Anerkennung für Eltern – da meine ich alle Eltern – sieht anders aus. Anerkennung für Eltern heißt, Familien und deren Ansprüche wahrzunehmen, die Lebenswelt von
Eltern und deren Kindern zu berücksichtigen, um damit ein gedeihliches Entwickeln aller Familienmitglieder zu ermöglichen.
Wie sehen Familien heute aus? Sie sind stark von der Erwerbstätigkeit der Frauen und Männer und atypischen Arbeitszeiten beeinflusst. Sie sind multilokal, das heißt, Eltern haben lange Arbeitswege, müssen pendeln, Kinder haben lange Schulwege; und es gibt eine Trennung von Schlaf- und Arbeitsvierteln. Familie ist geprägt von der Pluralisierung der Lebensformen. Es gibt Trennungen und Scheidungen, Ein-Kind-Familien und Alleinerziehende. Es gibt problematischer werdende Teilgruppen von Kindern und Jugendlichen. Es gibt zum Teil sehr ungünstige finanzielle Rahmenbedingungen; ich rede von Kinderarmut, von benachteiligten Lebenslagen, von sozialer Ausgrenzung, von sogenannten Sozialhilfekarrieren, und es gibt regionale Ungleichheiten. Es gibt soziale Polarisierung, Familien im Speckgürtel einerseits und kinderlose Zonen oder Kinder in sozialen Brennpunkten andererseits.
Ergebnis dieser komplexen Situation sind sich immer wieder ändernde Alltags- und Lebensverläufe. Wenn man Eltern fragt, was sie brauchen, was ihnen helfen kann und was Anerkennung bedeuten würde, dann sagen sie, dass sie mehr Zeit und eine andere Organisation der Arbeit brauchen, damit sie familienkompatibel ist. Entsprechende Arbeitnehmerrechte sind notwendig. Sie brauchen ein individuelles Recht auf Teilzeitarbeit ohne Vorbehalt und das Rückkehrrecht auf Vollzeitarbeitszeit. Sie brauchen die Förderung des Wiedereinstiegs, Mobilität, Infrastruktur für Bildung, Kultur, Freizeit, Ganztagsschulen und eben auch Elternbildung. Elternbildung brauchen alle Eltern, nicht nur die, bezüglich derer man sagt, dass sie sozial benachteiligt seien. Alle Eltern können überfordert oder ratlos sein. Dafür braucht es entsprechende Anlaufpunkte. Sie brauchen Freizeitstätten, flexible Behörden usw. Besonders betonen möchte ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Mit diesen Rahmenbedingungen kann eine Gesellschaft ihre Familienfreundlichkeit zeigen und die Leistungen aller Eltern anerkennen.
Zurück zum Betreuungsgeld: Es wird gesagt, Betreuungsgeld sichere Wahlfreiheit. Das ist eine Farce, denn wir wissen, dass das derzeit nicht umsetzbar ist. Was erzählen Sie der jungen Frau, die nach einem Jahr wieder arbeiten gehen möchte, die gut ausgebildet ist, aber noch am Anfang ihres Arbeitslebens steht, deswegen also niedrig entlohnt ist, sich deswegen auch keine Nanny leisten kann, aber eben auch keinen Krippenplatz bekommt? Sie soll sich mit 150 Euro als Anerkennung für ihre Leistung freuen? Sie muss gegen ihren Willen zu Hause bleiben, weil kein Krippenplatz vorhanden ist. Damit wird das Betreuungsgeld zu einem Freikaufen von Rechtsanspruch. Das ist keine Wahlfreiheit.
Manche Eltern wiederum haben aus anderen Gründen keine Wahl – oder eben nur die zum Betreuungsgeld: Sie sind so arm, dass sie jeden Zipfel greifen, der etwas mehr Haushaltsbudget ermöglicht. Zum Beispiel die Alleinerziehende mit ihrem großen Armutsrisiko, die aus Not das
Kind aus der Kita abmeldet, damit es zum Leben reicht, dabei aber vereinsamt und das Kind vielleicht mit ihr.
