Protocol of the Session on November 12, 2009

Wir dürfen aber nicht blindlings unsere Augen verschließen. Nicht jedes Projekt ist mit seinem Programmansatz und mit seiner Umsetzung auch erfolgreich und ein Beitrag für die Gesellschaft. Deshalb hat die Staatskanzlei das Förderprogramm evaluiert. Die Investitionen in dieses Programm müssen sich lohnen. Die Projekte sollen zielgerichtet arbeiten. Darüber sind wir uns sicher hier im Hohen Haus einig, meine Damen und Herren.

Nun dienen Evaluationen nicht nur dazu, Dinge genau unter die Lupe zu nehmen und kritisch zu bewerten, sie sind eben auch wichtiges Informationsmedium für die Öffentlichkeit.

Der Evaluationsbericht ist bereits seit August im Netz. Ich glaube, da haben Sie als Fraktion den Antrag noch gar nicht schreiben können. Ein bisschen eher nachschauen wäre auch gut gewesen. Dann hätten wir diesen Antrag heute nicht auf der Tagesordnung, denn die Frage für mich ist in der Tat: Worüber entscheiden wir jetzt? Sie wollen den Evaluationsbericht. Er steht im Netz. Also hat sich Ihr Antrag eigentlich erledigt. Trotzdem gibt uns der Antrag die Möglichkeit, heute darüber zu sprechen, wie wir die Neuausrichtung gestalten werden. Sie wissen, im Koalitionsvertrag gibt es eine Aussage, dass es mehr in Richtung Prävention gehen soll. Seit Anfang dieses Monats ressortiert dieses Programm „Weltoffenes Sach

sen“ im Sächsischen Staatsministerium des Innern. Da wird uns der Staatsminister des Innern noch einige Informationen während der Debatte geben können, wie die Ausrichtung aussehen wird.

Worum geht es uns? Wir wollen bei der Neuausrichtung eine Marke etablieren, die für eine Marke einer gelebten Weltoffenheit, gelebten Demokratie und gelebten Toleranz steht, die über den Freistaat Sachsen hinausgeht. Wenn ich von Marke spreche, spreche ich nicht über Währung, sondern darüber, dass die Botschaft aus Sachsen sein muss, dass trotz einer NPD, trotz solcher Vorkommnisse wie im Landgericht Dresden dieser Freistaat weltoffen, tolerant und ein Hingeh-Land ist. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir diese Debatte relativ sachlich zu Ende bringen können. Ich habe Ihnen ja schon begründet, warum wir diesen Antrag heute ablehnen werden, nämlich, weil das Ziel des Antrages der Fraktion GRÜNE bereits erfüllt ist. Steigen wir ein in die Diskussion zur Neuausrichtung des Programms „Weltoffenes Sachsen“!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Von der Fraktion DIE LINKE liegt mir eine Wortmeldung vor. Frau Abg. Klinger, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich finde es gut, dass der Antrag hier debattiert wird, auch wenn er etwas dünn gestrickt ist und das geforderte Ergebnis bereits vorliegt. Ich freue mich, dass Herr Rohwer erkannt hat, dass es wichtig ist, über eine Neuausrichtung zu sprechen.

Wir hatten gestern die Aktuelle Debatte zum Thema „Neonazistische Gewalt und Fremdenfeindlichkeit in Sachsen“. In dieser haben wir gehört, wie hoch die Zahlen von Opfern rechter Gewalt sind und wie viele Verletzte es allein in diesem Jahr gegeben hat. Herr Jennerjahn hat das auch noch einmal in seinem Beitrag angeführt.

Auch Herr Innenminister Ulbig hat gestern auf die Dringlichkeit und Notwendigkeit, das Problem anzugehen, hingewiesen. Die Ergebnisse der U-18-Wahlen sprechen ebenso für sich wie verschiedene Studien, die belegen, wie weit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Homophopie, Antiziganismus und Weiteres in der Gesellschaft verbreitet sind, und zwar bis in deren Mitte.

Vor fünf Jahren legte die Staatsregierung das Programm „Weltoffenes Sachsen“ auf, ein grundsätzlicher und notwendiger Schritt, den auch die damalige PDS-Fraktion lange eingefordert hatte. Ich finde es schon etwas scheinheilig, wenn sich die CDU-Fraktion hier feiert und beklatscht. Machen Sie sich doch nichts vor: Ohne die SPD in der Regierung und ohne den Einzug der NPD ins Parlament wäre dies nicht geschehen.

