Heike Werner
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Recht vielen Dank. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzende einer Kreistagsfraktion könnte ich viele Gründe in dem Antrag finden, die Ihnen die Legitimation absprechen, für die sächsischen Kommunen zu reden. Ich kann aufgrund der Kürze der Zeit nur betonen, welchen Schaden Sie anrichten.
Nächste Woche werden Sie wieder Ihre Anti-Asyltour starten
und Bürgerinnen und Bürger mit Ihrer rassistischen Hetze belästigen. Damit schädigen Sie die Kommunen in dem Bemühen um ein friedliches Zusammenleben.
Ich möchte die Gelegenheit offiziell nutzen, um zu sagen: Sie sind in den Kommunen nicht willkommen.
Ihr Antrag ist unlogisch, er ist falsch, er ist mit allerlei rassistischem Mist angereichert. Das entspricht ganz der Qualität eines Wahlprogramms der NPD. Bitte besprechen Sie dies auf Ihren Parteitagen. Diskutieren Sie dies dort.
Vergeuden Sie hier nicht unsere Zeit.
Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Frau Staatsministerin Clauß, Anerkennung, Wertschätzung, Verlässlichkeit für starke Familien in Sachsen – das sind große Worte. Ich glaube Ihnen, Frau Staatsministerin, dass Sie diese in Ihrer Zeit als Sozialministerin gern gefüllt hätten. Das ist Ihnen nicht gelungen, und das ist nicht allein Ihre Schuld; denn Familienpolitik ist ein Querschnittsthema. Sie brauchen Ihre Kolleginnen und Kollegen im Kabinett,
sie brauchen alle Abgeordneten Ihrer Fraktion und natürlich einen Ministerpräsidenten, der dieses Thema zur Chefsache macht. All dies war nicht der Fall.
Schauen wir auf die letzten vier Jahre und betrachten wir, wie sich Familien entwickelt haben. Beziehungen sind vielfältiger als für einige hier vielleicht vorstellbar, die Beschreibungen erst recht. Wir haben Alleinerziehende, Geschiedene mit neuem Partner, Patchworkfamilien, Regenbogen- und quere Familien, Ehepaare, Lebensgemeinschaften, Polyamore, Nichtverheiratete, alles in homo-, bi- und heterosexuellen Konstellationen, mit Haus und getrennten Wohnungen, mit Alters-WGs usw.
Die Privilegierung einer dieser Lebensformen ist darum schon lange nicht mehr zeitgemäß. Der Staat hat sich gegenüber der Entscheidung der Einzelnen, wie sie leben und lieben möchten, neutral zu verhalten. Deshalb sagt DIE LINKE, für sie ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von Trauschein, sexueller Orientierung oder der Form, in der sie zusammenleben. Förderung gehört für uns dahin, wo Kinder und Pflegebedürftige sind, und nicht dahin, wo ein Trauschein vorliegt.
Deshalb fordern wir auch konsequent die Abschaffung des Ehegattensplittings; denn nicht der Gang zum Standesamt soll belohnt werden, sondern gedeihliches Aufwachsen von Kindern und die Betreuung von Angehörigen müssen gefördert werden.
Wir glauben, hier hat der Staat einzuspringen, zu unterstützen, aber doch nicht bei gut gehenden kinderlosen Haushalten. Mit den gesparten 20 Milliarden Euro – das ist die derzeitige Ehesubvention – könnte viel erreicht werden.
Um Ihnen noch einmal die Ungerechtigkeiten aufzuzeigen: Ehepartner ohne Kinder haben ein Pro-KopfEinkommen von 1 640 Euro. Dagegen haben gleichaltrige verheiratete Paare mit Kindern 600 Euro weniger ProKopf-Einkommen. Der Wohlstand liegt bei Ehepaaren mit Kindern, bei denen die Frau unter 35 Jahren ist, 13 % unter dem eines kinderlosen Ehepaares, und der Wohlstand kinderloser Ehepaare mittleren Alters, also 35 bis 45 Jahre, übersteigt den Wohlstand eines durchschnittlichen Ehepaares mit Kindern um 50 %. Sie sehen, das ist eine absolut unsinnige Transferleistung.
Trotzdem wollen Sie, Frau Staatsministerin Clauß, daran festhalten bzw. ein Familiensplitting einführen, das aber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ebenso schlechte Noten bekommen hat, besonders eben wegen der Gerechtigkeitslücke, da Geringverdiener zwar
300 Euro mehr im Jahr hätten, Bezieher hoher Gehälter bekämen aber bis zu 866 Euro mehr. Familien, die Hartz IV beziehen, hätten gar nichts von diesem Modell, sie würden gar kein zusätzliches Einkommen bekommen. Wiederum ist es ein Modell nur für Ehepaare.
Warum eigentlich? Da hilft uns ein Blick auf das Familienbild der CDU. Da kann man Herrn Flath sehr dankbar
sein. Er hat ganze Aufklärungsarbeit geleistet und uns erläutert, wo er die besondere Bedeutung der Ehe sieht. Ich zitiere ihn: „Die Ehe ist nicht nur hergeleitet aus den christlichen Traditionen und der christlichen Kultur, sondern es geht eben auch darum, nicht nur für das Leben Verantwortung füreinander zu übernehmen, sondern die Ehe ist schon rein biologisch auch angelegt durch Frau und Mann. Sie ist auch auf Nachwuchs und Kinder angelegt. Deshalb findet sie Erwähnung in der Verfassung, und zwar an ziemlich zentraler Stelle.“
Herr Flath stellt nicht in Abrede, dass auch in gleichgeschlechtlichen Gemeinschaften vieles gut und richtig gemacht wird. Man solle sich aber einmal vorstellen, es würden alle in unserer Gesellschaft in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben. Dann wäre es um die Zukunft wahrscheinlich schlecht bestellt. Deshalb hält es Herr Flath für gerechtfertigt, die Ehe zu privilegieren.
Wie aber ist das wirkliche Leben, Herr Flath? 34 % aller Lebendgeburten erfolgen von nichtverheirateten Müttern. In den neuen Bundesländern liegt diese Zahl sogar bei 62 %. Schauen wir auf die Familienformen mit minderjährigen Kindern in Sachsen: 53 % leben bei Ehepaaren; 2011 lag die Zahl noch bei 66 %. 22 % leben bei Eltern ohne Trauschein. Die Zahl lag 2011 noch bei 14 %. 25 % sind bei alleinerziehenden Familien. Das waren 2011 noch 20 %. Das heißt, fast jedes vierte Kind lebt in einer alleinerziehenden Familie, etwa 15 % in Stief- und Patchworkfamilien, und diese drei Familienformen nehmen tatsächlich zu.
Na ja, egal, sagt die CDU, Garant für gutes Aufwachsen sei, wenn es eine Mutter und einen Vater als Ehepaar gibt. Finden wir hier nicht ein etwas verklärtes Bild der Kleinfamilie? Wo finden denn unter anderem Missbrauch und Gewalttaten statt? Was sind denn Kriterien für gelingende Beziehungen? Für mich sind das unter anderem Zuverlässigkeit und liebevolle Zuwendung. Da muss ich fragen: Ist denn der misshandelnde biologische Vater besser als die zweite soziale Mutter?
74 % der Bundesbürger waren übrigens für die Gleichstellung homosexueller Partnerschaften. Auch da musste die CDU wieder zum Jagen getragen werden. Leider ist es so, dass man bei der CDU Alleinerziehende auch gern einmal als unvollständige Familien bezeichnet. Nicht nur, dass dadurch die Lebensleistung abgewertet wird, es ist einfach auch falsch. In der Lebenswirklichkeit bilden sich andere stabile Netzwerke, und Freunde und Nachbarn werden zur Familie. Ich erwarte von Ihnen Wertschätzung für alle Lebensformen, in denen Menschen füreinander Verantwortung übernehmen.
Kommen wir zur finanziellen Seite: Schauen wir uns das einmal an und stellen gleich die Frage nach der Verlässlichkeit der Staatsregierung in dieser Legislaturperiode. Nehmen wir einmal die Zuschüsse für Familienbildungsmaßnahmen einschließlich Familienerholung. Hier gibt es leider keine allzu große Lobby. Beispielsweise wurden die wenigen aktiven Familienverbände durch die restriktive Finanzierung nach und nach ins Abseits gedrängt. Ich
denke dabei an den VAM oder den Katholischen Familienverband. Oder diese arbeiten rein ehrenamtlich, wie SHIA oder der Deutsche Familienverband, was natürlich die Einflussnahme deutlich erschwert.
Am Anfang der Legislaturperiode standen also im oben genannten Titel noch 1,85 Millionen Euro im Haushalt. Dann hatten wir den Absturz auf 423 000 Euro. Hier hat sich der Titel gerade einmal auf 1 Million Euro erholt. Wir wissen alle, dass das ein Tropfen auf den heißen Stein ist, wenn man weiß, wie gerade diese Maßnahmen für Familien in Not von enormer Bedeutung sind. Hier werden kinderreiche Familien oder Familien mit niedrigem Einkommen, alleinerziehende Mütter und Väter sowie Familien mit behinderten Familienangehörigen bei der Finanzierung des Urlaubs unterstützt.
Das gepriesene Landeserziehungsgeld nahm einen ähnlichen Verlauf. Durch die Absenkung der Beträge und die Veränderung der Förderbedingungen seit 2011 wurden vor allem Familien mit niedrigem Einkommen, Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern betroffen, wobei ich betonen möchte, dass wir das Landeserziehungsgeld ähnlich dem von Ihnen beschworenen Betreuungsgeld für ein völlig falsches Mittel halten; denn manche Eltern haben keine Wahl oder eben nur die eine für das Betreuungs- oder Landeserziehungsgeld. Diese sind so arm, dass sie jeden Zipfel greifen, der etwas mehr Haushaltsbudget ermöglicht. Sie melden deshalb ihre Kinder aus den Kitas ab – verheerend, wenn man doch weiß, wie wichtig diese erste Bildungseinrichtung gerade auch für Kinder aus schwierigen familiären Zusammenhängen ist.
