Protocol of the Session on May 9, 2012

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Ich rufe Frau Jonas für die FDP-Fraktion auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mir bleibt leider nur noch eine Minute, aber dennoch möchte ich es nicht versäumen, noch einmal klar zusammenzufassen. Auch für unsere Fraktion ist völlig bindend, dass die UNKonvention über alle Maßnahmen hinweg die absolute Gültigkeit hat. Barrierefreiheit bedeutet auch für uns nicht nur bauliche Aspekte, sondern umfasst alle Hilfsmittel, die Menschen brauchen, um an unserer Gesellschaft teilzuhaben. Es geht um die Strukturdiskussion. Wo muss es explizit aufgeführt werden? Kann man es noch konkreter benennen? Vielleicht wird die Anhörung noch einmal darauf eingehen. Auch die Bildungsmaßnahmen, die Perspektiven, die Schulsituation – all das ist von der Barrierefreiheit tangiert. Es stellt sich nicht die Frage: Gilt es oder gilt es nicht? Es gilt die UN-Konvention für uns alle.

Beim Blick auf den Landesentwicklungsplan empfehle ich jedem, selbst zu schauen, wie sein Wahlkreisbüro barrierefrei zu erreichen ist – damit meine ich nicht Sie, Herr Wehner –, wie man selbst mit Medien umgeht. Die

Tagesordnung gibt uns heute noch einmal Anlass, konkreter auf das Thema zu schauen und einen Bereich der Behinderung herauszugreifen. Also werte Kollegen: Wo sind Stufen? Wo passt ein Kinderwagen rein? Wo passt er nicht rein? Damit meine ich auch nicht den großen ERollstuhl.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das war die zweite Runde. Ich würde noch eine dritte Runde eröffnen. Gibt es noch Redebedarf? – CDU? – Die Linksfraktion hat noch Redezeit. Herr Stange, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will ganz kurz noch ergänzen, wo wir uns vorstellen könnten, im Landesentwicklungsplan einen solchen Abschnitt „Barrierefreies Sachsen“ mit Zielen und Grundsätzen einzuführen. Dort könnten wir diese Anforderungen, die wir miteinander diskutieren – ich finde auch gut, dass wir das bei den demokratischen Fraktionen übergreifend in Angriff nehmen –, aufnehmen: wie die Zugänglichkeit zur baulichen Umwelt gestaltet sein soll, welche Anforderungen, Ziele und Grundsätze wir da formulieren wollen. Wie wollen wir Informations- und Kommunikationstechnologien in Sachsen entsprechend den Zielen etablieren? Damit hat sowohl die Regionalplanung umzugehen als auch selbstverständlich die Kommunen.

Im Übrigen sind die Stellungnahmen der Kommunen auch davon geprägt, klarer zu entwickeln, was wir mit Barrierefreiheit meinen könnten und wie man das umsetzen kann. Das gilt selbstverständlich auch für den Straßenverkehr und für den ÖPNV. Es geht nicht nur darum, Erreichbarkeitszeiten verbindlich festzuschreiben, sondern auch die Fahrzeuge barrierefrei zu gestalten, nicht nur für den Rolli oder für den Kinderwagen, sondern auch für Menschen mit Seh- und Hörbeeinträchtigung. Das heißt für mich barrierefreies Sachsen. In diesem Sinne sollten wir aus dem Landesentwicklungsplan tatsächlich einen Plan für Inklusion und Barrierefreiheit in Sachsen machen. Nach dieser Diskussion – mit einem Ausrutscher – bin ich sehr hoffnungsfroh, dass wir da einen wesentlichen Schritt weiterkommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Redebedarf der Abgeordneten kann ich nicht mehr erkennen. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, Sie möchten das Wort ergreifen. Dazu haben Sie jetzt Gelegenheit.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Gern will ich aus Sicht der Staatsregierung zumindest ein paar Aspekte aus dieser Aktuellen

Debatte aufgreifen und dafür Sorge tragen, dass das eine oder andere klargestellt wird.