Heute fordern die GRÜNEN in ihrem Antrag die Veröffentlichung der Ergebnisse der Evaluation des Programms. Eine Evaluation ist natürlich nur dann sinnvoll,

wenn die Ergebnisse veröffentlicht werden. Darauf weisen Sie in der Begründung Ihres Antrages hin. Damit wäre alles zum Antrag gesagt. Ich möchte aber die Gelegenheit nutzen, um aus Sicht der Fraktion DIE LINKE ein paar grundlegende Dinge zum Programm anzusprechen.

An erster Stelle fordern wir die Sicherstellung der Finanzierung der Beratungsstellen für Opfer rechter Gewalt und des Kulturbüros Sachsen, an das die mobilen Beratungsteams angebunden sind. Wir fordern hier eine institutionelle Förderung. Unter der Maßgabe der Debatte, die gerade auf Bundesebene geführt wird, werten wir es als verantwortungslos, diese etablierten und wichtigen Akteure in der Arbeit gegen Neonazismus nicht weiter gefördert zu sehen – im Gegenteil, hier bedarf es sogar einer Aufstockung der Mittel. Eigentlich bräuchte jeder Landkreis sein mobiles Beratungsteam. Die Ausweitung der Bundesprogramme gegen Rechts auf Linksextremismus und Ausländerextremismus ist angesichts der derzeitigen Lage nicht nur politisch fragwürdig, sie kommt auch einer faktischen Kürzung der Mittel im Kampf gegen Nazis und deren Ideologie gleich. Nicht umsonst warnt ein Expertengremium von Wissenschaftlern vor einer „Rückkehr in die Denkschablonen wie im Kalten Krieg“.

Die Summe der im Programm eingestellten Mittel beträgt insgesamt 2 Millionen Euro. Davon sind in den letzten Jahren allerdings nur knapp drei Viertel tatsächlich bei den Vereinen, Verbänden und Trägern angekommen. Das ist deutlich zu wenig. Bis zum letzten Jahr hat sich die Staatsregierung kräftig aus diesem Topf bedient, um Öffentlichkeitsarbeit für sich selbst zu betreiben. Damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

2 Millionen Euro eingestellte Mittel heißt auch 2 Millionen Euro, die der konkreten Arbeit gegen Rechts zur Verfügung stehen müssen.

Ich möchte noch eine Frage an die neue Staatsregierung richten: Wie wollen Sie in Zukunft die Praxis der Vergabe regeln? Wir als Linke fordern klare, nachvollziehbare Kriterien, die die Grundlage für die Entscheidung der Mittelvergabe bilden. Wir wollen keine bloße Behördenwillkür, wir wollen keine Zufälligkeit. Wir fordern einerseits eine regionale Ausgewogenheit der Angebote, die sich an alle Altersgruppen richten, andererseits ist die inhaltliche Ausrichtung und Qualität der beantragten Projekte wesentlich für die Vergabe der Fördermittel. Hierzu ist es notwendig, die Förderung des Programms zu evaluieren bzw. die Evaluierung zu veröffentlichen. In Zukunft ist verstärkt darauf zu achten, inwieweit Projekte sich wirklich gegen Auswüchse rechter Ideologie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus usw. wenden. Ich befürchte, dass zum jetzigen Zeitpunkt keine relevanten Aussagen zur Nachhaltigkeit getroffen werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir brauchen aber nicht nur ein Förderprogramm und nicht unbedingt eine Marke, oder Sie erklären mir Ihr Konzept noch

einmal, Herr Rohwer. Was wir brauchen, ist eine Gesellschaft von Menschen mit Zivilcourage, die sich aktiv und aus Eigeninitiative in ihr Gemeinwesen einbringen und die achtsam sind, wenn Grundwerte der Demokratie durch Reden und Handeln verletzt werden.