Das Bonner Institut „Zukunft Arbeit“ hat das Thüringer Erziehungsgeld evaluiert, das dem unseren sehr ähnlich ist. Sie sagen auch: Vor allem geringverdienende und alleinerziehende Mütter pausieren damit länger. Gerade bei Alleinerziehenden ist das Problem, dass für sie oft nur eine Teilzeitbeschäftigung oder ein 400-Euro-Job infrage kommt. Sie bleiben dann wegen des Geldes zu Hause, nicht weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil die Rahmenbedingungen eben etwas anderes nicht ermöglichen. Langfristig werden aber so die Chancen auf dem Arbeitsmarkt immer schlechter; eine schlimme Spirale, die weder den Eltern noch den Kindern hilft. Der Effekt dabei ist immer der Ausschluss von Bildung und Netzwerken, die familienstützend und kinderfördernd sind. Mit solch einer Politik wird die soziale Spaltung zwischen Familien vorangetrieben.
Was ich noch nicht benannt habe, sind Faktoren, die außerdem für Familien existenznotwendig sind und wo die Verlässlichkeit der Staatsregierung sehr zu wünschen übrig ließ. Eine lose und natürlich unvollständige Aufzählung: ein viel zu geringer Betreuungsschlüssel in den Kitas, Zugangskriterien für Kinder arbeitsloser Eltern, sodass diese keinen Anspruch auf einen finanzierten Ganztagsplatz in der Bildungseinrichtung Kita haben – zehn von dreizehn Kreisen haben welche, da dies nach dem Sächsischen Kita-Gesetz nicht verboten ist – die
Abschaffung des kostenlosen Vorschuljahres, die Schließung von Schulen, ein untragbarer Unterrichtsausfall, Kürzungen bei der Jugendpauschale mit direkten Auswirkungen auf das Kultur- und Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche vor Ort.
Der Wirtschaftsminister kappt mal schnell die Landesgelder für den Kommunal-Kombi. Der Kampf gegen Mindestlohn. Das Geld für öffentlichen Nahverkehr im ländlichen Raum wird lieber in Großprojekte und Straßen gesteckt. Dann nützen die gepriesenen Ganztagsangebote in den Schulen gar nichts. In der letzten Anhörung im Schulausschuss hat ein Elternvertreter sehr deutlich beschrieben, wie sich Eltern heute nachmittags um ihre Kinder sorgen, da die Wahrnehmung von Ganztagsangeboten oder anderen Freizeitangeboten gerade im ländlichen Raum durch den fehlenden ÖPNV gar nicht mehr möglich ist.
Zurück zur Verlässlichkeit: Verlässlich werden Sie immer, wenn sich Landtagswahlen nähern. Dann gibt es plötzlich die Geschenke aus heiterem Himmel, werden bunte Bänder durchschnitten oder es erfolgen Verkündigungen, wie heute von Frau Staatsministerin Clauß, und Sie preisen die tollen Familien. Viele sind es auch, aber das trotz Ihrer Politik. Familien, die heute stark sind, sind es besonders, wenn sie auf die eigene Kraft, das eigene Netzwerk vertrauen können.
Jürgen Liminski beschrieb es in seinem Buch „Familienpolitik in Deutschland: Trotz hoher Ausgaben nur wenig erfolgreich?“ so: Familien überleben, weil sie Synergieeffekte nutzen, weil sie sparsamer einkaufen, weil sie vielfach nicht in den Urlaub fahren, während die kinderlosen Doppelverdiener drei- und viermal fahren, weil die Großeltern helfen – der private Transfer der Älteren auf die jüngere Generation beläuft sich mittlerweile auf 30 Milliarden Euro pro Jahr –, weil sie billigeren Wohnraum suchen, weil sie das Kindergartengeld sparen, weil sie mit zusätzlichen Jobs ein Zubrot verdienen, weil sie keine zweite Lebensversicherung für die Altersvorsorge abschließen, weil sie nicht ins Theater oder Kino gehen, weil sie kein Handy haben oder nur eines mit begrenzten Sprechzeiten, weil sie Restaurants nur von außen kennen, weil, weil, weil.
Damit nähern wir uns dem nächsten Thema: sozial benachteiligte Eltern und Kinder bzw. Kinderarmut. Hier erinnere ich mich sehr leidvoll an die Diskussion zu unserem Antrag zur Bekämpfung von Kinderarmut. In der Debatte gelang es leider nicht, mit Ihnen dazu eine sachliche Debatte zu führen. Stattdessen hat Herr Krauß lauter Pappkameraden aufgestellt bzw. sich die Welt zurechtgebogen, nur um sich nicht ernsthaft mit dem Anliegen beschäftigen zu müssen.
Es ist ja auch schwierig, Herr Krauß, sich einzugestehen, nach 20 Jahren CDU-Regierung 26 % Kinderarmut in Sachsen aufzuweisen und damit in Deutschland Rang 5 der Negativliste einzunehmen. Der Höhepunkt war Ihr Satz beim Thema Kinderarmut „Jeder kümmert sich zuerst um sich.“ Das ist eine Frechheit angesichts der
Kinder, eine Frechheit angesichts der Eltern, die trotz schwieriger Rahmenbedingungen immer wieder versuchen, ihren Kindern einen guten Einstieg ins Leben zu geben.
Nur bei Armut sind die Ressourcen eben begrenzt. Außerdem bezeichneten Sie es als ungerecht, wenn mit unserer Forderung nach der Einführung einer Kindergrundsicherung Eltern, die als Krankenschwester oder Fabrikarbeiter arbeiten und nur sehr geringe Löhne erhielten – hier zumindest ein Erkenntnisgewinn –, nun genauso viel Geld erhielten wie arbeitslose Eltern. Da kann man nur sagen: Nichts verstanden! Denn wir sprechen hier von einer sozialen Kindergrundsicherung, die – wie der Name es schon sagt – eine ökonomische Grundsicherung für Kinder darstellt.
Im Übrigen verschweigt die CDU dann gern, dass heute bei hohen Einkommen die maximale Entlastung aufgrund von Kinderfreibeträgen – das trifft, denke ich, auch auf viele hier zu – bei 280 Euro liegt, währende das Kindergeld beim Fabrikarbeiter- und Krankenschwestern-Kind nur bei 184 Euro liegt. Da frage ich mich: Wie sieht es dann mit der Anerkennung und Wertschätzung aus?
Kommen wir zu Familien in anderen schwierigen Situationen: Lassen Sie mich die Gruppe der Alleinerziehenden herausgreifen und hier meinen Kollegen Herrn
Dr. Pellmann zitieren: „Alleinerziehende gehören auch in Sachsen weiterhin zu den Verlierern von Hartz IV. Während es bei den Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften seit einigen Jahren zu einem zumindest statistisch ausgewiesenen Rückgang kam, trifft das auf Alleinerziehende nicht zu. Ende 2012 waren in Sachsen 39 000 Alleinerziehende auf Arbeitslosengeld II angewiesen, nur geringfügig weniger als Ende 2009. Ende Mai waren die Zahlen sogar um fast 1 000 auf 40 000 gestiegen. Das waren fast 60 % aller Alleinerziehenden hier in Sachsen.“
36 % der Alleinerziehenden mit Arbeitslosengeld waren erwerbstätig und mussten wegen zu niedriger Einkünfte beim Jobcenter ergänzende Leistungen beantragen.
Vor diesem Hintergrund erwarten wir von Ihnen endlich ein spezielles arbeitsmarktpolitisches Förderprogramm für Alleinerziehende, an dem sich der Freistaat aktiv beteiligen muss, anstatt das Schicksal dieser Familien weiterhin dem Selbstlauf zu überlassen.
Man muss sagen: Inzwischen hat auch die Staatsregierung das Problem erkannt, aber aus einem ganz anderen Grund. Die Staatsregierung hat eine Studie von Prognos anfertigen lassen, wie Alleinerziehende Zugang zur Arbeitswelt finden. An einem guten Tag würde ich sagen: Gut, dem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Aber aus meiner Sicht ist heute kein guter Tag. Ich muss sagen, ich finde es einfach nur zynisch.
Seit Jahren beten wir und beten Ihnen die Verbände, insbesondere die Alleinerziehenden-Verbände, dieses Thema immer wieder vor. Bisher war das ein einsames Rufen. Nun plötzlich, weil Ihnen die Arbeitskräfte ausge
hen, beginnen Sie zu handeln. Erst haben Sie das Potenzial der Frauen gesehen und nun plötzlich das Potenzial der alleinerziehenden Frauen. Ich sehe hier weder Wertschätzung noch Anerkennung der individuellen Ansprüche jedes einzelnen Menschen auf Entwicklung und Entfaltung.
Zu den Ergebnissen der Studie – Zitat –: „Allerdings sind alleinerziehende Mütter in Sachsen unabhängig vom Alter ihres jüngsten Kindes deutlich seltener erwerbstätig als in Partnerschaft lebende Mütter, was auf spezifische Erwerbsbarrieren trotz des breiten Betreuungsangebotes hindeutet.“ Festgestellt wird, dass in Sachsen der Wunsch nach Vollzeitarbeitsplätzen besonders hoch ist. Angesichts eines geringen Lohnniveaus sind diese Alleinerziehenden für eine spürbare Verbesserung ihrer finanziellen Situation auf eine umfassende Erwerbstätigkeit angewiesen. Es gibt auch Lösungsvorschläge in Richtung Kinderbetreuung, Qualifizierung, Beratung usw., und die Staatsregierung wird aufgefordert, Geld dafür in die Hand zu nehmen. Zitat: „Wenn nur ein Drittel des zusätzlichen Arbeitskraftpotenzials durch geeignete Maßnahmen erschlossen werden kann, würden sich die zusätzlichen Einnahmen der öffentlichen Haushalte durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge und durch die Einsparung von SGB-IILeistungen in Sachsen auf jährlich rund 170 Millionen Euro belaufen.“
Ich kann nur sagen: Das sollten wir uns merken. Das ist doch eine schöne Aufgabe für eine rot-rot-grüne Regierung dann ab Sommer hier in Sachsen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist natürlich die Bildungspolitik. Soziale Herkunft als Entscheidung über Bildungswege – lange wurde das geleugnet. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket wurde zwar endlich dieser Zusammenhang erkannt, aber das entsprechende Gesetz war ein Gräuel. Eltern wurden als nicht verantwortlich abgestempelt, stattdessen ein Gutscheinsystem installiert und dadurch ein riesiger Bürokratieapparat aufgebaut. Kinder und Jugendliche bleiben weiterhin in ihren Bildungswegen eingeschränkt, da Lernhilfe nur gewährt wird, wenn ein Kind versetzungsgefährdet ist, aber nicht, um in eine höhere Schulform oder zu einem besseren Abschluss zu gelangen. Das haben wir immer abgelehnt und forderten stattdessen eine bessere Ausstattung der Bildungs- sowie Kinder-, Jugend- und Freizeiteinrichtungen insgesamt.
