Protocol of the Session on June 20, 2013

unter nationalistischen Vorzeichen mithilfe von Feindbildern und Volksverhetzung die erste deutsche Demokratie zerstören wollten. Das wird Ihnen dieses Mal gewiss nicht gelingen.

(Beifall bei den LINKEN, der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Das wird Ihnen dieses Mal gewiss nicht gelingen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Gansel.

Herr Prof. Besier, wissen Sie – Herr Gerstenberg hat es ja gestern schon gesagt; aber das ist in Ihrer groben Polemik natürlich unterschlagen worden –, dass mein Schlussappell „Nun, Volk, steh auf, und Sturm, brich los!“ auf den Freiheitsdichter Theodor Körner zurückgeht –

Das weiß ich natürlich.

– und nicht auf irgendeinen nationalsozialistischen Brüller? Das müssten Sie natürlich schon sagen, wenn Sie die historische Entstehungsgeschichte

(Zurufe von den LINKEN und der SPD: Die Frage!)

dieser kraftvollen Losung nicht unterschlagen wollen.

Herr Gansel, von gestern auf heute wird Ihr Gedächtnis Sie nicht verlassen haben. Das hat Herr Kollege Gerstenberg auch schon gesagt. Aber solche Slogans können verbraucht werden. Ist Ihnen das nicht deutlich, dass, wenn bestimmte Begrifflichkeiten aus nationalsozialistischem Mund uns immer und immer wieder entgegengehalten werden, bis sie keine Bedeutung mehr haben, diese verbraucht sind und wir andere Wendungen in Gebrauch nehmen müssen?

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Mit Ihrer undifferenzierten Aneinanderreihung der Jahre 1813, 1953 und 2013 haben Sie nicht der Opfer des 17. Juni gedacht, sondern diese im Dienste Ihrer politischen Machenschaften missbraucht und damit verhöhnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Prof. Besier. Jetzt wird am Mikrofon 7 eine Kurzintervention vorgetragen; bitte.

Ja, genauso ist es; danke, Herr Präsident. – Ich möchte kurzintervenieren auf den Beitrag von Prof. Besier, weil ich glaube, dass er eine völlige Fehlinterpretation der ganzen neueren deutschen Geschichte der letzten 200 Jahre hier vorgetragen hat.

Ich glaube, das, was wir 1813 erlebt haben, war eben kein Militarismus; das war keine Wiederauferstehung irgendeines einseitig orientierten preußischen Staates, sondern eine Antwort von Demokraten auf eine dynastische Zersplitterung, die wir schon in den Jahrhunderten davor hatten. Diese Antwort haben Demokraten gegeben, die gleichzeitig Nationalisten waren, ganz klar, nämlich Mitbestimmungsrechte, Demokratie, überhaupt Bauernbefreiung, diese ganzen Themen konnten nur im Rahmen der Nation gelöst werden.

Deswegen glaube ich, liegen Sie falsch, wenn Sie das alles als das historisch Böse klassifizieren und nicht sehen, dass es eigentlich eine fortschrittliche Bewegung war, die im Jahre 1813 ihr Haupt stolz erhoben hat – eigentlich auch zu Recht –, weil man damals wirklich das, was vorher war – religiöse Bevormundung, dynastische Zersplitterung, dynastische Willkür –, durch die Nation abgelöst hat. Die Nation ist eben nicht das Rückwärtsgewandte; die Nation ist der Fortschritt. Das war damals

erstmals mit konkreten Mitbestimmungsrechten verbunden, die eingeführt wurden mit der Idee einer Verfassung, in der Rechte und Pflichten festgeschrieben sind.

Deswegen glaube ich, Herr Prof. Besier, dass Sie einen Fehler machen, wenn Sie beispielsweise das Jahr 1813 nur dämonisieren. Man darf nicht vergessen, dass damals die Besatzung von Napoleon mit starken Tributpflichten für die besetzten Länder verbunden war, dass es eine sehr starke Einschränkung der Pressefreiheit gab. Es gab eine sehr starke Zensur.

(Andreas Storr, NPD: Soziale Not!)

