kenntnis genommen, und was sagen Sie zu diesem Vorschlag?

Das habe ich zur Kenntnis genommen, ich habe meiner Fraktion diesen Vorschlag auch schon gemacht, aber Sie wissen, wie das manchmal so ist mit den Mehrheiten.

Ich kann nur noch einmal dafür werben, dass man das tut, weil die Situationen wirklich sehr unterschiedlich sind. Wir müssen aufpassen, denn wir sind ja in verschiedenen Beiräten, und der eine hat den einen Eindruck und der andere einen anderen. Ich werde es auf jeden Fall noch einmal ansprechen; ich denke, Herr Modschiedler ist offen für ein solches Gespräch. Ich will noch einmal betonen, die Personalsituation ist klar, wir werden daran arbeiten, wir werden wieder in eine Haushaltsdiskussion gehen.

Es ist aber auch nicht so, dass wir gar nichts gemacht hätten. Wir haben in der Haushaltsdiskussion in den letzten Jahren die Aussetzung des Personalabbaus beschlossen – das sind immerhin 370 Stellen zwischen 2016 und 2020. Dass nicht alles sofort wirksam wird, hatten Sie schon erwähnt. Die Staatsregierung hatte damals um 50 Bedienstete erhöht und wir als CDU-Fraktion haben noch 40 draufgesetzt – das sind also auch 90 Bedienstete mehr gewesen. Das sind 90 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst und 15 Projektmittelstellen für Psychologen und Dolmetscher. Dass gar nichts passiert wäre, kann man so nicht sagen. Viele stellen schon eine sichtbare Erleichterung fest, aber wir müssen weiter daran arbeiten.

Ich will noch auf eines hinweisen: Unsere Fraktionen haben vor Kurzem bei der Evangelischen Akademie zusammengesessen – Herr Bartl und Frau Meier beispielsweise waren auch mit dabei – und zu Maßnahmen der Resozialisierung gesprochen. Sie haben zwei Anträge zu diesem wichtigen Thema gestellt – wir werden dazu in die Diskussion kommen und schauen, ob wir neue Lösungen finden können, wie wir im Gespräch sein können. Was es an Veränderungen geben muss, das ist klar, darüber werden wir reden. Ich bin auch überzeugt, dass wir so, wie wir es in den letzten Jahren gemacht haben – und dafür möchte ich an dieser Stelle noch einmal werben –, fraktionsübergreifend gemeinsam Lösungen finden

werden, vielleicht auch zur Zufriedenheit des einen oder anderen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Das war Frau Kollegin Dombois für die Fraktion CDU. Jetzt sprechen Sie, Herr Baumann-Hasske, erneut für die SPD-Fraktion.

Vielen Dank, Herr Präsident! Ja, meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal an die Suchttherapiestation anknüpfen, weil daran deutlich wird, welche Aufgaben der Strafvollzug mit übernommen hat und was daraus an personellen Anforderungen entstanden ist.

Wir wissen, dass Straftäter, die vor allen Dingen wegen ihrer Sucht zum Zeitpunkt der Straftat schuldunfähig waren, in den Maßregelvollzug überführt werden. Wenn man sich Einrichtungen des Maßregelvollzuges anschaut, dann stellt man fest, das sind Krankenhausbedingungen, das ist Psychiatrie und dort ist ein unglaublicher Personalschlüssel, wenn man sich anschaut, wie viele Ärzte und Helfer sich um einen Patienten kümmern. Wenn man das auf die Suchtstationen im Strafvollzug übertragen wollte, dann wären wir unglaublich weit entfernt von dem, was theoretisch sein müsste.

Nun sind die Konzepte andere und daraus entsteht letztendlich nur ein Eindruck dessen, welche Aufgaben wir dort tatsächlich dem Strafvollzug überantwortet haben. Es muss gewährleistet sein, dass auf solchen Therapiestationen genügend Personal vorhanden ist – ähnlich wie in einer Entzugsanstalt, ähnlich wie in der Psychiatrie. Es muss Kontinuität vorherrschen, sonst sind solche Therapien zum Scheitern verurteilt. Ich habe im Moment den Eindruck, dass all das bedacht worden ist, sowohl in Zeithain als auch neuerdings in Regis-Breitingen, aber es ist natürlich eine zusätzliche Anforderung an den Strafvollzug, die personell untersetzt werden muss.