Nun haben wir das Bildungs- und Teilhabepaket, aber leider hat auch hier das SMS aus unserer Sicht versagt – und das unter den lachenden Augen des Finanzministers. Die Fach- und Weisungsaufsicht lag bei den Ländern. Durch Nichtstun sind im hohen zweistelligen Millionenbereich Bundesgelder in die allgemeinen Haushalte der sächsischen Kommunen geflossen, die eigentlich für den Bereich Prävention benachteiligter Kinder und Jugendlicher notwendig gewesen wären. Da hat sich der Finanzminister weiter gesundgespart. Nur auf wessen Kosten?
Der Bericht des SMS über die Entwicklung der Hilfen zur Erziehung in Sachsen vom Dezember 2012 kommt
nämlich für Sachsen zu folgendem Ergebnis: Eine überdurchschnittliche Fallzahlsteigerung fand seit 2006 in der Erziehungsberatung und in der Sozialpädagogischen Familienhilfe statt. In der stationären Erziehungshilfe hingegen sind zwar die Fallzahlen aufgrund des Geburtenrückganges insgesamt gesunken, jedoch steigen sie bei den Null- bis Zwölfjährigen kontinuierlich an. Im Jahr 2010 mussten die sächsischen Kommunen mehr als 182 Millionen Euro für Hilfen zur Erziehung aufwenden. Das heißt übersetzt: Es gibt mehrere tausend Familien in Sachsen, die eine bessere Familienpolitik benötigen, damit ein Heimaufenthalt für die Kinder gar nicht erst nötig wird. Mit frühen Hilfen, Kindeswohlnetzwerken und Familienhebammen allein ist es nicht getan. Wir brauchen Vorsorge statt Nachsorge. Wir als LINKE wollen deshalb mehr Angebote der Familienbildung und Prävention in der Kindertagesbetreuung und den konsequenten Ausbau der Schulsozialarbeit.
Sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß, in Ihrer Rede ist viel von Kindern und Eltern zu hören gewesen, kaum bis gar nichts von Frauen und Männern. Deshalb lassen Sie uns noch einmal über das Leitbild moderner Familienpolitik reden. Ja, es braucht Zeit, Geld und Infrastruktur. Aber bei Ihnen fehlte der gleichstellungspolitische Ansatz ganz. Die CDU setzt eben vor allem auf die Ehe als Leitbild für eine stabile Lebensgemeinschaft.
Dem ordnen sich Ihre familienpolitischen Maßnahmen unter.
DIE LINKE steht für eine gleichstellungsorientierte Familienpolitik, das heißt, gleichwertige Entwicklungsbedingungen für jeden Einzelnen unter Berücksichtigung der verschiedenen Voraussetzungen zu sichern, und dies unabhängig von der Lebensform, in der der Mensch lebt. Das bedeutet zum Beispiel, Menschen eine vom Partner unabhängige Existenzsicherung zu gewährleisten. Das bedeutet die Möglichkeit für Väter, einen höheren Anteil an der Betreuungsarbeit zu leisten. Das schließt die Bekämpfung sozialer Ungleichheit ein, aber auch die Möglichkeit für Menschen mit Behinderung, ihren Kinderwunsch umzusetzen. Das können Sie mit Ihrem veralteten und starren Familienbild einfach nicht leisten.
Deshalb, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, sehr geehrte Frau Staatsministerin Clauß, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, konnte Ihnen in der sächsischen Familienpolitik der große Wurf in dieser Legislatur nicht gelingen. Ich denke, da sollten jetzt andere ran.
Herzlichen Dank.
Leider reicht die Zeit nicht, um wirklich auf alle Fehler und Unterstellungen, die Sie hier gebracht haben, einzugehen. Deswegen von mir nur ein paar wenige Worte.
Zunächst etwas zum Wohlstand. Ich habe verschiedene Zahlen zitiert, um die unsinnige Transferleistung des Ehegattensplittings darzustellen und zu zeigen, dass die Gelder viel sinnvoller für andere Dinge verwendet werden können.
Zu den Alleinerziehenden. Das war ja genau meine Kritik. Die Studie, die die Staatsregierung in Auftrag gegeben hat, hieß ja nicht „Alleinerziehende wollen erwerbstätig sein. Wie können wir Alleinerziehende dabei unterstützen?“. Die Studie hieß „Wir haben einen Arbeitskräftemangel, wir haben einen Fachkräftemangel, wir haben ein demografisches Problem. Wie können wir mehr Fachkräfte heben und wie kann das Potenzial alleinerziehender Frauen da am besten genutzt werden?“. Das war genau meine Kritik, dass eben nicht die Entfaltungsmöglichkeiten der Frauen im Vordergrund standen, sondern nur die Frage, wie hier Arbeitskräfte am besten gehoben werden können. Diese Kritik richten Sie also bitte an die Staatsregierung.
Außerdem ist es wirklich eine Frechheit, was Sie über die Familienverbände sagen. Ich weiß nicht, ob Sie in den Gesprächen dabei sind.
Genau, er hält sich seinen eigenen Familienverband. Genau so ist das, Herr Krauß.
Die Gespräche, die ich mit Familienverbänden geführt habe, gehen in eine ganz andere Richtung. Sie sagen nicht, es ist alles gut, sondern im Gegenteil, dass die Probleme immer größer werden. Wenn Sie sich im Land umhören, dann hören Sie es doch allerorten. Die Probleme für Familien werden immer komplexer. Wenn Familien in eine schwierige Situation gekommen sind, dann kommen sie aus diesem Moloch kaum noch heraus. Die Familienverbände laufen vielleicht nicht Amok, das ist ein Begriff von Herrn Pellmann, aber sie sind immer wieder hier und sagen: Dies oder das muss unbedingt angegangen werden, damit Familien im Land ein gutes Auskommen haben. Die Familienverbände haben sich also nicht
zurückgezogen, weil hier alles gut ist, im Gegenteil, die Probleme sind größer geworden. Familienverbände mussten sich zurückziehen, weil die Finanzierung unheimlich schwierig ist. Die wenigen Familienverbände, die noch ihre Arbeit leisten können, sind entweder von der Kirche getragen, die das unterstützen kann, oder es sind Frauen und Männer, die tatsächlich im Ehrenamt nicht nur drei oder vier Stunden,
Schreien Sie bitte nicht ganz so.
sondern zehn bis 20 Stunden in der Woche agieren, um Alleinerziehende zu unterstützen. Das sollten Sie endlich
einmal zur Kenntnis nehmen und entsprechend wertschätzen und nicht mit so einem Quatsch hier auftreten.
Danke schön. – Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Drei Jahre Bildungs- und Teilhabepaket gehen gen Ende. Ich denke, eine objektive Evaluation ist angesichts des Anlasses dringend notwendig, nämlich der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts, dass in unserem reichen Land Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien nicht die gleichen Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten haben wie andere Kinder, angesichts des großen Versprechens der Bundesregierung, endlich Kinder und Jugendliche aus dem Teufelskreis vererbter Chancenarmut herausholen zu wollen, und auch angesichts der enormen Summen, die in diesem Zusammenhang vom Bund geflossen sind.
Wir wollen heute einen Teilaspekt herausgreifen, nämlich die Umsetzung der Schulsozialarbeit aus den vom Bund bereitgestellten Mitteln, weil das aus unserer Sicht eines der wenigen wirklich sinnvollen Projekte des Bildungs-
und Teilhabepakets war und leider Ende dieses Jahres ausläuft.
Zunächst aber erst einmal etwas Grundsätzliches: DIE LINKE war sehr skeptisch beim Bildungs- und Teilhabepaket, und ich denke, rückblickend gibt es uns recht. Das Bundesverfassungsgericht hat die zu geringen Regel- und Bedarfsleistungen für Kinder und Jugendliche gerügt. Statt aber die Regelsätze zu erhöhen, wurde ein Bedarfsantragsverfahren geschaffen, dessen Bestandteile nicht einmal bei der Hälfte aller Kinder und Jugendlichen, die Anspruch hätten, ankommt, also dort, wo es nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichtes hingehören
sollte. Warum es dazu kam, dazu sage ich gleich mehr.
Aber das Ergebnis ist offensichtlich. Es unterbricht nicht diese von Frau von der Leyen gemalte Spirale vererbter Chancenarmut. Da kann sich auch Sachsen als sogenanntes Spitzenland nicht herausreden. Wir sind genauso schlecht wie alle anderen Länder, was den Zusammenhang von Sozialem und Bildung angeht.
Aus unserer Sicht ist das Bildungs- und Teilhabepaket nicht zu reformieren. Die Mittel müssen in eine vernünftige finanzielle Absicherung von Kindern umgelenkt
werden, und sie müssen in eine institutionelle Förderung, also in Bildungs- und Jugendhilfeinfrastruktur, gelenkt werden.
Ein Teil des Bildungs- und Teilhabepaketes kam dem nahe. Das war die Schulsozialarbeit. Wie ist nun das Ergebnis? – Schauen wir zunächst nach Sachsen. Jetzt kommt ein Beispiel: 2012 wurden vom Bund Mittel für das Bildungs- und Teilhabepaket im engeren Sinne, also Mittagessen, Teilhabe, Lernförderung, in Höhe von 18 Millionen Euro nicht verwendet. Etwas höher dürfte der Betrag auch 2011 gewesen sein. Dieses Geld musste im Übrigen nicht zurückgezahlt werden, sondern es verschwand in den Haushalten der Kommunen. Das wird es ab 2013 nicht mehr geben. Dann muss direkt abgerechnet werden.
Noch einmal anders sah es und sieht es bei der Schulsozialarbeit aus. Hier wurden den Kommunen die Gelder für drei Jahre gegeben, ohne dass entsprechend beim Bund abgerechnet werden musste. Fasst man das also zusammen, gab es drei Jahre zusätzliche Zuweisungen durch den Bund an die Kommunen, also knapp 38 Millionen Euro nicht abgerufene und nicht zurückzuzahlende Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket plus 50 Millionen Euro ungefähr – wir haben keine ordentliche Evaluation – Mehreinnahmen für Schulsozialarbeit, die auch nicht dafür verwendet wurden. Das ergibt fast 90 Millionen Euro, die in drei Jahren aus unserer Sicht zweckentfremdet wurden.
