Protocol of the Session on July 10, 2013

(Die Abgeordneten der Fraktionen der CDU

und der FDP erheben sich von ihren Plätzen. –

Langanhaltender Beifall bei der CDU, der FDP,

den GRÜNEN, des Abg. Horst Wehner,

DIE LINKE, und der Staatsregierung –

Die Fraktionsvorsitzenden der Fraktionen der

CDU, DIE LINKE, der SPD, der FDP und den

GRÜNEN beglückwünschen sich gegenseitig

zum Abstimmungsergebnis.)

Meine Damen und Herren! Ich schaue in die Runde und habe es mir fast gedacht: Es gibt diesen und jenen Abgeordneten, der sein Abstimmungsverhalten begründen möchte. Weil sich bereits erste Schlangen bilden, beginne ich an Mikrofon 1. Bitte, Herr Kollege Hahn.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es war richtig, dass sich DIE LINKE an den Verhandlungen über Ausnahmeregelungen von einem absoluten Neuverschuldungsverbot beteiligt hat, nachdem zuvor der Deutsche Bundestag – gegen unseren Willen – die sogenannte Schuldenbremse im Grundgesetz verankert hatte.

Dem Ergebnis konnte ich aus drei Gründen nicht zustimmen.

Erstens. Für die von CDU und FDP gewollte Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Die Koalition brauchte also die Unterstützung seitens der Opposition.

Ich bin immer davon ausgegangen, dass die Änderungen zum Komplex Finanzen nur die erste Phase der Verhandlungen sind und nach einer Kompromissfindung in diesem Bereich eine zweite Phase folgt, in der ergebnisoffen über andere Verfassungsfragen diskutiert wird, die von meiner Fraktion bereits vor Jahresfrist schriftlich benannt wurden und bei den GRÜNEN Gegenstand eines Parteitagsbeschlusses waren. Beide Teile dieser Verhandlungspakete hätten dann auch im Landtag gemeinsam abgestimmt werden sollen. Dazu waren CDU und FDP nicht bereit. Hier fühle ich mich insofern getäuscht. Ohne substanzielle Änderungen in für mich ganz zentralen Punkten – wie zum Beispiel eine Absenkung der Quoren für Volksbegehren – war für mich eine Zustimmung zum vorliegenden Gesetzentwurf nicht möglich.

Zum nicht ausgeräumten Widerspruch zwischen Gesetzestext und der Begründung beim kommunalen Mehrbelastungsausgleich hat mein Kollege Bartl das Notwendige gesagt.

Zweitens. Obwohl keinerlei Zeitdruck bestand, wurde das parlamentarische Beratungsverfahren in einer der Bedeutung des Gegenstandes unangemessenen und unverantwortlichen Art und Weise durchgezogen.

Ich als Mitglied des Verfassungs- und Rechtsausschusses sowie weitere Abgeordnete und auch geladene Sachverständige waren aufgrund der Hochwasserereignisse objektiv gehindert, an der Anhörung zur geplanten Verfassungsänderung teilzunehmen. Darauf habe ich den Landtagspräsidenten vorab ebenso hingewiesen wie den Ausschussvorsitzenden. Ich bleibe dabei: Es ist ein Unding, dass eine derartig wichtige Anhörung stattfindet, wenn in weiten Teilen des Landes – so auch in meinem Landkreis – offiziell Katastrophenalarm ausgelöst worden ist.

Drittens. Ich habe von Anfang an in der Runde der Fraktionsvorsitzenden und auch öffentlich erklärt, dass ich die Aufnahme des sogenannten Generationenfonds – also der Rücklagen für die Altersversorgung der sächsischen Beamten – in die Verfassung für falsch halte. An dieser Position hat sich nichts geändert. Auch deshalb habe ich die Beschlussvorlage abgelehnt.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Als Nächstes begründet Herr Kollege Lichdi sein Abstimmungsverhalten.

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da mir meine Fraktion keine Redezeit eingeräumt hat – entgegen anderslautender Gerüchte, die hier verbreitet werden –,

(Zuruf des Abg. Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE)

bin ich gezwungen, meine Ablehnung der Verfassungsänderung in dieser Erklärung zum Abstimmungsverhalten zu begründen.

Ausgerechnet die Regierung und die Partei, die mit der Sachsen-LB-Pleite den größten Schuldenberg in der jüngsten sächsischen Geschichte mit arroganter Inkompetenz aufgehäuft hat,

(Christian Piwarz, CDU: Oooh!)

maßen sich heute an, die Öffentlichkeit über ordentliche Haushaltspolitik belehren zu wollen.

Eine Verfassungsänderung – und zudem schon jetzt – ist weder notwendig noch gar geboten, um dem Land die Möglichkeiten eines Konjunkturnotfallkredites einzuräumen. Die verabschiedete Regelung hält gerade nicht, was ihre Befürworter versprechen, Herr Staatsminister

Unland, nämlich: die verfassungskräftige Vermeidung struktureller Neuverschuldung. Nebenhaushalte wie die, dass die Sachsen LB etwa einer war, werden vom Neuverschuldungsverbot bewusst ausgenommen. Der sogenannte Generationenfonds ist eine unerträgliche Bevorzugung der Beamtinnen und Beamten vor anderen notwendigen staatlichen Finanzierungsaufgaben.

