Protocol of the Session on October 16, 2013

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben gesehen, der Wahlkampf hat hier bereits begonnen mit der Diskussion um den Erhalt der Schulen im ländlichen Raum. Den Werdegang hat Frau Stange schon dargestellt. Ich hätte mir weniger PR, dafür aber mehr Zukunftsfestigkeit für die Schulen im ländlichen Raum gewünscht. Wir standen vor einer so epochalen Herausforderung, was unsere Schulen angeht; und ich glaube schon, dass bestimmte Schulschließungen nicht vermeidbar gewesen sind. Unsere Schülerzahlen haben sich in den letzten 20 Jahren halbiert – das muss man zur Kenntnis nehmen – von 625 000 Kindern und Jugendlichen auf 328 000 Kinder und Jugendliche. Das ist eine wahnsinnige Herausforderung gewesen.

Diese Entwicklung vollzog sich kontinuierlich und wir haben ein stark ausgedünntes Schulnetz. Es hat sicher zu lange gedauert, bis die Staatsregierung eingesehen hat, dass es nicht einfach so, wenn es weniger Schüler werden, auch weniger Schulen werden können, weil wir damit den ländlichen Raum unattraktiv machen.

Den Zwischenschlenker, der vor zwei Jahren eingezogen worden ist – für diese Entwicklung die freien Schulen verantwortlich zu machen –, fand ich richtig unwürdig; und ich hoffe, dass das vom Verfassungsgericht nun wieder geradegebogen wird.

Was ich gut finde, ist, dass auch die CDU jetzt öffentlich sagt, dass die Schulschließungen nicht mehr die Antwort auf die demografische Entwicklung in Sachsen sein können. Wir müssen als Bildungsstandort attraktiv bleiben, insbesondere damit die jungen Familien – die letzten im ländlichen Raum – bitte noch bleiben. Ich glaube, die Schule gehört genauso ins Dorf wie die Kirche und die Apotheke, und sie ist mehr als nur ein Standortfaktor.

Doch was hier vorgeschlagen wird, ist für mich keine wirkliche Lösung. Es ist nicht wirklich ernst gemeint, wenn Sie wieder ein Moratorium – die Ausweitung des Moratoriums – vorschlagen, und es ist rechtlich fragwürdig. Es ist eine vorläufige Rechtsnorm. Die Staatsregierung hat es deswegen auch richtigerweise beschrieben als einen „begründeten temporären Ausnahmefall im Verwal

tungsvollzug der Bestimmung des Schulgesetzes“, und darauf dann auch noch die Bewilligung von Fördermitteln aufzubauen, finde ich sehr, sehr bedenklich,

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Das funktioniert auch nicht!)

weil jetzt zwar diese Grenze eingezogen worden ist. Aber es ist keine Garantie, dass wirklich alle Schulen erhalten bleiben, die jetzt noch davor geschützt sind, wenn größere Investitionen getätigt werden. Ich halte das für keine saubere, seriöse Politik.

Außerdem wird kein Wort zu den Schulnetzplänen verloren. Im letzten Moratorium – das war damals genau der Streitfall zum Beispiel bei Seifhennersdorf – haben wir ja gesagt: Alle Schulen, zu denen bereits in den Schulnetzplänen gesagt wurde, dass ihnen die Mitwirkung entzogen wird oder sie unter Beobachtung stehen, fallen nicht darunter.

In diesem Moratorium ist keine Aussage dazu getroffen worden – fallen sie jetzt darunter oder fallen sie nicht darunter? Es bringt also eine größere Rechtsunsicherheit.

Ein dritter Punkt: Ich glaube, Sie müssen ganz schnell Seifhennersdorf – da schließe ich mich Cornelia Falken an – die Anerkennung als Mittelschule geben. Das geht nicht, wir können nicht so ein Moratorium beschließen und diese Mittelschule dann außen vor lassen. Wir machen uns doch wirklich unmöglich im bundesdeutschen Maßstab: Wir legen solche Leistungstests vor und auf der anderen Seite leisten wir uns so einen Schulstreit in Seifhennersdorf; das geht nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Zuruf des Abg. Lothar Bienst, CDU)

Wir brauchen die Schulen. Die Eltern, Lehrer und Schulträger brauchen Sicherheit – darin sind wir uns alle einig –, und sie brauchen auf jeden Fall mehr Gestaltungsspielraum. Das Schulgesetz muss differenziert werden, insbesondere für die Voraussetzungen im ländlichen und im städtischen Raum. Gestaltungsspielraum haben wir jetzt schon – der wird ja nun auch in diesem Antrag zitiert. Jahrgangsübergreifender Unterricht – ich freue mich, dass das jetzt noch einen Schub bekommt, das gibt es ja schon an einzelnen Schulen. Die Einrichtung von Schulbezirken – wir haben es in Chemnitz gesehen – gab aber durchaus Anlass zu Diskussionen, inwiefern da einzelne Schulen über den Tisch gezogen werden.

