Protocol of the Session on September 15, 2011

(Beifall bei der SPD – Proteste bei der NPD)

Es waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die unter Einsatz ihres eigenen Lebens gegen das Ermächti

gungsgesetz gestimmt haben. Es waren Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, die sich gegen die Vereinnahmung durch die DDR-Diktatoren verwehrt haben.

(Andreas Storr, NPD: …und in der DDR Gesprächspartner der SED waren!)

Diese Sozialdemokraten sind im Kampf für den Rechtsstaat ins Gefängnis und auch in den Tod gegangen, während sich andere Parteien und andere politische Strömungen mit den Nationalsozialisten und auch mit den Kommunisten arrangiert haben. Das muss man sagen.

(Beifall bei der SPD – Proteste bei der NPD)

Ich finde, es ist ein deutliches Symptom dessen gewesen, worüber wir heute sprechen, das der eigentlich von mir sehr geschätzte Kollege Schiemann in seiner Rede zum Ausdruck gebracht hat. Wenn hier vorn jemand Kritik äußert, dann bekommt er eine Retourkutsche, die in der Form geschieht, wie wir das heute erlebt haben. Wer Kritik an der Staatsregierung äußert, ist entweder kriminell oder er verteidigt Gewalttäter. Wer behauptet, dass sich die Sozialdemokraten in diesem Haus auch im Nachgang zum 19. Februar nicht von der Gewalt distanziert und diese klar verurteilt hätten, der muss sich fragen lassen, wo er eigentlich im letzten halben Jahr im Plenum gewesen ist. Denn das ist eine glasklare Lüge.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Vorwurf fällt mir nicht leicht, aber es ist so. Wir haben es getan, und es ist klar, dass wir es getan haben, denn die SPD ist die Partei der Rechtsstaatlichkeit.

Ich möchte an der Stelle auch noch einmal feststellen: Wer den friedlichen Demonstrantinnen und Demonstranten und auch den friedlichen Blockiererinnen und Blockierern vorwirft,

(Andreas Storr, NPD: Das ist trotzdem eine Straftat!)

sie würden damit gegen die Verfassung agieren, der muss doch bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass diese Menschen, diese Demokratinnen und Demokraten – ich rede von den friedlichen Demonstranten und Blockierern – versucht haben, gegen erklärte Verfassungsfeinde, die Neonazis,

(Andreas Storr, NPD: Wir sind keine verfassungsfeindliche Partei!)

den Geist des Grundgesetzes zu verteidigen, der genau in Abgrenzung zu den Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten hineingeschrieben wurde.

(Jürgen Gansel, NPD: Wir sind aber keine Nazis, Herr Homann, wir sind Nationaldemokraten! – Lachen bei der SPD und den LINKEN)

Das ist der nächste Scherz! Sie sind ausgemachte Nationalsozialisten, und von Ihnen geht zumindest strukturelle Gewalt aus, meine sehr geehrten Damen und Herren, das müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Andreas Storr, NPD: Nennen Sie praktische Beispiele!)

Ich finde das mehr als betrüblich. Wir erleben es auch heute wieder: Wer sich in diesem Land engagiert, der macht sich verdächtig.

(Zuruf von der CDU: Ach?)

Das ist eine Botschaft, die in diesem Land bei den Bürgerinnen und Bürgern inzwischen ankommt. Das reicht weit in die bürgerlichen Schichten hinein.

(Marko Schiemann, CDU: Sie haben Minderwertigkeitskomplexe!)

Das ist eine Herangehensweise, eine Philosophie, die ich von ihrer Grundaussage her für undemokratisch halte. Wir erleben das an vielen Stellen, auch bei Diskussionen über ganz andere Politikfelder. Dabei geht es darum, wie deutlich man Kritik im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik übt, wie deutlich man Kritik an der Arbeitsmarkt- oder Wirtschaftspolitik äußert. Da erlebe ich Menschen, die sagen: Ich traue mich nicht, das laut zu sagen. Genau das ist die Konsequenz Ihrer antidemokratischen Kultur, die Sie hier in Sachsen streuen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Proteste bei der CDU)

Das muss an dieser Stelle gesagt werden.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Diese zweite Runde eröffnete Kollege Homann für die einbringende Fraktion der SPD. – Als Nächster spricht für die CDU-Fraktion Kollege Bandmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema der Aktuellen Stunde lautet „Sächsische Demokratie“. Der Vorredner von der SPD schlug den Bogen zur Weimarer Republik. Die Weimarer Republik ist an dem Streit der Demokraten zerbrochen, und am Ende wurde das „Kleinere Übel“ gewählt, nämlich die NSDAP.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Was? – Zurufe von den LINKEN und der SPD)

