Protocol of the Session on August 30, 2017

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Nein!)

Nein. Sie gehen ja sogar darauf ein, dass Gedankengut und alles im Nebulösen Befindliche unserem Staatsziel widersprechen würde. Hier haben wir Schranken. Meine Damen und Herren, nicht jede noch so hässliche Äuße

rung, nicht alles noch so sehr Abzulehnende, was gegen Andere oder Andersdenkende geht, kann mit Bezug auf eine Landesverfassung verboten oder geahndet werden. Auch das haben uns die Sachverständigen gesagt.

Es gibt Schranken. Ganz konkret gibt es zum Beispiel eine Schranke, die ich hier zitieren will: den § 130 Strafgesetzbuch, Volksverhetzung – was sehr weit gefasst ist –, wozu bereits umfassende Rechtsprechung existiert. Bitte sehr, was können wir mit einer solchen geänderten Verfassung erreichen? Ich sehe, dass die einbringende Fraktion ganz schnell Verfassungsfeinde ausmachen kann, wenn extreme, aber von der freien Meinungsäußerung gerade noch gedeckte – in einer Demokratie also zu duldende – Äußerungen getätigt würden. Da liegt der Schritt zur Ideologie sehr, sehr nah.

Noch etwas: Selbst wenn die Beispiele, die Sie, Herr Kollege Bartl, zitiert haben, in den Entwicklungen von gewissen Strömungen – ich muss das nicht noch einmal zitieren – ausgehen, muss ich trotzdem fragen: Meinen Sie, dass wir tatsächlich solche Defizite haben? Verkennt man, was in Sachsen finanziell, ideell, auch im Sinne dessen, was Sie mit der neuen Staatszielbestimmung befördern wollen, getan wird? Verkennt man die Leistungen von Bürgern und Vereinen, die sich für unsere Demokratie engagieren, wo meinen Sie, dass mit so einer Staatszielbestimmung nun noch einmal eine Aufwertung kommen könnte? Ich verneine das. Ich gehe nicht davon aus, dass das irgendjemanden in der Bevölkerung zu wirklich neuem Denken beflügeln würde.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das gehört in die Staatszieldiskussion; darum geht es!)

Meinen Sie, dass eine Staatszielbestimmung in der geforderten Weise irgendwelche ableitbaren Rechtsansprüche, ja möglicherweise Einklagbares begründen könnte?

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Kirmes, gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Herr Bartl.

Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Kollege! Herr Kollege, geben Sie mir darin recht, dass Staatsziele – in der Zusammenfassung der Verfassung selbst benannt – darin den Wert haben, dass das Land dadurch verpflichtet wird, mit allen Kräften auf die Erreichung dieses Ziels hinzuarbeiten und dies wesentlich mehr ist, als in der Präambel einen Satz zu haben? Ist Ihnen das als Mitglied des Verfassungs- und Rechtsausschusses irgendwie einmal geläufig geworden?

Ich verstehe, dass Sie sich sehr mit der Verfassung auseinandersetzen, aber manchmal gibt es doch Schwellen zwischen der Betrachtung von Juristen. Sie sind Strafrechtler, und dadurch sehen Sie das vielleicht ein wenig anders oder eher ideologisch. Ich meine nicht, dass wir gesellschaftlich etwas bewirken, wenn wir die wirklichen Grundlagen unserer Gesellschaft in der Sächsischen Verfassung oder

im Grundgesetz sehr detailliert, umfassend und sehr tief bestimmt haben. Ich bekomme viel mehr Interpretationsspielraum, Verpflichtung für jeden Einzelnen, für eine Verwaltung und alle anderen, als wenn ich diese Staatszielbestimmung eingeschränkt aufnehme.

Ich weiß, dass es einen neuen Trend gibt, dass man alles, was derzeit gesellschaftlich irgendwie fassbar ist und sinnvoll sein kann, in die Verfassung bringen will. Ich weiß nicht, was alles diskutiert wurde, zum Beispiel Kinderrechte, und was teilweise in die Verfassung aufgenommen worden ist. Aber das muss nicht meine Haltung sein. Ich sehe auch nicht, dass das ein neuer und sich fortsetzender Trend sein wird, um unsere Verfassung so weit aufzublähen. Ich denke, wenn wir allgemeiner und damit auch allgemein verbindlicher bleiben, haben wir viel mehr gekonnt, als wenn wir etwas so detailliert hineinbringen.

(Beifall der Abg. Martin Modschiedler, CDU, und Uwe Wurlitzer, AfD)

Herr Kollege, noch eines zum Schluss: Diejenigen, die sich für diese Änderung aussprechen, vergaßen ganz offensichtlich, die Gefahren und Angriffe zu benennen, die auf unsere Demokratie von sich selbst als links verorteten Autonomen ausgehen. Ich meine nicht nur Chaoten, Terroristen oder Sonstige aus Hamburg und Berlin, sondern wir haben solche Beispiele vor der eigenen Haustür. In Ihrem Gesetz steht nichts von diesen Menschen und Gruppierungen, die sich tatsächlich gegen unseren Staat, unsere Grundordnung und unser friedliches Zusammenleben auflehnen und die mit massiver Gewalt gegen Sachen und Menschen vorgehen. Sie beziehen sich auf den Antifaschismus und sonstige Dinge. Ich meine, das ist zu wenig und zu kurz gefasst.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Wo steht denn Faschismus?)

