Protocol of the Session on November 12, 2009

Denn Karlsruhe hat seit Jahren klargestellt, zuletzt in der Entscheidung aus dem Jahre 2001 in der Auseinandersetzung mit dem OVG Münster – Ihnen dürfte das bekannt sein –, dass Versammlungen nicht wegen Meinungsäußerungen, die strafrechtlich erlaubt sind, verboten werden dürfen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Kennen Sie eine Strafvorschrift, die die Befürwortung des SEDUnrechtsregimes unter Strafe stellt? Ich kenne keine.

Dieser Gesetzentwurf möchte aber die Grundlage schaffen, entsprechende Versammlungen zu verbieten.

Meine Damen und Herren, ich frage Sie: Was soll denn das? Mir ist noch keine Kundgebung ehemaliger StasiAngehöriger vor dem Stasiknast in Bautzen bekannt geworden. Offensichtlich haben sich hier die Ideologen der Extremismusthese durchgesetzt, die es eben nicht ertragen können, nur ein Gesetz gegen extrem rechte Meinungen machen zu sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit wir uns richtig verstehen: Ich würde eine solche Versammlung ebenso wie Nazi-Demos politisch aufs Schärfste verurteilen und ihr entgegentreten, aber in einer freiheitlichen Demokratie müssen wir eben schamlose und provokative Versammlungen ertragen, wenn wir nicht den Ast absägen wollen, auf dem wir selbst sitzen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und vereinzelt bei der SPD)

Ich frage Sie: Was soll denn das Verbot einer Verharmlosung – wie Sie formulieren – der „Folgen des Zweiten Weltkrieges“? Was ist damit gemeint? Soll etwa eine Verharmlosung der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten oder der Teilung Deutschlands, sicher Folgen des Zweiten Weltkrieges, verboten werden, oder möchte sich die Staatsregierung etwa der Ansicht einiger unverbesserlicher Altstalinisten anschließen, die den Mauerbau als Folge der Teilung Europas in zwei Blöcke rechtfertigen?

Diese Beispiele mögen genügen, um zu illustrieren, in welche Sinnlosigkeiten sich der Gesetzentwurf aufgrund seiner extremismusideologischen Prägungen und unbestimmten Voraussetzungen verstrickt.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Aber kommen wir doch auf des Pudels Kern: Bringt das Gesetz etwas für ein Versammlungsverbot gegen die Nazidemos rund um den 13. Februar in Dresden? Ich meine nein. Zunächst muss daran erinnert werden, dass die Stadt Dresden seit Jahren eine großflächige Demonstrationsverbotszone in der Dresdner Innenstadt mit Allgemeinverfügung durchsetzt. Leider – das sage ich ganz bewusst und auch öffentlich hier – haben die sächsischen Verwaltungsgerichte nicht gewagt, diese pauschalen Innenstadtverbote, diese Grundrechtsexklaven im Lichte des Artikels 8 des Grundgesetzes infrage zu stellen, sondern sie haben stets, wie leider auch dieses Jahr, die polizeilichen Gefahrenprognosen abgesegnet.

Ihr jahrelanger politischer Druck hat schon ausgereicht, um die Versammlungsfreiheit in Dresden erheblich zu beschränken. Das neue Versammlungsgesetz kann schon nicht mehr mehr Schaden erreichen, als bisher schon angerichtet worden ist. Denn selbst Sie können das Grundrecht der Versammlungsfreiheit in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts nicht ganz aushebeln.

Meine Damen und Herren, ich bin froh, dass es so ist, und das ist auch gut so.

Dieses Gesetz bedeutet eine Grenzüberschreitung. Die Koalition möchte die Bedeutung eines Symbols, nämlich das, wofür die Rekonstruktion der Frauenkirche stehen soll, gesetzlich festschreiben und alle anderen Deutungen repressiv unterdrücken. Ein Erinnerungsort lässt sich in seiner Bedeutung, in seinem Symbolgehalt aber weder aktuell noch für die Zukunft eindeutig festlegen. Der Staat mischt sich also so mit repressiven Mitteln in den öffentlichen Meinungskampf ein, der grundsätzlich frei von staatlicher Einflussnahme zu sein hat.

