Protocol of the Session on May 9, 2012

Herr Kollege Pellmann, zuerst einmal einleitend: Bei uns ist es üblich in Sachen Familienpolitik: Wir sind gleichstellungspolitisch schon ein wenig weiter als Sie, und dass nicht nur Frauen

(Beifall bei der CDU und Heiterkeit bei den LINKEN)

über das Thema Familie reden. Bei uns ist es auch üblich, dass Männer über Familie reden, weil wir der Ansicht sind, dass Männer und Frauen, dass beide für die Erziehung eine gute Bereicherung sind. Wenn sie das machen, ist das gut.

(Zuruf der Abg. Heike Werner, DIE LINKE)

Zu Ihrer Frage, zum Thema Wahlfreiheit, komme ich noch, wieso Sie die Wahlfreiheit nicht wollen, wieso Sie sie ausschließen, auch wenn Sie etwas anderes sagen.

(Unruhe)

Für die Kindererziehung sind zuallererst die Eltern zuständig – Artikel 6 Grundgesetz. Dort heißt es: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Aufgabe.“ Nicht die des Staates.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wenn man sich den Antrag der LINKEN ansieht, sieht man – jetzt dürfen sich übrigens auch die GRÜNEN und die SPD angesprochen fühlen –, dass Sie ein anderes Verständnis davon haben. Sie unterstellen den Eltern pauschal, sie seien unfähig zur Kindererziehung. Sie unterstellen, dass Eltern ihre Kinder nicht bilden. Das steht ganz genau in der Begründung Ihres Antrages.

Sie sagen, Kinder sollen nicht von der Bildung ferngehalten werden, so, als ob Bildung nur in der Krippe stattfindet. Das ist falsch. Sie haben ein ganz verqueres Denken.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Frau Werner hat gesagt, es sei verheerend, wenn Kinder zu Hause erzogen werden. Was ist denn das für eine Einstellung?! – Ich will Ihnen einmal sagen: Ich glaube, dass Kinder – – Wenn ich das einmal bei meinen Kindern reflektiere, dann lernen sie auch etwas in der Krippe, keine Frage. Aber ich habe auch den Eindruck, dass sie das meiste, was sie lernten, zu Hause gelernt haben. Das ist, glaube ich, auch gut so. Das ist auch bei den meisten Familien der Fall.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Sie lernen sowohl zu Hause als auch in den Einrichtungen etwas Gutes.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Aha!)

Das Zweite, was bei Ihnen immer mitschwingt, ist: Den Eltern darf man ja kein Geld in die Hand drücken, denn die versaufen das. Wenn man denen etwas gibt, versaufen sie es.

(Zuruf von der SPD – Unruhe)

Das ist die Grundargumentation, die bei Ihnen drinsteckt. Ich will ganz deutlich sagen: Ich halte das für eine Beleidigung der Eltern. Der größte Teil der Eltern erzieht seine Kinder ordentlich. Das muss man doch einmal festhalten!

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Es ist die Ausnahme, dass Kinder bei uns im Land vernachlässigt werden. Deswegen sollte man das Kind auch nicht mit dem Bade ausschütten. Der Gesetzgeber sollte keine Regelungen machen, die das nicht im Blick behalten. Wir machen Gesetze vor allem für die Mehrheit. Wir machen sie nicht für eine Minderheit.

(Beifall bei der CDU)

So gehen wir übrigens auch in anderen Bereichen vor. Wenn wir der Argumentation folgen würden, die sie uns vorschlagen, müssten wir bei Hartz IV jetzt Speisesäle einführen, wo wir die Hartz-IV-Empfänger hinsetzen und wo sie eine öffentliche Speiseversorgung haben, weil wir denen kein Geld in die Hand drücken können, weil sie es zum großen Teil versaufen würden.

(Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE: Aber wer erzählt denn so was? – Unruhe)

Das ist doch vollkommener Unsinn. Insofern erwarte ich auch von Ihnen, dass Sie den Eltern zugestehen, dass sie mit Geld verantwortlich umgehen können, dass man ihnen auch 150 Euro geben kann, ohne dass sie das missbrauchen.

(Beifall bei der CDU – Annekathrin Giegengack, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Giegengack?

Bitte schön.

