Protocol of the Session on June 20, 2013

(Lachen des Abg. Andreas Storr, NPD)

Meine Damen und Herren, ich möchte an eine Ausführung von Lutz Rathenow bei der Feierstunde zum 17. Juni erinnern. Er hat in seiner Rede hervorgehoben, dass der

17. Juni nicht für nationale Umdeutungsversuche geeignet ist. Der 17. Juni steht für einen Aufstand gegen eine Diktatur, gegen realkommunistische Machtansprüche. Die Umdeutung lässt es nicht zu, dies als einen Kampf gegen eine Fremdherrschaft zu verstehen. Im sächsischen Leipzig, im thüringischen Jena und im tschechischen Plzeň erhoben sich am Ende des Zweiten Weltkrieges Menschen, um die einrückenden alliierten Streitkräfte als Befreier zu begrüßen. Am 17. Juni 1953 war es die Angst um die Macht, die die SED dazu bewog, die Sowjetarmee zu Hilfe zu rufen, um den Aufstand entsprechend niederzuschlagen.

Die Menschen in der DDR wollten vor allem eines: nicht von einer Diktatur entmündigt werden. Sie wollten nicht unterdrückt werden und sie wollten nicht ökonomisch benachteiligt werden. Ein Aufstand gegen eine Fremdherrschaft war es nicht.

(Zuruf von der NPD)

In Ihrer Argumentation kranken Sie an einer weiteren Stelle: Sie versuchen die EU als eine Fremdbestimmung darzustellen. Dann frage ich Sie: Warum waren es gerade die Länder in Mittel- und Osteuropa, insbesondere Polen und Tschechien, die Slowakei und Ungarn, die nach der Wiedererlangung ihrer Freiheit in die EU strebten?

(Jürgen Gansel, NPD: Die wollten an die Finanztöpfe ran!)

Als die sowjetischen Panzer, die noch am 17. Juni 1953 den Freiheitswillen in der DDR gebrochen haben, wieder zurück waren in den russischen Depots, haben sich die Menschen in diesen Ländern erhoben, um nach Europa zu gehen, und begehrten die Aufnahme in die Europäische Union. Das Volk stimmte in diesen Ländern in Volksabstimmungen – genau die, die Sie immer fordern – darüber ab, dass man in die Europäische Union eintritt, und es gab eine große Mehrheit dafür.

Ich frage Sie weiter: Warum war es gerade Estland – ein Land, das bis 1990 von der Sowjetunion besetzt war und brutal fremdbeherrscht wurde –, das mitten in der europäischen Schuldenkrise dann im Jahr 2011 als 17. Land den Euro einführte? Es war gerade die Erfahrung der Unterdrückten, die gesagt haben, wir wollen uns freiwillig zusammenschließen, um in einem Bündnis freiheitlicher Staaten gemeinschaftlich zu wirtschaften und gemeinschaftlich stark zu sein. Das ist der wahre Gedanke der Europäischen Union, und den missachten Sie immer wieder.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Das hat nichts mit dem 17. Juni zu tun!)

Auch wenn man nicht alle Entscheidungen innerhalb der EU gutheißen muss, so ist sie doch demokratisch legitimiert, basiert auf Verträgen von souveränen Staaten, die auf gleicher Augenhöhe abgeschlossen und von Parlamenten bzw. vom Volk ratifiziert wurden. Wer sich hiergegen mit einem Volksaufstand richten möchte und es mit einer

Völkerschlacht bei Leipzig vergleicht, steht nicht mehr auf dem Boden unserer Demokratie.

(Beifall bei der FDP, der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion war das Herr Kollege Biesok. Ich sehe in dieser Runde keinen weiteren Redebedarf aus den Fraktionen. Wir können eine zweite Rednerrunde eröffnen. Für die einbringende NPD-Fraktion ergreift der Abg. Schimmer das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Bei den Intellektuellen hat der 17. Juni 1953 nie besonders viel gegolten.“ Diese bittere, aber leider zutreffende Feststellung traf der in Chemnitz lehrende Historiker Eckhard Jesse bei einem Berliner Symposium zu dem Thema: „Das historische Gedächtnis und der 17. Juni 1953“.

In der DDR wiederum war der 17. Juni 1953 schon zwei Tage nach seiner Niederschlagung als „faschistischer Putschversuch“ denunziert worden.

