Protocol of the Session on December 15, 2011

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Das Schlusswort hat DIE LINKE; Herr Abg. Dr. Pellmann, bitte.

(Stefan Brangs, SPD: Welche Rechenschaft ist das? Zustimmung oder Enthaltung?)

– Zunächst einmal, Herr Kollege Brangs, halte ich mich an die Regel.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, wir haben den Antrag heute ganz bewusst als Einladung zur Debatte verstanden.

(Heiterkeit des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Ja, natürlich, so sind wir.

Die Debatte hat auch stattgefunden, und ich sage Ihnen Folgendes: Ob Sie es wollen oder nicht, wir stehen alle – bis auf diejenigen, die meinen, Demokraten sein zu wollen – in gemeinsamer Verantwortung dafür, dass Altersarmut verhindert und abgebaut werden muss – alle, ganz gleich, ob wir heute in der Regierung oder in der Opposition sind. Von daher ist völlig klar: Ich erwarte von der Regierung zuvörderst Handeln und Konzepte – und nicht umgekehrt, dass die Koalition in aller Regel lediglich kommentiert und beurteilt, was die Opposition so vorzuschlagen hat. Das ist verkehrte Welt, die Sie hier zum Teil praktizieren.

Ich will Ihnen zumindest noch Folgendes deutlich machen: Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden muss und langfristig wohlstandssichernd sein kann. Das kann sie aber nur dann, wenn endlich eine gerechte Verteilung des Produktivitätsgewinns erfolgt. Ich erinnere noch einmal daran, was ich vorhin sagte: Es geht nicht nur um die Zahl der Beschäftigten und der Rentner. Nein, es geht um die Kardinalfrage: Wie wird der Produktivitätsgewinn – er ist bekanntermaßen nicht unbedingt an die Beschäftigten gebunden – gerecht verteilt? Dann, kann ich Ihnen sagen, werden wir auch künftig genügend Geld haben, um eine solche Mindestrente finanzieren zu können.

Ich gebe aber gern zu: Versuchen wir, unsere Konzepte künftig gemeinsam zu entwickeln und zu vergleichen! Wir werden auf jeden Fall weiter am Ball bleiben, und ich kann Ihnen versprechen: Beim nächsten Mal werden Sie von mir eine auch finanziell klare Rechnung erhalten, wie diese Dinge zu bezahlen sind. Wie die Grundrichtung ist, ist uns klar. Die Details legen wir Ihnen vor. Aber wir erwarten dann auch von Ihnen konstruktives Mitwirken im Interesse derer, die auf unsere Hilfe angewiesen sind.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, wir kommen nun zur Abstimmung über die Drucksache 5/7365. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 6 und rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Förderprogramm Schulsozialarbeit auflegen –

Schulsozialarbeit an allen Schulen in Sachsen

Drucksache 5/7470, Antrag der Fraktion der SPD,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Die Fraktionen können hierzu Stellung nehmen. Es beginnt die SPD-Fraktion, danach folgen CDU, DIE LINKE, FDP, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie dies wünscht. – Frau Dr. Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Koalitionsvereinbarung von CDU und FDP für die 5. Legislaturperiode formuliert Folgendes – ich zitiere –: „Bedarfsgerechte Angebote von Schulsozialarbeit werden in Zusammenarbeit mit den Kommunen angestrebt. Dabei soll das Niveau und die Qualität der Angebote gerade auch im ländlichen Raum verbessert werden.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, dann können Sie ja heute unserem Antrag getrost zustimmen; denn nichts anderes wollen wir und auch der Kooperationsverbund der Jugendsozialarbeit mit diesem Antrag erreichen. Seien Sie also konsequent!

Schulsozialarbeit wirkt an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfepolitik und Bildungspolitik. Das professionelle Engagement für benachteiligte Kinder und Jugendliche ist eines der wichtigsten Anliegen der Schulsozialarbeit. Sie sind Netzwerke in dem Sozialraum, öffnen die Schule hin in den Sozialraum zur Jugendhilfe und öffnen damit gleichzeitig auch die Jugendhilfe für die Schule. Der Schulsozialarbeit kann es gelingen, ein sozialpädagogisches Klima in die Schule hineinzutragen, ein Klima, das den Blick auf die individuellen Lebens- und Lernsituationen von Kindern und Jugendlichen richtet. Damit trägt sie maßgeblich zum Erfolg schulischen Lernens, unter anderem auch zur Verringerung von Schulabbrüchen, bei, steht aber zuallererst – das ist ihre Aufgabe – Kindern und Jugendlichen als Beratung und Unterstützung in schwierigen Situationen zur Verfügung.

