Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass es in der gesamten Diskussion um alle Medikamente und nicht nur um Antibiotika geht und worauf sich dieser Antrag auch bezieht? Ist Ihnen ferner bewusst, dass es sich um alle Tiere handelt und nicht nur um Nutztiere und dass es gravierende Unterschiede zu den Ausführungen gibt, die Sie jetzt gerade gemacht haben?
Das ist mir sehr bewusst, natürlich. Trotzdem stelle ich das Dispensierrecht infrage. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es in der Humanmedizin völlig gebräuchlich ist, dass das Verschreiben und Verkaufen von Medikamenten an zwei verschiedenen Stellen gemacht wird. Also, kein Problem.
Das heißt, Ihnen ist völlig klar, dass Sie alle Tierhalter, auch die Kleintierhalter, mit enorm hohen Zusatzkosten versehen, wenn das Dispensierrecht in der jetzt geltenden Form aufgehoben wird?
Die Koalition täuscht mit dem vorliegenden Antrag lediglich Aktivität vor, Frau Jonas, denn eigentlich soll alles bleiben, wie es ist. In der Begründung versuchen die Antragsteller nicht einmal, das zu vertuschen. Die Argu
mentation ist unlogisch und widersprüchlich. Wer den Antrag gelesen hat – was wirklich eine Zumutung ist –, der weiß, was ich meine. Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Der Antrag ist selbst für Ihre Verhältnisse schlecht. Wir werden deshalb nicht zustimmen.
Ich möchte gern von meinem Recht der Kurzintervention Gebrauch machen. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, in der die Massentierhaltung prägend für den Wirtschaftsbereich war. Wenn ich mir das anhöre, was gerade von den GRÜNEN erzählt wird, dann glaube ich nicht, dass man die wahren Probleme erkannt hat. Man möchte den Missbrauch von Antibiotika unterbinden und das dadurch erreichen, indem man das Verschreiben und Vertreiben von Medikamenten trennt.
Allein in dieser Grundthese ist ein Misstrauen gegenüber Tierärzten enthalten, dass sie deshalb Medikamente verschreiben, damit sie mehr Geld verdienen. Selbst wenn man diese Grundthese teilt und sich die Strukturen auf dem Land anschaut, dann kommt noch ein weiterer Beteiligter hinzu, der davon profitiert, nämlich der Apotheker. Dann verdient der Tierarzt daran – obwohl es nach Ihrer Meinung medizinisch nicht indiziert ist, sondern nur einen wirtschaftlichen Hintergrund hat –, und dann ist der einzige Apotheker vor Ort, der dann ebenfalls daran verdient, wenn er diese Medikamente abgibt. Das heißt, man hat einen Profiteur mehr. Man wird sich genauso abstimmen, wenn es tatsächlich einen Missbrauch gegeben hat, und sie haben nichts dadurch gewonnen, dass sie eine Funktionstrennung hinbekommen.
Es ist ein Fehlglaube und man hat sich wirklich noch nicht mit Landwirtschaft beschäftigt, wenn man denkt, dass der Apotheker dem Großtierzüchter vor Ort dann sagt: Nein, pass auf, du bekommst nicht die Medikamente, die der Tierarzt verschrieben hat, denn du verwendest zu viel Antibiotika für deine Ferkel! Das glaubt wirklich keiner.
Ich dachte, ich hätte deutlich gemacht, dass das Aufheben des Dispensierrechtes eine von verschiedenen Möglichkeiten ist, um dem Antibiotikaeinsatz, der nun einmal mit über 1 700 Tonnen pro Jahr in der Bundesrepublik viel zu hoch ist, Einhalt zu gebieten und damit die Gesundheit von Verbrauchern und Tieren zu schützen.
