Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es fällt schon manchmal schwer, sich fest in seinem Stuhl zu halten. Nicht, weil man runterfällt, sondern, weil man regelrecht wütig aufzuspringen gedenkt bei manch einem Debattenbeitrag, der gehalten wurde.
Zunächst einmal, sehr geehrter Kollege Wehner, lieber Horst, herzlichen Dank für die freundliche Zurechtweisung, und ich glaube, sowohl der Herr Staatsminister als auch ich – ich nehme Sie jetzt mal mit in Haftung für unsere Formulierung von weitgehender Barrierefreiheit oder Ähnlichem –; zumindest für mich nehme ich in Anspruch, dass ich es tatsächlich so meine, dass es um Barrierefreiheit geht, Punktum ohne Einschränkungen. In diesem Sinne herzlichen Dank für diese Richtigstellung und für diese Zurechtweisung.
Lieber Kollege Karabinski, an dieser Stelle fällt es mir etwas schwer, dich zu duzen, aber wir kennen uns lange genug. Ich bin etwas außer mir ob deiner Äußerungen. Fakt ist: Für wen wird denn dieser Landesentwicklungsplan überhaupt geschrieben? Für wen machen wir denn Raumordnung? Doch nicht für Windräder! Wir machen doch nicht Raumordnung für Straßen. Wir machen doch
nicht Raumordnung dafür, dass wir wissen, wo ein Wald anfängt und wo er aufhört, auch wenn sich manche noch immer darin befinden. Wir machen doch Raumordnung für die Menschen, die in diesem Land leben!
In diesem Fall zählen alle dazu, ob sie nun mit dem Rolli unterwegs sind, ob sie sich nur mit leichter Sprache verständigen können oder ob sie kerngesund sind und hier flugs durch den Saal schweben können wie du.
Es geht um alle Menschen. Deshalb ist es ein inklusiver Ansatz. Natürlich, es kann gar nichts anderes sein. Deshalb muss natürlich in diesem Landesentwicklungsplan auch ein entsprechender Abschnitt verankert werden. Dazu komme ich aber später noch, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir wollen Barrierefreiheit für alle. Wir wollen sie für die Mutti – oder den Vati; nicht, dass ich mir noch etwas einfange – mit Kinderwagen, mit einem breiten Kinderwagen, weil Zwillinge oder Drillinge darin liegen, genauso, wie mit einem kleinen Sportwagen. Natürlich, genau darum geht es, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Fakt ist, es geht um Zugänglichkeit zu baulichen Anlagen, zu sonstigen Anlagen, Verkehrsmitteln, technischen Gebrauchsgegenständen. Es geht um Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen etc. Die Bandbreite dessen, was mit Barrierefreiheit umfasst werden muss, ist viel breiter, als wir es uns eigentlich vorstellen. Deshalb ist die Debatte sehr wichtig, hoch aktuell und natürlich für den Landesentwicklungsplan unumgänglich.
Drollig ist an diesem Landesentwicklungsplan, dass Barrierefreiheit dann beim barrierefreien Tourismus auftaucht.
Also, da hat der raumordnerische Aspekt des Landesentwicklungsplanes die Barrierefreiheit wieder eingefangen. Selbstverständlich muss es breiter gefasst werden, als es derzeit der Fall ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir Barrierefreiheit sagen, heißt das aber auch, dass wir darauf aufpassen müssen, durch Raumordnungspolitik und durch Vorgaben des Landesentwicklungsplanes nicht zusätzliche Barrieren aufzubauen. Ich will erläutern, was ich meine.
Im Landesentwicklungsplan 2003 hatten wir für die Erreichbarkeit von Daseinsvorsorge für Einrichtungen und Dienstleistungen in Grund-, Mittel- und Oberzentren verbindliche Erreichbarkeitszeiten festgeschrieben. Dies fehlt im aktuellen Landesentwicklungsplan, mit Ausnahme der Schülerbeförderung; dazu haben wir noch Verbindlichkeiten drin, aber ansonsten fehlen sie.
Wir sind klar der Auffassung, dass wir diese auf der Grundlage der ÖPNV-Erreichbarkeitszeiten wieder
einführen müssen. Klare, verbindliche Zielsetzungen, damit tatsächlich für alle – mit Rolli, ohne Rolli, mit Kinderwagen, ohne Kinderwagen, Erwachsene, Kinder, in Grundzentren, in Oberzentren – Grundversorgung und auch höherwertige Versorgung – dieser Begriff ist auch noch auszuformulieren – Daseinsvorsorge verbindlich erreicht werden kann, weil uns jeder Mensch in Sachsen – egal, wo er wohnt, in welcher Ecke Sachsens oder in welchem Oberzentrum – gleich viel wert sein muss.
Das ist Aufgabe der Landesentwicklungspolitik in Sachsen. Deshalb ist das Thema Barrierefreiheit außerordentlich wichtig, auch für den Landesentwicklungsplan.
