Ich möchte mit einem Zitat eines großen Genießers und Verbrauchers enden. Der französische Philosoph Jean Anthélme Brillat-Savarin hat gesagt: „Sage mir, wie du isst, und ich sage dir, was du bist.“
Wir fahren fort in der ersten Runde der allgemeinen Aussprache mit Frau Neukirch für die SPD-Fraktion. Frau Neukirch, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Verbraucherschutz gewinnt in der Bevölkerung eine immer größere Bedeutung. Diese Entwicklung wird von der SPD-Fraktion ausdrücklich unterstützt und befördert. Dazu gehört eben auch, dass das gestiegene Bewusstsein für Verbraucherschutz in der Bevölkerung von der Politik aufgenommen und nachhaltig in gesetzlichen Regelungen verankert wird.
Herr Fischer, wenn man Informationen zur Verfügung stellt, hat das noch nichts mit Gängelung der Verbraucher zu tun. Natürlich muss sich jeder Verbraucher selbst darum kümmern, sich zu informieren. Es heißt ja nicht, dass wir ihn verpflichten wollen, sich irgendwelche Informationen zu beschaffen. Es geht einzig und allein darum, die Informationen grundsätzlich zur Verfügung zu stellen. Das ist ein kleiner Unterschied zur Gängelei.
Der Gesetzentwurf der LINKEN geht deshalb aus unserer Sicht grundsätzlich in die richtige Richtung, springt aber letztlich zu kurz.
Warum? Schon zur Anhörung hat ein Sachverständiger gesagt, dass der Gesetzentwurf ein bisschen aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Warum ist das so? Zum einen ist es kein vollständiges Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst, sondern es ist nur auf drei Paragrafen beschränkt gewesen, durch den Änderungsantrag mittlerweile nur noch auf zwei. Von daher ist die Wirkung, die solch ein Gesetz entfalten kann, schon eingeschränkt. Wichtige Diskussionen zum Thema Verbraucherschutz konnten deshalb nicht erfasst werden.
Zum anderen – das hat Frau Bonk ausgeführt – geht der Gesetzentwurf auf die Hygieneskandale zu Beginn des Jahres 2011 zurück. Infolgedessen wurde das Verbraucherinformationsgesetz des Bundes überarbeitet. Der vorliegende Gesetzentwurf, der immer mit dem Hinweis darauf verschoben wurde, ist jetzt selbst ein wenig Opfer dieser späten Beratung geworden. Wichtige Aspekte der Diskussion konnten nicht mehr erfasst werden. Zum
anderen entfaltet das Bundesgesetz auch Sperrwirkungen für unser Landesrecht. Einige Regelungen im Landesgesetz sind deshalb hinfällig. Hier wären weitere Regelungen und Änderungen nötig gewesen, als sie jetzt schon im Gesetzentwurf zu finden sind.
Schließlich dient der vorliegende Entwurf auch nicht dazu, die Mängel, die das neue Verbraucherinformationsgesetz des Bundes hat, auszugleichen. Beispielsweise sieht das Gesetz des Bundes eine behördliche Informationspflicht nur nach Kassen- und Zeitlage vor. Darin liegt aus Sicht der Sachverständigen das eigentliche Problem, obwohl Sachsen, bundesweit gesehen, noch eine der besseren Ressourcenausstattungen in diesem Bereich hat.
Gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 4 des Bundesgesetzes kann die Information einfach unterbleiben, wenn eine Behörde nicht das Personal und die Zeit hat, die Verbraucher zu informieren. Der vorliegende Gesetzentwurf bietet hierfür keine klare und eindeutige Lösung. Sie haben auf die Haushaltsberatungen verwiesen, in die Sie die Ressourcen einstellen wollen, aber die klare gesetzliche Grundlage fehlt aus unserer Sicht.