In der Bundesrepublik wurde der 17. Juni 1953 zwar noch im August 1953 zum Feiertag erklärt, dann aber, nach der Wende des Jahres 1989, rasch entsorgt. Zum neuen Tag der Deutschen Einheit wurde der 3. Oktober, ein Tag – das müssen Sie ja wohl zugeben –, an dem eigentlich nur staatliches Handeln vollzogen wurde, der aber gerade nicht für eine Bewegung aus dem Volk heraus steht.

Gerade letztere Entscheidung, die für uns Nationaldemokraten bis heute überhaupt nicht nachvollziehbar ist, zeigt, dass in Deutschland immer noch die Geschichte der Macht mit Geschichte überhaupt verwechselt wird. Dabei – das ist die Auffassung der NPD – wäre der 17. Juni der ideale Feiertag der Deutschen gewesen; denn dieser Volksaufstand zählt nun einmal zu den herausragenden revolutionären Massenbewegungen in der deutschen Geschichte, angefangen beim Jahr 1813, als sich 60 000 Deutsche in Freiwilligenverbänden organisierten, um die Einheit der deutschen Nation zu erkämpfen, über das Jahr 1848 bis hin zum Jahr 1989.

Unter diesen stolzen Daten ragt der 17. Juni 1953 freilich noch einmal besonders hervor; denn er war von einem opferbereiten Idealismus getragen, der seinesgleichen sucht. Vergessen wir nicht: Jeder mitteldeutsche Arbeiter, der damals streikte, setzte sein Leben ein. Jeder mitteldeutsche Arbeiter, der damals streikte, musste damit rechnen, über Nacht in ein Gulag der Sowjetunion verschleppt oder Opfer der erbarmungslosen Rachejustiz der frühen DDR zu werden.

Dennoch, trotz dieser furchterregenden Sanktionen, erhoben sich und streikten schätzungsweise bis zu eine Million Aufständische, und zwar ohne Waffen und ohne Generäle – ein Tag, den wir eigentlich feiern sollten wie den Sturm auf die Bastille in der Französischen Revolution. Ich frage mich immer wieder: Wieso gehen wir so

kleinmütig und ängstlich mit diesem großartigen nationalen Erbe um?

(Beifall bei der NPD)

Ganz konkret gefragt, auch an die Kommunalpolitiker: Wieso wurde die offizielle Gedenkstunde der Stadt Dresden am Panzerkettendenkmal auf dem Postplatz ausgerechnet zum 60. Jahrestag des 17. Juni 1953 abgesetzt?

Noch allgemeiner gefragt: Warum nehmen das Jahr 1813 und der 17. Juni 1953 nicht eine viel bedeutendere Rolle in der deutschen Gedenkkultur ein?

Da muss man sich doch fragen: An was könnte man da nicht alles erinnern! So sind die Befreiungskriege des Jahres 1813, die heute wieder nur als „nationalistischer Mief“ abgetan wurden, eben auch mit den preußischen Reformen eines Freiherrn vom Stein, eines August Neidhardt von Gneisenau oder eines Wilhelm von Humboldt verbunden.

(Beifall bei der NPD)

Diese preußischen Reformen, die dem Jahr 1813 vorausgingen, atmeten den Geist der Selbstbestimmung und Selbstverwaltung und brachten uns beispielsweise die Bauernbefreiung, die Herstellung der Gewerbefreiheit, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht und die Gründung der Berliner Universität.

Der 17. Juni 1953 wiederum steht für den in der deutschen Geschichte einmaligen Versuch eines waffenlosen Arbeiterheeres, aus eigener Kraft eine wahrhaft demokratische und eine wahrhaft deutsche Republik gegen die Übermacht der Besatzer und ihrer deutschen Handlanger zu schaffen.

Und – auch das möchte ich hier ausdrücklich betonen – er war das erste Leuchtfeuer in einer ganzen Reihe von Aufständen gegen die kommunistische Gewaltherrschaft in Osteuropa, die schließlich in den Jahren 1989 und 1990 ihre Vollendung fanden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nehmen Sie es doch endlich zur Kenntnis: Die deutsche Geschichte ist reich an Helden und Mythen, an tragischen Niederlagen und großen Kämpfen für Freiheit und Gerechtigkeit. Im Gegensatz zum weitverbreiteten Klischee, das auch heute wieder verbreitet wurde, sind die Deutschen kein Volk von autoritätshörigen Sklaven, sondern ein freiheitsliebendes und rebellisches Volk.