Was ist mit Hartz-IV-Familien? Diese werden sich für das Betreuungsgeld entscheiden, weil sie es brauchen. Ergebnis ist aber der Ausschluss von Bildung und Netzwerken, die familienstützend und kinderfördernd sein könnten.
Es gibt eine Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung zur Zukunft der Arbeit, das das Thüringer Erziehungsgeld evaluiert hat. Hier wird gesagt: Vor allem geringverdienende und alleinerziehende Mütter pausieren damit länger. Gerade bei Alleinerziehenden gibt es das Problem, dass sie oft nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen können oder nur ein 400-Euro-Job infrage kommt. Die würden dann wegen des Geldes zu Hause bleiben, nicht, weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil die Rahmenbedingungen etwas anderes nicht ermöglichen. Langfristig werden die Chancen auf dem Arbeitsmarkt so immer schlechter – eine schlimme Spirale, die weder den Eltern noch den Kindern hilft. Das heißt, das Betreuungsgeld hat zusätzlich Fehlanreize und negative Effekte.
Noch perfider finde ich jedoch jene Überlegungen, die besagen, dass Eltern, die Hartz IV erhalten – denen im Übrigen das Elterngeld schon auf Hartz IV angerechnet wird –, das Betreuungsgeld – wenn es denn käme – nicht ausgezahlt wird. Hier werden plötzlich die falschen Anreize wieder eingeräumt. Diesen Eltern wollen Sie wiederum, die Sie diese Ansicht vertreten, keine Wahl lassen. Damit wird doch aber gesagt, dass deren Erziehungsleistung weniger wert sei. Das ist doch in gewissem Maße ungerecht. Es unterscheidet Eltern in Eltern erster und zweiter Klasse. Inzwischen sagen auch Verfassungsschützer, dass sie das höchst bedenklich finden.
Was ist mit den Eltern, die arbeiten gehen, jedoch aufgrund des sehr niedrigen Einkommens aufstockende Sozialhilfe erhalten? Bei denen sich vielleicht die Oma um das Kind kümmert? Die erhielte auch kein Betreuungsgeld. Auf der anderen Seite haben wir aber wirtschaftlich bessergestellte Eltern, die wieder arbeiten gehen wollen, sich gegen ein staatliches Angebot entscheiden, dafür aber für die Nanny entscheiden und trotzdem das Betreuungsgeld zusätzlich bekommen. Warum soll hier eine freie Entscheidung gegen ein staatliches Angebot subventioniert werden? Der Verdacht drängt sich dann auf, dass man hofft, dass die Eltern sich selbst kümmern, damit Krippenplätze gar nicht erst beantragt werden. Andere hegen den Verdacht der Klientelpolitik, die Unterscheidung in gute und schlechte Eltern mit und ohne Wahl. Ich sage, das ist angesichts der damit verbundenen Kosten unhaltbar und angesichts der negativen Effekte höchst fahrlässig.
Schließlich muss man fragen: Wo bleiben denn die Wahl der Kinder und deren Bedürfnisse? Kitas sind für die Kinder Tore zum Leben, auch wenn bestimmte Grundlagen fehlen. Ich verweise auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das besagt: Alle Kinder – auch die aus sozial benachteiligten Familien – brauchen Zugang zu
Das ist im Übrigen auch dem Bundesfamilienministerium nicht neu. Es gibt Studien dazu, in denen eingeräumt wird, dass der gesamtwirtschaftliche Effekt einer Ganztagsbetreuung, speziell für Kinder von Alleinerziehenden, von höchster Bedeutung ist, dass sich die Schulleistungen von Kindern Alleinziehender mit Ganztagsbetreuung rasant verbessern können, der Anteil derer, die aufs Gymnasium gehen könnten, sich von 36 auf 62 % steigern ließe. Das heißt, frühkindliche Betreuung hat gerade für Kinder von Alleinziehenden positive Auswirkungen, da unter anderem das Armutsrisiko, von dem Alleinerziehende überdurchschnittlich häufig betroffen sind, durch eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung gesenkt werden kann.
