Beide Fraktionen wollen, dass dieser Sächsische Landtag der 6. Wahlperiode und die ihm folgenden Landtage als gewählte Vertretung des Volkes über noch bessere, wirksamere und effektivere Möglichkeiten verfügen, um die in Artikel 39 Abs. 2 der Sächsischen Verfassung allen Abgeordneten zugewiesenen Aufgaben, die Gesetzgebung auszuüben, die vollziehende Gewalt, also die Regierung, nach Maßgabe der Verfassung zu überwachen und Stätte der politischen Willensbildung zu sein, noch besser erfüllen zu können. Das wollen wir.
Beide Gesetzentwürfe wollen nichts Radikales, sind nicht gegen die derzeitige Regierungskoalition von CDU und SPD gerichtet, sondern wollen schlicht 25 Jahre nach der Annahme der Verfassung des Freistaates Sachsen notwendige Modernisierungen und Präzisierungen der einschlägigen Verfassungsnormen und einfachgesetzlicher Normen vornehmen, die zur Sicherung der Aufgabenerfüllung nach dem aktuellen Maßstab notwendig sind.
Als wir die Informationspflicht in Artikel 50 aufgenommen haben, beginnend im Jahr 1990 mit der Verfassungsdebatte im verfassungsgebenden Ausschuss und dann im Jahr 1992 im Parlament, hatten wir zum Beispiel von der Subsidiaritätskontrolle und von europarechtlichen Fragen überhaupt noch keine Anzeichen.
Das wurde nie berücksichtigt und konnte überhaupt nicht berücksichtigt werden. Das ist herangereift. Das müssen wir nachvollziehen. Das sind schlicht Handlungsobliegenheiten im Parlament.
Status quo ist, dass Artikel 50 der Sächsischen Verfassung die Staatsregierung verpflichtet – jetzt wörtlich –, „über ihre Tätigkeit den Landtag insoweit zu informieren, als dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist“. Was das ist, darf vortrefflich von jedem subjektiv ausgelegt werden.
Durch die mit dieser Vorschrift verbundene allgemeine Informationspflicht der Staatsregierung soll die Stellung des Landtags im Gefüge des Freistaates unterstrichen und gestärkt werden. Das ist völlig okay. Dabei stimmen wir mit Ihrer Bewertung der Gewaltenteilung überein. Wir haben, gut und richtig, in unserem Staatssystem die Gewaltenteilung, aber anders als im klassischen Verständnis der Funktionstrennung sind Parlament und Regierung heute nicht mehr Antipoden. Sie sind nicht mehr Antipoden in einem politischen System. Vielmehr sind beide verfassungsmäßige Organe, denen gleichermaßen arbeitsteilig die Staatsleitung überantwortet ist. Beiden ist gleichermaßen arbeitsteilig die Staatsleitung überantwortet.
Die Staatsleitung als umfassende und grundlegende Planung, Festlegung und Durchführung der Ziele und Aufgaben sowie der Rechtsordnung ist Landtag und Staatsregierung gemeinsam zugewiesen. Dabei gibt es schon eine Verschränkung, Herr Kollege Modschiedler. Sie hebt die Gewaltenteilung nicht auf, aber die gemeinsame Verantwortung für die Staatsleitung bringt natürlich logischerweise ganz zwingend enge Informationsbeziehungen mit sich. Das ist aber keine Einbahnstraße, das gebe ich gern zu.
Es liegt auf der Hand, dass das Parlament diese Aufgabe nur erfüllen kann, wenn es von der Staatsregierung Informationen über politische Planungen, Gesetzentwürfe
Jetzt wollen wir doch einmal anmerken: In wie vielen Fällen widerfährt es uns, dass wir von selbst grundlegenden Vorhaben der Staatsregierung, auch Gesetzesvorhaben, qua Ministerinterview oder Presseerklärung erfahren und im Nachhinein versuchen, uns auf den Stand des Redakteurs X oder Y zu bringen? Wie oft passiert das? Das kann nach Artikel 50 nicht sein.