Wir sagen deutlich: Wir geben die Schuld in dem Zusammenhang nicht den Kommunen. Sie sind in größten finanziellen Nöten. Sie haben ein unterfinanziertes Sozial- und Bildungssystem. Sie sind ständig gezwungen zu therapieren und zu kompensieren. Sie werden mit den steigenden Kosten bei den Hilfen zur Erziehung alleingelassen. Sie werden alleingelassen mit einer verfehlten Bildungspolitik, die aussondert, die Schulabbrecher und Schulverweigerer produziert, und sie haben die gekürzte Jugendpauschale. Da bleibt eben kein Geld für Prävention. Es geht allein in die Pflichtaufgabe Reparatur und sonstige Defizite.
Aber es gab auch einen anderen Grund, warum die Leistungen bei den Leistungsberechtigten nicht ankamen: zum Teil bürokratische Hürden oder falsche inhaltliche Setzungen. Einfach war das beim Mittagessen, bei Schulausflügen usw. Da geht es zum Teil schon ohne Antragstellung. Es gab zum Teil auch schon zusätzliche Angebote, also sozusagen zusätzliche Entlastungen der Kommunen.
Ganz schwierig sieht es aber bei Lernförderung und kultureller und sozialer Teilhabe aus. Ich kann hier nur die Zahlen für meinen Landkreis nennen. Wir haben 10 000 Berechtigte. 7 000 haben irgendwie die Leistungen wahrgenommen. Wir sind in Sachsen auch Vorreiter. Aber für die Bewilligung von Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben konnten allein 1 500 Anträge bewilligt werden. Bei der Lernförderung waren es sogar nur 232 Anträge. Man muss dazusagen, dass in Sachsen auch die
höchsten Ablehnungsquoten für die Lernförderung bestehen.
Jetzt muss ich noch einmal sagen, was die große Leitidee war, nämlich Perspektiven durch Bildung und Teilhabe zu eröffnen. „Damit packen wir das Problem vererbte Chancenarmut erstmals an der Wurzel. Statt wie das Gießkannenprinzip einfach mehr Geld auszuzahlen, gehen wir mit dem Bildungspaket den neuen Weg der gezielten Investition in die Fähigkeiten und soziale Integration der Kinder.“ Schaut man sich aber die Zahlen an, so wird klar: Es ist ein Bildungspaket ohne Bildung. Hier zeigt sich, institutionelle Sicherstellung ist notwendig, nämlich Investition in Bildungs- und Jugendhilfeinfrastruktur.
Das war auch immer unser Anliegen. Deshalb haben wir die Schulsozialarbeit sehr begrüßt. Inhaltlich wurde in den letzten Wochen hier im Landtag schon viel darüber diskutiert. Deshalb will ich nur ganz kurz etwas dazu sagen. Schulsozialarbeit kann, wenn sie flächendeckend existiert und entsprechend ausgestattet ist, potenziell alle Kinder und Jugendlichen zeitnah erreichen – und zwar bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist – und dann als Scharnierfunktion zwischen Schule, Elternhaus und Jugendhilfe agieren.
Wir haben wunderbare Erfahrungen gemacht, zum Beispiel mit unserer Grundschule in Markkleeberg. Leider hätten wir das beinahe wieder verloren. Sehr viele Schulen kamen eben nicht in diesen Genuss zusätzlicher Schulsozialarbeit. Diese geringe Umsetzung der Schulsozialarbeit aus den Mitteln des Bildungs- und Teilhabepaketes ist aus unserer Sicht dem Versagen der Staatsregierung zuzuordnen.
Die Schulsozialarbeit konnte 2011 – dafür kann die Staatsregierung nichts – kaum umgesetzt werden. Dazu war sie zu kurzfristig. Aber was die Schulsozialarbeit aus 2012 und 2013 angeht, muss man sagen, dass sie wenig bis gar nicht umgesetzt wurde. Auch dafür kann ich nur unseren Landkreis als Beispiel nehmen, weil hier ebenfalls die Evaluation fehlt.
Von den jährlich 1,2 Millionen Euro, die für Schulsozialarbeit möglich gewesen wären, wurden 2012 und 2013 jeweils 500 000 Euro für zusätzliche Schulsozialarbeit eingestellt,
und das übrigens auch gegen eine CDU und FDP im Kreistag. Für 2011 wurden die 1,2 Millionen Euro in den allgemeinen Haushalt eingespeist. Andere Landkreise – soweit ich das jetzt erfahren konnte – haben aus diesen zusätzlich zur Verfügung stehenden Mitteln in der Sächsischen Schweiz fünf Stellen, in Görlitz auch fünf Stellen, in Leipzig 16 zusätzliche Stellen eingerichtet. Soweit ich weiß, gab es in Nordsachsen und Mittelsachsen gar keine zusätzliche Aufstockung der Schulsozialarbeit.
Diese Mehreinnahmen, die die Kommunen bekamen, flossen in die kommunalen Haushalte. Das heißt, 50 Millionen Euro wurden zweckentfremdet – faktisch
auch mit Aufforderung der Staatsregierung. Die hat nämlich bei Nachfragen den Kommunen ans Herz gelegt, dass es den Landkreisen und den kreisfreien Städten obliegt, über die Verwendung der Mittel, die sie vom Bund in Form der Bundesbeteiligung erstattet erhalten, zu entscheiden. Das umfasst auch die Entscheidung, ob sie diese für Schulsozialarbeit nutzen.
Ich muss sagen, wegen dieses Briefes wäre bei uns beinahe die Aufstockung der Schulsozialarbeit im Landkreis gescheitert. Wie gesagt, ich sehe nicht die Schuld bei den Kommunen. Die haben versucht, darüber ihre Haushalte zu sanieren bzw. die fehlende Finanzierung durch das Land zu kompensieren. Wir sind aber der Meinung, dass die Fachaufsicht und das Weisungsrecht beim Freistaat lagen. Das hat ihm der Bund übertragen, und die Staatsregierung hat das nicht wahrgenommen. Es gab zwar so ein paar Empfehlungen auf 17 Seiten, die aber mit Konjunktiven gespickt waren und auf denen zum Teil sogar unterschiedliche Ansichten der Ministerien dokumentiert wurden. Sie waren also der Hilfe überhaupt nicht wert. Auf eine Aktualisierung warten die Kommunen seit einem Jahr.
Es gibt aber auch andere Beispiele. Nordrhein-Westfalen beispielsweise hat eine Arbeitshilfe verfasst und diese auch großzügig im Sinne der Kinder und Jugendlichen ausgelegt. Diese gemeinsame Arbeitshilfe der beiden beteiligten Ministerien umfasst 119 Seiten. Inzwischen gibt es eine 5. Auflage. Unsere Staatsregierung war nicht ein einziges Mal wirklich aktiv; das einzige Mal jetzt, da es um die Weiterführung und Sicherstellung des Mittagessens im Hort geht. Es wurde aber auch keine Verordnung oder Ähnliches erlassen, sondern man hat sich ein Kooperationsmuster ausgedacht, das Schulen und Horte miteinander eingehen sollen. Das heißt, das Land hat keine Rechtssicherheit geschaffen, sondern wieder die Verantwortung in die Kommunen gelegt. Es gab dazu auch eine Anfrage in der Bundesregierung. Diese hat noch einmal klipp und klar gesagt: Die Entscheidungsverantwortung liegt bei den Aufsicht führenden Ländern.
Aber – wie gesagt – die Staatsregierung gibt die Verantwortung an die Kommunen ab einschließlich entsprechender bürokratischer Verfahren.
Das Land ist also seiner Verantwortung nicht gerecht geworden. Das zeigt sich auch in der Beantwortung der Anfragen der Opposition zu der Schulsozialarbeit. Sie wurden immer liebloser bis gar nicht beantwortet. Das erweckt den Eindruck, dass Ihnen die Schulsozialarbeit eigentlich egal gewesen ist. Auch hier muss ich wieder sagen, dass es eben auch andere Möglichkeiten gibt, und ich möchte aus der Arbeitshilfe von Nordrhein-Westfalen zur Schulsozialarbeit zitieren. Dort steht: „Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Förderung der Schulsozialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes zusätzliche Angebote finanzieren soll. Es ist zu verhindern, dass bestehende Angebote der Jugend- und Schulsozialarbeit aus Bundesmitteln refinanziert werden. Zum Nachweis der Mittelverwendung im Bereich der Schulso
zialarbeit im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepaketes ist es erforderlich, die Umsetzung im Rahmen der Zielsteuerung zu begleiten und die Ausgaben in diesem Bereich kontinuierlich zu dokumentieren. Deshalb ist die Mittelverwendung im Einzelnen nachzuhalten. Zu diesem Zweck erhebt das Ministerium regelmäßig Umfang und Inhalt der Umsetzung von Schulsozialarbeit bei den Kreisen und kreisfreien Städten.“ Es folgt ein Hinweis auf einen Meldevordruck.
Das Ministerium in Sachsen sagt: Keine Verpflichtung, keine Zweckbindung, keine Informationspflicht. Es obliegt den Kommunen zu entscheiden.
Wohlgemerkt, beides ist rechtssicher. Darum die Frage: Wem war es wirklich ernst?
Ich muss sagen, das Verhalten der Staatsregierung im Bundesrat legt wiederum nahe, dass es der Staatsregierung nicht ernst war. Es gab eine Bundesratsinitiative verschiedener Bundesländer zur Entfristung der Bundesfinanzierung und damit zur Weiterfinanzierung durch den Bund, um die Infrastruktur, die aufgebaut wurde, nicht aufs Spiel zu setzen. Sachsen hat dem im Bundesrat nicht zugestimmt. Thüringen hat zwar auch nicht zugestimmt; aber die haben sich dazu bekannt, dass es eine Aufgabe des Landes ist. Sie haben zusätzlich 18 Millionen Euro für die nächsten zwei Jahre zur Verfügung gestellt, um Sozialarbeit nach dem Auslaufen von BuT und ESF tatsächlich sicherstellen zu können. Sachsen hat weder das eine noch das andere gemacht.