Diese Grenzüberschreitung des Staates – Herr Dr. Martens, das wissen Sie ganz genau – ist kennzeichnend für ideologische Staatssysteme, die vorschreiben und kontrollieren wollen, was ihre Bürgerinnen und Bürger zu denken und zu fühlen haben. Sie ist angesichts der Flüchtigkeit von Symbolgehalten nutzlos und einer freiheitlichen Demokratie unwürdig.

Nein, meine Damen und Herren, dieses Gesetz ist eine schädliche symbolische Gesetzgebung, die nicht erreicht, was sie vorgibt, aber Tür und Tor für willkürliche Verbote öffnet. Sie ist ein Zeugnis dafür, dass diese Koalition abweichende Meinungen nicht ertragen möchte, sondern sie lieber kriminalisiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie ist ein Zeugnis für die schwache Verankerung demokratischer Grundwerte 20 Jahre nach der friedlichen Revolution. Ich sage Ihnen: Akzeptieren Sie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, akzeptieren Sie endlich die Risiken der Freiheit und beerdigen Sie möglichst schnell diesen schädlichen Gesetzentwurf!

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und des Abg. Dr. Johannes Müller, NPD)

Vielen Dank, Herr Lichdi. – Es spricht nun Herr Apfel für die NPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die NPD unterstützt natürlich durchaus die Aufforderung der Linken an die Staatsregierung, keine landesrechtlichen Vorschriften zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit zu entwickeln. Wenn es in der Regierungspolitik der letzten Jahre irgendwo Kontinuität gab, dann wohl im Kampf gegen Rechts. Als letztes Aufgebot der Regierung sollen nun auch noch Schritt für Schritt die Grundrechte demontiert werden. Nicht die gravierende Massenarbeitslosigkeit, nicht die Verelendung immer größerer Volksschichten, nicht die fortschreitende Abwanderung sind für Sie ein Problem, sondern der Kampf gegen Andersdenkende, die sich erlauben, zum Beispiel trotz einseitiger Befreiungshysterie auch die Kriegsverbrechen der Alliierten beim Namen zu nennen.

Im Beitrag der CDU und der FDP ist deutlich geworden, dass ein Gesetz geschaffen werden soll, das nicht nur bewusst Deutschen verbieten soll, am 13. Februar Trauer

im Gedenken an die Vernichtung Dresdens auszudrücken, ein Gesetz, das nationale Deutsche am 13. und 14. Februar in der Innenstadt von Dresden zu unerwünschten Personen erklärt, ein Gesetz, das Patrioten zwar noch keinen Stern am Mantel vorschreibt, aber ihnen verbieten soll, sich im friedlichen Gelände zu versammeln, wie es alljährlich der Fall war. Es genügt Ihnen nicht mehr, die Zahl der Bombenopfer zu verschleiern und auf Bruchteile herunterzurechnen, nein, Sie instrumentalisieren das hunderttausendfache Leid der 1945 ermordeten Menschen für Ihren Kampf gegen Rechts.

65 Jahre nach diesem organisierten Verbrechen am deutschen Volk sind die Herrschenden so tief gesunken, dass Sie Trauer per Gesetz verbieten wollen. Meine Damen und Herren, Sie sollten sich schämen.

(Beifall bei der NPD)

Natürlich begrüßt es die NPD, dass auch DIE LINKE die Aushöhlung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit kategorisch ablehnt. Im Unterschied zu anderen Fraktionen geht es uns nicht um den Absender eines Antrags, sondern um die Inhalte, und zumindest der Tenor, grundgesetzliche Freiheiten vor den tatsächlichen Feinden der Freiheit zu schützen, ist unterstützenswert.

Es verwundert natürlich nicht, dass DIE LINKE ihren Antrag vornehmlich damit begründet, dass der Regierungsentwurf auch Einschnitte für die Grundrechte gewaltbereiter linksradikaler Gegendemonstranten bringen könnte. Damit bedient man natürlich die eigene Wählerklientel.

Tatsache ist: Wenn es Gruppen gibt, die das Versammlungsgrundrecht missbrauchen und die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährden, dann sind es linkskriminelle Anarchisten und pubertierende Antifaschisten, die in ihrer argumentativen Ohnmacht immer häufiger zu Steinen und Brandsätzen greifen, und nicht etwa deutsche Patrioten und Nationalisten!