Ja, das steht in Ihrer Begründung, oder wir haben es im Ausschuss gehört. Es ist auch völlig egal, wie wir es benennen. Sie fassen es zu kurz, indem Sie Einschränkungen bringen. Das ist meine Auffassung, und damit werden Sie mich auch nicht überzeugen.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Sie sind der Ideologe, Herr Kollege!)

Das ist nicht Ideologie, wenn ich meine, dass wir grundlegende Rechte haben und diese grundlegenden Rechte weiter gehen als die Einschränkung, die Sie mit einer sogenannten Staatszielbestimmung bringen. Aber wir bleiben dort anderer Meinung. Wir sind beide Juristen und deshalb sind wir das Streiten gewöhnt. Ich meine, dass das, was wir haben und was wir in Sachsen leisten, das Richtige ist und unseren Weg ordentlich bestimmt.

Zum zweiten Teil des Antrags, das Wort „Rasse“ in der Verfassung zu ändern. Wir haben in Sachsen die Verfas

sung aus dem Grundgesetz übernommen. Die Väter des Grundgesetzes haben sich auch angesichts des Rassenwahns der Nazis zur Notwendigkeit, den Begriff aufzunehmen, entschlossen. Ich meine, es sind durchaus Änderungen geboten, aber ich meine nicht, dass man anstelle des Substantives „Rasse“ nun attributiv das Wort „rassistisch“ verwenden sollte. Wir bleiben damit bei dem Wortstamm.

Wenn wir die Verfassung ändern, dann sollte man sich also überlegen, ob man zu gegebener Zeit das Wort „Rasse“ einfach aus der Verfassung streicht. Es wird dann in Richtung Persönlichkeit, Menschenrecht und Ähnliches nicht weniger in der Verfassung stehen. Das wäre durchaus der richtige Weg, sich dazu zu bekennen.

Die Ablehnung des Antrages habe ich bereits benannt. Wir bleiben bei unseren unterschiedlichen Standpunkten, dass die Staatszielbestimmung keine Besserstellung von irgendjemandem oder von irgendetwas bzw. auch keine andere Ausrichtung unseres verfassten Freistaates Sachsen bedeuten würde.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Für die SPD-Fraktion Herr Abg. BaumannHasske. Bitte sehr, Herr Baumann-Hasske, jetzt haben Sie das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion begrüßt grundsätzlich das Ziel dieses Antrages, das tolerante, weltoffene und friedliche Zusammenleben zu fördern. Wir halten auch die Diskussion darüber, ob und warum es einer solchen Förderung bedarf, für begrüßenswert. Denn das ist es, wessen es bei diesem Thema immer wieder bedarf: der öffentlichen Aufmerksamkeit, der Auseinandersetzung mit diesem Thema, der kontroversen Debatte darüber, warum es in Sachsen oder anderswo so viele intolerante Rassisten gibt, die auch in diesem Hohem Hause durchaus vertreten sind.

Dieser Diskurs ist es, der Menschen zum Nachdenken anhält und deutlich macht, warum Fremdenfeindlichkeit unser Land und andere noch immer ins Unglück gestürzt hat. Nicht die Fremden waren es, die unserem Land geschadet haben, sondern es waren noch immer die Fremdenfeinde.

Meine Damen und Herren, ob das Ziel eines toleranten Sachsen allerdings dadurch herbeigeführt werden kann, dass wir es zum Staatsziel erheben und dafür die Verfassung ändern, das halten wir für zumindest diskussionswürdig.

Es ist zutreffend: Die Sächsische Verfassung hat Staatsziele, und deshalb ist es müßig, darüber zu debattieren, ob man Staatsziele verfassungsrechtlich verankern sollte. Wir haben welche. Es ist auch zutreffend, dass ein ähnliches Staatsziel in anderen Landesverfassungen – zitiert wurden

Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg – verankert sind.

Aber kommen wir zum Ergebnis der Anhörung, bei der es dazu auch kritische Anmerkungen gab; denn eine gesellschaftliche Wirkung der Aufnahme in die Verfassung lässt sich empirisch nicht feststellen. Die Verpflichtung der Staatsgewalt auf Toleranz und Frieden gegen Rassismus hat in anderen Ländern nicht erkennbar zu einer Veränderung staatlichen Handelns geführt, zum Beispiel in Verfügungen oder in Urteilen der Gerichte.

Die Definition der Verfassungswidrigkeit von Handlungen – also die Verbotsnorm, die in der Anhörung kritisiert worden war – haben Sie ja inzwischen aus dem Entwurf im Wege des Änderungsantrages herausgenommen. Aber auch eine Verpflichtung aller im Land, solches Gedankengut nicht zuzulassen, wurde von Prof. Haak in der Anhörung als fragwürdig erachtet. Denn diese Verpflichtung geht über den Rahmen des Grundgesetzes hinaus. Das Grundgesetz kennt eine solche Verpflichtung nicht.

