Last, not least will ich darauf hinweisen – Frau Köpping hat es gesagt –: Wir wissen, dass es ein schwieriges Geschäft mit der DB ist. Wir haben die Halbzeitbilanz der Staatsregierung, die Herr Tillich und Herr Morlok vorgestellt haben, so verstanden, dass beide insbesondere Kritik an der Bahn geäußert haben. Wir haben diese Kritik heute zum Anlass genommen, um diese Aktuelle Debatte zu führen.
Das waren auf den Punkt genau zwei Minuten Kurzintervention vom Herrn Kollegen Jurk. – Kollege Herbst kann jetzt darauf reagieren.
Herr Präsident! Kollege Jurk! Ich glaube, Sie haben mir nicht zugehört. Ich habe die Schuld dafür, dass die Fernverkehrsverbindungen eingestellt wurden, ausdrücklich nicht auf Sie geschoben. Das waren Entscheidungen der Deutschen Bahn AG. Egal, wer wo zu dieser Zeit regiert hat – ich glaube, dafür kann man keinen politisch Verantwortlichen an den Pranger stellen. Ich habe das auch ausdrücklich nicht gemacht. Das will ich hier noch einmal unterstreichen. Sie können es im Protokoll nachlesen.
Im Übrigen glaube ich, dass die Fernverkehrsanbindung Sachsens kein Thema ist, bei dem wir einen parteipolitischen Streit vom Zaun brechen sollten. Wir haben sächsische Interessen und sollten gemeinsam darum kämpfen, dass diese in Berlin noch mehr Gehör als bisher finden. Ich glaube, die Bürger erwarten das. Wir sind im Wettbewerb mit anderen Regionen. Wir sollten unsere parteipolitischen Präferenzen zurückstellen und gemeinsam für Sachsen kämpfen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, Sie sitzen als Fahrgast im Zug. Im Bahnhof müssen Sie eine Weile warten. Dann wird angesagt, dass der Zug vielleicht eine Station weiterfahre, es aber noch unklar sei, wann. Wie würden Sie das finden? – Sie würden die Bahn sicher nicht nutzen wollen. Genauso geht es Sachsen mit den Fernverkehrsverbindungen: immer wieder einmal einzelne Verbesserungen, aber insgesamt drohen Verschlechterungen. Akut drohen uns ab dem Fahrplanwechsel im Jahr 2013 die Verkehre auf der Sachsen-Franken-Magistrale wegzufallen. Im Jahr 2014 wird der eigenwirtschaftliche Verkehr nach Nürnberg nicht mehr durchgeführt werden. Es gibt nicht einmal im Ansatz eine Überlegung, wie dieser bestellt oder finanziert werden soll.
Gerade die Anbindung Westsachsens, liebe Kollegin Springer, ist das schlimmste Beispiel, weil Verbesserungen in der Bedienungsdichte gar nicht absehbar sind.
In der Antwort auf meine Anfrage zum City-Tunnel ist deutlich geworden, dass die Staatsregierung den CityTunnel für einen reinen Nahverkehrstunnel hält und sich von dessen Eröffnung keine wesentlichen Verbesserungen in der Fernverkehrsanbindung erwartet.
Wenn wir dagegen nachlesen, was im Entwurf des Landesentwicklungsplans steht, dann stutzen wir. Auf Seite 85 lesen wir mit Überraschung: „Eine weitere Verbesserung der Fernverkehrsanbindung zwischen Leipzig, Plauen und dem Freistaat Bayern wird auch durch die Einbindung des City-Tunnels in Leipzig erreicht.“ – Guten Morgen! Seit dem Jahr 2006 hat Westsachsen keine Fernverkehrsanbindung mehr.
Was ist eigentlich das Ergebnis der Potenzierung von nichts? – Mathematisch gesehen, bleibt eine Null eine Null, auch wenn man sie verdoppelt, verdreifacht oder vervierfacht.