Unsere Fraktion wird sich auf jeden Fall dafür einsetzen, dass in Zukunft dafür genügend Personal vorhanden ist. Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass akute Notstände beseitigt werden und dass Personal dafür geschaffen wird, und wir werden uns langfristig darauf einrichten müssen, dass genügend Personal ausgebildet wird, damit wir demnächst den Strafvollzug gewährleisten können.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und der Abg. Ines Springer, CDU)

Gerade hatte Kollege Baumann-Hasske das Wort für die SPD-Fraktion. Jetzt spricht für die AfD erneut Kollege Hütter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will kurz die Thematik Ausbildung ansprechen. In dem Gespräch mit den Mitarbeitern kam ganz klar zum Tragen: Gefängnismitarbeiter – das ist nicht unbedingt der Traumberuf. Der Beruf wird in Sachsen leider immer unattraktiver. Das hat auch etwas mit den Zuständen und den Überlastungen des Personals

in den JVAs zu tun. Die Ausbildung muss im Grunde neu angepasst und erweitert werden, neue Resozialisierungsprogramme müssen aufgestellt werden, gut ausgebildetes Personal ist dringend notwendig.

Positiv bleibt zu erwähnen, dass es gerade Lehrgänge vom Landesamt für Verfassungsschutz gegeben hat, in denen man eine Weiterbildung der Mitarbeiter durchgeführt hat; das ist sehr positiv angekommen. Was sich die Mitarbeiter auch noch wünschen, ist einfach mehr Rückendeckung durch Leitungspersonal und Politik.

Meine Damen und Herren, hier wurden Probleme angesprochen, die eigentlich allen im Saal bekannt sind. Das Handeln der Regierungsparteien ist leider sehr zögerlich; jedoch ist die Einstellung von dringend benötigtem Personal keine leichte Aufgabe. Das ist auch der AfDFraktion bewusst und bekannt.

Was wir natürlich nicht erreichen wollen, ist ein DreiSterne-rundum-Wohlfühlknast; den wollen wir nicht. Eine JVA muss auch ein Stück weit abschreckend sein; vor allen Dingen soll diese Wirkung gerade auf junge Straftäter abzielen. Der Sühnegedanke sollte wieder mehr in den Vordergrund gerückt werden und – ja, meine Damen und Herren – ausländische Straftäter sollten umgehend abgeschoben werden, denn auch das würde die Situation, die wir momentan haben, zum Teil entlasten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die AfD sprach Herr Hütter. Jetzt spricht erneut für die Fraktion GRÜNE Frau Kollegin Meier.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe gedacht, dass Kollege Baumann-Hasske noch einmal von der Expertenkommission der SPD spricht – das hat er nicht gemacht. Die Vorschläge, die dort enthalten sind, sind ja unter anderem auch zum Justizvollzug, und was ich da lesen kann – mehr Personal, mehr schwitzen statt sitzen, islamische Seelsorge, Ersatzfreiheitsstrafen, interkulturelle Kompetenz bei Bediensteten … –, hört sich für mich so an wie die Zusammenfassung grüner Anträge der letzten zwei Jahre. Aber sei es drum, ich glaube, es gibt wahrscheinlich noch sehr viele andere Maßnahmen, Ideen und Vorschläge, um das Vollzugsziel der Resozialisierung zu verwirklichen und dem Rechnung zu tragen.

Dafür ist es aber wirklich notwendig, dass das Sächsische Strafvollzugsgesetz evaluiert und geschaut wird, ob der Idee der Resozialisierung in vollem Maße Rechnung getragen wird. Aber dafür müssen wir die Scheuklappen, die wir hier haben – die vor allem die Staatsregierung hat –, ablegen und konkrete Vorschläge und Maßnahmen entwickeln. Dafür ist es notwendig, über den Tellerrand hinwegzuschauen und Expertisen von außen einzuholen.

Deswegen habe ich mich sehr über das gefreut, was ich gerade von Frau Dombois gehört habe – und der Großteil des Hauses ist sich sicher darüber einig –, dass wir diesem