Nicht von ungefähr musste selbst Berlins Innensenator Körting gerade erst gestern einräumen, dass es in Berlin als Hauptstadt der Gewalt deutlich mehr linke als sogenannte rechte Gewalt gebe. Der Verfassungsschutz warf der Linken vor, dass sie sich nicht nur nicht genug von linker Gewalt distanziert, sondern diese sogar rechtfertigt.

Meine Damen und Herren! Wenn aber der Pöbel die Straße regiert, kann das nicht zulasten friedlicher volkstreuer Deutscher gehen, die in stiller Trauer der Zerstörung Dresdens gedenken wollen.

(Zuruf von den GRÜNEN: Ekelhaft!)

Das geltende Versammlungsrecht des Bundes, meine Damen und Herren, würde genügend Möglichkeiten bieten, den kriminellen Mob in die Schranken zu weisen und trotzdem das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit zu gewährleisten. Kaum dass aber das Versammlungsgesetz mit der Föderalismusreform in die Obhut der Länder gegeben wurde, zeigt sich die undemokratische Gesin

nung der Union. Sie freuen sich über den Rückzug des Bundes und wollen die neu gewonnene Freiheit nutzen, um die Freiheit anderer zu beschneiden. Sie wollen die kollektive Kundgabe von Meinungen Andersdenkender im Ansatz ersticken.

Ein solches Gesetz, meine Damen und Herren, wurde nicht etwa von Rot-Grün auf den Weg gebracht, sondern von einer Regierung, die neben der Union auch von der FDP getragen wird, jenen also, die so gern das Wort Freiheit im Munde führen, eine Liberalität, die nicht für Freiheit, sondern für Feigheit steht, Feigheit gegenüber Volk und Vaterland, Feigheit gegenüber Andersdenkenden, Feigheit gegenüber jeder wirklichen Form von Freiheit!

Die NPD-Fraktion wird sich beim vorliegenden Antrag enthalten, da wir anders als die Linken nicht nur Ja zur Versammlungsfreiheit, sondern auch Ja zu einem eigenen sächsischen Versammlungsgesetz sagen, allerdings einem wirklich freiheitlichen Versammlungsgesetz; einem Versammlungsgesetz, das sich an den zentralen Grundrechten des Grundgesetzes orientiert, so wie wir es in unserem eigenen Gesetzentwurf formuliert haben. Wir wollen echte Meinungsfreiheit für alle friedlichen Akteure, ein Versammlungsrecht, das seinen Namen auch verdient und nicht Spielball politischer Tagelöhner ist!

Meine Damen und Herren! Lassen Sie nicht zu, dass das Versammlungsgesetz als eines der höchsten Güter des Rechtsstaates der politischen Willkür geopfert wird!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Die erste Runde ist beendet. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Für die Fraktion DIE LINKE Frau Abg. Bonk.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ja gerade die traurige Ironie, Herr Schiemann, dass 20 Jahre nach den Demonstrationen, derer wir uns heute Morgen erinnerten und die die Welt veränderten, weil die Menschen ihr verfassungsmäßiges Recht auf Versammlungsfreiheit wahrnahmen, dieses Recht auf Versammlungsfreiheit eingeschränkt werden soll.

Es war zwar keine Überraschung, dass ein sächsisches Versammlungsgesetz kurz nach der Regierungsbildung auf unsere Tische flatterte. Das war angekündigt und ist trotzdem durch nichts zu rechtfertigen. Sogar dass die FDP, die sich eifrig bemüht, die bürgerrechtliche Kolorierung in ihrem Profil schnell zu verlieren, dabei sein würde, war im Vorfeld klar. Kollegin Friedel ist auf die Reihenfolge der Stellungnahmen eingegangen. Aber klar ist auch: Sie lösen mit diesem Gesetz kein einziges Problem; stattdessen beschneiden Sie die Demokratie, wo Sie sie zu schützen vorgeben.

