Protocol of the Session on January 20, 2010

Nein, die kann ich nicht mehr zulassen. Aber, Kollege Krauß, Sie haben noch so viel Redezeit, dass Sie dann noch einmal ans Mikro treten können.

Ich glaube, wir klären das dann individuell.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Das war Kollege Krauß für die CDU-Fraktion. – Jetzt spricht Herr Kind für die einbringende Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, das Thema ist nicht so einfach, wie es Herr Krauß dargestellt hat. Denn er spricht wie der Blinde von der Farbe. So einfach kommen wir da nicht weg.

Wir haben in Sachsen nach wie vor – auch bei sinkender Zahl der Arbeitslosigkeit – 189 000 Betroffene im Durchschnitt des Jahres 2009, die durch die ARGEn und die optierenden Kommunen betreut werden. Dazu kommen noch 88 000 Betroffene, die nach SGB III von Arbeitslosigkeit betroffen sind und dort betreut werden.

Es gibt keine Vorschläge der Staatsregierung, wie sie den 189 000 im ARGEn-Bereich helfen will.

Die Unterbeschäftigung in Sachsen beträgt auch bei sinkenden Zahlen in den letzten Jahren, die der Wirtschaftsentwicklung und nicht dem Handeln in den ARGEn entsprechen und der Agentur zuzuschreiben sind, 363 000. Das können Sie im Bericht von Frau Cordt nachlesen.

Wenn Sie davon sprechen, dass die offenen Stellen sinken und das als positiv hinstellen, dann muss ich sagen: Ihr wirtschaftspolitischer Verstand ist ziemlich gering ausgeprägt. Denn sinkende Stellen sind ein Zeichen dafür, dass die Konjunktur lahmt und sich der entsprechende Arbeitsmarkt nicht mehr entwickelt, sondern nur eine Richtung hat: nach unten.

(Alexander Krauß, CDU: Vor drei Jahren sind sie gesunken. Das war ein positives Zeichen.)

Das sage ich doch, bei sinkenden Zahlen. Aber das hat nichts mit den Maßnahmen und nichts mit den unsozialen Harz-IV-Gesetzen zu tun. Damit hat es definitiv nichts zu tun.

Es werden gegenwärtig 75 % der Betroffenen in den ARGEn betreut und nur noch 25 % über die BA.

Ihr Tun ist, wenn ich als Fallmanager sprechen würde, mangelnde Mitwirkungspflicht, kein Handeln, Untätigkeit.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Das Bundesverfassungsgerichtsurteil ist vom 20.12.2007. 25 Monate sind seither verstrichen und es ist nichts passiert. In elf Monaten wollen die Betroffenen und die Mitarbeiter in den Einrichtungen Rechtssicherheit und verlässliche Systeme, damit am 01.01.2011 auch Geld ankommt. Sie haben nichts getan außer Untätigkeit. Sie gehören sanktioniert.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe als Fallmanager gearbeitet. Ich würde ihnen nicht nur 10 %, sondern 30 % abziehen. Aber ich kann Ihnen sagen: Ich habe nicht einen Arbeitslosen sanktioniert und bin stolz darauf. Weil es gar nicht nötig war, sie zu sanktionieren. Sie haben nach Arbeit gefragt. Sie sind freiwillig gekommen, aber der Arbeitsmarkt in Nordsachsen hat nichts hergegeben, um ihnen helfen zu können. So sieht es aus.

Zur Jugendarbeitslosigkeit: Ja, wir haben in diesem Jahr kaum nicht vermittelte Jugendliche. Aber wir haben zur selben Zeit 26 000 Jugendliche unter 25 Jahren, die wieder arbeitslos sind. Wo sind die Konzepte der Staatsregierung dazu? Wo wird die Übernahme nach Ausbildung, nach staatlich geförderter Ausbildung in den Arbeitsmarkt sichergestellt? Welche Förderinstrumente werden vorgelegt? Ich sehe darüber nichts.

Nun zu unseren Vorstellungen und Forderungen, wie wir dem gegensteuern wollen. Sie waren 25 Monate tätigkeitslos. Es gibt drei vage Versuche. Ich will sie an dieser Stelle noch einmal nennen.