Wenn Sie die historischen Berichte von damals lesen, werden Sie feststellen, dass die Menschen der Meinung waren, dass die NSDAP das kleinere Übel sei, damit endlich Ruhe und Frieden nach Deutschland kämen. Die Geschichte belegt aber, dass sie sich damit grundlegend getäuscht haben. Die NSDAP hat die demokratischen Strukturen sofort missbraucht. Die Menschen haben zu Recht beklagt, dass Sozialdemokraten eingesperrt und in die Konzentrationslager gebracht wurden und der Faschismus jüdische Mitbürger ausgerottet hat.

Nach zwei blutigen Diktaturen ist durch die friedliche Revolution in Sachsen und in Europa eine neue Weltord

nung entstanden. „Keine Gewalt!“, „Wir sind das Volk!“ und „Wir sind ein Volk!“ waren die Rufe der Demonstranten.

(Stefan Brangs, SPD: Und ich bin der Volker!)

Wer jetzt von sächsischer Demokratie spricht, als Berliner nach Sachsen kommt und bewusst die Sachsen damit kritisieren will, muss sich schon fragen lassen, welche Absicht er im politischen Diskurs dieses Landes hat.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Holger Zastrow und Torsten Herbst, FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit ist es aber nicht genug. Er hat es dabei nicht belassen, sondern heute nachgelegt. Er wirft Sachsen die BreschnewDoktrin auf sächsischem Weg vor. Ich möchte zitieren: „Die Vehemenz, mit der sich hier staatliche Organe Kritik verbitten, habe ich anderswo noch nie erlebt“, sagt Thierse.

(Beifall der Abg. Sabine Friedel und Dr. Eva-Maria Stange, SPD)

„Und wenn einer etwas Kritisches sagt, gilt das gleich als Einmischung in die inneren Angelegenheiten.“ Auf mich wirkt das beinahe so, als gebe es eine sächsische Breschnew-Doktrin. Man ist Kritik wohl nicht gewohnt. Er beobachtet Anzeichen einer Verschwisterung zwischen einer Partei und dem Beamtenapparat nach 20 Jahren CDU-Herrschaft im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei den LINKEN und der SPD – Miro Jennerjahn, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte jetzt keine Zwischenfrage. – Meine Damen und Herren, damit sind wir genau bei dem Punkt: 20 Jahre lang hat die Bevölkerung klare Entscheidungen für CDU-Mehrheiten getroffen. 20 Jahre lang haben wir einen erfolgreichen Kurs gefahren. Die Menschen und ich persönlich sind froh, im Freistaat Sachsen zu leben, in dem erfolgreichsten Land der ostdeutschen Länder.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir sind froh, wieder ein würdiger Punkt im Kranz der deutschen Länder zu sein, wie uns gestern auch der Kreuzchor mit einer neuen – oder ich sage besser alten – Sachsenhymne gezeigt hat.

Wer dies kritisiert, aus Berlin hochnäsig herab, der kann zu Recht mit unserem Widerstand rechnen.

(Beifall bei der CDU – Stefan Brangs, SPD: Oh!– Weitere Zurufe von der SPD und den LINKEN)

Wer als Bundestagsvizepräsident das Vertrauen in rechtsstaatliches Handeln,

(Zuruf des Abg. Holger Mann, SPD)

in Justiz und Polizei nachhaltig untergräbt, muss sich zu Recht fragen lassen, welche politische Absicht er hat.

Ich bin von der Unabhängigkeit unserer Justiz und unserer Polizei zutiefst überzeugt. Wer Beschwernisse hat, kann dagegen bis zum Europäischen Gerichtshof Rechtsmittel einlegen. Ich kann Ihnen – auch den LINKEN – nur empfehlen: Machen Sie diese Tests! Das haben Beispiele für ein erfolgreiches Verfahren gezeigt. Diese Erfolge zeigen, dass Demokratie funktioniert. Es gibt aber auch genügend Beispiele, bei denen Sie eine Bauchlandung gemacht haben. Von daher ist die Ausgewogenheit der Mittel gefragt.

Ich ermahne uns alle um etwas mehr Mäßigung im Text, wenn es um das Thema Demokratie geht. Wir sind ein Beispiel für das gesamte Land.