Tandemschulen sind eine Möglichkeit; das wurde schon gesagt. Ich finde Ideen aus anderen Bundesländern auch bedenkenswert, und zwar die sogenannten Primärhäuser. Dort sind Kitas und Grundschulen unter einem Dach. Immerhin haben wir einen Bildungsplan, der von null bis zehn geht, in dem auch die Grundschulen enthalten sind. Wir kennen auch den Blockunterricht, oder das Südtiroler Schulsprengelmodell ist zu überlegen. Dabei geht es um ein Netzschulsystem. Ich glaube, wir müssen das Schulgesetz für Experimente öffnen, wie wir im ländlichen Raum Schulen erhalten können. Dabei darf es keine

ideologischen Grenzen geben. Wir müssen auch überlegen, ob wir an einer Schule verschiedene Schularten unterbringen können. Dazu sagen wir Gemeinschaftsschule. Man kann es aber auch so umschreiben.

Die Frage steht im Raum, und das ist heute mehrmals von den Kolleginnen und Kollegen gesagt worden: Warum können wir nicht jetzt das Schulgesetz in dieser Frage anpassen? Die SPD hat folgerichtig einen entsprechenden Änderungsantrag gebracht. Wir können jetzt nur hoffen, dass Sie es wirklich ernst meinen mit diesem Schulmoratorium und nicht nach der Wahl doch einen Rückzieher machen. Eine Gesetzesänderung hätte tatsächlich Sicherheit gebracht. Wir hoffen das Beste.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Meine Damen und Herren! Jetzt spricht Herr Abg. Löffler für die NPDFraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es scheint an ein Wunder zu grenzen: Koalition und die größte Oppositionsfraktion des Sächsischen Landtages bringen zeitgleich jeweils einen Antrag ein, der die Sicherung des Schulsystems im ländlichen Raum zum Ziel hat. Gestritten wird nur noch über das Wie, insbesondere, wie weit bereits zur Schließung – Stichwort Mitwirkungsentzug – verurteilte Standorte in das Vorhaben einbezogen werden sollen. Verdächtig ist mir dabei der Zeitpunkt des Einbringens.

In weniger als einem Jahr stehen Landtagswahlen an. Vom sogenannten Schulschließungsmoratorium, das nur bis 2014/2015 gilt, konnten nur wenige Gemeinden profitieren. Dafür machten die Schulrebellen von Seifhennersdorf bundesweit mächtig Schlagzeilen und Frau Kurth in dieser Sache keine gute Figur. So ist es nur logisch und natürlich ziemlich durchsichtig, dass seitens CDU und FDP eine Propaganda-Offensive losgetreten wird, um den schlechten Eindruck der vergangenen Jahre zu übertünchen und Wähler zurückzugewinnen.

Das Thema an sich ist ja nicht neu. Als Folge der demografischen Katastrophe waren Schulschließungen kaum vermeidbar. Interessant ist allerdings, nachzulesen, wie sich Parteien und Politiker des Sächsischen Landtages in dieser Sache bisher verhalten haben. Im Frühjahr des Jahres 2005 saßen viele von Ihnen schon einmal in diesem Hohen Hause zusammen, um über das Thema „Sofortiges Moratorium für Schulschließungen in Sachsen“, Drucksache 4/1128 – eingebracht von der PDS – zu debattieren. Obwohl zu diesem Zeitpunkt noch genügend Lehrer in Teilzeit beschäftigt waren, kamen weder die CDU-Abgeordneten – damalige Rednerin Rita Henke – noch der damalige Kultusminister Steffen Flath auf die Idee, einzügige Schulen oder jahrgangsübergreifenden Unterricht als Möglichkeit zur Rettung von Schulstandorten in Betracht zu ziehen.