Das war einmal der Versuch des ehemaligen Bundesministers Scholz, das kooperative Jobcenter einzuführen. Das ist in der Koalition nicht durchgekommen und unter anderem am Widerstand der Länder und der damaligen CDU gescheitert.

Es gab den zweiten Versuch, die Verfassung zu ändern, also das Bundesverfassungsgerichtsurteil nicht ernst zu nehmen, sondern wir ändern die Verfassung und die Problematik wird ausgeblendet. Er ist am Widerstand der CDU gescheitert.

Der dritte Versuch ist nun ganz billig. Frau von der Leyen übernimmt von ihrem missglückten Vorgänger von vier Wochen ein billiges Konzept, das unter dem Strich bedeutet, den alten Vorschlag vom damaligen Bundesminister Scholz wieder in die Diskussion zu bringen.

Es liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein verhandlungsfähiger Vorschlag vor, über den landesweit diskutiert werden soll. Reden Sie einmal mit den Verantwortlichen, die die optierenden Kommunen zu verantworten haben, und auch mit denen in den Kreisen, was sie dazu sagen, wie sie ihre Arbeit machen sollen.

Ich habe mit dem Beigeordneten im Landkreis Leipzig gesprochen. Die sind maßlos enttäuscht. Das eigentliche Ziel von Herrn Koch war nicht die Verschärfung der Arbeitspflicht bei den Betroffenen, denn diese steht jetzt schon im Gesetz; sondern die Zielrichtung war, die Jobcenter – und damit die zentrale Verwaltung der Ar

beitslosen über die BA – und die kooperierenden ARGEn zu schwächen und das Optionsmodell salonfähig zu machen. Die Begründung können Sie gestern in „Die Welt“ nachlesen. Er sagt: Die ersten zwölf Monate werden die Arbeitslosen

Herr Kollege, die Redezeit!

durch die BA gut versorgt. Danach ist es ihre individuelle Schuld, dass sie arbeitslos sind. Er erkennt nicht an, dass wir ein strukturelles Arbeitslosenproblem in Deutschland haben.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank. Das war Herr Kollege Kind von der Fraktion DIE LINKE. – Ich schaue noch einmal auf die Redezeiten. Da hat die CDU noch fast 7 Minuten und Die LINKE hat 4 ½ Minuten.

Meine Frage: Kollege Krauß? – Sie haben keinen Redebedarf mehr. Wie sieht es bei der Linksfraktion aus? – Kollege Pellmann, Sie wollen nochmals an das Mikrofon treten. Bitte.

Herr Präsident, man kann bei diesem wichtigen Thema keine zugebilligte Redezeit verstreichen lassen. Ich möchte daher noch zu vier Punkten eine Bemerkung machen, auch aus der Debatte heraus.

Frau Herrmann, ja, ich stimme mit Ihnen überein. Wir hatten von Anfang an nicht in erster Linie ein Problem damit, dass Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammengelegt werden sollten. Unser Problem war von Anfang an – und das ist bis heute so –, dass diese Zusammenlegung auf Sozialhilfeniveau passierte. Das war der Grund, warum wir dagegen waren und dagegen sind.

Der nächste Punkt: Ja, wir fordern als Linksfraktion – und dazu hat unsere Bundestagsfraktion eine völlig gleiche Auffassung – und wollen endlich abschaffen die Arbeitslosen erster und zweiter Klasse. Das heißt, wir wollen Arbeitslose I und II, die unter SGB II und III sind, aus einer Hand betreut haben. Das ist das, was wir in Zukunft brauchen. Das wäre auch – Herr Kind hat es angedeutet – möglicherweise die Lösung für das Dilemma, das wir gegenwärtig haben.

Zu den Kosten der Unterkunft hat Herr Krauß gesprochen. Ich habe folgende Bemerkung dazu: Ja, wir erwarten – und ich habe das an dieser Stelle sehr oft gefordert – von der Bundesregierung, solange dieses Konstrukt existiert, dass sie von ihrer Verordnungsermächtigung endlich einmal Gebrauch macht und Kriterien vorgibt: Was ist wirklich unter Angemessenheit des Wohnraumes zu verstehen? Ansonsten bleibt es dabei, dass der Schwarze Peter ständig den Kommunen zugeschoben wird, die immer mehr zahlen müssen. Das muss sich ändern.