Der Antrag fand im Bundesrat eine Mehrheit. Die Eilbedürftigkeit wurde festgestellt. Das heißt, demnächst wird im Bundestag darüber entschieden. Wir hoffen natürlich sehr auf eine Mehrheit im Bundestag. Das ist aus unserer Sicht die letzte Lösung. Es hätte bessere Lösungen gegeben. Wir haben als LINKE im Bundestag entsprechende Anträge für eine dauerhafte Finanzierung von Schulsozialarbeit eingebracht. Dafür gab es leider keine Mehrheit. Auch die Oppositionsparteien haben hier im Landtag Anträge eingebracht, die keine Mehrheit fanden. Deswegen müssen wir jetzt auf diesen Antrag im Bund hoffen.
Ich kann jetzt nur an GRÜNE und SPD den Auftrag mitgeben, dass sie vielleicht darauf hinwirken können, dass in den Koalitionsverhandlungen die Sicherstellung der Schulsozialarbeit einen hohen Stellenwert bekommt.
Wir werden der Beschlussfassung im Bundestag dann nicht im Wege stehen. Allerdings glauben wir sehr, dass im Koalitionsvertrag entsprechende Verpflichtungen für die Länder damit einhergehen müssen, sodass sich die Länder nicht weiter herummogeln können und tatsächlich die Mittel, die aus dem Bund für Kinder und Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien zur Verfügung gestellt werden, bei diesen Kindern ankommen und nicht in irgendwelchen Haushalten zerfließen.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann es nur noch einmal sagen: Die Schulsozialarbeit und das Mittagessen im Hort wurden als Teil des Kompromisses des Bildungs- und Teilhabepaketes mit an die Kommunen übertragen. Die Fachaufsicht und die Weisungspflicht dazu wurden den Ländern übertragen. Ich finde es unredlich, dass die Staatsregierung in Sachsen offensichtlich durch Untätigkeit das Ganze mehr oder weniger unterlaufen hat. Ich muss fragen: Was sind im Land Kompromisse von CDU und FDP überhaupt noch wert?
Weiterhin wurde das Bildungs- und Teilhabepaket in Form der Schulsozialarbeit aus unserer Sicht auch missbraucht. Ich denke, dass es der Staatsregierung ganz recht gewesen ist, dass die zusätzlichen Bundesmittel für den Haushalt kamen – das waren immerhin knapp 90 Millionen Euro in den letzten drei Jahren –, und so hat sich die Staatsregierung zwei Jahre kommunalen Frieden erschlichen. Das Land hätte hier anders agieren können.
Frau Schütz, da Sie die kommunale Selbstverwaltung ansprachen: Diese Krokodilstränen kann ich schon gar nicht mehr sehen. Das ist Ihnen immer dann recht, wenn es nichts kostet. An anderer Stelle, wo wir als Kommunen die Unterstützung des Landes bräuchten, wird entweder hineinregiert, zum Beispiel bei der Schulnetzplanung, oder es gibt nicht die Gelder, die uns zustehen, beispielsweise beim ÖPNV. Der Mehrbelastungsausgleich für die Kommunen reicht hinten und vorn nicht. Beim Thema Asyl gibt es nicht die Unterstützung durch das Land und die Kommunen bleiben auf ihren Kosten sitzen.
Zum Thema Lernförderung, Herr Schreiber, kann ich Ihnen genau erklären, wo das Problem in Sachsen liegt. Die Lernförderung ist beim Bildungs- und Teilhabepaket
ganz eng ausgelegt. Nur dann, wenn Kinder versetzungsgefährdet sind, greift es, und auch nur für eine kurze Zeit. Andere Länder haben das anders geregelt. Ich muss jetzt leider wieder Nordrhein-Westfalen zitieren. Dort können auch Schülerinnen und Schüler, die formal nicht versetzungsgefährdet sind, Zugang zu Lernförderung erhalten. Zudem wird die Erreichung eines höheren Bildungsniveaus gefördert, was der Verbesserung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt dient. Es gibt auch keine zeitliche Einschränkung der Lernförderung. Das BMAS hat bestätigt, dass das Land im Rahmen der Fachaufsicht diese Weisung tatsächlich leisten kann.
Zum Letzten, warum das Thema aktuell ist – wir haben den Antrag im vorigen Jahr gestellt. Das Land hätte die Möglichkeit gehabt, hier tätig zu werden. Das hat es nicht getan. Jetzt stehen Entlassungen an. Jetzt müssen die Menschen, die zwei Jahre Schulsozialarbeit geleistet haben, entlassen werden, weil die weitere Finanzierung nicht geregelt ist. Deswegen ist es jetzt notwendig, dass wir uns für eine Ausweitung und Aufstockung der Schulsozialarbeit einsetzen.
Danke schön.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der NPD-Fraktion, wer bisher nicht gewusst hat, dass Sie hier im Landtag nur noch Schaum schlagen und an einer wirklichen inhaltlichen Diskussion nicht interessiert sind, hat es spätestens mit diesem Antrag gemerkt.
Für diejenigen, die den Antrag nicht vorliegen haben, will ich das kurz erklären. Der Antrag besteht aus zwei Punkten. Im ersten Punkt sind zehn Anfragen gestellt. Das hat Frau Schütz schon erzählt. Im zweiten Punkt geht es um die Vereinfachung der Inanspruchnahme. Die dort enthaltenen zehn Fragen sind nicht nur einfach Fragen danach, wie die Staatsregierung dieses oder jenes bewertet. Die
Zahlen sollen nach Jahren, nach Kommunen, nach absoluten und prozentualen Zahlen usw. aufgeschlüsselt werden.
Die NPD-Fraktion hat einen Antrag eingebracht, ohne überhaupt die Antworten der Staatsregierung abzuwarten. Da kann ich nur sagen: Mir ist nicht klar, ob Sie wirklich an einer inhaltlichen Diskussion dieser Fragen zum Bildungs- und Teilhabepaket interessiert sind oder ob es Ihnen eigentlich nur darum geht, etwas Schaum zu schlagen und so zu tun, als wenn Sie das interessiert, und sich hier gut darzustellen.
Die Fragen sind übrigens abgeschrieben. Die Opposition hat diese Fragen bereits mehrfach in unterschiedlicher Ausführung immer wieder gestellt. Sie nutzt das natürlich, um darüber auch zu diskutieren und entsprechende Anträge zu stellen. Das ist auch notwendig, denn beim Bildungs- und Teilhabepaket läuft natürlich nicht alles vorbildlich. Aber so wie Sie das machen, ohne irgendwelche Antworten abzuwarten, ist das einfach nicht glaubwürdig.
Ich muss noch einen zweiten, inhaltlichen Punkt bringen. Mich hat tatsächlich der zweite Punkt zunächst überrascht. Sie fordern in ihm, dass die Inanspruchnahme vereinfacht werden soll, wobei dies – anders als man es sonst in Ihren Parteiprogrammen, Aktionsprogrammen usw. liest – diesmal für alle Kinder und Jugendlichen gelten soll. Wenn man sich Ihre Programme anschaut, liest man Folgendes: Der Fokus liegt auf der deutschen Familie. Es sind deutsche Mütter und Väter, die gefördert werden sollen. Familienpolitische Maßnahmen haben ausschließlich deutsche Familien zu fördern.
In Ihrem neuesten Aktionsprogramm steht, dass es um das biologische Überleben des deutschen Volkes geht, das Sie in Gefahr sehen. Sie wollen die Garantie für einen KitaPlatz nur für deutsche Kinder. Transferzahlungen soll es nur an deutsche Familien geben. Die Vergabe von Wohnraum soll vorrangig an Deutsche erfolgen usw. Ich will das jetzt nicht weiter ausführen, weil mir, ehrlich gesagt, auch schlecht davon wird.
Insgesamt kann man sehen, dass das alles sehr durchsichtig ist. Ihnen geht es nicht wirklich um alle Kinder und Jugendlichen. Sie wollen nur den Eindruck erwecken, Sie seien hier die Kümmerer. Wenn Sie es wirklich ernst meinen würden, dann würden Sie die Antworten abwarten. Sie würden im Ausschuss dazu diskutieren und nicht einfach nur hier ein bisschen herumpolemisieren.
Danke schön.
Recht herzlichen Dank. – Ich möchte ganz kurz noch einmal Bezug nehmen auf die Aussage von Herrn Krauß, dass man mit den Finanzen sorgsam umgehen müsste.
Nun ist es so, dass die Subventionierung der Ehe 20 Milliarden Euro im Jahr ausmacht. Sie betrifft nicht nur Ehen mit Kindern, sondern auch Ehen ohne Kinder, und ich möchte Ihnen dazu gerne einige Zahlen nennen. Wenn man ein Ehepaar mit einer Frau unter 35 Jahren nimmt, so liegt das Pro-Kopf-Einkommen dieses Ehepaars bei 1 640 Euro. Gleichaltrige verheiratete Paare mit Kindern haben jedoch ein Einkommen von 1 041 Euro. Dies scheint mir eine große Ungerechtigkeit und keine Förderung von Ehen mit Kindern zu sein.
Wenn man sich den Wohlstand von Ehepaaren mit Kindern mit Frauen unter 35 Jahren anschaut, so liegt dieser um 13 % unter dem eines durchschnittlichen Ehepaares. Und die Zahl wird noch krasser: Der Wohlstand kinderloser Ehepaare mittleren Alters übersteigt den Wohlstand des durchschnittlichen Ehepaares um 50 %. Wo ist da die Familienförderung, die Sie immer so hervorheben? Ich finde, das ist eine ganz unsinnige Transferleistung, die eben nicht bei den Kindern ankommt, sondern wir unterstützen damit kinderlose Ehepaare, die dies nicht nötig haben, da beide Ehepartner arbeiten, sich ein Einkommen verdienen können und Kinder damit nicht unterstützt werden.
Verehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gern
Folgendes voranstellen: Herr Krauß, wenn wir sagen, wir wollen, dass alle Lebensformen die gleiche Akzeptanz und den gleichen Respekt bekommen, so heißt das nicht, dass man damit die Ehe abwertet, sondern es geht darum, allen Lebensformen den gleichen Respekt zu erweisen. Das ist keine Abwertung. Wir sind nur der Meinung, dass die Privilegierung einer Lebensform, nämlich der Ehe, einfach falsch und nicht zeitgemäß ist. Es geht den Staat nichts an, wer mit wem schläft oder wie er lebt. Der Staat hat neutral zu sein, und es ist eine Entscheidung des Einzelnen, wie er leben und wen er lieben will. Das ist für Familienpolitik nicht ausschlaggebend. Für uns, für DIE LINKE, ist Familie dort, wo Menschen füreinander Verantwortung übernehmen, unabhängig von Trauschein, sexueller Orientierung und der Form, in der sie zusammenleben. Förderung von Familien gehört aber dorthin, wo Kinder oder Pflegebedürftige sind, und nicht dahin, wo ein Trauschein vorliegt.
Ich sagte vorhin bereits, dazu gehört eigentlich auch die Abschaffung des Ehegattensplittings. Das ist Geld, das falsch investiert ist. Man könnte es den Kindern direkt geben und Pflege unterstützen.
Ich möchte kurz auf Argumente der CDU/CSU in den letzten Wochen gegen die Gleichstellung aller Lebensweisen bzw. für die Privilegierung der Ehe von Mann und Frau eingehen. Frau Reiche beispielsweise sagte: „Die Ehe im Grundgesetz ist Garant für Bevölkerungsentwicklung. Mann und Frau in der Ehe sichern Kinder.“ Ein anderes Zitat war: „Es geht um Bestandssicherung.“ Zum einen ist das sehr, sehr unromantisch, zum anderen entspricht es nicht der Realität. Sie sagten es vorhin bereits: 34 % aller Lebendgeburten gibt es bei nicht verheirateten Müttern. In den neuen Bundesländern liegt diese Zahl sogar bei 62 %. Wenn wir uns die Familienformen, gerade in Ostdeutschland, anschauen, so sind 53 % Ehepaare, aber 20 % leben ohne Trauschein zusammen und 25 % sind Alleinerziehende. Genau diesen Familien – immerhin 43 % in Sachsen – werden die Subventionen, die die Ehen bekommen, nicht zuteil, und das ist höchst ungerecht.
Fast jedes vierte Kind wächst in alleinerziehenden Familien auf, und wir haben circa 15 % Stief- und PatchworkFamilien, und diese drei Lebensformen nehmen zu – anders, als Sie sich das wahrscheinlich wünschen.
Ein anderes Argument, das genannt wird – von der NPD kam es gerade ebenfalls noch einmal –: Garant für gutes Aufwachsen seien Vater und Mutter. Das sei am besten für das Aufwachsen von Kindern. Nun will ich einmal provozierend sagen: Ist der misshandelnde biologische Vater besser als die zweite soziale Mutter, oder ist wirklich „Ekel Alfred“ das Vorbild, das wir uns als Vater für Familien und Kinder vorstellen?
Ich möchte nun etwas zu der Untersuchung sagen, die Herr Gansel eben zitierte. Diese Untersuchung zu gleichgeschlechtlichen Eltern wurde von einer Lobbygruppe für Menschen vorgenommen, die homophob sind und Regenbogenfamilien nicht zulassen wollen.
Es wurde auch gesagt, dass bei dieser Studie nur 1 % der Befragten bei gleichgeschlechtlichen Paaren aufgewachsen sind. Viele sind stattdessen bei verschiedengeschlechtlichen Paaren groß geworden, die sich dann später wieder getrennt haben oder bei denen als Kriterium für gleichgeschlechtliche Paare genommen wurde, dass diese Paare beispielsweise mal in einen Swingerclub gegangen sind oder Ähnliches. Auf jeden Fall ist diese Untersuchung höchst unseriös.
Es gibt andere Untersuchungen aus Deutschland, zum Beispiel eine Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums vom Bayerischen Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg – ich denke, das ist keine Lobbyvereinigung –, die sehr interessante Untersuchungen dazu angestellt haben. Beispielsweise geht es um die Erziehung bei lesbischen und schwulen Ehepaaren, und es wurde unter anderem konstatiert: „Alle feststellbaren Unterschiede im Erziehungsverhalten und Familienklima fördern ausnahmslos das Wohl der Kinder.“ Es wird auch gesagt: „Bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren ist sowohl der Umfang der individuellen Erwerbstätigkeit als auch die Aufteilung häuslicher Versorgungs- oder Verwaltungsaufgaben deutlich gleichberechtigter, flexibler und demokratischer organisiert als in vielen heterosexuellen Partnerschaften.“
Gleichgeschlechtlich lebende Eltern legen in hohem Maße Wert darauf, dass ihre Kinder Bezugspersonen des anderen Geschlechtes in ihrem Umfeld haben. Es wird auch gesagt, dass sich Kinder partiell sogar besser als Kinder aus anderen Familienformen entwickeln usw.
Man kann das sogar nachlesen. Ich denke, das ist eine seriöse Untersuchung, und Sie sollten vielleicht auch – na gut, das können Sie nicht – seriöser werden.
Ich habe leider keine Redezeit mehr.
Ich kann nur darum bitten, den Fokus endlich zu verändern und ihn auf Familien mit Kindern und Familien, in denen pflegebedürftige Menschen unterstützt werden müssen, zu legen und nicht weiter gut verdienende kinderlose Ehepaare zu unterstützen.
Danke schön.
Herr Krauß, Sie haben uns jetzt einen sehr schönen Einblick in Ihre Rollenklischees gegeben, wie sie in Ihrer Fraktion wahrscheinlich auch zementiert sind.
Bei uns war das beispielsweise ganz anders. Ich bin sowohl auf Bäume geklettert als auch mit meinen Kindern aufs Klettergerüst gegangen. Wir sind gemeinsam Ski gefahren, und der Vater hat auch sehr gern mit seinen Kindern gekuschelt.
Es geht doch darum, Rollenklischees aufzubrechen, den Kindern – egal, ob Junge oder Mädchen – verschiedene Möglichkeiten zu eröffnen und sie nicht auf bestimmte Rollen festzulegen.
Danke schön. Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihrem Antrag sind drei Dinge zu sagen.
Das Erste: Es ist endlich mal ein Koalitionsantrag, der sich mit der Situation der Kinder- und Jugenderholung in Sachsen beschäftigt. Das ist insofern lobenswert, als die Jugendarbeit und Jugendverbandsarbeit im Allgemeinen und die Kinder- und Jugenderholung im Besonderen im Freistaat Sachsen mehr als stiefmütterlich behandelt werden. Dieser Bereich musste bisher bei fast jeder Haushaltskürzung bluten. Die Förderung von pädagogischen Angeboten in der Kinder- und Jugenderholung wurde auf Landesebene auf fast null zurückgefahren. Wohlgemerkt, die Förderung der Angebote für sächsische Kinder und Jugendliche.
Dementsprechend ging die Zahl der Freizeitmaßnahmen für sächsische Kinder und Jugendliche in zwölf Jahren auf 54 % zurück,
die Zahl der sächsischen Teilnehmer an solchen Freizeitmaßnahmen um 42 % und die Zahl der Teilnehmertage, in denen auch die Dauer solcher Ferienfreizeiten berücksichtigt wird, gar auf 24 %, also rund ein Viertel. – Das, Herr Krauß, lässt sich auch nicht mehr mit der demografischen Entwicklung begründen. Es geht einfach bergab auf diesem Gebiet.
Besonders betroffen davon sind die Kinder und Jugendlichen aus einkommensschwächeren Familien, die oft wenig andere bis gar keine Urlaubsmöglichkeiten haben und die steigenden Teilnehmerbeiträge nicht mehr zahlen können.
Dennoch ist Geld in diesen Bereich geflossen, allerdings nicht mehr in die pädagogische Arbeit für Kinder und Jugendliche, sondern in die Kinder- und Jugendübernachtungsstätten, insbesondere in die Kieze.
Das mag zwar auch grundsätzlich nicht falsch sein, doch setzt es aus unserer Sicht am falschen Ende an. So werden zwar kinder- und jugendtouristische Strukturen gefördert – das mag tourismuspolitisch ganz gut sein –, aber für sächsische Kinder und Jugendliche ist es eher ineffizient, weil nur ein kleiner Teil der pädagogisch betreuten Freizeiten in sächsischen Einrichtungen stattfindet – stattdessen zu einem erheblichen Teil in anderen Bundesländern, zum Beispiel an der Ostsee, oder in den benachbarten Ländern Polen und Tschechien.
Ich möchte gern, dass die jungen Menschen die Welt sehen.
Andererseits werden die sächsischen Jugendübernachtungsstätten natürlich überwiegend von Personen genutzt, die keine sächsischen Kinder und Jugendlichen sind, also Gästen von außerhalb, und natürlich auch vielen Erwach
senen. Das ist die Schwäche der Herangehensweise bei der Förderung und natürlich auch die Schwäche Ihres Antrags. Hier geht es in erster Linie um Tourismus, nicht um jugendhilfliche Angebote. Das hat Herr Schreiber vorhin auch beschrieben.
Damit sollen nämlich sächsische Klassen auf ihren Schulfahrten stärker in die sächsischen Übernachtungsstätten gelockt werden. Notwendiger wäre es, an den schlechten Rahmenbedingungen für Klassenfahrten an sächsischen Schulen endlich etwas zu ändern. Davon hätten auch die Übernachtungsstätten, vor allem aber die Schülerinnen und Schüler etwas.
Gleichwohl: Gegen einen Bericht zum Prüfauftrag haben wir nichts. Auch wir freuen uns, wenn wir endlich präzise statistische Daten in diesem Bereich bekommen; denn damit tut sich die Staatsregierung immer schwer, wie wir aus den Antworten zu unserer Großen Anfrage zur Kinder- und Jugenderholung wissen.
Wenn ich allerdings in Ihrem Antrag von „Kampagnen zur Aufwertung“ und von einem zu erstellenden Aktionsplan lese, ahne ich, worum es eigentlich geht: um einen Placebo zum Nachweis von Aktivität und wahrscheinlich um die Vorbereitung des nächsten Wahlkampfes.
Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE hat heute einen Antrag eingebracht, der die wachsende Armut von Kindern und Jugendlichen in den Mittelpunkt stellt. Wir setzen als einen Baustein die Einführung einer Kindergrundsicherung und auf den Weg dahin die Reform des Bildungs- und Teilhabepaketes.