Herr Krauß, würden Sie mir bitte sagen, wer den Vorschlag gemacht hat, dass das Betreuungsgeld nicht für Familien mit Lohnersatzleistungen infrage kommt, ob das die CDU gewesen ist bzw. die CSU, mit Namen Herr Seehofer, oder ob das DIE LINKE war?

(Beifall bei der SPD)

Wir sind eigentlich noch gar nicht richtig im Gesetzgebungsverfahren. Wie das Gesetz ausgestaltet wird, wird man sehen.

(Zurufe von den LINKEN)

Das sind für mich Randfragen. Die Ministerin hat dazu das Richtige gesagt. Dem muss man nichts hinzufügen.

Ich glaube, die Ministerin hat das sehr deutlich gesagt. Insofern geht Ihre Frage daneben.

(Heike Werner, DIE LINKE: Wer hat den Vorschlag gemacht?)

Wir sind der Meinung: Es geht um Ihren Antrag, über den wir diskutieren. Wir reden jetzt nicht über Herrn Seehofer. Er ist nicht hier. Es geht um Ihren Antrag.

(Zuruf von den LINKEN)

In Ihrem Antrag steht zwischen den Zeilen, wenn man ihn genau liest: Eltern darf man kein Geld in die Hand drücken, weil sie es falsch gebrauchen würden. Sie würden es versaufen. Das steht letzten Endes in Ihrem Antrag.

(Zurufe von den LINKEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt gehen wir einmal weiter zu dem Thema Wahlfreiheit.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Mit wem diskutieren Sie gerade?)

Wir reden bei dem Betreuungsgeld über 100 oder 150 Euro. Da stellt sich die Frage: Gibt es da eine Wahlfreiheit? – Wenn man einmal alles einbezieht, wenn man die Betriebskosten einbezieht – unser Fraktionsvorsitzender hatte das einmal genannt: 800 Euro –, aber wenn man auch die Investitionskosten und die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten einbezieht, reden wir bei einem Krippenplatz über einen Wert von 1 500 Euro. Wir sagen also auf der einen Seite: Ihr bekommt für 1 500 Euro eine Leistung und auf der anderen Seite: Wenn ihr das Kind zu Hause erzieht, bekommt ihr nichts. Das ist die derzeitige Situation.

(Zuruf des Abg. Dr. Dietmar Pellmann, DIE LINKE)

Der Vorschlag ist, dass wir jetzt sagen: Auf der einen Seite könnt ihr entweder 1 500 Euro Sachleistung bekommen, oder ihr bekommt ein Zehntel davon, 150 Euro Betreuungsgeld.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD: Das ist der wahre Grund!)

Das ist so, als ob man jemanden einmal einlädt und sagt: Komm mit mir in die Gaststätte. Für 15 Euro kannst du dir ein schönes Gericht raussuchen. Auf der anderen Seite sagen wir: Du bekommst null Euro in die Hand. Künftig sagen wir: Komm mit in die Gaststätte. Ich lade dich ein, für 15 Euro bekommst du ein schönes Schnitzel, oder du bekommst 1,50 Euro und kannst dir eine kalte Bockwurst an der Fleischertheke holen.

(Unruhe im Saal)

Das ist doch keine Wahlfreiheit! Wir sind noch weit davon entfernt. Dass Sie dann bei 100 oder 150 Euro einen solchen Aufstand machen, kann ich nicht nachvollziehen.

(Beifall bei der CDU und der NPD)

Jedenfalls sind wir von der richtigen Wahlfreiheit noch relativ weit entfernt. Wir bewegen uns ein Stück weit in die Richtung der Wahlfreiheit. Wir sind noch weit davon entfernt.

Uns ist klar, dass 1 500 Euro sicherlich unrealistisch sind. Das werden wir nicht schaffen. Wir haben das einmal durchgerechnet. Wir haben festgestellt, dass es schwierig ist, die richtige Wahlfreiheit zu finanzieren. Das ist in Ordnung. Ich glaube, dass 150 Euro nicht zu viel sind. Es ist nicht möglich, den Leuten dieses Geld vorzuenthalten.

Ich möchte noch einmal auf das Menschenbild eingehen, welches hinter Ihrem Antrag steht. Das Menschenbild, welches dahinter steht – Sie haben einige Wirtschaftsverbände zitiert –, ist, dass der Mensch nur zum Arbeiten da ist. Das steckt dahinter.