Protocol of the Session on August 30, 2017

erstens auf die Einfügung eines neuen sogenannten AntiRassismus-Artikels, beinhaltet in Artikel 1 Nr. 1 des Gesetzentwurfes, und

zweitens auf die Änderung des Artikels 18 Abs. 3 und des Artikels 116 der geltenden Verfassung, in denen bislang von „menschlicher Rasse“ die Rede ist.

In der am 31. Mai 2017 stattgefundenen öffentlichen Expertenanhörung zum vorliegenden Gesetzentwurf

haben uns mehrere Sachverständige bestätigt, dass die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen im politischen Trend liegen. Seit geraumer Zeit seien, so beispielsweise der Sachverständige Prof. Dr. Bauer von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam, in unterschiedlichen Sachzusammenhängen zunehmend verfassungs- und rechtspolitische Tendenzen zu beobachten, die sich ebenenübergreifend in Regelungen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit niederschlagen.

Auf der Ebene des Bundes zum Beispiel gehören zu derartigen Gesetzgebungsinitiativen aus der jüngeren Zeit das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und die Ergänzung von § 130 StGB. Für die Länderebene kann beispielhaft Brandenburg oder in besonderem Maße auch das Land Mecklenburg-Vorpommern genannt werden, wo vor einigen Jahren ein neuer Artikel 18 a) in die Landesverfassung eingefügt wurde, der in der Intention und im Wortlaut wesentliche Analogien mit unserem Vorschlag der Einführung eines Artikels 7 a) in die geltende Verfassung aufweist.

Wir wollen, dass in diesem Artikel 7 a, Schutz des friedlichen Zusammenlebens und Gewaltfreiheit, in einem ersten Absatz normiert wird, dass „alles staatliche Handeln des Freistaates Sachsen dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen muss, unter denen gesellschaftliche Konflikte gewaltfrei, friedlich und tolerant gelöst werden können“.

Wenn es die Chance gäbe, dass die Abgeordneten dieses Hohen Hauses in Reflexion der gesellschaftlichen Situation, in der wir leben und agieren, objektiv und unvoreingenommen sowie frei von Fraktionszwang den Regelungssinn prüfen, frage ich: Was wäre gegen eine solche Staatszielformulierung sachlich und rechtlich einzuwenden?

Ebenso meinen wir, dass das in Abs. 2 angelegte Staatsziel, wonach das Land das friedliche Zusammenleben der Menschen zu schützen und der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankengutes entgegenzutreten hat, nicht nur zeitgemäß ist, sondern eine verfassungsmäßige Handlungsanforderung sein muss.

Nur der sächsische Staat besitzt die materiellen und bildungspolitischen Mittel, um die Gesellschaft bei ihrer Aufgabe, sich gegen menschenwürdeverachtende Strömungen zu verteidigen, ausreichend zu unterstützen.

Die dann in der Sachverständigenanhörung erhobene Kritik an der im zweiten Satz dieses Absatzes enthaltenen Feststellung qua Verfassungstext, dass Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker und der Menschen im Freistaat Sachsen zu stören, insbesondere solche, die darauf gerichtet sind, rassistisches, fremdenfeindliches, antisemitisches und nationalsozialistisches Gedankengut wiederzubeleben, neu zu beleben oder zu verbreiten, expressis verbis verfassungswidrig sind – so stand das im Entwurf –; haben wir akzeptiert.

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese faktische Verbotsnorm in Kollision mit dem Grundgesetz respektive übergreifenden dort geregelten Grundrechten und Gesetzgebungszuständigkeiten geraten kann.

Tatsächlich könnte es mit den sogenannten demokratischen Grundrechten des Grundgesetzes aus Artikel 5 Abs. 1, 8, 9 Abs. 1, 17 und 21 Konfliktlagen geben. Das wollen wir vermeiden. Deshalb haben wir Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, der diese Verbotsnorm aus dem Gesetzestext herausnimmt.

Zu dem Änderungsantrag sage ich noch etwas, wenn er im Zuge der Abstimmung über den Gesetzentwurf aufgerufen wird.

Der andere eingangs schon genannte Regelungsinhalt zielt auf die Ersetzung des Begriffes „Rasse“ in Artikel 18 Abs. 3 und 116 der Sächsischen Verfassung. Die dort jeweils enthaltene Formulierung – Zitat –: „wegen seiner Rasse“ soll durch die Formulierung „rassistisch“ bzw. „aus rassistischen Gründen“ ersetzt werden.