Herr Rohwer, Sie haben angeführt, dass unsere Demokratie fest verankert ist. Hierzu möchte ich noch einmal auf das Beispiel 13. Februar zurückkommen. Wie kann es denn sein, dass Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet anreisen, um zu protestieren und einen Naziaufmarsch zu verhindern, aber die Anzahl der Dresdnerinnen und Dresdner, die sich daran beteiligen, an einer Hand abzählbar ist? Da ist es doch mit der Zivilcourage der hiesigen Bevölkerung nicht weit her. Hier sind auch Sie gefordert, meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen und von der Staatsregierung, Voraussetzungen zu schaffen, damit couragiertes Handeln eine Selbstverständlichkeit wird. Mit Verboten, wie Sie sie planen, werden Sie das nicht erreichen.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Couragiertes Handeln lässt sich auch nicht mit ein paar Euro erkaufen. Ein Fördermittelprogramm kann hier nur ein Baustein sein, wenn auch ein notwendiger. Wir brauchen ein gesamtgesellschaftliches Konzept, ich denke dabei zum Beispiel an „Tolerantes Brandenburg“, was ein sehr gutes Konzept ist.

(Sebastian Fischer, CDU: Das Ergebnis sehen wir ja!)

Die Intention des Antrages ist richtig, seine Ausführung ist etwas halbherzig, das wird sich klären, aber als Grundlage einer Weiterentwicklung des Programms „Weltoffenes Sachsen“ sicherlich notwendig. Deshalb können wir dem Antrag, wenn er zur Abstimmung gestellt werden sollte, zustimmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Vielen Dank, Frau Klinger. – Ich bitte nun Herrn Homann von der SPDFraktion, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, mit großem Interesse und durchaus positiv habe ich gestern Ihre Worte verfolgt, und nicht nur ich, sondern auch viele Initiativen aus der Zivilgesellschaft schauen in diesem Moment sehr genau hin, was sich bei der neuen Koalition tut. Sie haben als Oberbürgermeister der Stadt Pirna den Kampf aufgenommen. Sie werden heute in der „Zeit“ mit dem Satz zitiert: „Das war damals überhaupt nicht schick.“ Und Sie haben recht, das war damals nicht schick, und deshalb mein Respekt für die Courage, die Sie schon damals gezeigt haben. Weil es nicht schick war und weil es vielen konservativen Politikern schwerfällt, das Thema Rechtsextremismus in den Kommunen klar zu benennen, gibt es auch ein gewisses Misstrauen gegenüber dem, was die neue Koalition mit dem Programm „Weltoffenes Sachsen“ macht.

Das Programm „Weltoffenes Sachsen“ hat in den letzten Jahren ohne Frage viel erreicht und Initiativen und Projekte vor Ort gefördert, die in den Schulen und Jugendeinrichtungen Überzeugungsarbeit leisten mussten. Es gehört auch zur Wahrheit, dass es nicht immer mit der Unterstützung der Bürgermeister passiert ist, sondern leider oft genug eher dagegen. Die Landesregierung möchte das Programm „Weltoffenes Sachsen“ fortsetzen und neu ausrichten. Ihre gestrige Ankündigung, die Netzwerke und Projekte fortzusetzen, begrüße ich. Sie haben gesagt, dass Sie auch gegen Linksextremismus vorgehen wollen. Auch das ist notwendig. Aber das in einem Projekt zu tun, wirft Fragen auf, die der Kollege Jennerjahn auch gestellt hat. Für die einzelnen Projekte und Initiativen soll ein Mehr an Arbeit bei gleichem Budget geleistet werden. Woher also das Geld nehmen?, fragen sich die Mitarbeiter der Projekte, sicher auch in Pirna.

Wir werden eine Debatte darüber bekommen, wie dieses Programm neu ausgerichtet wird und wo Geld eingespart wird, um den neuen Ansprüchen gerecht zu werden. Dafür brauchen wir ohne Frage diese Evaluation in der von den GRÜNEN geforderten Form. Die Projekte müssen vor Kritik geschützt werden; denn wir wissen alle, dass die Leute, die vor Ort den Finger in die Wunde legen, die Missstände aufzeigen, oft genug als Nestbeschmutzer wahrgenommen werden, die das Image der Kommune bedrohen. Deshalb geben wir die Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich danke Ihnen, Herr Homann, und bitte nun Herrn Biesok, für die FDPFraktion zu sprechen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als neues Mitglied dieses Hauses war ich etwas überrascht, wie hier bestimmte parlamentarische Initiativen vorbereitet werden. Der Antrag geht meines Erachtens ins Leere, weil die geforderte Offenlegung der Evaluation bereits im Internet erfolgt ist. Die Kollegen haben bereits darauf verwiesen. Es ist nicht so, wie hier ursprünglich gesagt wurde, dass nur ein Teil veröffentlicht wurde. Der Abschlussbericht ist vollständig ausgedruckt. Sehr geehrter Kollege Jennerjahn, ich stelle Ihnen das gern zur Verfügung, dafür brauchen Sie keinen Strom, der in Dresden aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird, um das noch einmal nachzuschauen. Hier steht alles drin, was Sie wissen möchten.