Entlarvend ist das Verhalten der SPD-Vertreter, die als Koalitionspartner überhaupt nichts zum Thema zu sagen hatten. Das Ergebnis der Abstimmung war wie fast immer Ablehnung – mit den Stimmen der SPD. Die NPD hatte sich übrigens dem Antrag der PDS angeschlossen. Einem Änderungsantrag der damals oppositionellen FDP – Drucksache 4/1399 – erging es nicht besser. Im Sommer 2009 – wir erinnern uns, auch damals war Wahlkampf – kam sogar noch ein eigener Antrag der FDP mit dem Titel „Weitere Einschnitte im Schulnetz verhindern, Folgen der Schulschließungen darlegen“, Drucksache 4/15802, in den Geschäftsgang. Auch hier nichts als Wahlkampfgetöse, das in Koalitionsverhandlungen keine Rolle mehr spielte. Inhaltlich ist an den Anträgen nichts auszusetzen, weshalb wir als NPD-Fraktion wie schon 2005 die Zustimmung nicht verweigern werden. Es bleibt aber der Fakt, dass sie viel zu spät kommen, um noch ernsthafte Korrekturen in den Fehlentwicklungen vornehmen zu können.

Eine Anmerkung möchte ich mir am Ende meiner Ausführungen nicht verkneifen: In beiden Anträgen kommt das Thema „Inklusion“ nicht vor, obwohl es gerade bei der Planung von Schulstandorten eine wesentliche Rolle spielen müsste. Wenn Ihre Planungen, meine Damen und Herren, beim Thema „Inklusion“ umgesetzt würden, hätten beispielsweise zwei Schüler einer Förderschule gereicht, um die erforderliche Klassenstärke in Seifhennersdorf zu erreichen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Für die CDUFraktion Herr Abg. Schreiber, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man könnte den Redebeitrag jetzt zusammenfassend so beginnen, dass man sagt: Hätte, hätte, Fahrradkette. Wir wissen alle, von wem der Satz stammt.

Ich finde die Debatte, die wir bis jetzt geführt haben, und vor allem auch die Vorhaltungen der Opposition eher rückwärts- als vorwärtsgewandt. Man hat nicht unbedingt das Gefühl, dass Sie den Antrag von CDU und FDP wirklich gelesen haben. Dann hätten Sie nämlich – und das ist nicht nur ein Lippenbekenntnis, wenn so etwas in dem Antrag von CDU und FDP steht – lesen können, dass wir die Staatsregierung im Punkt 6 beauftragen, eine Novelle des Schulgesetzes vorzubereiten. In den bisherigen 23 Jahren haben CDU und FDP, aber früher auch die CDU alleine und sicherlich auch die CDU mit der SPD gemeinsam, in der Regel zu 99 % dazu gestanden, was wir irgendwo zu Papier gebracht haben. Das werden wir auch weiter so handhaben, und Sie können sicher sein, dass mit CDU und FDP jetzt oder in der neuen Regierungsperiode eine Schulgesetznovelle auf den Tisch kommt.

(Beifall bei der CDU)

Fakt ist eines, Frau Falken, Frau Dr. Stange und auch Frau Giegengack: Frau Giegengack, Sie haben gerade sinngemäß gesagt: Warum können wir jetzt nicht einfach mal schnell das Schulgesetz ändern? Die SPD hat jetzt extra einen Antrag eingebracht. – Das ist eben nicht unsere Art, Politik zu machen.

(Oh-Rufe bei der SPD)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Genau diese Art von Politik, nicht eben mal ganz schnell das Schulgesetz zu ändern, hat dazu geführt, dass der Freistaat Sachsen in den Ergebnissen aller Studien, die es seit mindestens fünf Jahren in Deutschland und deutschlandübergreifend gibt, auf Platz 1 steht, weil wir nicht wie in anderen Bundesländern von heute auf morgen irgendwelche Gesetzlichkeiten ändern und die Lehrer damit belästigen. Das ist der feine kleine Unterschied zu Ihnen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja natürlich.

Herr Schreiber, stimmen Sie mir zu, dass Sie 2010 im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz im Rahmen eines Haushaltsbegleitgesetzes das Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft einfach so in einem halben Jahr geändert haben?

Frau Dr. Stange, darin gebe ich Ihnen grundsätzlich recht. Sie dürfen dabei aber nicht vergessen, um was es dabei ging. Da ging es nämlich nicht um Schulstrukturen,

(Zurufe von den LINKEN und der SPD: Doch!)

da ging es nicht um Strukturen, wie lange, wie oft und in welcher Klassenstärke und welcher Zügigkeit

(Zurufe von den LINKEN und der SPD: Doch!)