Lieber Kollege Enrico Stange, ich muss dir wirklich einmal widersprechen. Das ist zwar in den Neunzigerjahren in den Landesentwicklungsplänen viel schöner geschrieben worden – damit hast du recht –, die verkehrspolitische Praxis war aber eine andere. Die CDU-Regierungen in den Neunzigerjahren haben es zugelassen, dass der Bund an Sachsen vorbeigeplant hat. Die unsinnige Neubautrasse über Halle an Leipzig und Sachsen vorbei ist gerade der Grund dafür, dass wir hier die weitere Abbindung Leipzigs befürchten müssen.
Die vielen offenen Probleme mit der Deutschlandtrasse und mit der Lärmsanierung auf der Elbtaltrasse und die Probleme wegen der Unklarheit bei der Neubautrasse Dresden–Prag kann ich in meiner Redezeit gar nicht alle aufzählen.
Wir müssen über Lösungsansätze reden. Es reicht nicht, nur interfraktionell Lobbying zu betreiben. Das wissen Sie ganz genau, Herr Herbst, das machen wir nämlich schon. Wir brauchen ein Zielnetz auf der Bundesebene, um einen integralen Taktverkehr zu erreichen. Die Bundesverkehrswegeplanung muss danach ausgerichtet
Wenn ich immer höre, wie Jan Mücke, der Staatssekretär aus Sachsen, sagt, die Bahn sei eben nicht mehr die Beamtenbahn, dann höre ich heraus, dass die Bundespolitik jeden Willen zur Steuerung aufgegeben hat. Klagen Sie doch nicht über die Trassen- und Stationenpreise, Herr Ministerpräsident! Das Netz und die Bahnhöfe müssen aus dem integrierten Konzern wieder heraus! Sie gehören in staatliche Hand! Dann können wir planen und die Planung auch umsetzen.
Auf dieser Grundlage kann ein Wettbewerb organisiert werden, Herr Kollege Herbst, der ein Qualitätswettbewerb, aber kein Bahnzerlegungswettbewerb ist.
Ich muss sagen, dass wir GRÜNEN uns damals in der Bundesregierung mit der SPD nicht genügend gegen die Interessen des Bahnkonzerns und der SPD-Verkehrsminister haben durchsetzen können. Das bereuen wir sehr und das wollen wir ändern.
Aber zu Sachsen: Was brauchen wir in Sachsen? – Wir brauchen in Sachsen erst einmal eine Bahnplanung. Ansonsten werden wir über das Jammern nicht hinauskommen. Wir sind bundesweit das ÖPNV-Kürzungsland geworden, und wir sind bundesweit in allen Fragen der ÖPNV-Finanzierung, wie Trassenpreise und Stationenpreise, isoliert. Wir brauchen eine eigene Planung. Wir haben mit unserem integralen Taktfahrplan Sachsentakt 21 dafür gute Vorschläge gemacht. Auf Basis unserer eigenen Planung können wir bundesweit mit unseren Aufgabenträgern verhandeln, anders nicht.
Was ist die Alternative? Eigene sächsische Planung, konzertiertes bundesweites Agieren und europaweit Verbündete suchen. Wir brauchen eine Anbindung nach Osteuropa, nicht nur in den Westen. Wenn die Regierung das nicht anders als bisher in die Hand nimmt, Herr Ministerpräsident, wird Ihr Bahngipfel in Chemnitz am 7. Juli wieder ein Gipfel der Hilflosigkeit. Das kann nicht so bleiben.
Das war für die Fraktion GRÜNE Frau Jähnigen. – Für die NPD-Fraktion ergreift jetzt Herr Storr das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns heute wieder einmal mit einem Thema, das von allen Seiten unbestritten ist. Doch es ist uns bisher nicht gelungen, eine Lösung zu finden.