Schulsozialarbeit ist damit auch eine Brücke zwischen der Schule und den Lehrerinnen und Lehrern auf der einen Seite sowie den Kindern und Eltern in dieser Breite auf der anderen Seite. Diese Funktion der Schulsozialarbeit und ihre Bedeutung für das erfolgreiche Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen ist längst parteiübergreifend auch bei CDU und FDP unstrittig. Auch dass es keine speziellen Schulformen gibt, die keinen Bedarf an Schulsozialarbeit haben, ist eigentlich hinreichend bekannt. Im Gegenteil: Grundschulen als frühe Interventionsorte gehören ebenso dazu wie Förderschulen oder Gymnasien. Das zeigt auch die Situation in Sachsen.

Schulsozialarbeit steht aber damit immer wieder im Spannungsfeld zwischen den Polen Schule und Jugendhil

fe, oder anders ausgedrückt: Sie fällt in den Bereich der Freiwilligkeit, der wie eine heiße Kartoffel von einem zum anderen verschoben wird. Das Kultusministerium fühlt sich gar nicht zuständig, wenn es um die allgemeinbildenden Schulen geht, obwohl Schulsozialarbeit ein ganz wichtiger Teil des notwendigen Personals der Schule, vor allem beim Ausbau von Ganztagsschulen, sein sollte, auch, um den Schulerfolg – ein maßgebliches Ziel von Schule – zu verbessern.

Das Sozialministerium verweist auch in seiner jüngsten Stellungnahme gebetsmühlenartig auf die Kommunen und zieht sich auf die Anregungs- und Unterstützungsfunktion zurück, und die Kommunen und Kreise – das erleben wir gerade aktuell wieder – stehen mit dem Rücken an der Wand, wenn es um die Finanzierung der wachsenden Aufgaben in der Kinder- und Jugendhilfe bei rückgängigen Landeszuschüssen geht.

So gibt es heute bereits erhebliche Ungleichgewichte in der Wahrnehmung der kommunalen Verantwortung für die Schulsozialarbeit und damit auch in der Umsetzung der Chancengleichheit in der Bildung. Statistisch kommt ein Schulsozialarbeiter in Sachsen auf 4 000 Kinder – eine Ausstattung, die bundesweit, soweit ich das überschaue, einmalig ist. Der Landkreis Leipzig ist vorbildlich mit 24 Schulsozialarbeitern, die Stadt Leipzig mit 34, aber der Landkreis Meißen und der Landkreis Vogtland geben an, keine Schulsozialarbeiter zu benötigen. Offenbar ist dort kein Bedarf vorhanden.

Wir benötigen deshalb dringend eine kommunale Bedarfsprognose, um solche Ungleichgewichte aufzudecken und im Interesse der Kinder zukünftig zu beheben.

Dabei wurden 2003 sogar gute Fachempfehlungen für die Schulsozialarbeit gemeinsam mit der Landesarbeitsgemeinschaft „Schulsozialarbeit“ erarbeitet. Auch das Konzept „Chancengerechte Bildung“, Frau Ministerin, enthält viele positive Empfehlungen. Sie werden uns heute sicherlich noch sagen, welchen Status dieses Konzept eigentlich hat, denn es mangelt an solider Finanzierung. Eine klare Anwendung und Weiterentwicklung ist auch nicht zu erkennen.

Schulsozialarbeit benötigt eine eigenständige Finanzierung und eine wesentlich stärkere Verantwortung des Landes – wenn es nach uns und dem Bund ginge –, damit sie nicht in Konkurrenz steht zu Pflichtaufgaben der Jugendhilfe, zum Beispiel der Hilfe zur Erziehung, die gerade weitere Kosten erzeugt.

Der in der Stellungnahme zu unserem Antrag zum wiederholten Male enthaltene Hinweis auf die Jugendpauschale ist in Anbetracht der Kürzungen seit 2010 geradezu ein Hohn.

(Beifall bei der SPD und den LINKEN)

Die Kürzung der Jugendpauschale durch die CDU/FDPKoalition in Sachsen hat dazu geführt, dass es auch im Bereich der Schulsozialarbeit als Teil der Jugendhilfe zu massiven Kürzungen meist in Form von Reduzierungen des Arbeitsvolumens sowie des ohnehin geringen Einkommens der Schulsozialarbeiter gekommen ist. Das heißt in der Konsequenz: weniger Zeit für Beratung für die Kinder, für die Lehrer, für Gespräche mit den Eltern, mit den sozialen Diensten und für die Sozialraumarbeit. Das heißt aber auch, dass immer mehr Schulsozialarbeiter aus Sachsen abwandern, da andere Länder viel stärker als Sachsen die Schulsozialarbeit in den Schulen fest verankert haben und auch bei der Finanzierung wertschätzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Verweis auf das Bildungs- und Teilhabepaket reicht nicht aus, denn die Kürzungen in den Bereichen können und sollen damit nicht kompensiert werden. Dazu war es nie gedacht. Es sind ergänzende Möglichkeiten für Schulsozialarbeit zu schaffen.