Laut Familienreport 2010 der Bundesregierung sehen 80 % der Bevölkerung Kinderarmut als sehr großes Problem. Es ist nicht nur subjektiv gefühlt, sondern es entspricht den harten Tatsachen; denn Kinderarmut zieht vieles nach sich. Es hat Auswirkungen auf das ganz persönliche Wohlbefinden und führt zu Mangelerscheinungen. Es hat Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten. Damit gibt es keine Chancengleichheit und es hat ganz konkrete Auswirkungen auf die Gesellschaft. Ich nenne nur steigende Kosten für die Hilfen zur Erziehung, fehlende Schulabschlüsse, Vererbung von Armut an die Kinder.
Meine Kollegin Edith Franke wird nachher etwas aus ihrer jahrelangen praktischen Erfahrung dazu sagen. Das ist alles leider nicht neu.
Vielfältige Studien belegen – –
Danke, Herr Präsident. Lieber wäre es mir natürlich, Sie würden zuhören.
Ich möchte gern auf Studien eingehen, die auch neueren Datums sind und die unsere Forderungen belegen. Zunächst möchte ich aus der Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes der Hans-BöcklerStiftung zitieren, die sich mit der Armutssituation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland und den Bundesländern beschäftigt hat.
Das Ergebnis ist erschreckend: In Deutschland hat sich die Armutsquote von Minderjährigen auf hohem Niveau stabilisiert. Nach einem leichten Rückgang seit 2005 ist sie von 2010 zu 2011 wieder angestiegen und liegt derzeit bei 18,9 %. 2005 waren es 19,5 %. Das bedeutet, dass Armut unter Kindern und Jugendlichen größer ist als
unter der Gesamtbevölkerung; deren Armutsquote liegt 3,8 % darunter. Nicht verschweigen sollte man hier auch, dass die Armutsgefährdung von Minderjährigen mit Migrationshintergrund besonders hoch ist.
Was uns aber alle besonders betroffen machen sollte, ist die Untersuchung nach Bundesländern. Ich finde es unerträglich, wo das Musterland Sachsen sich in dieser Frage eingeordnet hat. Im bundesweiten Durchschnitt liegt Sachsen auf Platz 5. Vor uns finden sich nur noch Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Berlin. Sachsens Armutsquote liegt bei 26,4 %. Das heißt, über ein Viertel aller Kinder in Sachsen ist arm. Besonders hoch ist diese Quote unter den 15- bis 18-Jährigen; hier liegt die Armutsquote bei 31,4 %.
Wir wissen, was Armut bedeutet: Sie äußert sich in einem Mangel an Bildung, Gesundheit, Mobilität, Freizeitgestaltungsmöglichkeiten und Kultur bis hin zu einem Mangel an gesunder Ernährung. Real bedeutet das für jedes einzelne betroffene Kind einen Ausschluss von sozialer und gesellschaftlicher Teilhabe für den Moment, und es führt zur Verfestigung dieser Lebenssituation.
Mich beschäftigt das sehr. Ich muss deswegen die letzte Landtagsdebatte dazu aufgreifen. Wir wissen – –
Die Geschäftsführer sind ganz schön beschäftigt.
Wir wissen, dass Armut Auswirkungen auf die Bildungschancen junger Menschen hat sowie auf die Perspektiven, die junge Menschen für sich sehen. Mich hat deswegen die Debatte um die Jugendstudie sehr beschäftigt. Ich habe Ihnen von der Koalition damals vorgeworfen, dass Sie sich nur auf die Spitze fokussieren; Sie meinten, auf die Mehrheit. Ich fragte, was mit den 15 % Jugendlichen ist, die sich im sogenannten „Abstiegsstrudel“ befinden. Darauf antwortete ein Kollege der CDU, dass das „der Rand“ sei. Ich finde das verachtend. Hat denn nicht jeder Mensch das Recht, an Gesellschaft teilzuhaben? Wir können doch nicht in „Mehrheit“ und „Rand“ einteilen. Ziel muss es doch sein, dass jeder an Gesellschaft teilhaben und einen eigenen Platz für sich finden kann, dass er sich wertgeschätzt und willkommen fühlt. Den Wert einer Gesellschaft macht doch aus, ob und wie sie es schafft, den Schwächeren, den Benachteiligten Teilhabe zu ermöglichen.
Um also Armut und den damit verbundenen Entwicklungen zu begegnen, braucht es eine Vielzahl politischer Aktivitäten. Kindliches Wohlergehen braucht Geld, Infrastruktur und Zeit mit Eltern. Wir greifen heute den Aspekt „verfügbares Einkommen“ auf, wohl wissend, dass viel mehr vonnöten ist; an anderer Stelle haben wir dazu schon Anträge gestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte Sie auf den neuen Forschungsbericht „Zukunft mit Kindern“ hinweisen. Dieser ist unter anderem von der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Berlin
Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften angefertigt worden. In den Empfehlungen heißt es:
„Wir empfehlen, die Transferleistungen für Kinder in Richtung einer universellen Kindergrundsicherung weiterzuentwickeln. Eine Kindergrundsicherung bündelt sämtliche kindbezogenen Transferleistungen in einer einzigen existenzsichernden und zu besteuernden Leistung für alle Kinder. […] Ziel ist die unmittelbare Sicherung des materiellen Wohlbefindens von allen Kindern, eine erwünschte Folge ist die Gleichstellung unterschiedlicher familialer Lebensformen. Gleichzeitig hat die Kindergrundsicherung den Vorteil, eine Stigmatisierung von Familien durch Bedürftigkeitsprüfungen zu vermeiden, da grundsätzlich alle Familien von der Leistung profitieren und eine entsprechende Umverteilung über die Besteuerung erfolgt.“
Das sieht DIE LINKE genauso. Die derzeitigen sozialstaatlichen Antworten sind alles andere als ausreichend. Insbesondere Kindergeld, Kinderfreibetrag und Kinderzuschlag sind – in ihrer gegenwärtigen Form – zur Verhinderung von Kinderarmut unzureichend, sie sind dringend reformbedürftig. Das gegenwärtige Leistungssystem wird dem Anspruch, das Existenzminimum von Kindern eigenständig und unabhängig vom sozialen Status der Familie abzusichern, einfach nicht gerecht. Es ignoriert darüber hinaus, dass Kinder eine eigenständige Bevölkerungsgruppe sind mit einem eigenständigen Anspruch auf einen Teil der gesellschaftlichen Ressourcen.
In der Antwort der Staatsregierung wird festgestellt, dass sich derzeit kein tragfähiges Konzept abzeichne, das gesellschaftlich umsetzbar und finanzierbar sei. Zudem wird nach der Höhe gefragt. Ich kann dazu nur sagen: Schade, dass Sie die Initiativen der letzten Jahre – beispielsweise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, des Zukunftsforums Familie oder des „Bündnisses Kindergrundsicherung“ – nicht zur Kenntnis genommen haben. Aber auch die vorhin von mir benannte Studie setzt sich mit Ausgestaltung und Finanzierung auseinander und verweist beispielsweise auf die Einsparmöglichkeiten durch das Entfallen von Kinderfreibeträgen im Einkommensteuerrecht sowie anderer kindbedingter Elemente. Einsparungen wären auch bei den Verwaltungskosten möglich. Ferner wird festgestellt, dass man den Nutzen im Sinne von nicht anfallenden gesellschaftlichen Folgekosten in solch einer Rechnung berücksichtigen muss. Bei Berücksichtigung aller Komponenten ist der Vorschlag also keine Utopie.
Uns ist klar, dass die Einführung kein Schnellschuss sein kann. Aber es muss endlich begonnen werden. Zudem braucht es Übergangsregelungen, um die derzeitige Armut von Kindern und Jugendlichen endlich zu lindern. Damit setzt sich Punkt 2 unseres Antrags auseinander. Das Bildungs- und Teilhabepaket war insofern bemerkenswert, als erstmals auch vonseiten der CDU öffentlich über die schlechteren Bildungs- und Teilhabemöglichkeiten sozial benachteiligter Kinder gesprochen wurde. Frau von der Leyen wollte den Teufelskreis vererbter Armut durch
brechen und hat sehr richtig erkannt – besser gesagt: die Forderung des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen –, dass auch Bildung und Freiheit zur gesellschaftlichen Teilhabe gehören. Leider hat sie die falschen Konsequenzen gezogen. Sie ist somit aus unserer Sicht gescheitert.
Das Bildungs- und Teilhabepaket hat eben nicht die Infrastruktur verändert. Es schafft weitere Bürokratie, kommt nicht bei allen an, kann wegen fehlender Angebote oder fehlender Mobilität zum Teil nicht wirken und wird zum Teil auch zweckentfremdet. Ich will das am Beispiel der Schulsozialarbeit aufzeigen: Im Vermittlungsausschuss ist vereinbart worden, dass die Bundesbeteiligung an den Kosten der Unterkunft erhöht wird, damit diese Mittel für Schulsozialarbeit eingesetzt werden. Das ist nur zum Teil bis gar nicht geschehen. Stattdessen wurden diese Mittel für die Sanierung kommunaler Haushalte genutzt. Ich kann zwar die Not der Kommunen verstehen. Aber es bleibt dabei: Die Mittel wurden zweckentfremdet.
Ich will als weiteres Beispiel die Lernförderung herausgreifen. Hierzu gab es in den Kommunen die meisten Ablehnungen von Anträgen. Das heißt aber auch, dass ein entsprechend hoher Bedarf besteht, den die Schule augenscheinlich nicht kompensieren kann. Heute ist es gang und gäbe, dass Eltern, die es sich leisten können, privat und gegen Geld Nachhilfe für ihre Kinder organisieren. Das hat Frau von der Leyen ebenso richtig erkannt wie die Tatsache, dass auch arme Kinder diesen Bedarf haben. Aber sie gesteht entsprechende Hilfe nur in eine Richtung zu, nämlich um Versetzungsgefährdung zu vermeiden. Ich frage: Wie verachtend ist das denn? Haben arme Kinder keinen Anspruch auf höhere Schulabschlüsse? Sind sie nur dann interessant, wenn Sie durch Versetzungsgefährdung gesellschaftliche Mehrkosten verursachen?