Ja, Sachsen ist vom Fernverkehr abgekoppelt. Wir müssen feststellen, dass diese Abkopplung immer mehr zunimmt. Es ist nicht so, dass wir seit der deutschen Einheit immer weniger abgekoppelt werden, sondern immer mehr. Das muss einem zu denken geben. Auch in diesem Bereich zeigen sich ein wenig die Hilflosigkeit der Politik und das Unvermögen, hier tatsächlich sächsische Interessen durchzusetzen, auch wenn Herr Herbst diese heute wieder betont hat.
Dabei sind eigentlich Lage und Ursachen recht eindeutig. In der Fernsehsendung „Report Mainz“ wurden einmal kritische Stimmen aus verschiedenen Verkehrsministerien der Länder zusammengetragen. Dabei wurden genau die Probleme, die wir in Sachsen haben, bestätigt. Das Verkehrsministerium in Nordrhein-Westfalen sagte zum Beispiel, dass ein Rückzug des Fernverkehrs aus der Fläche stattfindet. Das Verkehrsministerium BadenWürttemberg konstatiert, dass das Verkehrsangebot immer weiter ausgedünnt wird. Brandenburg beklagt, dass es gezwungen sei, bei den von der Bahn eingestellten Fernverbindungen diese durch Regionalzüge ersetzen zu müssen, die natürlich das Land Brandenburg zu finanzieren hat. Am bemerkenswertesten und am klarsten war die Stellungnahme des bayerischen Verkehrsministeriums. Dieses kritisierte, dass sich der DB-Fernverkehr zu sehr auf gewinnbringende Hochgeschwindigkeitsachsen
konzentriert, und weniger wirtschaftliche Verbindungen werden ohne Rücksicht auf Länderinteressen eingestellt. Das Ganze gipfelt in der Aussage: Der Bund nimmt seine im Grundgesetz verankerte Verantwortung für den Fernverkehr nicht aktiv wahr.
Dem kann man eigentlich kaum noch etwas hinzufügen, denn das ist, in aller Klarheit gesagt, das Problem. Da stellt sich für mich die Frage, inwiefern tatsächlich der Freistaat Sachsen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, bislang sächsische Interessen wahrnimmt. Ich habe erfahren, dass sich heute der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Herr Haselhoff, mit dem Bahnchef
Grube trifft. Es geht hier um 5 Milliarden Euro, die für Bahninfrastrukturmaßnahmen ausgegeben werden sollen. Aber es ist schon ein Problem, dass jeder Ministerpräsident einzeln mit der Bahn verhandelt und man offenbar nicht in der Lage ist, die Interessen aller Länder – die Probleme sind ja überall ähnlich – gemeinsam zu formulieren und eine Interessenfront gegen den Bund und gegen die Bahn zu bilden.
Vielleicht wird ja heute der Verkehrsminister einiges dazu sagen können, mit welcher Strategie man endlich erreichen will, dass wir eine bessere Fernverkehrsanbindung haben. Das scheint mir die entscheidende Lösung zu sein, denn einzeln – jeder Ministerpräsident für sich allein genommen – wird man sicherlich nicht gegen die Macht des Bundes und des Bahnkonzerns ankommen.
Die Probleme liegen natürlich auch noch in anderen Bereichen. Frau Jähnigen hat es angesprochen. Die Konzeption einer Börsenorientierung der Bahn hat sich in der Tat nicht bewährt. Es zeigt sich, dass diese Börsenbahn nicht in der Lage ist, den öffentlichen Auftrag, den ein Bahnunternehmen hat, zu lösen und zu bewältigen.
Das ist sicherlich eine Fehlkonstruktion, über die wir einmal reden müssen, auch als Sachsen; denn die Bahn in dieser Konstruktion wird dieser Aufgabe auch zukünftig nicht gerecht werden. Natürlich muss in die Bahninfrastruktur mehr Geld investiert werden.
