Protocol of the Session on September 15, 2011

Das war für die FDPFraktion der Kollege Herbst. Aber jetzt sehe ich am Mikrofon 1 eine weitere Kurzintervention.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bedaure, dass Herr Kollege Herbst auf die vorher aufgeworfenen Fragen, Probleme, Kritikpunkte mit keinem Wort eingegangen ist. Wo wir in Deutschland das Schlusslicht bei Wahlen sind, werden wir vielleicht am Wochenende sehen. Das will ich nicht weiter kommentieren.

(Beifall bei den LINKEN – Unruhe)

Ich finde es auch völlig unangemessen. Ich bin nicht derjenige, der die SPD verteidigen muss, aber es gehört zur Redlichkeit dazu, dass derjenige, der in der arabischen Welt, unter anderem in Libyen, permanent unterwegs war, ein gewisser Jürgen W. Möllemann gewesen ist, und auch das möchten Sie vielleicht zur Kenntnis nehmen. Da Sie mir die Zwischenfrage nicht erlaubt haben, muss ich die

Kurzintervention dazu nutzen, Sie vielleicht darauf hinzuweisen, Herr Kollege Herbst, – –

(Zuruf von der NPD-Fraktion)

Sie haben gefragt, wo dieses Zerrbild herkommt, das in den Medien dargestellt wird aus Ihrer Sicht, und dazu wollte ich Sie gern fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass der Hauptautor dieses „Spiegel“-Beitrages von unserem hochverehrten Herrn Landtagspräsidenten mit der Verfassungsmedaille des Freistaates Sachsen ausgezeichnet wurde und ob Sie darüber einmal nachdenken würden.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Herbst, wollen Sie darauf reagieren?

(Torsten Herbst, FDP: Bei dem Niveau nicht!)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir fahren fort in unserer Rednerreihung und kommen jetzt zur Fraktion GRÜNE. Es spricht Frau Kollegin Hermenau.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Da die Demokratie immer etwas Unfertiges sein muss, ist es auch klar, dass sie ab und zu auf die Tagesordnung des Parlaments gerufen wird. Ich weiß noch nicht so ganz, was ich von diesem Schlagabtausch zwischen Ellenbogenliberalismus und sozialistischem Staatsdirigismus halten muss. Das besprechen wir ein andermal.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jetzt wird es ernst. Wenn man einmal Dr. Norbert Lammert zitiert, jemand, der – zumindest teilweise – in den Reihen der CDU geschätzt wird, davon gehe ich jedenfalls aus, der vor wenigen Wochen formulierte, keine Blankovollmacht und keine Generalermächtigung an die Regierung zu geben und damit den Euro-Rettungsschirm meinte, dann ist ja klar, dass die Union ganz offensichtlich – damit meine ich nicht nur die sächsische, sondern in Gänze – einmal ein Gefühl von Machtlosigkeit durchläuft, demokratische Prozesse in ihrer eigenen Partei kritisiert, und ich glaube, dass ihnen das unvertraut und neu ist, wenn ich mir die Reaktionen so anschaue.

Das heißt, die Frage, wie Sie Demokratie innerparteilich und dann für das ganze Land bedenken und durchführen wollen, ist offensichtlich fragwürdig, denn Sie kommen erst jetzt, in einer solchen Krise, darauf, innerparteilich Demokratie herstellen zu wollen und fordern Sonderparteitage. Ich glaube, dass Sie das Gefühl der Machtlosigkeit, das Sie gerade einmal durchlaufen – und ich empfinde es als sehr heilsam, dass Ihnen das geschieht – an der Energiewende und an der Wettbewerbskrise im Euroraum festmachen. Deswegen sind Sie jetzt auch so dünnhäutig.

Sie kritisieren die Geheimdiplomatie ihrer eigenen Regierung, wollen keine Abnickstatisten im Parlament sein. Ich finde das alles richtig und wichtig. Ich rede seit Jahren hier in diesem Parlament so. Aber es ist das erste Mal,

dass ich es von Ihrer Seite höre. Ich denke, dass eine lebendige Demokratie nicht damit zusammenhängt, wie lebendig die Debatte hier im Parlament verläuft. Das schadet nichts, aber es war heute manchmal auch ein wenig grenzwertig, fand ich.