Lassen Sie uns ihn also ehren, meine Damen und Herren – den namenlosen Kumpel aus den Wismut-Bergwerken, den namenlosen Bauarbeiter aus der Stalin-Allee und den namenlosen Waggonbauer aus Görlitz, die am 17. Juni 1953 die Tugend der Solidarität über den stalinistischen Kadavergehorsam stellten und zu Rebellen des Geistes und zu Rebellen der Tat wurden.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Das war Herr Schimmer für die einbringende NPD-Fraktion. Gibt es weiteren Redebedarf aus dem Hohen Haus? – Den kann ich nicht erkennen. Die Staatsregierung? – Sie hat keinen Redebedarf.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Sprachlos!)

Wir sind also am Ende der 2. Aktuellen Debatte angekommen. Tagesordnungspunkt 1 ist damit beendet.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

1. Lesung des Entwurfs

1. Gesetz zur Modernisierung der Verfassung des Freistaates Sachsen

Drucksache 5/12162, Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums für eine allgemeine Aussprache vor. Es spricht daher nur die Einreicherin, die Fraktion GRÜNE. Sie hat dafür 8 Minuten zur Verfügung. Das Wort ergreift Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen einige von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bereits vor über einem Jahr in die allgemeinen Gespräche eingebrachten weiteren Vorschläge zur Modernisierung der Verfassung jenseits der Regelungen zur Schuldenbremse zur Beratung und zur Abstimmung gebracht werden.

Dieser Entwurf ist völlig unabhängig von dem gemeinsamen Verfassungsänderungsentwurf der Fraktionen von

CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu dem strukturellen Neuverschuldungsverbot, also der „Schuldenbremse“ und deren Begleitregelungen, zu betrachten. Sie stehen für uns in keinem Zusammenhang mehr, nachdem am 22.01. dieses Jahres abschließend unter den Fraktionsvorsitzenden geklärt worden ist, dass die weiteren Anliegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion DIE LINKE nicht mitverhandelt werden sollen.

Wir haben in dieses Verfahren eingewilligt, den gefundenen Kompromiss unterschrieben, ihn öffentlich auf unserem Parteitag diskutiert und anschließend entschieden. Acht Mitglieder unserer Fraktion werden am 10.07. zustimmen, eines nicht. All dies ist seit Monaten öffentlich bekannt. Daher kann ich mich heute und hier für

meine Fraktion auch im Plenum noch einmal öffentlich festlegen: Bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist alles geklärt. Wir stehen bei Ihnen, Herr Flath, bei Ihnen, Herr Zastrow, und bei Ihnen, Herr Dulig, im Wort – verbindlich!

Warum bringen wir diesen Entwurf jetzt ein? Wir bringen ihn ein, weil wir im Herbst die entsprechenden Anhörungen durchführen und den Kolleginnen und Kollegen in den Fraktionen ausreichend Zeit geben wollen, sich mit unseren Vorschlägen vertraut zu machen. In den letzten Tagen habe ich hier und da aus den Reihen anderer Fraktionen gehört, dass doch die eine oder andere Frage spannend sein könnte, und ich freue mich auf eine sehr rege fachliche Auseinandersetzung ab Herbst.

Ich finde es zwar persönlich nicht sehr schön, dass die Verfassung aufgemacht wird, etwas gemeinsam geregelt wird, dann wieder zugemacht wird, um dann über die nächste Änderung zu diskutieren – das hat etwas von Baustellenfortschritt –, aber vielleicht dauert es wieder ein Jahr oder noch länger; wir wissen es nicht. Für meinen politischen Geschmack wäre eine große gemeinsame Verfassungsreform besser gewesen. Aber wir sind nicht die Herren dieses Verfahrens, und das haben wir akzeptiert.

Nach mehr als 20 Jahren ist eine Modernisierung der Verfassung durch Anpassung an neue Erkenntnisse und an die allgemeine Rechtsentwicklung aus unserer Sicht angemessen – mehr als angemessen. Mit dem Gesetzentwurf soll eine erkennbare Ausrichtung auf den Klima-, den Arten- und den Ressourcenschutz, auf zeitgemäße Informationsgrundrechte und eine Stärkung der Volksgesetzgebung erreicht werden.

(Dirk Panter, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)