Letzte Bemerkung, Herr Krauß, was die Faulheit betrifft: Ich weiß nicht, wo Sie Ihre Quellen haben. Natürlich wird

in der Linksfraktion oder in der Linken seit Langem über bestimmte Probleme diskutiert. Ich habe mir sagen lassen, das ist in Ihrer Partei nicht anders. Vielleicht ist das Disziplinierungselement stärker als bei uns. Das will ich gern zugeben. Aber ich will hier meine Position klar benennen. Ich bin dafür, dass alle arbeiten sollen. Das setzt jedoch voraus, dass Menschen auch einen Arbeitsplatz bekommen können. Bevor jemand die Pflicht zur Arbeit einfordert, wie Herr Koch, sollten Sie erst einmal das Recht auf Arbeit ins Grundgesetz schreiben. Wenn das Recht auf Arbeit im Grundgesetz steht, dann stellt sich die Frage auch völlig anders.

(Zuruf des Abg. Andreas Storr, NPD)

Ich bin prinzipiell gegen Faulheit, wie Sie sie darstellen. Das wird bei mir nicht stattfinden. Ich habe das hier nicht zum ersten Mal deutlich gemacht. Ansonsten, denke ich, bleibt es bei unserer Position: Harz IV ist gescheitert und bedarf nicht einer Reform, sondern es gehört abgeschafft, still und ergreifend abgeschafft.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich sehe jetzt keinen weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen hier in diesem Hohen Haus. Damit wende ich mich an die Staatsregierung. Frau Staatsministerin Clauß, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Den Vorwurf, die Staatsregierung sei fünf Jahre lang bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende untätig gewesen, weise ich kategorisch zurück.

(Beifall bei der CDU)

Denn die Staatsregierung hat diese Reform sehr wohl von Anfang an kritisch begleitet. Sie hat sich zuallererst erfolgreich gegen den Ostabschlag – was die Regelleistungen betrifft – eingesetzt. Sie wissen, das wurde 2006 abgeschafft. Wir haben 2005 durchgesetzt, dass die neuen Bundesländer erheblich mehr Mittel, die sogenannten SoBEZs, bekommen. Ein Jahr später haben wir erreicht, dass diese Mittel weitergezahlt werden. Auch diese Mittel sollten vom Bund abgeschafft werden. Diese zusätzlichen Mittel – das ist immerhin eine Summe von 268 Millionen Euro jährlich – geben wir, der Freistaat Sachsen, sofort an die Kommunen weiter. Wir haben uns auch gemeinsam mit unseren Kommunen – das wissen Sie – dafür eingesetzt, dass es nicht zu Massenumzügen kommt. Diese haben Sie leider immer wieder prognostiziert, und Sie haben dadurch zusätzlich Ängste geschürt.

Wir haben uns erfolgreich für einen Kinderbonus und für das Schulbedarfspaket eingesetzt, und wir haben – das zu Ihnen, Herr Dr. Pellmann – noch vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes deutlich gemacht, dass wir sehr wohl eine Überprüfung der Kinderregelsätze brauchen. Das wird im Februar sicher höchstrichterlich entschieden werden.

Lassen Sie eine Zwischenfrage zu, Frau Staatsministerin?

Ja, bitte.

Bitte, Kollege Pellmann.

Frau Staatsministerin, Sie hatten uns der schlimmen Tatsache bezichtigt, dass wir Massenumzüge herbeigeredet hätten.

(Alexander Krauß, CDU: Das stimmt!)

Ich darf Sie fragen: Sind Sie bereit, künftig dafür zu sorgen, dass wir eine stichhaltige Datenbasis darüber erhalten? Denn das, was ich bisher von der Staatsregierung erhalten habe, lässt mich zu der Bemerkung kommen, dass die Staatsregierung überhaupt nicht einschätzen kann, wie die Situation ist, weil sie sagt, sie habe keine Daten.