Herr Stange, zum Schluss war es etwas versöhnlicher, am Anfang war von Ihnen einiges zu vernehmen. Dazu möchte ich deutlich sagen, wir haben gerade den Prozess des Landesentwicklungsplanes so angelegt, dass es eine breite Bürgerbeteiligung gibt und damit die Menschen im Lande in dieser ersten Runde tatsächlich aufgerufen gewesen sind, Anregungen, Hinweise und Bedenken vorzutragen. Sie wissen das, aber ich will es noch einmal aussprechen: Es ist für mich als zuständigen Fachminister ein Erfolg, wenn wir 1 200 Stellungnahmen erhalten haben. So eine starke Beteiligung haben wir nicht erwartet. Mehr als die Hälfte davon ist von Bürgerinnen und Bürgern und von Bürgerinitiativen gekommen. Deshalb fühlen wir uns darin bestätigt, dass eine frühzeitige Bürgerbeteiligung nicht nur sinnvoll, sondern notwendig ist. Wir wollen alle Menschen einbeziehen und nicht an ihnen vorbeiplanen.

(Hanka Kliese, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Insofern gilt das selbstverständlich auch für die Menschen mit Behinderung.

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, gern.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Ich möchte gern von Ihnen wissen, ob Sie bei diesen Anhörungen, an denen Sie die Bürgerinnen und Bürger beteiligt haben, Gebärdendolmetscher zur Verfügung gestellt haben, damit es auch gehörlosen Menschen möglich war, an diesem Prozess teilzuhaben.

Wir haben die Möglichkeit der schriftlichen Stellungnahme eingeräumt. Insofern ist der Weg für alle Menschen gegeben, sich an diesem Prozess zu beteiligen.

Herr Wehner, ich will gern zur Einstellung der Staatsregierung, was dieses Thema betrifft, noch ein paar Worte sagen. Barrierefreiheit ist ein Ziel der Staatsregierung. Das noch einmal grundsätzlich und allgemein, weil dazu ein paar Worte gefallen sind. Menschen mit Behinderung soll eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht werden. Das steht bei uns seit 2004 im Sächsischen Integrationsgesetz. Dabei geht es neben dem Abbau von menschlichen Barrieren auch um den Abbau von baulichen Hürden. Welche Möglichkeiten vorhanden sind, hat Oliver Fritzsche gesagt. Das will ich nicht weiter vertiefen.

Ich würde gern noch auf die Möglichkeiten und die Grenzen des Landesentwicklungsplanes eingehen.

(Enrico Stange, DIE LINKE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage?

Ja, selbstverständlich, Herr Stange.

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister. Ich will kurz nachfragen, weil ich es nicht genau mitbekommen habe: In welcher Form ist der Entwurf des Landesentwicklungsplanes blinden Menschen zur Beteiligung zur Verfügung gestellt worden?

Wir haben den Plan in elektronischer Form zur Verfügung gestellt, das wissen Sie, und über das Internet die Möglichkeit eingeräumt, damit einen breiten Zugang zu diesem Thema zu ermöglichen.

(Stefan Brangs, SPD: Eine klare Aussage wäre hilfreicher gewesen!)

Herr Staatsminister, Herr Stange hat eine Nachfrage. Lassen Sie sie zu?

Ja.

Herr Stange, Sie haben jetzt noch einmal die Gelegenheit, eine Nachfrage zu stellen. – Das wollen Sie nicht. Dann bitte ich Sie, Herr Staatsminister, mit der Rede fortzufahren.