Es bleibt das Geheimnis der Oppositionsfraktionen, warum sie diesem vollständigen Verhandlungssieg der CDU zugestimmt haben.

Ob der soziale Ausgleich in der Verfassung steht oder nicht, macht überhaupt keinen Unterschied. Der Mehrbelastungsausgleich für die Kommunen ist in seiner Substanz gerade nicht erweitert worden, sondern die enge Auslegung des Verfassungsgerichtshofes ist festgeschrieben worden. Die Versuche des Kollegen Panter und der Kollegin Jähnigen sind vollkommen untauglich. Das kann Ihnen jeder Jurist mitteilen. Politisch konnte die CDU alles durchsetzen, weil sich die Führungen der Oppositionsfraktionen aus persönlichen Konkurrenzgründen auf keine gemeinsame Linie verständigen wollten.

Die Opposition hat hier, an diesem Tag aber weit mehr verloren als diese Schlacht. Sie hat sich in dieser Hauptauseinandersetzung dieser Wahlperiode als unfähig erwiesen, eine ernst zu nehmende Alternative zur herrschenden Staatspartei aufzubauen.

(Oh-Rufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, dies wird sich für alle Oppositionsfraktionen zu den nächsten Wahlen bitter rächen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zurufe von der CDU – Unruhe im Saal)

Als Nächster erklärt Herr Kollege Falk Neubert sein Abstimmungsverhalten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möch

te gern eine persönliche Erklärung über mein Abstimmungsverhalten abgeben.

Ich habe gegen diese Verfassungsänderung gestimmt, weil ich die sogenannte Schuldenbremse für politisch falsch halte. Gerade weil es einer sächsischen Verfassungsänderung gemäß Grundgesetz überhaupt nicht bedarf, ist dies nichts anderes als die Betonierung einer überholten Zeitgeistidiologie in der Verfassung.

Ein derartiges Kreditverbot für Investitionen wird zur Folge haben, dass in den nächsten Jahren im Bildungs- und Sozialbereich weiter gekürzt und ein Privatisierungsdruck künstlich erzeugt werden wird. Die Aufnahme des Haushaltsprinzips „Sozialer Ausgleich“ im Artikel 94 ist aus meiner Sicht bei Weitem nicht ausreichend, dies zu kompensieren.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Jetzt erklärt Herr Kollege Stange sein Abstimmungsverhalten.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte als Erstes feststellen, dass sich Sachsen generell nicht der Regelung von Artikel 109 Grundgesetz entziehen kann.

Ja, wir hätten diese Regelung Schuldenbremse unter dem Rang der Verfassung machen können, aber CDU, FDP, SPD und GRÜNE haben den Weg der Verfassungsänderung gewählt. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass eine Schuldenbremse kein sinnvoller Weg ist und vor allem die Politik selbst beschneidet. Es ist ein Weg der Selbstbeschneidung und des Selbstmisstrauens.

Dennoch besteht Konsens, dass seit 2006 in Sachsen keine neuen Schulden zum Haushaltsausgleich aufgenommen wurden. Dies will ich ausdrücklich in diesem Hause noch einmal feststellen, dass das ebenso in unserer Fraktion Konsens ist. Wenn aber diese Kreditaufnahme verboten werden soll, so wie die einreichenden Fraktionen es eingebracht haben, dann muss es hier darum gehen, Korrektive zu diesem Kreditverbot in die Verfassung ebenso aufzunehmen, das heißt Ausnahmetatbestände zu Kreditverbot, wie sie jetzt aufgenommen wurden, bei Naturkatastrophen, außergewöhnlichen Notsituationen sowie konjunkturellen Einbrüchen.

Das ist deshalb erforderlich, weil die Länder damit ihre eigene Regelungskompetenz in die Hand genommen haben, und sie wollten das im Rang der Verfassung. Deshalb mussten auch wir im Rang der Verfassung mitarbeiten.

Wir halten aber vor allem für wichtig und deshalb auch für richtig, dass in der Verfassung bei der Haushaltsaufstellung der Grundsatz des sozialen Ausgleichs Berücksichtigung gefunden hat. Das ist für uns – das können Sie sich vorstellen – besonders wichtig, wenn es darum geht, eine soziale Politik in diesem Land in Sachsen durchzusetzen.

Aus der Gesamtabwägung bin ich selbst zu dem Entschluss gekommen, dass, wenn ich diese Ausnahmetatbestände und die Korrektive zur Schuldenbremse in der Verfassung verankern möchte, ich mich dieser Verfassungsänderung nicht verweigern kann, und habe deshalb mit Ja gestimmt.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Vielen Dank. – Die nächste Erklärung zum Abstimmungsverhalten kommt von Frau Kollegin Dr. Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe gegen diese Änderung der Sächsischen Verfassung, die im Kern ja ein Neuverschuldungsverbot enthält, gestimmt, auch wenn ich den Verhandlungsführern meiner Fraktion hohen Respekt zolle, da die Ausgangssituation alles andere als ergebnisverheißend war.