Die Ersetzung der bisherigen Begrifflichkeiten sollte der inzwischen gefestigten Einsicht und Auffassung Rechnung tragen, dass es keine menschlichen Rassen gibt. Dieses Regelungsziel ist insoweit auch auf die längst fällige Umsetzung der Antirassismusrichtlinie der Europäischen Union aus dem Jahr 2000 gerichtet und auf den Rahmenbeschluss zur strafrechtlichen Bekämpfung

bestimmter Formen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit aus dem Jahr 2008, mit denen jeweils Theorien zurückgewiesen werden, mit denen versucht wird, die Existenz verschiedener menschlicher Rassen zu belegen, siehe zum Beispiel den Erwägungsgrund 6 der Antirassismusrichtlinie.

Auch in der Sachverständigenanhörung wurde daher zu Recht darauf hingewiesen, dass die Klassifizierung von Menschen nach Rassen historisch hochgradig belastet, wissenschaftlich prekär, nicht wirklich belastbar und politisch längst stigmatisiert und rechtlich nicht überzeugend ist. Was dagegen sprechen soll, nun endlich den Wortlaut der Sächsischen Verfassung insoweit mit den nun schon fast zehn Jahre zurückliegenden Vorgaben der Antirassismusrichtlinie der Europäischen Union in Einklang zu bringen, ist uns – bezogen auf die Denke und das Herangehen der demokratischen Fraktionen in diesem Hohen Haus – unerfindlich.

Dass ausgerechnet die kulturpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion, Frau Abg. Karin Wilke, in ihrer Presseerklärung vom 7. Juni 2017 in Auseinandersetzung mit unserem Gesetzentwurf vehement für die Beibehaltung des Rassebegriffs streitet und dabei argumentiert, dass der Rassebegriff heute – Zitat –: „wie ganz selbstverständlich im angloamerikanischen Sprachraum als Hilfsmittel zur Einordnung und Taxierung im Rahmen der medizinischen Forschung verwendet“ werde und unseren diesbezüglichen Regelungsvorschlag als „ein lächerliches Possenspiel“ diffamiert, spricht hier für sich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Staatsziele in der Verfassung stammen noch aus der Weimarer Reichsverfassung und aus verschiedenen Länderverfassungen. Sie sind zwischen den verfassungsrechtlichen Organisationsvorschriften, also dem Staatsorganisationsrecht und dem unmittelbar subjektiv öffentlichen Recht, in Form von Grundrechten eine gesonderte Kategorie, die in der jüngeren Verfassungsgeschichte genutzt wird, wenn es darum geht, dass gesellschaftliche Inhalte, die zwar noch nicht bzw. wegen ihrer Inhalte gar nicht dazu geeignet sind, zu Grundrechten bzw. zu subjektiv-öffentlichen Rechten und Pflichten zu erstarken, aber doch eine Staatsaufgabe sein können und müssen.

Der Verfassungsgeber hat sich im Freistaat Sachsen vor mehr als 25 Jahren für die Aufnahme von Staatszielen in die Sächsische Verfassung entschieden. Unsere Gesetzesvorlage behandelt daher in diesem Sinne einen gesellschaftlichen Inhalt, dessen Verankerung im Verfassungstext hochgradig herangereift ist.

Ich schließe – nochmals für unseren Gesetzentwurf werbend – mit der von den Sachverständigen

Prof. Hartmut Bauer und Herrn Wolfgang Abromeit von der Universität Potsdam in ihrer schriftlichen Stellungnahme zum Entwurf vorgetragenen Argumentation – ich zitiere Seite 19 der Stellungnahme zum Gesetzentwurf der LINKEN in der Sachverständigenanhörung –: „Nach den Erfahrungen der letzten Jahre besteht zumal in Dresden mehr als ein Anlass, alle verfügbaren Mittel zur Wiederherstellung des Ansehens Sachsens und Deutschlands in Europa und in der Welt zu ergreifen – die Antirassismusnovelle ist dafür eine wichtige Option.“ Auch deshalb bitten wir Sie, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Und nun die CDU-Fraktion, Herr Abg. Kirmes. Sie haben das Wort, Herr Kirmes.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte 2 und 3 hätten wir heute viel effektiver gestalten können, wenn wir uns auf das beziehen, was das Recht normiert – nämlich unser Grundgesetz –, was nach dem Grundgesetz möglich und tatsächlich notwendig ist.

Herr Kollege Bartl, eine Begründung dafür, dass dieses Gesetz nicht notwendig ist und wir es deshalb auch ablehnen werden, haben Sie selbst noch einmal zitiert. Im Vorblatt, erster Satz, zitieren Sie: „Nach seiner im Jahre 1992 begründeten Verfassungsordnung ist der Freistaat Sachsen ein von Weltoffenheit, demokratischem Umgang miteinander und Toleranz getragenes, friedliches Land.“

Das ist eine Feststellung, und die gilt für uns nach wie vor als Grundlage allen Handelns. Warum also diese Ergänzung? Mich hat Ihre Begründung dazu nicht überzeugt.