Noch einmal dazu, was der Landesentwicklungsplan regeln kann und wo seine Grenzen sind: Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist ausgeführt worden, dass der Landesentwicklungsplan ein Raumordnungsplan ist. Es geht also darum, im Landesentwicklungsplan räumliche Entwicklungen in einem groben Maßstab vorzugeben. Deshalb gibt es im Landesentwicklungsplan, Frau Herrmann, ein Leitbild, welches dem Landesentwicklungsplan vorgeschaltet ist. Der Landesentwicklungsplan selbst ist aber kein Leitbild im klassischen Sinn, sondern die räumliche Festsetzung und Ordnung. Deshalb ist so etwas wie ein barrierefreier Zugang zu Gebäuden oder ÖPNV nicht Regelungsgehalt des Landesentwicklungsplans.

Er ist aus meiner Sicht nicht das geeignete Instrument, um im Detail zu regeln. Das ist die Aufgabe der konkreten Fachebenen. Das gilt, Herr Stange, übrigens auch für verbindliche Vorgaben. Wir haben uns dazu schon einmal unterhalten. Die Stellungnahme des Landtages wird entsprechend in die Entscheidung der Staatsregierung einfließen. Mir ist es wichtig, deutlich zu machen, dass das Angelegenheiten der Fachplanung sind.

Es gibt jedoch im Rahmen des Beteiligungsverfahrens das Anliegen, dieses Thema noch intensiver zu behandeln. Da könnte zum Beispiel eine Verankerung von Barrierefreiheit als eine Art übergeordnetes Ziel in diesem Raumordnungsplan eine Möglichkeit sein,

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

dass man zum Beispiel in Abschnitt 3, Kapitel 1.1.1., das „Grundsatz mit Appellcharakter“ heißt, bei der räumlichen Einordnung darüber nachdenkt. Zum Beispiel wird auf barrierefreien Zugang zu baulichen oder sonstigen Anlagen, Verkehrsmitteln, Kommunikationseinrichtungen usw. hingewirkt. Das ist also eine theoretische Möglichkeit, um den Einstieg zu finden und bei Erläuterungen und Ergänzungen in der Begründung – gegebenenfalls auch in den Begründungen der relevanten Fachkapitel – über diesen Themenkomplex noch einmal intensiver nachzudenken.

Ich will noch einmal sagen, was wir nicht wollen: Es soll nicht zu Doppelregelungen kommen. Es soll nicht dazu kommen, dass wir hinter den konkreten fachlichen Regelungen zur Barrierefreiheit zurückbleiben. Das sind Angelegenheiten, die der konkreten Fachplanung vorbehalten sind. Dort gehören sie auch hinein.

Zusammengefasst: Es liegen im Innenministerium zu diesem Thema im Rahmen des jetzt anstehenden Prozesses viele Stellungnahmen, Hinweise und Bedenken vor. Wir werden alle Anregungen sorgfältig prüfen. Am Ende werden Sie bei unserem überarbeitetem Entwurf sehen, wie wir mit diesem Thema umgegangen sind.

Herzlichen Dank.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Stange, Sie möchten garantiert vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen?

100 Punkte.

Das dürfen Sie.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Staatsminister, die Linksfraktion hat sehr wohl zur Kenntnis genommen, dass es bei dem Onlinebeteiligungsverfahren von Bürgerinnen und Bürgern aus dem Freistaat Sachsen eine große Beteiligung zum Landesentwicklungsplan gab. Wir sehen das auch als richtigen Weg an, Bürgerinnen und Bürger zunehmend barrierefrei, barrierearm an solchen Verfahren zu beteiligen – erstens.

Zweitens: Ich nehme mit Freude zur Kenntnis, dass im Staatsministerium sicherlich nicht nur aufgrund dieser Aktuellen Debatte, sondern auch aufgrund dieser Aktuellen Debatte die Erkenntnis gereift ist, dass man in einem Papier, das vornehmlich der Raumordnung dient, auch übergreifende Zielsetzungen der Landesentwicklungspolitik formulieren kann, so wie wir es uns bei der Barrierefreiheit vorstellen.

Herzlichen Dank, Herr Staatsminister.

(Vereinzelt Beifall bei der Fraktion DIE LINKE)

Herr Staatsminister, möchten Sie noch einmal darauf antworten? – Das ist nicht der Fall.