Eine Bezugnahme auf das Widerstandsrecht des Artikels 20 Abs. 4 Grundgesetz hilft hier nicht weiter. Das Widerstandsrecht richtet sich vornehmlich als Abwehrrecht gegen einen Staat, der die freiheitlich-demokratische Grundordnung beseitigen will. Es gilt nur, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

Stattdessen könnte die Formulierung, die Sie vorschlagen, so verstanden werden, dass es nicht nur die Rechtfertigung, sondern sogar die Pflicht der Bürgerinnen und Bürger sei, sich derartigen Bestrebungen notfalls nicht nur mit demokratischen Mitteln entgegenzustellen. Nicht zulassen heißt, notfalls alle Mittel einzusetzen, um es zu verhindern. Zwar gibt es in der Verfassung in Artikel 10 bereits eine Verpflichtung aller im Land – nämlich auf den Umweltschutz –, aber das ist dann doch eine andere Art der Verpflichtung, nämlich die Umwelt zu achten und zu bewahren, wohingegen sich die Verpflichtung hier darauf richtet, etwas nicht zuzulassen, und das könnte auch sehr aktives Handeln rechtfertigen oder sogar verlangen, und zwar in einer Art und Weise, bei der man sich fragen muss, ob das nicht möglicherweise auch gegen das Gewaltmonopol des Staates verstößt.

Meine Damen und Herren, die Formulierung in Artikel 18 Abs. 3 und Artikel 116 der Verfassung, niemand dürfe wegen seiner Rasse benachteiligt werden, mag unglücklich sein; so etwas könnte man unseres Erachtens auch ändern, wenn aus anderen Gründen eine Verfassungsänderung anstünde. Es ist nicht von so großer Bedeutung, und es wird auch nicht so missverstanden, wie die Begründung des Antrages vermuten lässt.

Wir wollen uns dem Ziel nicht verschließen, als Volksvertretung auch ein Symbol zu setzen. Unabhängig von der politischen Zugehörigkeit kann ein gemeinsames Symbol sinnvoll sein. Lassen Sie uns so etwas einbeziehen, wenn wir die Verfassung wegen anderer wirksamer Veränderungen in Zukunft anfassen sollten.

Dafür bedarf es einer Mehrheit von zwei Dritteln dieses Hohen Hauses, und ich kann nicht erkennen, dass für eine solche Mehrheit ernsthaft verhandelt worden wäre. Für heute möchte ich mich ausdrücklich noch einmal für die notwendige und wichtige Debatte bedanken, auch gerade zu einem solchen Thema. Wir werden den Antrag in dieser Form allerdings ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die AfD-Fraktion ist an der Reihe, Frau Abg. Dr. Muster. Bitte sehr.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion sagt Ja zu einem friedlichen Zusammenleben. Wir sagen auch deutlich Ja zu einem engagierten Auftreten gegen jedwede Erscheinungsform rechtsextremer, fremdenfeindlicher, rassistischer, antisemitischer und nationalsozialistischer Bestrebungen und Aktivitäten. Aber das allein reicht uns noch nicht.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Es ist wichtig, dass ebenso konsequent dem Linksextremismus und dem religiös motivierten Extremismus engegengetreten wird. Schade auch, dass Sie immer noch auf dem linken Auge blind sind.

Just am Wochenende vor der Anhörung zu diesem Gesetzentwurf war das Bürgerbüro von Uwe Wurlitzer Ziel eines Sprengstoffanschlages. Dazu kam bisher von Ihnen, liebe LINKE, kein Wort des Bedauerns.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Auch die deutlichen Worte von Herrn Imad Karim, der im Libanon geboren wurde, seit 40 Jahren in Deutschland lebt und als Fernsehjournalist arbeitet und vor erstarkenden Islamofaschisten gewarnt hat, stieß bei Ihnen auf taube Ohren.

Daher sagt die AfD-Fraktion Nein zu der von den LINKEN eingebrachten Verfassungsänderung für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben in einem weltoffenen Sachsen. Was die LINKEN mit ihrem Gesetzentwurf umsetzen wollen, ist auch nicht neu. Ganz im Gegenteil, sie folgen dem Zeitgeist und beleben einen eigenen alten Gesetzentwurf neu. Denken Sie an die 4. Legislaturperiode des Sächsischen Landtags im Jahre 2005, dort forderte die PDS-Fraktion die Einführung einer Antifaschismusklausel in Artikel 12 a der Sächsischen Verfassung. Man konnte auch noch einmal die Antifa-Klausel in der Verfassung Mecklenburg-Vorpommerns erkennen und es gab auch in Brandenburg eine Klausel zur Regelung zum Schutz des friedlichen Zusammenlebens.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Insgesamt müssen wir sagen – Herr Kirmes hat es bereits deutlich ausgeführt –: Friedfertigkeit, Freiheit, Demokratie, Achtung der Menschenrechte und Beachtung rechtsstaatlicher Maxime sind im Grundgesetz und der Sächsi