Von daher unterstützen wir das zum Ausdruck gebrachte Anliegen, die Verbraucherrechte zu stärken. In der konkreten Umsetzung sehen wir jedoch einige Mängel, sodass wir uns enthalten werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen Abgeordneten! Lebensmittel sind aktuell so sicher wie niemals zuvor in der Vergangenheit. Mein Kollege Herr Fischer ist sehr detailliert und ausführlich darauf eingegangen. Er bezog sich dabei auch auf die Argumente, die in der Anhörung immer wieder – beispielsweise von Herrn Dr. Möckel, Präsident der Tierärztekammer – vorgetragen wurden.
In der Anhörung haben wir von den Praktikern, den Fachexperten gehört, dass es im Bereich der Lebensmittelüberwachung zurzeit mehr als 250 einschlägige Gesetzestexte gibt. Ich wiederhole noch einmal sehr deutlich: 250 verschiedene Gesetze tangieren diesen Bereich. Es steht zumindest für mich außer Frage, dass neue Regelungen und zusätzliche Vorschriften keinen sinnvollen Beitrag dazu leisten, die Bürokratie in der täglichen Praxis einzuschränken.
Die Anhörung hat sehr deutlich gezeigt: Wir sind hinsichtlich des Verbraucherschutzes seit Jahren führend. Wir sind gut aufgestellt, und zwar nehmen wir dabei im gesundheitlichen Verbraucherschutz Platz 1 ein. Es gilt an dieser Stelle all denjenigen zu danken, die dazu beitragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf bewertet die Realität offensichtlich anders als diejenigen, die in der Anhörung
als Experten befragt wurden. Der Entwurf spricht von – ich zitiere – „Defiziten im Verwaltungshandeln und deren Auswirkungen auf die Intensität der Kontrollen“. Wir sehen das anders. Wir setzen in Sachsen auf eine sehr hohe Kontrollfrequenz, bei der uns die 13 Lebensmittelüberwachungs- und die entsprechenden Veterinärämter in den Kommunen unterstützen. Sie sind fachlich gut aufgestellt und leisten eine ausgezeichnete Arbeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein wesentlicher Punkt Ihres Gesetzentwurfes ist die Aufnahme einer weiteren Aufgabe im Bereich der Lebensmittelüberwachung, nämlich der konkrete Blick in die Erzeugerbetriebe. Dabei stellt sich natürlich die Frage nach der Realitätsnähe des Vorschlages, wenn man jetzt zu den Erzeugern gehen und fragen soll, wo etwas herkommt. Das ist eine neue Aufgabe, die wir in einem Bundesland gar nicht allein lösen können, da viele Dinge übergreifend stattfinden. Sie sind darauf eingegangen, inwieweit das Problem vorhanden ist. Deshalb weisen wir noch einmal darauf hin, dass das im Alleingang überhaupt nicht zu leisten ist und keinen Sinn macht.
Des Weiteren sprechen Sie in Ihrem Gesetzentwurf das Thema Dokumentation an. Die Ergebnisse der Überwachung zu dokumentieren ist selbstverständlich. Nur so wird Transparenz ermöglicht, die uns allen, auch vonseiten der Regierung, unendlich wichtig ist. Sachsen hat auch dafür ein funktionierendes System. Auch weisen wir darauf hin, dass andere Bundesländer diese hohe Qualität erst einmal erreichen müssen. Die Änderungen, die Sie im öffentlichen Gesundheitsdienstgesetz vorschlagen, sind aus unserer Sicht keine, die in der Praxis gebraucht und die Ämter bei ihrer Arbeit vor Ort unterstützen werden.
Wir sehen eine wesentliche Steigerung im Anfall der Bürokratie. Daher sehen wir Ihren Gesetzentwurf als entbehrlich an und werden ihn ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verbraucherinformationen und deren Umfang sind nach wie vor ein politisch strittiges Thema. Das haben wir jetzt recht gut heraushören können.