Die Landesregierung hält es offenbar nicht für notwendig, den Kommunen und Landkreisen klare Empfehlungen und eine Rechtssicherheit zu geben, dass diese Mittel zweckentsprechend eingesetzt werden. So hat sich dieser Tage herausgestellt, dass der Landkreis Leipzig offenbar der Meinung ist, circa 1,4 Millionen Euro, die eigentlich für die Schulsozialarbeit zur Verfügung stehen, zur Sanierung der Haushaltslöcher einsetzen zu können. Es schreitet niemand ein, obwohl das Ministerium die Fachaufsicht hat.

Ich bin gespannt, was die Staatsregierung zu unserem Antrag zu sagen hat und welche Lösungen sie in diesem Feld aufzeigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Stange. – Für die Fraktion der CDU spricht Herr Abg. Schreiber. Herr Schreiber, bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Das Thema Schulsozialarbeit beschäftigt uns in diesem Haus immer und immer wieder – und das ist auch gut so.

Mit dem heute zu behandelnden Antrag liegen bisher zehn Drucksachen zur Schulsozialarbeit vor. Es waren die Plenartage im Mai, an denen wir in einer Aktuellen Debatte zum Bildungs- und Teilhabepaket sowie der Beratung des Antrags „Nutzung des Bildungspakets für Schulsozialarbeit“ der SPD-Fraktion über das Thema Schulsozialarbeit diskutiert haben.

Im September dieses Jahres haben wir im Schulausschuss in einer sehr interessanten öffentlichen Anhörung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Schulsozialarbeit beraten.

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits im Mai dieses Jahres meine Rede vor allem auf zwei Punkte konzentriert: erstens die Verankerung der Jugendhilfe und damit auch der Schulsozialarbeit auf der kommunalen Ebene und zweitens – damit einhergehend – den finanziellen Aspekt. An beiden Schwerpunkten und meiner Meinung nach zu diesen Themen hat sich nicht wirklich viel geändert.

Ad 1. Die Ausgestaltung der Kinder- und Jugendhilfe liegt, wie Frau Dr. Stange eben zu Recht bemerkt hat, in der originären Zuständigkeit der Kommunen. Das ist gut so und unserer Meinung nach soll sich daran grundsätzlich nichts ändern; denn nur die Kommunen wissen am besten, wie die vorhandenen Mittel vor Ort einzusetzen und wo Synergieeffekte möglich sind.

(Martin Dulig, SPD: Die ihr vorher gekürzt habt!)

Sie können gern eine Frage stellen, Herr Dulig! – In diesem Zusammenhang gehe ich davon aus, dass es nicht an allen Schulen nötig ist, Schulsozialarbeit aufzubauen bzw. aufbauen zu müssen, wie Sie es in Ihrem Antrag, liebe SPD-Fraktion, fordern.

Kooperationen bei räumlich naheliegenden Schulen oder Doppelstandorten liegen sicherlich im Rahmen des Möglichen, in Dresden wird dies beispielsweise sehr erfolgreich praktiziert.

Der vorliegende Antrag ist zu diesem Punkt extrem widersprüchlich. Zum einen fordert die SPD-Fraktion in Punkt 1 ihres Antrages, dass Schulsozialarbeiterstellen an allen sächsischen Schulen eingerichtet werden sollen, und zum anderen soll in Punkt 2a erst einmal eine kommunale Bedarfsprognose die Grundarbeit für die Verteilung von Schulsozialarbeitern darstellen. In meinen Augen sollten Sie sich, liebe Kollegen von der SPD, erst einmal darüber im Klaren werden, was Sie eigentlich wollen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Zum zweiten Punkt. Der Freistaat Sachsen unterstützt – wie eben von Frau Dr. Stange angesprochen – über die Förderrichtlinie „Jugendpauschale und Weiterentwicklung“ die Kommunen. Ich möchte daran erinnern, dass dies nach wie vor freiwillige und zusätzliche Leistungen sind, die wir bezahlen und auch weiterhin bezahlen wollen.

Darüber hinaus hält das Sozialministerium das Rahmenkonzept „Chancengerechte Bildung“ vor. Frau Dr. Stange, dieses Konzept gibt nicht nur Handlungsanweisungen, sondern es werden im ersten Jahr auch Projekte der Schulsozialarbeit mit bis zu 80 % und im zweiten Jahr mit bis zu 70 % gefördert.

(Annekatrin Klepsch, DIE LINKE: Und danach? Wie sieht es dann weiter aus?)