Kinder miteinander lernen können, sondern bei dem Gesetz über die Schulen in freier Trägerschaft ging es zuallererst – und das wissen Sie ganz genau – unter den ökonomischen Aspekten um die Finanzierung der Schulen in freier Trägerschaft. Bleiben wir also an dieser Stelle auch bei den Fakten und vermischen nicht das eine mit dem anderen. Was das Thema „Freie Schulen“ angeht, erfahren wir ja am 15. November, wie weit die Koalition damals im Jahre 2010 auf dem Weg des Rechts gewesen ist oder nicht – das werden wir abwarten. Deshalb brauchen wir die Debatte dazu jetzt nicht zu führen.

Fakt ist eines: Wir sind im Freistaat Sachsen in 23 Jahren mit Schulgesetznovellen und Schulgesetzänderungen immer sehr vorsichtig umgegangen. Wenn man sich die Ergebnisse anschaut, die in den Schulen vor Ort durch die Lehrerinnen und Lehrer gemeinsam mit den Schülern erbracht werden, sind wir damit nicht schlecht gefahren, und aus diesem Grund haben wir ganz klar gesagt: Wenn wir ein Schulgesetz ändern und anpacken, dann kann es nicht sein, dass wir mal schnell ein Schulgesetz ändern, um eine Schule in Hartha oder eine Schule an einem

anderen Ort zu erhalten, sondern man muss sich das grundsätzlich anschauen.

Lothar Bienst hat es bereits gesagt. Dann geht es nicht nur um die Zügigkeit und die Größe von Schulen oder ob Oberschulen beispielsweise in einer Tandemlösung miteinander kooperieren können, sondern es geht auch um die Themen Inklusion, Lernmittelfreiheit und Oberschule allgemein. Wenn Sie ehrlich sind, ist gerade beim Thema Inklusion noch lange nicht der letzte Satz gesprochen, um zu wissen, was im Schulgesetz des Freistaates Sachsen stehen wird. Sie wissen ganz genau, dass die Umsetzung der Inklusion beispielsweise in einem Land wie Bremen, wo man das auf eine extreme Art und Weise gehandhabt hat, sang- und klanglos gescheitert ist. Sie wissen ganz genau, dass in Hamburg eine Regierung abgewählt wurde, weil sie bestimmte Dinge an dieser Stelle anders machen wollte. Deshalb muss man vorsichtig sein mit dem, was man in ein Schulgesetz schreibt. Die Zeit für Diskussionen wollen wir uns nehmen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Darum geht es heute gar nicht!)

Ich drehe den Spieß jetzt einmal um, Frau Dr. Stange. Wären wir heute holterdiepolter mit einer Schulgesetznovelle gekommen, hätten Sie uns vorgehalten, dass wir als Koalition vor der nächsten Landtagswahl etwas auf die Schnelle durchdrücken wollen und Sie als Opposition keine Möglichkeit haben, Ihre Gedanken einfließen zu lassen. Das wäre doch der Vorwurf gewesen, wenn wir das große Beteiligungsverfahren, das bei einer Schulgesetznovelle vonnöten ist, verkürzt hätten. Das kann auch nicht die Art und Weise sein, Politik zu machen. Das werden wir auch nicht tun.

(Beifall bei der CDU)

Jetzt möchte ich auf einige Punkte eingehen. Natürlich gibt es ein paar Dinge, die wir mit dem Antrag nicht lösen werden und nicht lösen wollen. Dazu gehört Seifhennersdorf. Das sage ich hier ganz deutlich. Seifhennersdorf ist ein Schulstandort, wo bereits drei Landkreise, wenn man in der Historie zurückschaut, gesagt haben, wir wollen diesen Schulstandort aufheben. Deswegen werden wir an dieser Stelle in die Hoheit der Landkreise und der Schulträger auch nicht eingreifen und uns nicht zum Steigbügelhalter Ihrer Politik machen. Das werden wir einfach nicht tun. Die Messen für Seifhennersdorf, das wissen Sie ganz genau, sind gelesen. Die Mehrheit der Eltern ist, wenn ich das mal so sagen darf, dort auch zu dem Schluss gekommen, dass es vielleicht doch günstiger ist, das Kind in einer legalen Schule unterrichten zu lassen. Die Messe ist gelesen und dort werden wir auch nichts verändern.

Vielleicht noch zu Frau Falken. Ich muss mich schon sehr wundern, Sie widersprechen sich selbst.

(Widerspruch des Abg. Dr. André Hahn, DIE LINKE)