Eine weitere Wahrheit. Während die regierungstragende Parlamentsmehrheit in aller Regel frühzeitig über die aktuellen Planungen der Staatsregierung Kenntnis erhält, gilt dies grundsätzlich für die Parlamentsminderheit nicht. Wir haben einen ganz unterschiedlichen Informationsstand in diesem Hause. Das ist angesichts der verfassungsmäßigen Stellung des Parlaments nicht gut. Das nehmen wir so zur Kenntnis, und wir werden es auch nicht wegbekommen. DIE GRÜNEN und wir wollen mit den Gesetzentwürfen über die neue Fassung des Artikels 50, die weitere Ausgestaltung, neben der für die Aufgabenerfüllung des Parlaments notwendigen Informations- und Unterrichtungspflichten auch einen gewissen formalen Ausgleich zwischen Opposition und regierungstragender Mehrheit schaffen. Es geht um eine Annäherung, von Augenhöhe ist gar nicht zu sprechen.
Beim Artikel 50, der „gouvernementalen Unterrichtungspflicht“, wie es das Sächsische Verfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 23.04.2008 bezeichnet hat, handelt es sich zugleich um eine spezielle Auslegung des parlamentarischen Interpellationsrechtes. Es wird die Pflicht der Staatsregierung in den Vordergrund gerückt, den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Mandats erforderlichen Informationen zu verschaffen. So steht es in dem Verfassungsgerichtsurteil von 2008. Diese Informationspflicht wurde bislang einfachgesetzlich nicht ausgestaltet. In einer Reihe von anderen Bundesländern – wie Berlin, Sachsen-Anhalt, Bayern und SchleswigHolstein – ist das meines Wissens der Fall. Wir wollen, dass wir diese Situation mit dem Parlamentsinformationsgesetz, das in den Entwurf implantiert ist, entsprechend ändern.
Sowohl der Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN als auch der unsere nehmen dabei in ihrer Anlage die Verfassungsgerichts-Rechtsprechung der vergangenen 20 Jahre zur Informationspflicht der Staatsregierung gegenüber dem Landtag und im Speziellen die unseres eigenen Verfassungsgerichtshofes zur Grundlage. Er hat – das will ich zum Ende noch sagen – in der Entscheidung vom 23. April 2008 die bislang wenig ausformulierte Generalklausel des Artikels 50 beschrieben, was darunter zu verstehen ist: „Dem Landtag kommt nicht nur die Wahrnehmung seiner Funktion als Stätte politischer Willensbildung zu, sondern Artikel 50 der Sächsischen Verfas
sung stellt einen allgemeinen Aufgabenerledigungsbezug her, sodass die Unterrichtungspflicht der Staatsregierung auch dann bestehen kann, wenn die Unterstützung sonstiger verfassungsmäßiger Mitwirkungs- oder Entscheidungsbefugnisse des Landtags in Rede stünde. Dieser Gewährleistungsinhalt der Kontrollfunktion des Parlaments aus Artikel 39 Abs. 2 bestimmt Gegenstand und Umfang der aus Artikel 50 der Textverfassung erfolgten Informationspflicht. Die Staatsregierung ist demnach von Verfassungs wegen gehalten, dem Landtag über Staatsleihen, Regierungsentscheidungen von grundsätzlicher
Herzlichen Dank, dass Sie die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtes, also der Judikative, vorgelesen haben, die nämlich diese abstraktive Norm in Artikel 50 wohl ausfüllt. Wäre es also im Umkehrschluss zu meinen Ausführungen notwendig, die Verfassung zu ändern, wenn es doch die Judikative gibt, die diesen Artikel 50 mit Leben erfüllt?
Nein, Herr Kollege Modschiedler. Ich bin zunächst der Auffassung, dass die Verfassung sich nicht nur an die 126, 128 oder 120 in diesem Hause richtet, sondern eigentlich an den Verfassungsbürger, an die Bürgerinnen und Bürger draußen, denn die sollen wissen, was Verfassungslage im Wechselspiel zwischen Staatsregierung und Parlament ist. Mit dem Sammelsatz kann der normale Bürger nichts anfangen. Es bleibt dabei.
Die Verfassungsgerichtsrechtsprechung ist nicht selten dazu angelegt, dem Gesetzgeber Impulse zu geben, seine eigenen verfassungs- und einfachgesetzlichen Normen nachzubessern, um Unbestimmtheiten, die in der Formulierung liegen, aufzufangen. Man kann darüber streiten. Es gab Sachverständige, die gesagt haben, die Generalklausel ist eigentlich das Weitestgehende und für Sie besser, und es gab eben andere, die gesagt haben, dass es gut ist, wenn entsprechende Regelungen kommen. Wir sind der Überzeugung, dass es eine ganze Reihe von Entwicklungen gibt, die mit diesem Wortlaut nicht mehr hinreichend beschrieben sind.