(Beifall bei der FDP und des Staatsministers Sven Morlok)

Ebenfalls kann ich nicht verstehen, warum man bei dieser Initiative mit bestimmten Informationen zurückhaltend umgehen soll. Hier wird ausdrücklich geschrieben, dass eine vollständige Veröffentlichung der Projektevaluation nicht sinnvoll ist, da bestimmte vertrauenswürdige Daten darin enthalten sein können. Meine Damen und Herren,

ich bin hier für vollständige Transparenz. Es geht darum, dass öffentliche Mittel dazu verwendet werden, um ein weltoffenes Sachsen zu schaffen. Dazu sollten wir schon genau wissen, welche Gruppen diese Mittel bekommen haben, was sie damit gemacht haben und was daraus geworden ist.

(Beifall bei der FDP, des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU, und des Staatsministers Sven Morlok)

CDU und FDP haben sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, das Programm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ fortzuführen. Das möchte ich für unsere Fraktion ausdrücklich bestätigen.

Aus den Schlussfolgerungen, die aus dem Abschlussbericht zu ziehen sind, bleibt für mich festzuhalten, dass durchweg an allen gesellschaftlichen Problemlagen angesetzt wurde und man dabei mit differenzierten Ursachenanalysen weitergekommen ist. Man muss bei einer Fortführung des Programms darauf achten, dass das Programm auch weiterhin rechtsextremistischen Entwicklungen im Land entgegenwirkt und noch zielgenauer eingesetzt wird. Deshalb müssen wir zukünftig mehr als bisher konkrete Wirkungsziele definieren, um diese anschließend besser kontrollieren zu können. Daher soll eine Wirkungsanalyse für Projekte insgesamt durchgeführt werden, die als Vorbild für andere Projekte, unter Umständen in anderen Regionen oder mit einer etwas anderen Zielstellung, dienen können. Letztlich soll die Weiterentwicklung der Projekte zu einer Schwerpunktbildung verpflichten. Die Projekte können so besser gesteuert werden, und es ist eine bessere Förderungsmöglichkeit aus den verschiedenen Förderprojekten möglich.

Ich bin mir sicher, wenn wir alle Vorgaben der Regierung beachten, dann wird das Programm „Weltoffenes Sachsen“ zukünftig noch erfolgreicher.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Da die Ergebnisse bereits vollständig vorliegen, wird meine Fraktion diesen Antrag ablehnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Nun spricht Herr Storr für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD-Fraktion nutzt gern diesen Antrag der GRÜNEN, auch wenn er sich sicher inhaltlich schon erledigt hat, weil wir dazu Stellung nehmen wollen, wie wir dieses Programm einordnen und bewerten.

Herr Rohwer, der im Moment nicht im Saal ist, hatte ursprünglich einige Hoffnungen bei mir geweckt, da er festgestellt hat, dass man diese Leerbegriffe von Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz vielleicht auch einmal mit Bedeutungsinhalten füllt, um deutlich zu machen, was sich tatsächlich hinter diesem Programm „Weltoffenes Sachsen“ verbirgt. Ich habe aber im Beitrag des Abg. Rohwer nicht feststellen können, dass er diese

Begriffe mit Inhalt gefüllt hat. Im Gegenteil, er hat neue inhaltsarme Begriffe hinzugefügt: Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Extremismus – auch dies sind letztendlich nur Leerbegriffe, und wer sich einmal die Entwicklung der öffentlichen Meinung in den letzten Jahrzehnten vor Augen führt – das ist das Ergebnis, zu dem meine Fraktion kommt –, muss feststellen, dass der Linksextremismus von gestern die Mitte von heute ist.

(Beifall bei der NPD)

Genau dafür steht inhaltlich das Programm „Weltoffenes Sachsen“. Die NPD-Fraktion lehnt die Alimentierung der linksextremistischen Polit-Mafia in diesem Lande ab.