Die Regelungstiefe – darauf ist noch nicht eingegangen worden – soll enorm sein und schlösse ganze Spektren

demokratischer Willensbildung von der politischen Teilhabe aus. Zum Beispiel steht in Ihrem Gesetzentwurf geschrieben, dass die Möglichkeit bestehen soll, Versammlungen zu versagen, wenn ein ähnliches Thema von einem ähnlichen Anmelder an einem ähnlichen Datum – und davon ist eines dieser Kriterien ausreichend – schon einmal angezeigt worden ist und da schon einmal sicherheitspolitische Bedenken bestanden. Das würde bedeuten: Die Anti-AKW-Bewegung, der Protest zum Erhalt des Welterbes, Organisationen mit dem Schwerpunkt auf das Engagement gegen Nazis – alle, die Mittel des zivilen Ungehorsams als Protestform jemals in Erwägung gezogen haben, können durch Ihren Gesetzentwurf marginalisiert und von der Wahrnahme ihrer Grundrechte ausgeschlossen werden. Das ist ein Skandal, würde ich sagen.

Das Versammlungsrecht ist nämlich ein Grundrecht. Es ist so gedacht, dass die Bürgerinnen und Bürger ihre Versammlungen anzeigen, damit eine Verwaltung den entsprechenden organisatorischen Rahmen bereitstellen kann. Lange Voranmeldefristen waren da zum Beispiel etwas, mit dem mancherorts von Ämtern versucht wurde, Einfluss zu nehmen, da dieses Recht auch spontan genutzt werden kann.

Zur Wahrheit über die Bannmeile des Landtages, Herr Schiemann, gehört auch, dass es zwar keine gibt, dass aber im Gefolge bestimmter Ereignisse auch das Versammlungsrecht dort schon eingeschränkt worden ist, indem es auf die Wahrnahme zu bestimmten Anlässen im Zusammenhang mit der Tagesordnung beschränkt worden ist. Auch das ist eine Einschränkung, die eher zulasten der Demokratie geht.

Die Behörden sollen nach Ihrem Gesetzentwurf – Kollege Bartl ist schon darauf eingegangen, welchen Flickenteppich das bringen würde – darüber entscheiden können, ob dem Bürger das Recht, das ihm ja eigentlich zusteht, auch zu gewähren ist.

Ordnung und Sicherheit werden zu Beginn Ihres Gesetzentwurfes schon begrifflich über Freiheit, Demokratie und die Wahrnahme dieses Grundrechtes gestellt. Diese Umdrehung ist ein weiterer Angriff auf das grundgesetzlich geschützte Verhältnis zwischen Staat und Bürger, von denen wir dieser Tage viele verzeichnen mussten, aber den die öffentliche Debatte in den nächsten Tagen und sicherlich auch die Verfassungsrichter nicht durchgehen lassen werden.

Es ist erstaunlich, dass dieser Gesetzentwurf, der unter Sonstiges im Ausschuss eingebracht wurde, drei Wochen später schon zur Anhörung gestellt wird. Die Opposition hat da natürlich Schwierigkeiten, Sachverständige zu finden. Dass Sie als regierungstragende Fraktion die Möglichkeit hatten, vorher jemanden einzuladen, wird noch zu bewerten sein.

Insgesamt kann man sagen: Geschluder ist das, Verfahrensbeugung.

Sie wollten sich nicht den Vorwurf machen lassen, dass es sich um eine Lex Dresden handelt. Deswegen ist der

Ausschuss an keiner Stelle angesprochen worden, warum es überhaupt so schnell gehen muss. Der Koalitionsvertrag sagt darüber mehr. Im Zusammenhang mit dem Gesetz versuchen Sie es zu vermeiden, aber für Koalition und Staatsregierung geht es ganz klar darum, dieses Gesetz bis zum 13. Februar durchzupeitschen, auch wenn das die Probleme um die größte verbliebene europaweite Nazidemonstration nicht lösen wird. Sie werden keine einzige Neonazidemonstration aufgrund dieses Gesetzes verhindern. Verbote lösen keine Probleme. Da wird auf andere Daten ausgewichen werden können. Man ändert die Anmelder und schon steht das Problem noch immer.

Stattdessen ist eine Stärkung demokratischer Kultur gefordert, und zwar unter Teilnahme aller Fraktionen, worauf Kollegin Friedel schon hingewiesen hat. Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, in Sicht- und Rufweite ihre Ablehnung gegenüber braunen Brandstiftern ausdrücken zu können.