Ich will noch etwas zur Differenz mit der Fraktion GRÜNE und ihrem Entwurf sagen. Das ist zum einen die Schranke der Informationspflicht, wenn es in den Kernbereich der Staatsregierung hineingeht. Das ist unserer Meinung nach im Entwurf nicht hinreichend erfasst. Wir halten es auch für schwierig, dass im Entwurf der Neufassung des Artikels 50 der Sächsischen Verfassung vorgesehen ist, die alte Fassung in Abs. 1, Staatsleitende Regierungsentscheidungen von grundsätzlicher Bedeutung, in Abs. 2 aber ein gewissermaßen innovativer Katalog von Unterrichtungspflichten kommt. Entweder ich nehme die Generalklausel oder den innovativen Katalog. Beides in einem Artikel mit zwei verschiedenen Absätzen zu bringen, halte ich für schwer möglich. Zum anderen meinen
wir, dass wir nicht unbedingt einen Artikel 50 a brauchen, um die Angelegenheiten mit der Europäischen Union zu klären. Das lässt sich auch in der Änderung des Artikels 50 selbst machen. Insofern gibt es zwar nicht essenzielle, aber einige Differenzen, und das werden wir im Abstimmungsverhalten zum Ausdruck bringen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf, den wir vorliegen haben, genauso wie der der Fraktion DIE LINKE, der auch gleich noch zur Debatte stehen wird, sind Gegenstand einer umfänglichen Anhörung gewesen. Darauf wurde schon hingewiesen. Wir kommen auch nach der heutigen Debatte zu dem Schluss, die weitere Konkretisierung von Artikel 50 der Verfassung würde zu weit gehen, würde im Grunde zu stark einschränken. Die vorgeschlagenen gesetzlichen Regelungen gehen bei Weitem über das hinaus, was in anderen Bundesländern aus gleichem Anlass geregelt worden ist.
Zunächst zu Artikel 50 der Verfassung. Wir haben hier eine sehr abstrakte, weitgehende Informationspflicht der Staatsregierung. Jede Konkretisierung würde eine Einschränkung bedeuten. Anhand der Verfassungsrechtsprechung würden wir einzelne Sachverhalte in die Verfassung hineinnehmen und damit allerdings alles andere, was dort nicht konkretisiert wird, im Wesentlichen ausschließen. Ich glaube, dass die generell abstrakte Regelung des Artikels 50 Abs. 1 der Verfassung gut ist, weil sie den Abgeordneten des Landtags ein umfassendes Informationsrecht zubilligt. Eine weitere Ausformung der Informationspflicht wurde auch von den Experten überwiegend für nicht sinnvoll gehalten.
Besonders problematisch wird es, wenn der Entwurf eine weitgehende Bindung der Staatsregierung an das Votum des Landtags auf der Ebene des Bundesrats oder in Angelegenheiten der Subsidiaritätskontrolle vorsieht. Eine solche Bindung ginge sehr weit und wäre mit dem System des Grundgesetzes über die Vertretung der Länder im Bundesrat so nicht vereinbar. Der Bundesrat ist eine Länderkammer, in der die Länder durch ihre Regierungen vertreten werden und nach überwiegender Auffassung immer noch nicht durch ihre Parlamente. Die Verhandlungsfähigkeit des Freistaat Sachsen im Bundesrat wäre deutlich eingeschränkt, wenn jeder Verhandlungsgegenstand immer mit dem Parlament rückgekoppelt werden müsste.
Eine weitere Ausformung des Auskunftsrechtes des Landtags gegenüber der Regierung scheint uns nicht erforderlich, weil es hier bereits gesetzliche Regelungen und eine mühsam erstrittene Rechtsprechung des Verfas
Ein Regelungsbedarf entsteht für mich nur dann, wenn diese Regelung einen Adressaten hat. Ich bin als gelernter Rechtsanwalt immer gern bereit, Rechtsprechung in Gesetzgebung dann umzusetzen, wenn ich weiß, dass ich es damit den Bürgerinnen und Bürgern – den Rechtsanwendern – einfacher mache. Aber diesen Bedarf vermag ich nicht zu erkennen. Wir alle hier im Hohen Hause kennen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs – oder haben jedenfalls in unseren Fraktionen die Experten dazu.