Ein Gedanke zum Schluss: Wir haben gestern auf Antrag meiner Fraktion über die Spritpreise diskutiert. Ich kann mir vorstellen, dass wir es angesichts immer höher werdender Kraftstoffkosten auch damit zu tun haben, dass der Individualverkehr mit dem Auto immer mehr abnimmt und es zügig zu Änderungen kommt, dass nämlich immer mehr Bürger, weil sie sich das private Auto nicht mehr leisten können, die Bahn nutzen müssen. Dann müssen tatsächlich die Verkehrsanbindungen besser werden. Hier gibt es große Herausforderungen, die wir in relativ kurzer Zeit bewältigen müssen. Ich hoffe, dass der Verkehrsminister heute einige Aussagen dazu macht.
Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Storr. – Wir sind jetzt am Ende der ersten Rednerrunde und treten in eine zweite Rednerrunde ein. Die einbringende Fraktion der SPD hat schon angekündigt, dass sie das Wort ergreift. Bitte, Frau Köpping. Inzwischen ist ja auch der verkehrspolitische Sprecher heil und gesund eingetroffen. Wir sind froh, dass Kollege Pecher im Raum ist.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Bei uns ist es üblich, dass derjenige, der anfängt, es auch zu Ende bringt. Sie sehen, dass Mario Pecher gesund und munter wieder da
Eigentlich wollte ich im zweiten Teil noch einmal ganz aktuelle Probleme bringen, auf die einzugehen ist, vor allem, was die Nordkurve um Leipzig betrifft. Hier wollen wir für Sachsen etwas bewirken? Dies ist nach wie vor im Landesentwicklungsplan enthalten. Wenn das so kommt, bedeutet es weiterhin, dass Städte aus Sachsen abgehangen werden.
Ich gebe Ihnen recht, Herr Herbst: Dieses Thema sollte nicht parteipolitisch ausgetragen werden. Das war auch der Ansatz unserer heutigen Aktuellen Stunde, dass wir uns gemeinsam um dieses Problem kümmern wollen. Deshalb habe ich eingangs immer wieder mit selbstkritischen Anmerkungen gesagt, dass es auch uns in unserer Regierungszeit nicht immer gelungen ist, auf alle Probleme einzugehen und sie zu bearbeiten.
Aber wir haben natürlich ein Problem. Da bin ich tatsächlich bei der FDP. Über demografischen Wandel haben wir oft in Sachsen gesprochen. Wir sind das „älteste“ Bundesland in Deutschland. Wenn jetzt die Deutsche Bahn nach rein betriebswirtschaftlichen Dingen geht, dann hängt sie uns eben ab. Das ist das Problem, bei dem der Einfluss der Politik geltend gemacht werden muss, damit nicht nur betriebswirtschaftliche Fakten zählen, sondern damit für Sachsen nach wie vor in diesem Bereich eine Chance besteht. Dort gilt es, unseren Einfluss geltend zu machen.
Wir haben nun einmal den Beirat der Bundesnetzagentur. Dort sitzen die Länder und dort können wir unseren Einfluss ebenfalls geltend machen. Mir nützt es auch nichts, sehr verehrte Frau Springer, wenn wir nur anmerken, dass es bei der TU Dresden einen Vortrag gegeben hat. Das ist gut und richtig.
Aber wenn daraus nichts erwächst und wir daraus politisch keine Schlussfolgerungen für unser Handeln ziehen, nützt es uns nichts. Mir ging es heute in der Debatte darum,
miteinander Vorschläge zu diskutieren und gemeinsam Strategien zu besprechen. Frau Jähnigen hat es ja angesprochen. Ein Schritt wäre zum Beispiel die Bahnplanung für Sachsen.
Ich hoffe, dass wir mit der heutigen Aktuellen Debatte zumindest eine Anregung geben können und wir uns gemeinsam, Herr Ministerpräsident – da haben Sie uns wirklich im Boot, wenn Sie das möchten –, um dieses Problem kümmern, damit Sachsen den demografischen Wandel in Zukunft positiver bestehen kann.