Der Sozialausschuss des Sächsischen Landtages hat sich auf seiner Ausschussreise im April das Verbraucherschutzministerium in Estland angesehen. Mir wurde berichtet, dass Transparenz und Verbraucherinformation dort großgeschrieben werden und sich eine beeindruckende Eigendynamik in Gang gesetzt hat. Die Abgeordnetenkollegen waren sehr beeindruckt. Dort konnte man sehen,
Meine Damen und Herren! Unternehmen gewinnen, weil jene, die sich an die Gesetze halten und entsprechenden Aufwand betreiben, belohnt werden. Denn die anderen, die das bisher eher vernachlässigt haben, werden durch die Transparenz gezwungen, sich entweder mehr anzustrengen, oder sie riskieren aufzufliegen. Damit hat derjenige einen Vorteil, der sauber arbeitet. So entsteht letztlich ein Wettbewerb um höhere Qualität und bessere Hygiene. Unternehmen, die sich anstrengen, werden belohnt, und zwar über die Kaufentscheidung der Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren! Wir brauchen einen anderen Blick. Transparenz bedeutet nicht mehr Bürokratie, sondern bringt einen Nutzen für die Behörde und die Verbraucherinnen und Verbraucher. Das war in Estland eindrucksvoll zu sehen, hat aber leider noch keine Spuren bei unserer Koalition hinterlassen.
Der vorliegende Gesetzentwurf der LINKEN ist zwar nur ein kleiner Schritt, aber zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Dies sei an zwei Punkten festgemacht:
Erstens, noch Nr. 2 des Entwurfs. Er bezieht sich auf § 4, dem ein neuer Satz angefügt wird. Dort wird gefordert, dass das Verbraucherschutzministerium fachliche Kriterien zur Qualitätssicherung per Rechtsverordnung aufstellt. Das ist sinnvoll und wurde auch von den Praktikern in der Anhörung so gesehen.
Wir teilen allerdings nicht die Forderung, dass das Sozialministerium auch die personelle und sachliche Ausstattung der Ämter festlegt. Das würde die GRÜNEFraktion lieber im Haushaltsgesetz regeln und nicht dem Ermessen des SMS überlassen.
Zweitens, noch Nr. 3 des Gesetzentwurfes. Sie bezieht sich auf § 8. Darin geht es um die Überwachungsaufgaben der Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter und wie diese ihre Arbeit behördenintern dokumentieren und mitteilen müssen. Die Aufgaben werden ausgeweitet auf – erstens – den Verkehr von Rohstoffen für die Lebensmittelproduktion, von Lebensmitteln und von Tieren, einschließlich der Futtermittel für Tiere, und auf – zweitens – die Einhaltung der allgemeinen Kennzeichnungspflicht hinsichtlich der Erzeugerbetriebe und der auszuweisenden Inhaltsstoffe.
Meine Damen und Herren! Zentraler Bestandteil ist, dass entsprechende Dokumentations- und Mitteilungspflichten innerhalb der bzw. zwischen den zuständigen Behörden eingeführt werden. Wenn ich auf der einen Seite einen Informationszugang und auf der anderen Seite Informationsrechte und -pflichten will, dann ist es sinnvoll, dies mit Bestimmungen zu flankieren, wie innerhalb der Behörden mit diesen Informationen umgegangen werden muss. Das heißt, meine Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN stimmt dem Gesetzentwurf zu. Klar ist aber auch: Deutschland steht im Verbraucherschutz bei Weitem noch nicht dort, wo es eigentlich sein könnte.
Die Evaluation des Verbraucherinformationsgesetzes von 2010 belegt, dass das VIG zu wenig anwenderfreundlich ist und breitere Informationsansprüche verankert werden müssten. Die Novellierung bringt uns dabei leider auch nicht viel weiter. Von Transparenz sind wir noch weit entfernt. Je mehr Transparenz und Information ich habe, desto eher gibt es einen Umgang auf Augenhöhe zwischen Anbieter und Konsument. In diesem Sinne gehen wir diesen Schritt der LINKEN mit und stimmen dem Gesetz zu.