Es muss eine transparente Politik geben, die einem das Gefühl der Machtlosigkeit nimmt, und zwar nicht nur den CDU-Abgeordneten mit ihrer eigenen Kanzlerin, sondern jedem Bürger und jeder Bürgerin in diesem Land, auch in Sachsen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Darauf kommt es an. Wenn man einmal in die moderne Demokratieforschung schaut, dann hört man heraus, es muss um eine pluralistische freie Gesellschaft gehen, in der die Machtressourcen auch breit gestreut werden. Dieser Fragestellung müssen wir uns hier in Sachsen stellen. Es ist, finde ich – erstens die Frage, um einmal mit Klassikern wie Alexis de Tocqueville oder John Stuart Mill zu argumentieren, nicht immer diesen Klassenkampf der letzten 20 Jahre hier zu wiederholen – –

(Zuruf von der NPD: Ein ideologisches Grundseminar!)

Es ist die Notwendigkeit, eine Tyrannei der Mehrheit selbst auch zu verhindern. Darauf kommt es an. Das waren die ersten Grundstudien Alexis de Tocquevilles im neuen jungen Amerika, das die Demokratie erprobte.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich halte das heute noch für bedenkenswert, und damit sind wir bei der Sächsischen Union. Sie sind jetzt seit sieben Jahren in Koalitionen. Sie waren noch nicht in der Opposition, regieren seit 20 Jahren mit Koalitionspartner oder alleine. Sie träumen wieder von der Einparteienherrschaft, von der Mehrheit – jedenfalls einige von Ihnen. Ich halte diesen Zustand, gelinde gesagt, für vordemokratisch. Ich glaube, wer von der einfachen Mehrheit einer Partei träumt, handelt und denkt vordemokratisch, jedenfalls in der modernen Zeit.

Die Legitimität einer Regierung kommt doch durch gutes Regieren und dadurch, dass die Bürger ein Vertrauen in diese Regierung haben. Das sind doch die Maßstäbe. Die Bevölkerung in Sachsen stellt Ihnen stur seit sieben Jahren immer einen neuen Koalitionspartner zur Seite und macht Ihnen demokratisch bewusst und fordert Sie auf, den Dialog zu suchen. Das ist das, was dahinter steckt, sonst würde sie Sie ja mit einfacher Mehrheit wählen. Offensichtlich denkt sie, Sie brauchen ein etwas mehr Dialog.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Was ich in Sachsen wirklich sehr unfertig finde, ist nicht nur das zum Teil unmündige Verhältnis des Parlamentes zur Regierung, sondern dass die Regierung keinerlei großartige Anstalten unternimmt, die Bürger zu ermutigen, sich selbst stärker für die Demokratie einzusetzen. Es geht darum, dass der Bürger selbst die Demokratie für

sich annimmt und auch für sich etwas Gutes darin entdeckt.

Es geht nicht darum, dass man eine andere Institution schafft, um zu regieren, und der andere regiert wird, sondern es geht darum, dass wir miteinander unseren Staat aufbauen und auch zusammenhalten. Ich denke, dieser Punkt fehlt hier in Sachsen für meinen Geschmack viel zu sehr. Das ist der Kern der Diskussion, glaube ich, die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier immer wieder führt; das finde ich zu Recht.

Der eine oder andere von Ihnen hat sicherlich zu Wendezeiten auch das Buch „Der vormundschaftliche Staat“ gelesen. Ich habe das damals mit großem Interesse gelesen, es war ein Weckruf. Ich meine, dass immer noch viel Denken aus der DDR auch hier in Sachsen eine Rolle spielt, und ich wünsche mir, dass wir die nächste Stufe schaffen. Ich wünsche mir, dass wir die parlamentarische Stufe, die institutionell in Sachsen eingerichtet worden ist, mit einer Bürgergesellschaft zusammenbringen und verzahnen, damit die Zufriedenheit aller mit diesem System wächst. Das wäre mein Wunsch.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das war für die Fraktion GRÜNE die Abg. Hermenau. – Für die NPD-Fraktion spricht jetzt der Abg. Storr.