Eine andere Studie weist zudem einen kompensatorischen Effekt der institutionellen Kinderbetreuung auf die soziale Betreuung der Kinder nach. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass der Unterschied bei sozialen Kompetenzen von zwei- bis dreijährigen Kindern von Müttern ohne Sekundarabschluss oder Berufsausbildung und Müttern mit Hochschulabschluss um 21 % sinkt, wenn beide Kinder gleichlang den Kindergarten besuchen.
Aber auch Eltern wissen diese Unterstützung der Kita in ihrem Elternsein zu schätzen. Es gibt eine Elternbefragung in Dresden zu den Wünschen der Eltern. Es war sehr interessant. Natürlich wünschen sie sich eine qualifizierte Kitabetreuung. Sie wünschen sich flexible und bedarfsgerechte Öffnungszeiten. Aber bemerkenswert ist: Sie wünschen sich eben den Dialog mit den Fachkräften, dass es Eltern-Erzieher-Gespräche gibt und dass sie in den Kitas in Erziehungs- und Bildungsfragen Unterstützung bekommen. Das ist erwünscht und wird eingefordert. Das kann natürlich nur ein qualifiziertes Fachpersonal in den Kitas umsetzen.
Zu den bildungspolitischen Effekten kommen auch gleichstellungspolitische. Die OECD hat festgestellt, dass Frauen in Deutschland überdurchschnittlich oft in Teilzeitbeschäftigung arbeiten und dass es ein höheres Lohngefälle gegenüber den männlichen Beschäftigten gibt. Das Betreuungsgeld verstärkt auch hier diese Anreize. Es wurde nachgeprüft, wie das Betreuungsgeld in den skandinavischen Ländern gewirkt hat. Auch hier wird gesagt: Es wirkt geschlechtsspezifisch und eben zulasten der Frauen. Die Position von Frauen in der Gesellschaft wird insgesamt geschwächt. Die ungleiche Arbeitsteilung zwischen Eltern verstärkt sich. Das Einkommen von Frauen sinkt, weil die Frauen aufgrund des Betreuungsgeldes eher ihre Erwerbsarbeit und ihr Erwerbseinkommen verringern.
Zum Abschluss: Wenn man sich diesen Wust aus Problemen, Fehlanreizen, Ungerechtigkeiten usw. anschaut, kann man doch zu keinem anderen Schluss kommen, als die Pläne zum Betreuungsgeld einzustampfen und stattdessen zielgenau im Bereich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu agieren und Finanzen und Anstrengungen darauf zu fokussieren.
Sachsen hat hier immer noch große Reserven. Sie wissen, der Rechtsanspruch auf den Kitaplatz für 2013 ist noch lange nicht umgesetzt. Wenn es einen Rechtsanspruch gibt, muss dieser befriedigt werden. Darauf zielt der letzte Punkt unseres Antrages. Ich freue mich jetzt sehr auf die Diskussion. Ich appelliere an Offenheit, nicht an Lagerdenken, und vielleicht kann man sich hier ausnahmsweise einmal treffen.