Meine Damen und Herren! Mir liegen bisher keine Wortmeldungen für eine zweite Runde vor. Ich frage trotzdem die Abg. Frau Bonk. – Damit ist die zweite Runde eröffnet. Sie haben das Wort.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Fischer, ich gebe Ihnen gern einige Antworten. Ich hoffe, dass meine Stimme ihm im Hause folgt, da er nicht im Saal ist. Ich möchte auf die Punkte, die von ihm angesprochen wurden, reagieren und einige Richtigstellungen vornehmen.
Sie haben sich auf unsere Position bezogen und uns gesagt, das System der Selbstkontrolle sei gescheitert. Das ist auch so, weil bekannt geworden ist, dass im Dioxinskandal die verursachenden Betriebe gewusst hatten, dass es sich um kontaminierte Erzeugnisse außer dem selbst in Auftrag gegebenen Test handelt. Weil diese aber keine Pflicht hatten, dies zur Kenntnis zu geben, haben sie das trotzdem in Umlauf gebracht. Doch um das zu verhindern, wollen wir die Systematik so umkehren, dass einmal gemachte Kontrollergebnisse auch der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben werden müssen. Es kann ja nicht bei den auftraggebenden Betrieben liegen, ob sie dies tun oder nicht und es in deren Ermessen liegt. Daher ist das System der Selbstkontrolle gescheitert, denn es hat nicht genügend Verbindlichkeit.
Das Berichtswesen hatte Herrn Fischer schon zu Beginn beschäftigt, nämlich die Vorstellung, wie viel man dokumentieren müsste. Doch Ihnen und Leuten, die ähnlich denken, sei gesagt: Wenn da einmal das Software-System umgestellt wird, sollte man das dann auch für mehr Transparenz nutzen. Es heißt ja, dass eine Datenbank ermöglicht, mit sehr viel weniger Aufwand den öffentlichen Zugang zur Verfügung zu stellen. Die Dokumentation – Frau Jonas hat das angesprochen – ist auch die Voraussetzung der Veröffentlichung. Das ist zwar eine Selbstverständlichkeit, aber es ist die Voraussetzung für Veröffentlichung, die wir anders halten wollen.
Es war hier angesprochen worden, dass wir hundertprozentige Transparenz wünschen. Das ist natürlich eine Überziehung. Es geht um eine sehr weitgehende Transparenz und ein sehr weitgehendes Informationsrecht, das wir anders formulieren wollen. Herrn Fischers Satz „keine Angst vorm Pökelsalz“ möchte ich durch „keine Angst
vor mündigen Verbrauchern“ ergänzen. Sie schüren ja Angst vor der Transparenz, wenn Sie sagen, die Leute könnten damit nicht umgehen. Man braucht etwas mehr Vertrauen zu den Verbrauchern selbst, aber auch zu ihren Organisationen. Dafür gibt es ja die Verbraucherzentralen und Food-Watches usw., damit diese die Informationen aufbereiten und einer öffentlichen Diskussion zuführen.
Die Ermöglichung des Informationszugangs ist nie eine Gängelung. Dadurch werden einige falsche Vorstellungen von Transparenz geschürt und verbreitet. Darauf, Frau Neukirch, habe ich schon hingewiesen, dass wir weitergehende Diskussionen führen und unser Gesetzentwurf gerade darauf nicht verzichtet, denn es gibt den Zusammenhang mit unserem Verwaltungstransparenzgesetz, in dem das aufgegriffen wird. Die Diskussion dazu ist ja auch eröffnet. Da ist die klare gesetzliche Grundlage für mehr Informationsrechte enthalten, die Sie angemahnt haben.
Ich denke schon, dass sich die Fachgesetze und das allgemeine Verwaltungstransparenzgesetz ergänzen müssen. Sie haben es als Einwand gebracht, aber ich habe das auch hier dargestellt und weise noch auf etwas anderes hin: Wir nehmen eine Harmonisierung zwischen Landesrecht und Bundesrecht durch unseren Änderungsantrag vor. Wir nehmen keine Gesetzgebungskompetenzen in Anspruch, die wir nicht haben.