Insofern muss man sagen, dass auch für die Eltern dieses Paket eine Zumutung ist; denn ihnen wird per se unterstellt, sie wollten das Geld nicht für ihre Kinder verwenden. Deswegen gibt es die Ausreichung als Sachleistung. Aber auch zu dieser Frage sind aus dem Bundesfamilienministerium neue Töne zu hören. Im „Familienreport“ wird nämlich festgestellt:
„Auch unter schwierigen materiellen Voraussetzungen bemühten sich Eltern, gute Bedingungen für die Entfaltung ihrer Kinder zu schaffen. Insbesondere Mütter verzichteten dafür oft auf die Realisierung eigener Wünsche.“
Dass das Gesetz auch handwerklich schlecht gemacht ist, erkennt man daran, dass selbst der Landkreistag Neuregelungen, zum Beispiel zur Reduzierung von Verwaltungsaufwand, fordert. Auch der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge sagt, dass eine Vielzahl verfahrensorientierter und organisatorischer Fragen gewachsen ist. Er hat weitere Empfehlungen gegeben. Besonders hervorheben möchte ich, dass beispielsweise die Beantragung im Rahmen eines Globalantrags angeregt wird.
Unsere Forderung ist, das Bildungs- und Teilhabepaket langfristig abzuwickeln. Stattdessen braucht es die Einführung einer Kindergrundsicherung zur Verbesserung des Wohlergehens von Kindern.
Kurzfristig notwendig wäre eine Reform des Bildungs- und Teilhabepakets, das natürlich realitätsnah und finanziell bedarfsdeckend ausgestaltet werden muss. Das gibt uns die Zeit, um an der Kindergrundsicherung zu arbeiten. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Anpassung der Regelsätze sowie tatsächlich einklagbare Teilhabe- und Förderleistungen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es muss endlich Schluss damit sein, dass die ökonomische Leistungsfähigkeit der Eltern die Teilhabemöglichkeiten der Kinder bestimmt. Kinder sind Träger eines eigenen Rechtsanspruchs. Sie haben eigene, individuelle Rechte. Sie bilden eine eigenständige Bevölkerungsgruppe mit eigenem Anspruch auf gesellschaftliche Ressourcen und brauchen somit eine eigenständige ökonomische Sicherung.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte mir eine inhaltliche Debatte zur Kindergrundsicherung gewünscht. Ich muss sagen, dass ich diese Art von Ignoranz wirklich nicht erwartet habe.
Ich kann und will nicht auf alle Unterstellungen eingehen. Hier wurden lauter Pappkameraden aufgebaut. Es würde sicherlich zu lange dauern, sich mit allem auseinanderzusetzen. Aber ich muss sagen, dass mich dieses niedrige Niveau von Ihnen, Herr Krauß, heute sehr enttäuscht hat. Überrascht hat mich dagegen Ihre neue Maxime: Jeder kümmert sich um sich! – Das finde ich sehr schwierig.
Das sagen Sie einmal einem Kind arbeitsloser Eltern. Das würde ich gern sehen wollen.
Wir haben jetzt über die Kinder gesprochen. Ich empfinde es auch als Hohn gegenüber den Eltern. In meinem Bekanntenkreis ist eine Mutter, die Aufstockerin ist. Ihr Kind hat es in der Schule nicht einfach. Sie kümmert sich wie verrückt und stößt laufend an Grenzen. Gehen Sie zu der Frau hin und sagen Sie ihr: Jeder kümmert sich um sich.
Zu Ihrem Ruf nach Gerechtigkeit interessiert mich sehr, wie Sie es einer Krankenschwester oder einem Fabrikarbeiter gegenüber begründen, dass bei hohen Einkommen
die maximale Entlastung aufgrund von Freibeträgen bei 280 Euro liegt, währenddessen der Fabrikarbeiter oder die Krankenschwester nur 184 Euro Kindergeld bekommen. Wo ist dabei die Gerechtigkeit, Herr Krauß? Der Grund dafür interessiert mich sehr.
Der nächste Punkt betrifft die Förderung der Kindergrundsicherung. Es gilt die Orientierung am Existenzminimum. Das wissen Sie selbst. Das Existenzminimum liegt bei 320 Euro, bei Bildung und bei Erziehung bei 180 Euro. Zusammenrechnen können Sie das sicherlich selbst.
Frau Herrmann, Sie haben recht, wenn Sie sagen: ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl. Ich glaube aber, es ist wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger, die wählen gehen, wissen, in welche Richtung die CDU und die FDP
gehen. Herr Krauß hat es sehr anschaulich gesagt: Jeder kümmert sich um sich!
Alles bleibt, wie es ist. Das finde ich sehr enttäuschend. Ich bitte trotzdem um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich feststellen, dass es natürlich für uns alle bestürzend ist, wenn Kinder wegen unterlassener Hilfeleistung sterben bzw. irgendwo abgelegt, weggeworfen oder getötet werden. Ich denke, für jeden von uns gilt, dass er alles dafür tun wird, um jedes einzelne Menschenleben zu retten.
Dazu gehört auch, sich manchmal in einen rechtsunsicheren Raum zu begeben oder ein kleineres gegen ein größeres Übel abzuwägen. Das heutige Thema ist in dieser Grauzone und darüber hinaus hoch sensibel. Wir befinden uns zwischen rechtlichem Argumentieren und moralischen Werten, zwischen Studien und emotionaler Betroffenheit, zwischen verfassungsrechtlichen Ansprüchen und Menschen in höchster Not, den Babys, aber auch deren Müttern.
Wir haben verschiedenste Studien, Anhörungen und Stellungnahmen betrachtet, und es finden sich immer wieder auch widerstreitende Empfehlungen, die aber alle auch begründbar sind. Weil dies eben so schwierig ist, wird seit vielen Jahren versucht, auf Bundesebene dafür geeignete Lösungen zu finden. Derzeit liegt ein Eckpunktepapier der Familienministerin vor. Es war jetzt zu lesen, dass Frau Leutheusser-Schnarrenberger an einem Gesetzentwurf arbeitet. So lange wird bereits diskutiert und wir wollen heute hier im Sächsischen Landtag mal eben so darüber diskutieren. Ich bin auch der Meinung, dass eine Klärung unbedingt notwendig ist; damit schlägt man sich seit vielen Jahren herum. Ich glaube aber, ehrlich gesagt, nicht, dass eine Plenardebatte ergebnisbringender ist.
Ich hätte eine Diskussion im Ausschuss für geeigneter gehalten als hier im Plenum, wo nur eine Darstellung von Positionen möglich ist. Unter Umständen wird einem dann, wenn man vielleicht eine kritische Anmerkung macht, der Vorwurf zuteil, nicht zur Lösung beitragen zu wollen. Aber der wirkliche Austausch der Argumente, Ängste und Probleme ist so nicht möglich. Man kann nur schwer gemeinsam nach Lösungen und Kompromissen suchen und dann ist alles noch abhängig von Redezeiten. Das wird meiner Ansicht nach dem Thema nicht gerecht.
Wir haben gemeinsam mit der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN dazu eine Fachanhörung durchgeführt und deswegen fand ich den Antrag auch sehr wichtig und hätte gern im Ausschuss darüber diskutiert. Nun liegt der Antrag aber vor und es steht sehr viel Richtiges darin. Ich bin auch sehr gespannt auf die Antworten der Staatsregie
rung zu der derzeitigen Situation. Aber diese liegen heute noch nicht vor und können deswegen auch nicht diskutiert werden.
Ich will aber kurz darüber sprechen, warum die Analyse so notwendig ist. Es wurde schon angesprochen, dass sich der Deutsche Ethikrat 2009 für eine Abschaffung der Babyklappen und der bisherigen Angebote zur anonymen Geburt ausgesprochen hat. Er hält die anonyme Kindesabgabe für rechtlich bedenklich. Der Ethikrat sprach sich dafür aus, verstärkt öffentliche Informationen über bestehende Hilfsangebote zu geben, auch dafür, dass zu jeder Tages- und Nachtzeit für schwangere Mütter in Not Fachkräfte per Telefon erreichbar sein müssen und dass Beratungen möglich sind.
Es müsste bekannt gemacht werden, dass die Hilfe in Not- und Konfliktsituationen auch vertraulich wahrgenommen werden kann. Der Ethikrat hat vor allem rechtlich argumentiert. Ich zitiere: „Zwar gelte in Notlagen mit unmittelbarer physischer Gefahr für Mutter und Kind für die Dauer des Notstands die Legitimation des Notstandsrechts für alle, die Hilfe leisten könnten. Auch dürfe die medizinische Betreuung einer Frau bei der Entbindung aufgrund der Hilfeleistungspflicht nicht verweigert werden, auch wenn diese ihre Identität nicht preisgebe. Das vom akuten Notfall unabhängige Angebot einer anonymen Kindesabgabe sei aber vom Notstandsrecht und der Hilfeleistungspflicht nicht gedeckt.“ Der Ethikrat plädiert stattdessen für ein Gesetz, das Frauen eine vertrauliche Kindesabgabe mit vorübergehend anonymer Meldung ermöglicht.
In einer Anhörung im Bundestag wurde dargelegt, dass einer Neugeborenen-Tötung nicht nur eine Verheimlichung, sondern oft auch eine Verdrängung der Schwangerschaft vorausgeht. Meist handelt es sich bei den Täterinnen heute um Frauen mit bestimmten Defiziten bei der Lösung von Problemen. Aufgrund ihrer psychischen Auffälligkeit fehlt ihnen die Fähigkeit zur Kontaktaufnahme mit einer Klinik.
Tötungen von Neugeborenen werden durch das Angebot zur anonymen Geburt deshalb nach dieser Ansicht nicht verhindert. Stattdessen wurde die Befürchtung geäußert, dass im Fall der anonymen Geburt und der Babyklappen das Angebot erst die Nachfrage schafft. In der Anhörung wurden Beispiele benannt, in denen Frauen von ihrer Familie gezwungen wurden, ihr Kind verschwinden zu lassen. In Berlin gab es Fälle, in denen behinderte Kinder in den Babyklappen gefunden wurden – sowohl ein zwei Monate altes Kind mit Down-Syndrom als auch ein schwerbehindertes sechs Monate altes Kind. Auch Geschwister finden sich in Berliner Klappen. Man stellte bei DNA-Tests fest, dass über Jahre drei Kinder, offenbar von ein und derselben Mutter, abgelegt wurden. Das ist sicher sehr problematisch für die Legitimation der Babyklappe.