Ihre Redezeit geht zu Ende, Herr Schimmer.

Es gab eine sehr starke soziale Not, und dagegen sind die Menschen damals aufgestanden.

Sie liegen falsch, wenn Sie jetzt sagen, das Jahr 1813 steht sozusagen in einer Tradition des historisch Bösen.

(Beifall bei der NPD)

Das war eine Kurzintervention von Herrn Schimmer, und es reagiert darauf am Mikrofon 1 Herr Prof. Besier.

Herr Schimmer, ich wollte Ihnen an einem Beispiel, das Sie selbst aufgeboten haben, nur zeigen, wie facettenreich Geschichte ist und dass sie darum schwerlich instrumentalisiert werden kann.

Ich habe 1813 nicht dämonisiert, sondern deutlich gemacht, wie viele verschiedene Perspektiven wir auf dieses Jahr haben können, und habe in diesem Zusammenhang – ich denke, mit allem historischen Recht – den politischen und kulturellen Liberalismus starkgemacht.

(Zuruf von der NPD)

Ich bitte Sie, um Himmels willen! Ich bin doch den Sachverhalten verantwortlich und nicht irgendwelchen Fraktionen. – Im Übrigen haben Sie doch bemerkt, dass meine Fraktion das vollkommen zustimmend quittiert hat.

Die Dinge sind eben so, dass Sie, wenn Sie historische Beispiele nehmen, versuchen müssen, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu erhellen, worum es geht. Das können Sie natürlich nicht, weil Sie nur aufgrund Ihrer Einseitigkeiten zu solchen Geschichtslinien wie den vorgetragenen kommen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU, der SPD und der FDP)

Wir fahren in unserer Rednerreihe fort und für die FDP-Fraktion ergreift Herr Kollege Biesok das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben schon viele niveaulose Debatten von der NPD in diesem Hohen Hause gehört – heute war es ein erneuter Höhepunkt.

Die Instrumentalisierung des 17. Juni für Ihre nationale Gesinnung ist ein blanker Hohn für all diejenigen, die ihr Leben ließen, gerade weil sie aus der Erfahrung der NSDiktatur nun endlich Freiheit haben wollten. Anstatt einer Unterdrückung von einer anderen Seite wollten sie freie Menschen haben und erhoben sich daher gegen das Regime.

(Beifall bei der FDP, der CDU und ganz vereinzelt bei den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Die Völkerschlacht bei Leipzig war ein Kampf von Österreich, Preußen, Russland und Schweden gegen Napoleon. Er forderte mehr als Hunderttausend Tote und Verletzte.

Sie setzen das jetzt gleich mit dem Kampf gegen die Europäische Union. Das bedeutet, Sie wollen statt Napoleon jetzt Barroso und Draghi bekämpfen. Herr Gansel, das, was Sie hier gesagt haben, ist nichts anderes, als dass Sie auf dem Stahlhelm sitzen und warten, dass es wieder losgeht – nichts anderes!

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Machen Sie sich doch nicht lächerlich!)

In dieser Aktuellen Debatte stellt die NPD drei Dinge, die unterschiedlicher kaum sein können, in eine Reihe, nämlich einen Krieg, bei dem sich letztlich Preußen und Sachsen gegenüberstanden, um angeblich für ein gemeinsames souveränes Deutschland zu kämpfen,

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

einen Volksaufstand gegen ein sozialistisches Regime nach einem verlorenen Krieg und einen Staatenbund von 27 souveränen Staaten, die sich vollkommen freiwillig zusammengeschlossen haben.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Ich frage Sie, Herr Gansel – Sie haben ja Geschichte studiert –: Warum haben Sie in Ihre Aufzählung nicht den 20. Juli 1944 mit aufgenommen? Das Attentat der Gruppe um Claus Graf von Stauffenberg war zweifellos der Aufstand gegen Unterdrückung schlechthin, warum haben Sie das nicht erwähnt?

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Das kann ich Ihnen sagen: weil es sich um einen der Ihren gehandelt hat, gegen den sich dieser Aufstand gerichtet hat. Das ist der wahre Grund.

(Lachen des Abg. Andreas Storr, NPD)