Protocol of the Session on November 15, 2017

Die Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Gut, dann werde ich den Rest in einer zweiten Runde fortsetzen. Vielen Dank, Herr Präsident.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Kollege BaumannHasske sprach für die SPD-Fraktion, und jetzt spricht Herr Kollege Hütter für die AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich lege in meinem Beitrag den Fokus vor allem auf die Problematik des Personalmangels. Ich kann dem Redebeitrag des Kollegen Bartl größtenteils folgen.

Ich habe mir in den letzten Tagen einmal die Mühe gemacht, mich mit Justizvollzugsangestellten zu treffen, habe das persönliche Gespräch gesucht und sie gefragt, worin denn deren Probleme bestehen. Wir kamen dabei immer wieder auf die Problematik – die von allen Rednern schon angesprochen worden ist – des Personalmangels. Wir haben es permanent mit einem hausgemachten Problem zu tun. Jahrelang sind nicht genug Leute eingestellt worden, gleichzeitig ist jedoch die Anzahl der Gefangenen deutlich gestiegen.

Ich möchte in dem Zusammenhang auf unsere Große Anfrage aus dem September 2016 hinweisen – das ist die Drucksache 6/5744 –, in der wir genau auf diese Probleme eingegangen sind. Aus der Fragestellung heraus war schon erkennbar, in welche Richtung wir gehen wollen. Wir haben bei den Haushaltsberatungen letztendlich Einbringungen berücksichtigt, bei denen es uns um mehr Personalstellen geht.

Momentan sind die Folgen des Personalmangels ein extrem hoher Krankenstand der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie deren Überlastung. Teilweise ist es so, damit die Dienstpläne aufrechterhalten werden können, dass Kolleginnen und Kollegen zur Arbeit gehen, die – ich sage es mal mit laxen Worten – eigentlich einen Krankenschein haben. Sie tun das, um zu gewährleisten, dass der Dienstplan noch einigermaßen eingehalten werden kann. Der gesamte Personalschlüssel ist komplett überarbeitungswürdig.

Die Gefängnisse sind großenteils überbelegt, insbesondere in Chemnitz – das ist gerade vom Kollegen Bartl herausgestellt worden – mit teilweise bis zu 110 %. Doppelbelegungen sind leider keine Ausnahme. Damit sind natürlich Konflikte, die auf engsten Raum entstehen, vorprogrammiert. Aggressive Gefangene können aufgrund von Platzmangel nicht so untergebracht werden, wie es empfehlenswert wäre. Der Personalmangel führt nicht nur zu Stress bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, sondern führt auch bei den Gefangenen zu einem erhöhten Stressaufkommen. Die Gewaltbereitschaft – oft auch durch Drogenkonsum verursacht – kann dementsprechend nicht vernünftig in den Griff bekommen werden. Wir haben in Görlitz das Problem – das habe ich heute Morgen von der Polizei auf Rückfrage noch einmal

bestätigt bekommen –, dass Drogen dort einfach von einem Haus ins andere geworfen werden. Das sind Dinge, die gar nicht gehen. Die Einschränkung der Freizeitaktivitäten oder der reduzierte Freigang führen zu weiteren Problemen und auch zu Aggression.

Ein weiteres Problem ist der steigende Ausländeranteil unter den Insassen. In dem Zusammenhang haben wir zu wenig Dolmetscher, obwohl man sagen muss, dass die neu eingeführte Dolmetscherhotline dort schon ein Stück weit Abhilfe gebracht hat. Dort werden zum Teil über 20 verschiedene Sprachen und Dialekte gesprochen. Das ist innerhalb der Anstalten, was die Verständigung betrifft, eine große Schwierigkeit.

Wir haben in Görlitz andere Probleme als in Chemnitz. Wir haben dort einen sehr hohen Anteil von Insassen aus osteuropäischen Ländern wie Tschechien, Polen etc., und wir haben in anderen Justizvollzugsanstalten Probleme mit sehr aggressiven Insassen, vor allem aus den Maghreb-Staaten. Es entstehen aufgrund dieser Sprachbarrieren immer wieder Anspannungen in den Anstalten. Auch die Kommunikation oder die Gruppenbildung können durch die Justizvollzugsmitarbeiter kaum kontrolliert oder begrenzt werden, weil man nicht versteht, worüber sich die Gefangenen unterhalten.