(Zuruf von der SPD – Zuruf von der NPD: Freuen wir uns!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Begriff der sächsischen Demokratie, den die SPD hier auch ausgewählt hat, ist ganz offenkundig einem Interview des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse entnommen, der im MDR diesen Begriff verwendet hat. Interessant ist hier, dieses Zitat vielleicht noch einmal vollständig zu bringen. Er sagte nämlich: „Die Polizei ist vollauf beschäftigt, die Neonazis zu schützen. Das ist so, das ist sächsische Demokratie.“

Kern der Beschuldigung einer „sächsische Demokratie“ ist, dass sogenannte Neonazis geschützt werden. Aber was, bitte schön, beinhaltete denn dieser Schutz? Von nationalen Deutschen geht keine Gewalt bei Versammlungen aus. Alle Gerichte attestieren, dass, wenn nationale Deutsche das Versammlungsrecht in Anspruch nehmen,

(Zuruf von der CDU: Das stimmt nicht!)

sie diese Veranstaltungen friedlich durchführen. Die Störer kommen von der anderen Seite, von links. Genau das ist der Kern der Kritik von Thierse: dass der Staat Gewalttäter verfolgt. Das ist genau die Demokratie, die sich die linke Seite zu eigen macht.

Herr Dulig und Herr Hahn, Sie beide sind die ungeeignetsten Personen, um hier von Demokratie und Rechtsstaat zu sprechen; denn Sie beide haben sich an Blockaden beteiligt,

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Blockaden, die darauf abzielen, eine friedliche Versammlung zu verhindern und damit anderen Deutschen das Grundrecht, sich friedlich zu versammeln, entziehen.

(Beifall bei der NPD)

Sie machen hier im Grunde genommen so etwas wie Selbstjustiz und halten das für den Ausdruck einer demokratischen Gesinnung. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie hier beschwören. Das ist nämlich undemokratisch und entspricht überhaupt nicht dem Rechtsstaat. Diese ganz einfache Tatsache sollte man hier einmal zur Kenntnis nehmen.

Wenn hier immer von friedlichen Versammlungsteilnehmern gesprochen wird, dann will ich nicht pauschal sagen, dass alle, die sich an Gegenveranstaltungen beteiligen, Gewalttäter sind. Das wäre sicherlich unangemessen und unsachlich. Aber auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird immer wieder festgestellt, dass Versammlungen auch in Gänze zu beurteilen sind. Wenn es aus einer Versammlung heraus zu Gewalttaten und Störaktionen kommt, dann ist es durchaus nicht so, dass dann noch der Artikel 8 des Grundgesetzes diese Versammlung schützt, die darauf ausgerichtet ist, eine andere friedliche Versammlung zu stören oder zu verhindern. Das ist ständige Rechtsprechung. Ich wundere mich eigentlich, dass in diesem Hause leider auch nicht die CDU und die FDP darauf hingewiesen haben, dass das Gegenstand der Rechtsprechung ist.

Insofern zeigt sich, dass hier tatsächlich sehr viel Heuchelei oder – um es freundlicher zu formulieren – offenbar eine Wahrnehmungsstörung vorliegt.

Das Schlimme ist – darauf werde ich im zweiten Teil meiner Rede noch einmal zu sprechen kommen –, dass die Akteure zur Verhinderung der Versammlungsfreiheit nicht nur bei linken Demonstranten, sondern leider auch aufseiten der Exekutive zu suchen sind.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der NPD sprach der Abg. Storr. – Wir sind am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. Die Staatsregierung möchte zum Schluss sprechen. Wir kommen also jetzt zur zweiten Rednerrunde. Für die einbringende Fraktion der SPD spricht Kollege Homann.

(Jürgen Gansel, NPD: Schnappatmung einsetzen!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss es ganz ehrlich sagen: Es ist auch eine intellektuelle Beleidigung, die rechtsstaatliche Aufrichtigkeit der deutschen Sozialdemokratie infrage zu stellen.