Frau Präsidentin! Ich möchte zwei Fachfehler von Herrn Weichert korrigieren, die er genannt hat. Punkt 1 ist die Einzeltierbehandlung. Wie will man das sicherstellen? Wenn man einen Bestand von 10 000 Hennen hat, soll man sich dann jede Henne anschauen? Das ist wirtschaftlich und praktisch nicht durchführbar. Das Verbot der Wachstumsförderung ist seit 2006 in der EU Realität. Die Antibiotika als leistungsfördernde Futtermittelzusatzstoffe sind verboten. Das ist aktuelle Realität. – Danke.
Herr Weichert, möchten Sie reagieren? – Nein. Dann ist die NPDFraktion an der Reihe. Herr Delle, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Überdosierung von Medikamenten in der Tierhaltung und die unzweifelhaft damit zusammenhängende Entstehung von Antibiotikaresistenzen werden seit Jahren intensiv diskutiert. Je nach Standpunkt, nicht zuletzt auch wirtschaftlicher Art, sehen die Antworten auf diese Frage sehr unterschiedlich aus. So stellt sich zu Recht auch die Frage nach dem Dispensierrecht der Tierärzte.
Es gibt bereits klare Vorschriften, die den Einsatz von Antibiotika regeln. Nach dem Arzneimittelgesetz dürfen Antibiotika nur zur Behandlung kranker Tiere eingesetzt werden, keinesfalls zur Wachstumsförderung. Auch dürfen Antibiotika nicht zur Überdeckung von Krankheiten, die zum Beispiel durch Haltungsmängel hervorgerufen werden, verabreicht werden. Verstöße gegen diese Vorschriften sind zu Recht strafbar.
Die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften ist grundsätzlich Aufgabe der Behörden des Freistaates Sachsen. Der Freistaat ist dafür zuständig, die Tierarztpraxen und Tierhaltungsbetriebe risikoorientiert zu kontrollieren.
In der Stellungnahme zum Antrag der NPD-Fraktion, Drucksache 5/7937, unter der Überschrift „Maßnahmenpaket gegen Antibiotikaresistenzen“, betont die Staatsregierung ausdrücklich, dass es unerlässlich sei, eine umfassende Meldeverpflichtung über die Warenströme von Tierarzneimitteln einzuführen. Die daraus resultierenden Daten müssen systematisch für die risikobasierte Überwachung nutzbar sein.
Hierin liegt eines der Probleme. Es gibt leider Tierärzte, die ein Drittel ihrer Einnahmen aus dem Medikamentenverkauf erzielen. Es soll sogar Fälle geben, in denen bis zu 80 % des Umsatzes auf diese Weise erzielt werden. Diesen schwarzen Schafen, die es nun einmal in jeder Branche gibt, ist allerdings schwer beizukommen, nicht zuletzt infolge juristischer Unterstützung seitens bestimmter Fachanwälte, die auch nichts anderes als ihren Gewinn im Auge haben.
Dem ist mit wirksamen juristischen Mitteln entgegenzutreten. Der Entzug des Dispensierrechts ist der falsche Weg. Es wirkt pauschal und ist zudem weitestgehend unpraktikabel. Es wird vor allem Landwirten, aber auch Kleintierhaltern schwer zu vermitteln sein, dass der behandelnde Tierarzt zwar die Krankheit und das helfende Medikament feststellt, dann aber zum Rezeptblock greift und nicht selbst die Medizin verabreicht. Romantische Vorstellungen organisierter Tierschützer, die Einzeltierbehandlungen auch in der Geflügelmast fordern, sind noch weniger mit der Realität vereinbar. Letztlich wird sich kriminelle Energie auch in der Zusammenarbeit von Landwirten mit Apothekern entfalten, wenn auch hier nicht energisch entgegengetreten wird.
Hierin liegt das eigentliche Handlungsgebot und nicht in der Beschneidung der Therapiefreiheit der Tierärzte. Meine Fraktion wird deshalb dem vorliegenden Antrag zustimmen.