Die nächste Problematik, die bereits angesprochen worden ist, betrifft die Haftraumdurchsuchungen, die nicht mehr vollumfänglich, wie geplant, möglich sind. Die Kommunikation unter den Insassen ist – ich habe es gerade ausgeführt – schwierig zu kontrollieren, zumal teilweise in den Hafträumen Schriftzeichen, Bilder usw. an den Wänden angebracht sind, bei denen der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin nicht weiß, worum es dabei geht. Ein Wunsch der dortigen Mitarbeiter ist es zum Beispiel, dass die Dolmetscher mit in die Hafträume gehen und sich das einmal anschauen können. Wenn man dort verbotene Symbole an den Wänden hat, dann ist es gerade in Deutschland bei den bekannten verbotenen Symbolen kein Problem zu sagen, dass das sofort zu entfernen ist.

Die Redezeit ist zu Ende!

Ich werde auf die weiteren Sachen in der zweiten Rederunde eingehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Hütter, und jetzt kommt Frau Kollegin Meier für die Fraktion GRÜNE hier nach vorn und ergreift das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich den Titel der Aktuellen Debatte von den LINKEN gelesen habe, fragte ich mich, welchen Kollaps DIE LINKE hier eigentlich meint: den beim Personal, den bei den Überstunden, die Zustände in der Justizvollzugsanstalt Chemnitz, die steigenden Zahlen der Suchtkranken in den Gefängnissen

oder das schleppende Vorangehen im Bereich der Resozialisierung?

Ich glaube, an allen Ecken und Enden haben wir Not und Mangel. Dazu sind mir die Aussagen der CDU in bisschen zu selbstgefällig. Die Probleme werden kleingeredet, kleine Korrekturen werden als große Erfolge verkauft und die von der Opposition gemachten Vorschläge werden immer mit einem Handstreich weggewischt. Aber ich glaube, dieses System ist wie ein Kartenhaus, vor allem beim Justizvollzug, zusammengefallen.

Wir haben es schon mehrfach gehört: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Justizvollzugsanstalten sind chronisch überlastet, die Krankenstände und die Überstunden wachsen in den Himmel. Das ist ein Teufelskreis, genauso wie die chronische Überbelegung. Bis auf RegisBreitingen sind die Haftanstalten mit 92 % oder bis über 110 % überbelegt. Die im Gesetz verankerte Unterbringung von einem Insassen pro Zelle ist völlig illusorisch.

Wir haben ein weiteres Problem, das sich in den Haftanstalten noch mal verstärkt darstellt, nämlich die Suchtkranken, vor allem die Crystal-abhängigen Strafgefangenen. Wir haben – wir haben es heute schon mehrfach gehört – mit den beiden Suchttherapiestationen in Zeithain und in Regis-Breitingen wirklich tolle Modellprojekte, die auch Symbolcharakter für andere Bundesländer haben. Als kürzlich in Regis-Breitingen die Suchttherapiestation eröffnet wurde, hat sich der Minister damit zitieren lassen – ich darf das sinngemäß wiedergehen –: Die deutliche Mehrheit der sächsischen Gefangenen hat vor der Haft Crystal konsumiert. Ja, das ist genau die richtige Erkenntnis. Aber ich frage mich: Wenn man zu dieser Erkenntnis gekommen ist, warum geht es dann so schleppend beim Ausbau der Therapiestation voran?

Was mir wirklich nicht erklärlich ist: Momentan wird eine neue Haftanstalt in Zwickau gebaut – das passiert nicht so oft. Wieso wird dort nicht von vornherein eine Suchttherapiestation eingeplant? Das konnte mir bisher noch niemand erklären. Herr Minister, vielleicht machen Sie es in Ihren Ausführungen.

Die von mir skizzierten Probleme sind in einer wirklich verschärften Form in der Frauenhaftanstalt in Chemnitz vorzufinden. Wir haben es gehört: 112 % Belegung. Die negativen Spitzenreiter, was die Überstunden angeht, und eine Suchttherapiestation in weiter Ferne, das sind die Ergebnisse. Obwohl wir genau wissen, dass Frauen von Sucht ganz anders betroffen sind und eine andere Betreuung brauchen, als das bei Männern der Fall ist: Eine Suchttherapiestation befindet sich in weiter Ferne.

Wir haben gehört, dass im Jahr 2018 ein neues Hafthaus eröffnet wird. Damit geht aber kein Stellenaufwuchs einher. Dieser Sparkurs, der einerseits auf dem Rücken der Bediensteten und andererseits auf dem Rücken der weiblichen Gefangenen ausgetragen wird, ist doch wirklich blanker Hohn.

Aber es ist doch gerade die zentrale Aufgabe des Justizvollzugs, Resozialisierungsmaßnahmen vorzunehmen.