Lieber Enrico, du hast ja nun schon gestanden, dass wir uns schon sehr lange kennen, deswegen werde ich dich auch duzen. Ich möchte noch einmal kurz darauf verweisen, was ich gesagt habe. Natürlich ist Barrierefreiheit wichtig, keine Frage. Aber wichtig ist, dass sie umgesetzt wird. Es ist völlig unnötig, sie als Ziel im Landesentwicklungsplan festzuschreiben,
denn es ist geltendes Recht. Es ist viel wichtiger, sie auch tatsächlich umzusetzen. Darüber müssen wir uns Sorgen machen.
Es ist natürlich nicht schädlich, als Ziel die allgemeine Barrierefreiheit festzuschreiben; schädlich ist es nicht. Aber es ist auch nicht notwendig. Viel wichtiger ist, dass wir dafür sorgen, dass in den Städten und Gemeinden, dass überall im Land Sachsen die Barrierefreiheit umgesetzt wird. Daran müssen wir arbeiten und nicht darum streiten, wie und wo wir was im Landesentwicklungsplan als Satz festhalten.
Herr Stange, Sie können auf die Kurzintervention antworten; dazu haben Sie jetzt Gelegenheit, bitte.
zehn Jahre festgeschrieben ist und darin Ziele und Grundsätze für die Landesentwicklung formuliert sind.
Sofern Barrierefreiheit nicht erreicht ist, gehört sie selbstverständlich als Zielsetzung in diesen Landesentwicklungsplan hinein. Wozu sonst sollten wir Ziele im Landesentwicklungsplan formulieren?
In diesem Sinne finde ich es etwas tragisch, wenn es aus – vielleicht – ideologischen Gründen – aus welchen Gründen, das sollten wir später noch einmal eruieren –, so zwingend abgelehnt wird; denn dann müsste man konsequenterweise dafür sein, auch den barrierefreien Tourismus zu streichen. Dann erwarte ich von der FDP einen solchen Antrag.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nur noch einmal auf zwei Punkte hinweisen. Zum einen der ernstgemeinte Hinweis, an welcher Stelle im Verfahren wir uns befinden, und dass wir natürlich auch aufgrund dieser Anregung diskutieren werden. An dieser Stelle an den Kollegen Stange der Hinweis, dass ich denke, Ideologie spielt zumindest bei den demokratischen Fraktionen in diesem Themenfeld keine Rolle.
Als zweiten Punkt möchte ich anmerken, dass wir unsere Erwartungen in dieser Richtung nicht übersteigern dürfen; denn eines ist klar: Der Landesentwicklungsplan kann eine entsprechende Fachgesetzgebung nicht ersetzen.
Der Landesentwicklungsplan ersetzt kein Schulgesetz oder anderes, insofern muss man dort ein wenig aufpassen, nicht zu viel hineinzuinterpretieren. Auch der Kollege Karabinski hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir uns über eine Möglichkeit Gedanken machen, wie wir das Thema Barrierefreiheit in stärkerem Maße im Landesentwicklungsplan verankern können. Was wir natürlich prüfen müssen, ist, inwiefern wir dem entsprechenden Ziel, nämlich Verbesserungen im Bereich der Barrierefreiheit zu erzielen, damit wirklich gerecht werden können.
Es gibt noch eine weitere Wortmeldung. Frau Kliese, bitte; Sie haben noch zweieinhalb Minuten Redezeit.
haben, persönlich sehr versöhnlich stimmt mit dieser Debatte, weil ich es gut finde, dass überhaupt darüber nachgedacht wird, an welchem Punkt wir das aufnehmen können, und weil ich ernsthaft das Gefühl habe, dass das Thema und die Art und Weise der Verankerung im Entwicklungsplan wirklich ernstgenommen wird. Das finde ich sehr schön.
Wenn ich mir Ihre sehr absurde Argumentation, Herr Karabinski, zu eigen mache, dass das Thema nicht notwendig, aber auch nicht schädlich ist im Landesentwicklungsplan, dann frage ich mich natürlich, warum Sie sich dermaßen dagegen sträuben, wenn es doch nicht schadet.
Wenn Sie sagen, Sie wollen die Barrierefreiheit vorantreiben, weil es Ihnen ein wichtiges Thema ist, dann frage ich mich, warum Ihre Fraktion alle Anträge, die es bisher zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention gab, abgelehnt hat.
Das ist für mich wenig glaubwürdig. Ansonsten freue ich mich, dass wir immerhin in einen Diskurs gekommen sind, der nicht mit einer völligen Verweigerungshaltung, vom FDP-Beitrag abgesehen, zusammenhing. Wir können nun ernsthaft in eine Debatte darüber einsteigen und beginnen, dieses Thema im Landesentwicklungsplan nicht als Last, sondern als große Chance zu empfinden, zumal wir eines der beiden Bundesländer sind, die keine Umsetzung für die UN-Behindertenrechtskonvention vorgesehen haben.