Zu dem Artikel 7 a, den Sie eingeführt haben wollen, schreiben Sie: „Alles staatliche Handeln muss dem inneren und äußeren Frieden dienen und Bedingungen schaffen, unter denen gesellschaftliche Konflikte gewaltfrei, friedlich und tolerant gelöst werden können.“

Werte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN! Das beschreibt doch nur, was dem demokratischen Staat immanent ist und was auch unser Grundgesetz zum Ausdruck bringt. Ich sehe auch hier keinen Bedarf: Ablehnung!

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Wozu – außer für Ideologie und Polemik – die Absätze 2 und 3 neu einzuführen?

Herr Kirmes, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Herr Bartl, wenn‘s denn sein muss.

Sie gestatten?

Ich rede mit Ihnen.

Entschuldigung, Herr Präsident! Bitte.

Bitte sehr, Herr Bartl.

Danke, Herr Kollege! Geben Sie mir darin recht, dass sich der sächsische Verfassungsgesetzgeber – anders als das Grundgesetz – entschieden hat, Staatsziele aufzunehmen und dass exakt diese Aufnahme des Staatszieles in einem Land und nach einem Disput im verfassungsgebenden Ausschuss dann eine im Landtag getroffene Entscheidung war, dass bestimmte gesellschaftliche Anliegen in Form von Staatszielen expressis verbis in die Verfassung sollen?

Dagegen gibt es doch überhaupt nichts einzuwenden. Es ist nur die Frage, ob es notwendig ist, dieses Staatsziel aufzunehmen, wenn wir ein viel umfassenderes, ein viel tiefer greifendes – ich komme darauf noch zu sprechen – haben und Normen haben, die das eigentlich schon alles beinhalten. Ich komme noch darauf zu sprechen, welche Einschränkun

gen Sie mit den von Ihnen verfolgten Staatszielen in die Verfassung aufzunehmen vornehmen.

Also, grundsätzlich gibt es gar nichts einzuwenden. Ich frage mich trotzdem, ob es die Notwendigkeit gibt, wenn wir viel umfassendere und klarere Regelungen haben.

Insofern kann ich mir das, was ich jetzt hier aufgeschrieben habe, sparen. Ich erinnere zum Beispiel an die Artikel 1 bis 4 des Grundgesetzes, in denen all diese Grundlagen für unser gesellschaftliches Zusammenleben geregelt sind und wir höchstens Einschränkungen schaffen würden, wenn wir jetzt auf irgendetwas Konkretes eingehen.

Ich weiß nicht, ob wir die Würde des Menschen hier noch einmal erwähnen müssen und ob wir das Recht auf freie Entfaltung und die Religionsfreiheit noch einmal zitieren müssen. Ich glaube, das müssen wir untereinander nicht. Das ist geregelt, und wir werden nicht konkreter.

Auch in der Sächsischen Verfassung haben wir grundsätzlich, ohne dass wir besondere Staatsziele formulieren müssen, für die Menschen die allgemeine Handlungsfreiheit und Gleichheitsgrundsätze formuliert. Wozu, bitte, sollen wir noch einmal konkret ein momentan von Ihnen genanntes erhebliches, vielleicht auch die Gesellschaft in gewissen Punkten beeinträchtigendes Zusammenleben als Staatsziele in die Verfassung aufnehmen? Wir sind mit den Artikeln des Grundgesetzes schon viel effektiver in unserer Rechtsprechung und in der Gesetzgebung.

Ich bin der Auffassung, dass wir mit den Regelungen in unserer Verfassung die Grundlagen dafür gelegt haben, wie unser friedliches, gemeinschaftlichen Zusammenleben auszusehen hat und wir keine Verbesserung bringen, weil die Verfassung keine Erziehungs- und Bildungsaufgaben übernimmt.

(Beifall des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Auch in der Anhörung zum Gesetzentwurf wurde deutlich, dass der vorgeschlagene Abs. 1 nur Selbstverständlichkeiten beschreibt. Selbst die Befürworter der Neuregelung haben nur von „Zeichen setzen“ gesprochen und ausgeführt, dass eine Konkretisierung der Staatszielbestimmung in der Sächsischen Verfassung nur symbolische Wirkung zeigen, Verfassungsdebatten in ganz Deutschland möglicherweise angeregt werden könnten und Sachsen somit Flagge zeigen würde.

Meine Damen und Herren! Solche Allgemeinplätze reichen mir nicht aus, um an einem so hohen Gut wie unserer Verfassung, die schon so lange Bestand hat, irgendwie herumzudoktern. Als höchst problematisch aber schätzte der Staatsrechtler in unserer Anhörung ein, dass der Abs. 2 der angestrebten Neuregelung in einem direkten Konflikt zum Grundrecht – zu Artikel 5 – stehen könnte. Auch dieses Weglassen hat daran nichts geändert.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Nein!)