Das war für die einbringende Fraktion DIE LINKE Frau Werner. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Krauß.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Man kann sich sehr gern mit uns treffen, insbesondere wenn Sie bereit sind, ein wenig dazuzulernen. Dann kann es in der Tat dazu kommen, dass wir uns an einer guten Stelle treffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Einstieg in die Diskussion hat mich doch etwas gewundert, wenn darüber gesprochen wird, als ob es beim Betreuungsgeld um Wahlkampf geht. Wenn das gerade eine Wünsch-dir-wasPartei sagt, die jeden Monat hier im Plenum das Blaue vom Himmel herunter verspricht,
Das Thema Betreuungsgeld ist etwas, was die Union schon relativ lange bewegt. Das ist nicht erst gestern in das SGB VIII hineingekommen, sondern unter SchwarzRot. Es steht jetzt im Koalitionsvertrag und soll umgesetzt werden. Das ist, glaube ich, der richtige Schritt. Wir reden hier über den Zeitraum vom ersten bis zum dritten Lebensjahr des Kindes, wo die Eltern entscheiden sollen, ob sie einen Krippenplatz haben wollen oder das Betreuungsgeld in Anspruch nehmen möchten. Das ist auch nicht nur ein Kernanliegen der CSU, wenn gesagt wird, ein kleiner Teil der CDU wäre dafür. So ist das falsch.
Es steht im Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands. Es steht im Grundsatzprogramm der CDU Sachsens, und ich kann nur sagen: Schauen Sie sich einmal die Umfragen an. Der „Stern“ hat eine Umfrage gemacht. Die Mehrheit, 52 % derer, die es betrifft, sind für das Betreuungsgeld. Auch das darf man einmal zur Kenntnis nehmen.
Dann gibt es immer die hochgelobten nordischen Staaten. Wir reden über Finnland oder Norwegen. Schauen wir uns diese doch einmal an. Die haben das Betreuungsgeld.
Diejenigen, die sonst immer Vorbild sind, haben das Betreuungsgeld. Kann es nicht sein, dass das auch einmal eine ganz gute Einrichtung ist?
Ich sage auch einmal: Wir hier in Sachsen haben auch das Betreuungsgeld. Wir nennen es derzeit nur Landeserziehungsgeld.
Natürlich, das haben Sie richtig erkannt. Ich habe Ihnen vorhin auch dargelegt, dass die große Mehrheit der CDU dafür ist. Natürlich darf man auch kritische Punkte benennen. Auch das ist doch in Ordnung, auch in unserer Partei. Aber die große Mehrheit ist für dieses Betreuungsgeld. Das bleibt festzuhalten. Wir wollen, dass das auf Bundesebene umgesetzt und eingesetzt wird, damit nicht nur Familien in Sachsen, sondern auch andere Bundesländer davon profitieren, dass die Union regiert.
Wir wollen das Betreuungsgeld, weil wir Wahlfreiheit wollen. Wir wollen, dass die Eltern frei wählen können: Wollen sie, dass ihr Kind in die Krippe geht? Wollen sie, dass das Kind zur Tagesmutter geht, oder wollen sie, dass das Kind zu Hause erzogen wird?
Der Staat soll das nicht vorschreiben. Der Antrag unterstellt ein Gegeneinander von Krippe, Tagespflege und Zuhause. Darum geht es uns nicht. Wir wollen kein Entweder-oder haben. Wir wollen beides. Wir wollen, dass es mehr Krippenplätze gibt, und auf der anderen Seite wollen wir ein Betreuungsgeld haben – kein Gegeneinander.
Herr Krauß, ich habe mir nicht getraut, heute über das Thema zu reden. Aber da Sie als Mann jetzt das Wort ergreifen, würde ich Ihnen gern eine Frage stellen. Sagen Sie einmal: Könnten Sie sich vorstellen, dass wir als LINKE niemandem vorschreiben wollen, auf welche Weise er sein Kind erzieht? – Es ist durchaus eine Freiheit gegeben.
Herr Bandmann, dass Sie keine Vorstellungskraft haben, wissen wir. – Können Sie sich das vorstellen? Können Sie sich dann vorstellen, dass wir aber der Auffassung sind, wenn es denn schon die freie Wahl gibt und geben sollte, dass die nicht noch finanziell honoriert werden muss?
Herr Kollege Pellmann, zuerst einmal einleitend: Bei uns ist es üblich in Sachen Familienpolitik: Wir sind gleichstellungspolitisch schon ein wenig weiter als Sie, und dass nicht nur Frauen