Die Rechtsprechung ist in den Entscheidungen selbst und in den einschlägigen Kommentaren nachzulesen. Kein Gesetz könnte uns klarer ins Stammbuch schreiben, was wir verlangen können und was nicht, als der Verfassungsgerichtshof dies bereits getan hat.
Natürlich birgt das Verhältnis des Landtags – insbesondere der Opposition im Landtag – zur Regierung weiterhin Konfliktpotenzial. Das ist selbstverständlich, das ist vom System her so angelegt. Würden wir die Rechtsprechung modifizieren, wäre das neue Gesetz als Erstes Maßstab in einem Rechtsstreit und erst dann die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs. Das heißt: Wir würden zunächst einmal über das neue Gesetz streiten und dann darüber, ob es mit der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs vereinbar ist. Ich vermag den Mehrwert einer solchen Regelung nicht zu erkennen.
Bedenkt man dann noch, dass die Experten überwiegend – in einigen Bereichen sogar starke – Bedenken gegenüber den Entwürfen hatten, kommt man zu dem Ergebnis – zu dem auch unsere Fraktion kommt –, den Gesetzentwurf abzulehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die AfDFraktion wird den Gesetzentwurf der GRÜNEN ablehnen. Dafür gibt es verschiedene Gründe; sie wurden bereits von den Sachverständigen in der Anhörung genannt. In unserer Verfassung – Artikel 50 und 51 – gibt es Regelungen über die Informationspflicht der Staatsregierung und das Frage- und Auskunftsrecht der Abgeordneten. Beide Regelungen sind als Generalklauseln ausgestaltet. Sie sind damit entwicklungsoffen, und sie haben sich in der Praxis bewährt. Sie sind durch die vielfältige Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs konkretisiert worden. Herr Prof. Degenhart hat als Gutachter in der Anhörung am 25.02.2015 ausgeführt: „Die bestehen
den Normen des Freistaats sind ausreichend, und sie haben sich bewährt.“ – Dem ist nichts hinzuzufügen.
Der Gesetzentwurf der GRÜNEN sieht eine aktive und frühzeitige Informationspflicht der Staatsregierung über Staatsverträge und Verwaltungsabkommen vor. Der Landtag bekommt Beteiligungsrechte bei Entscheidungen der Staatsregierung im Bundesrat und auf EU-Ebene. Die Landtagsabgeordneten erhalten unabhängig von einem Untersuchungsausschuss das Recht auf Akteneinsicht und auf Befragung von Behördenmitarbeitern. Die Gretchenfrage in der Gesetzgebung lautet: Generalklausel oder Aufzählung einzelner konkreter Tatbestände? – Sie haben sich offensichtlich für die zweite Variante entschieden. Diese Variante birgt allerdings Gefahren in sich. Es können neue Sachverhalte auftreten, die von der detaillierten abschließenden Aufzählung nicht erfasst werden. Dann steht für den neu auftretenden Fall überhaupt keine rechtliche Regelung zur Verfügung; man nennt so etwas „Regelungslücke“ – ein Albtraum für jeden Juristen.
Aus diesem Grund favorisiere ich immer die Generalklausel, konkretisiert durch vorhandene und künftige Rechtsprechung.
Materiell ist zu sagen, dass die GRÜNE-Fraktion mit dieser Gesetzesinitiative Mut beweist. Natürlich kennt auch die AfD die Gefahr eines Demokratieverlustes bei Staatsverträgen; denn das Landesparlament kann lediglich den Staatsverträgen zustimmen oder sie ablehnen. Es hat auf den Inhalt der Staatsverträge überhaupt keinen Einfluss. Das führt natürlich zu einer Schwächung der Länderparlamente. Ich denke nur an den Rundfunkstaatsvertrag.
Die GRÜNEN verschieben jedoch mit dieser Gesetzesinitiative das austarierte Gleichgewicht zwischen Legislative und Exekutive in wesentlichen Punkten zulasten der Exekutive. Sie greifen ohne Not in das System der Gewaltenteilung ein. Sie berühren damit den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Ich empfehle die Lektüre des Klassikers von Montesquieu mit dem Titel „Vom Geist der Gesetze“. Dieses 1748 erschienene Werk über den Grundsatz der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Judikative und Exekutive hat auch heute nichts an Aktualität verloren.