Für Resozialisierung braucht es aber Zeit. Es braucht Zeit, um Bindungen zwischen den Bediensteten und den Gefangenen aufzubauen, und dafür braucht es selbstverständlich Personal. Aber jenseits des Personals – dieses Thema haben wir hier schon hinlänglich besprochen – müssen wir weiter denken und dürfen uns nicht darauf ausruhen, dass wir in Sachsen ein relativ modernes, progressives Strafvollzugsgesetz haben. Vor allem braucht es neue Konzepte zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen und mehr offenen Vollzug.

(Einzelbeifall bei den LINKEN)

Aber dazu muss die entsprechende Verwaltungsverordnung geändert werden, die dann zum Beispiel vorsieht, dass ab einem bestimmten Strafmaß der offene Vollzug von vornherein vorgesehen ist und dass nicht auf die Anstalten abgeschoben wird. Es braucht auch mehr Sozialtherapien, wie Suchttherapien. Wir müssen – das haben wir schon in den letzten Wochen presseöffentlich diskutiert – noch einen Schritt weiter gehen, ein wenig breiter denken und eine Reform des Strafgesetzes auf Bundesebene, auch von Sachsen aus, anregen.

Der Justizminister aus NRW – mit CDU-Parteibuch – ist hier vorangegangen und hat vorgeschlagen, dass Bagatelldelikte, zum Beispiel das Schwarzfahren, keine Straftaten mehr sind, sondern Ordnungswidrigkeiten; denn das Strafrecht ist eben die Ultima Ratio. Leute, die schwarzgefahren sind, haben meines Erachtens in einer Justizvollzugsanstalt nichts zu suchen.

Ich habe Ihnen hier einige Vorschläge unterbreitet. Ich denke, wir sollten im Strafvollzug etwas breiter denken. Einige Stellschrauben sind genannt, aber wir müssen meiner Meinung nach hier den großen Werkzeugkoffer auspacken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Frau Kollegin Meier, Fraktion GRÜNE. Jetzt ergreift in dieser zweiten Aktuellen Debatte die fraktionslose Abg. Frau Dr. Petry das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist erstaunlich, dass man annimmt, dass die Methoden, die schon in den vergangenen Jahren nicht funktioniert haben – Resozialisierung, offener Vollzug und viele andere mehr – jetzt das Problem lösen sollen. Erstaunlicherweise wissen jetzt auch alle, dass mehr Personal notwendig ist, doch wurden die erforderlichen Maßnahmen weder von der Großen Koalition noch von anderen Parteien im Vorfeld konsequent eingefordert

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist doch Quatsch!)

und die Große Koalition in Sachsen hat es auch nicht umgesetzt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist doch Quatsch, was Sie hier erzählen!)

Die GRÜNEN sind mit ihrer Ansicht zu Straftätern sowieso allein auf weiter Flur. Sie glauben tatsächlich, dass mit ihrer Art, Politik zu machen, der Rechtsstaat gar nicht notwendig ist – die Folgen einer Schwächung des Rechtsstaates über Jahrzehnte können wir jetzt in ganz Deutschland beobachten.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Was ist das für eine Story?!)

Wir müssen den Bürgern tatsächlich vermitteln – auch durch Prävention von Anfang an –, dass das Gewaltmonopol des Staates in einem Rechtsstaat einfach nicht zu hinterfragen ist, dass wir das Gewaltmonopol des Staates brauchen und dass nach einer Straftat die Konsequenz die Strafe ist.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist der Sinn des Rechtsstaates!)

Deswegen brauchen wir keine Ersatzfreiheitsstrafen. Wir müssen das Problem der Überbelegung kurzfristig auch dadurch lösen, dass jene Asylbewerber, die zu Unrecht hier sind, nach Hause geschickt werden,

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

damit wir langfristig wieder Personal aufbauen können. Vielleicht erklären Sie der Polizei auch einmal, warum festgesetzte Straftäter so häufig wieder auf freien Fuß gesetzt werden müssen. Der Zusammenhang von Straftat und Strafe ist heutzutage nicht mehr gewahrt.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Das ist unser Problem. Tun Sie etwas dagegen! Sie sind die Regierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten – Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir sind jetzt am Ende der ersten Runde angekommen und könnten an dieser Stelle eine zweite Runde eröffnen. – Das wird durch die einbringende Fraktion erfolgen; Herr Kollege Bartl. Es ist ausreichend Redezeit vorhanden.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Dombois, über die Überschrift denke ich nach.

(Heiterkeit bei den LINKEN und des Abg. Martin Modschiedler, CDU)