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich frage, ob ein Abgeordneter in einer möglichen zweiten Runde das Wort wünscht. – Herr Heinz für die CDU-Fraktion, bitte.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe es fast geahnt, dass die Debatte um das Dispensierrecht in eine Debatte um Antibiotikaeinsatz in der Landwirtschaft ausartet.
Ich möchte zu ein, zwei Dingen, die in der Diskussion gesagt wurden, Stellung nehmen. Herr Weichert,
1 700 Tonnen Antibiotikaeinsatz heruntergerechnet auf 170 Milligramm pro Kilogramm Fleisch – diese Rechnung würde ich mir noch einmal anschauen wollen. Ich kann das nicht richtig nachvollziehen. Sie führen eine Studie an mit 96 % aller Hähnchenmastdurchgänge, die mit Antibiotika belastet sind. Wenn man googelt, findet man bei „Spiegel“ eine Überprüfung. Ich zitiere: „Eine Überprüfung habe ergeben, dass ein methodischer Zuordnungsfehler von Mastdurchgängen dazu führte, dass eine geringfügig zu hohe Zahl von Masthühnern angesetzt wurde, und ein neuer Prozentsatz wurde nicht genannt.“ Ich gehe davon aus, Sie haben die erste Meldung tendenziell weiterverarbeitet und nicht bis zum Ende recherchiert, weil es eben in Ihr Weltbild passt.
Zunächst möchte ich die Leistungen der Tierärzte würdigen, die mit viel Einsatz zu Tag- und Nachtzeiten in den Ställen ihre Arbeit verrichten.
Dass das gar kein so lukrativer Beruf ist, zeigt sich daran, dass wir speziell im Bereich der Großtierärzte – also jene, die sich um landwirtschaftliche Nutztiere und Pferde kümmern – akuten Nachwuchsbedarf haben. In den Heimtierpraxen haben wir diese Sorgen nicht, weil dort die Gewinnspannen ganz andere sind und man zweifelsfrei bereit ist, für sein Lieblingstier sehr viel Geld zu
Zurück zu Ihrer Tonnenangabe. Eine Tonne Atombombe und eine Tonne Schwarzpulver sind zwar gewichtsmäßig dasselbe, haben aber eine deutlich unterschiedliche Sprengkraft. Genauso ist es bei den Antibiotika. Die in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika werden mit wesentlich anderen Tagesdosen verabreicht. Das ist die Maßeinheit, mit der man Antibiotika vergleichbar machen kann. Wir haben Tagesdosen bis 80 Milligramm pro Kilogramm Lebendgewicht. Das ist wirkstoffbedingt. Bei den modernen Medikamenten, die in der Humanmedizin eingesetzt werden, reden wir über Tagesdosen von 2 Milligramm pro Kilogramm Lebendgewicht. Man kann das Ganze also nicht mit absoluten Zahlen vergleichen.
Ich möchte Ihnen noch etwas Statistik nahebringen. Genauso wie sich statistisch nicht belegen lässt, dass in kleineren Klassen bessere Lernergebnisse als in größeren Klassen zustande kommen, genauso wie sich statistisch nicht belegen lässt, dass es einen Zusammenhang zwischen dem CO2-Gehalt in der Atmosphäre und der Durchschnittstemperatur auf der Erde gibt, so lässt sich statistisch überhaupt nicht belegen, dass ein Zusammenhang zwischen dem Viehbesatz und dem Vorkommen resistenter Keime existiert.
Die Statistik trage ich noch vor und danach bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Die Statistik besagt: Wenn man Deutschland mit 100 % ansetzt, hat man in den Niederlanden, dem Mutterland der intensiven Tierhaltung – um den Begriff Massentierhaltung zu vermeiden, der ja nicht definiert ist –, 220 % mehr Großvieheinheiten pro Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche als in Deutschland. Die Antibiotikabehandlungstage pro Einwohner und Jahr sind 25 % weniger und der Anteil an resistenten Keimen ist 90 % geringer als in Deutschland.